Quelltext der Seite Sangha-Gesetz (Thailand)

Das thailändische '''Sangha-Gesetz''' ({{thS|พระราชบัญญัติคณะสงฆ์|RTGS=Phraratchabanyat Khana Song}}), in der Literatur meist unter der englischen Bezeichnung ''Sangha Act'', ist die gesetzliche Regelung zur staatlichen Kontrolle der Organisation und Verwaltung der [[Buddhistisches Mönchtum|buddhistischen Mönchsgemeinschaft]] ''(Mahāsangha)'' Thailands. Es wurde erstmals 1902 erlassen (45 Paragraphen), 1941 im demokratischen Sinn überarbeitet (60 Paragraphen) und 1962 zu einer streng zentralistischen Ausgestaltung revidiert. Letztere Fassung ist im Kern bis heute in Kraft. 

Nach allen Fassungen steht an der Spitze der [[Oberster Mönchspatriarch Thailands|oberste Mönchspatriarch]] (''Saṅgharāja''; {{lang|th|สมเด็จพระสังฆราช}}, Somdet Phra Sangkharat). Durch die Bestimmungen der aktuellen Version kommen dem ''Saṅgharāja'' und seinem Obersten Rat (''Mahāthera samāgama'', {{lang|th|มหาเถรสมาคม}}, Mahatherasamakhom, wörtlich „Versammlung der Ältesten“) aus höchstrangigen Klerikern weitreichende Kontroll- und Weisungsbefugnisse über die nominell unabhängigen Äbte der einzelnen Klöster zu, die in dieser Form durch die Lehre des Buddha nicht gedeckt sind. Dies führte auch zur Herausbildung eines Systems „geistlicher Ränge“ (''Samanasak'', {{lang|th|สมณศักดิ์}}) von denen in Thailand gegenwärtig 62 unterschieden werden.<ref>Jetzige Fassung festgelegt auf der ''Mahātherasamakhom''-Tagung 6/2541 am 27.&nbsp;Feb. 2541 (1998). (Vgl. John P. Ferguson: ''[http://www.siamese-heritage.org/jsspdf/1971/JSS_064_1g_FergusonShalardchaiRamitanondh_MonksAndHierarchyInNorthernThailand.pdf Monks and Hierarchy in Northern Thailand.]'' In: ''Journal of the Siam Society'', Band 64, 1976, S. 104–150, Tab.&nbsp;II auf S.&nbsp;143f.)</ref> 

== 1902 ==
Durch das Gesetz von 1902<ref>{{cite journal|journal=Royal Gazette|volume=19|issue=13|pages=214|title=พระราชบัญญัติลักษณะปกครองคณะสงฆ์|url=http://www.ratchakitcha.soc.go.th/DATA/PDF/2445/013/214.PDF|date=1902-06-29|language=Thai}}</ref> schuf man als Exekutivorgan die ''Mahāthera samāgama'' (Quorum&nbsp;5). Die praktische Ausgestaltung der Verwaltung erfolgte durch den Königssohn und zehnten Patriarchen [[Vajirananavarorasa|Vajirañāṇavarorasa]]. Die Ergänzungen zum Gesetz 1931 und 1933 legten fest, dass die Genehmigung eines Tempelbezirks (''Sīmā,'' einer Art „Freistatt“) im Amtsblatt zu veröffentlichen ist, bzw. dass eine Eigentumsübertragung von Tempelgrund<ref>Detailliert: [https://sujato.wordpress.com/2010/07/09/who-owns-a-monastery-in-thai-law/ Who owns a monastery in Thai law?] (zugriff am 14. Mai 2015)</ref> eines Gesetzes bedarf.

== 1941 ==
Das demokratisch inspirierte Sangha-Gesetz von 1941<ref>{{cite journal|journal=Royal Gazette|volume=58|issue=0 ก|pages=1391|title=พระราชบัญญัติคณะสงฆ์ พุทธศักราช ๒๔๘๔|url=http://www.ratchakitcha.soc.go.th/DATA/PDF/2484/A/1391.PDF|date=1941-10-14|language=Thai}}</ref> kopierte fast eins zu eins den weltlichen Staatsaufbau. Es sah als Institutionen vor: 
# ''Saṅghasabhā,'' ({{lang|th|สังฆสภา}}, Sangkhasapha) die „Mönchs-Synode“, mit maximal 45&nbsp;Mitgliedern – analog zur weltlichen [[Nationalversammlung (Thailand)|Nationalversammlung]] (Ratthasapha)
# ''Gana vinayadhara'' ({{lang|th|คณะวินัยธร}}, Khana Winaithon), die geistlichen Gerichtshöfe, auch hier gab es einen Drei-Instanzenzug wie bei den ordentlichen Gerichten im weltlichen Bereich
# das „Kabinett“ ({{lang|th|คณะสังฆมนตรี}}, Khana Sangkhamontri) mit exekutiver Funktion, vom Patriarchen ernannt, mit maximal zehn Mitgliedern. Gegliedert in vier Bereiche: Verwaltung, Mission, Ausbildung sowie Bauten – eine Analogie zum weltlichen Regierungskabinett (Khana Ratthamontri). Dem Kabinett stand ein ''Sangha Nayok'', also ein „Sangha-Premierminister“ vor. Diesem kam die administrative Leitung der Sangha zu, während der Oberste Patriarch (Saṅgharāja) nur noch zeremonielles Oberhaupt war (wie der König in der konstitutionellen Monarchie)

Dem Kabinett unterstand eine territoriale Gliederung, die wiederum dem weltlichen Staatsaufbau nachempfunden war und über Regionen ''(phak)'', Provinzen ''([[changwat]])'', Bezirke ''([[amphoe]])'', Gemeinden ''([[tambon]])'' bis hinunter zu den Klöstern ''([[wat]])'' als kleinste Einheit ging. Ein Ziel des Gesetzes war, die Vormachtstellung des bis dahin privilegierten, aber viel kleineren Ordens [[Thammayut-nikai]] über den Mahānikai, dem die große Mehrzahl der Klöster und Mönche angehörte aufzuheben.<ref>Kamala Tiyavanich: Forest Recollections. Wandering Monks in Twentieth-Century Thailand. University of Hawai’i Press, 1997, S. 189.</ref>

Vom Konzil beschlossene Verordnungen (''saṅghāṇati'', {{lang|th|สังฆาณัติ}}, Sangkhanat) ergingen indirekt durch den Patriarchen.

Nach dem Gesetz sollte innerhalb von acht Jahren das seit dem 19. Jahrhundert bestehende Schisma in zwei separate Orden, den traditionell königsnahen, elitäreren [[Thammayut-nikai]] und den eher volksnahen [[Mahānikai]], überwunden werden. Als Vorbild dazu gründete die Regierung 1942 den neutralen Wat Samahathat, dem zwölf Thammayut- und ebenso viele Mahanikai-Mönche angehörten. Die Wiedervereinigung scheiterte jedoch.

== 1962 ==
Die Streitigkeiten zwischen Mahānikai (92 % der Tempel) und der in der Synode mit fast der Hälfte der Sitze überrepräsentierten Thammayut um die Nachfolge des 1958 verstorbenen obersten Patriarchen nutzte die Regierung des Diktators [[Sarit Thanarat]], als Vorwand, das Sangha-Gesetz von 1962<ref>{{cite journal|journal=Royal Gazette|volume=79|issue=115 ก ฉบับพิเศษ|pages=29|title=พระราชบัญญัติคณะสงฆ์ พ.ศ. ๒๕๐๕|url=http://www.ratchakitcha.soc.go.th/DATA/PDF/2505/A/115/29.PDF|date=1962-12-31|language=Thai}}</ref> zu erlassen, sodass die Organisation nun streng hierarchisch und zentralistisch ist. Die Sangkhasapha und die anderen, einer demokratischen Regierung nachempfundenen Organe des Sangha-Gesetzes von 1941 wurden durch dieses wieder abgeschafft.

Seither übt der Saṅgharāja die Sangha-interne Rechtssetzung, Rechtsprechung und Verwaltung aus.<ref>Jackson: ''Buddhism, Legitimation, and Conflict.'' 1989, S. 80.</ref> Er steht dem weisungsbefugten „Obersten Rat“ des ''Mahātherasamakhom'' vor. Diesem gehören alle Ordinierten im ''Somdet''-Rang, plus vier bis acht Ernannte an.<ref>Es handelt sich wahrlich um ein „Konzil der Ältesten“ (''Mahāthera''). Im Jahre 2006 gab es 21&nbsp;Mitglieder. Praktisch kein Mitglied war je unter 60, die meisten Gerontokraten sind über 80. Die Parallelen zu katholischen [[Kurienkardinal|Kurienkardinälen]] und ihrem zutiefst reaktionären Weltbild sind augenfällig.</ref> Die Aufnahme in das Konzil geschieht theoretisch nach Dienstalter von Äbten bestimmter bedeutender Tempel, die diese Posten jedoch wiederum nur bei nachgewiesener Regimetreue erreichen können. Kaum Chancen haben Angehörige heterodoxer Strömungen wie [[Santi Asoke]], [[Wat Phra Dhammakaya|Dhammakaya]] oder der im Nordosten verbreiteten [[Dhutanga|Waldmönchbewegung]], wobei letztere allerdings seit den 1960ern eher in den Mainstream aufgenommen werden.<ref>Vgl. hierzu: Tiyavanich, Kamala; ''Forest recollections: wandering monks in twentieth-century Thailand;'' Honolulu 1997 (University of Hawai’i Press); ISBN 0-82481781-8</ref> Die Trennung und Unabhängigkeit der beiden Orden – Thammayut und Mahanikai – wurde durch das Gesetz von 1962 bestätigt.<ref>Jackson: ''Buddhism, Legitimation, and Conflict.'' 1989, S. 81.</ref>
 
Auf regionaler Ebene folgt man der Gliederung des Staates in [[Changwat|Provinzen]] und ''[[Amphoe]].'' Als staatlicher Kontrolleur ist der Generaldirektor der Abteilung für religiöse Fragen im Erziehungsministerium ''ex officio'' als Generalsekretär beigestellt. Die Zentralgewalt erhielt das Recht der Zensur (''niggaha-kamma'') und darf die [[Laisierung (Buddhismus)|Rückversetzung eines Mönchs in den Laienstand]] anbefehlen (จับสึก, ''jap seuk''), was ggf. mit Mitteln des Strafrechts (§§&nbsp;206-8 ThaiStGB) durchgesetzt werden kann. 

;Staatliche Stellen
Die staatlichen Kontrollorgane wurden zuletzt 2002 reorganisiert. Das „Amt für religiöse Angelegenheiten“ im Erziehungsministerium wurde getrennt in eine „Abteilung für nationalen Buddhismus“ in der Staatskanzlei und ein „Amt für religiöse Angelegenheiten“, das nun im Kultusministerium angesiedelt ist. Während ersteres für Verwaltungsfragen der [[Theravada]]-Sangha zuständig ist, kümmert man sich in letzterem um die wenigen [[Mahāyāna]]-Tempel, christlichen Kirchen aber auch allgemeine kulturelle religiöse Aktivitäten, wie Tempelfeste usw. Unterhalb der Ebene des Konzils bleiben Mahanikai und Thammayut vollkommen getrennt.

== Siehe auch ==
* [[Geistlicher Rang in Japan]]

== Literatur ==
* Peter A. Jackson: ''Buddhism, Legitimation, and Conflict. The Political Functions of Urban Thai Buddhism.'' Institute of Southeast Asian Studies, Singapur 1989, Kapitel 4 ''State Control of the Sangha in the Twentieth Century'', S. 63–93.
* Aye Kyaw: ''[http://www.siamese-heritage.org/jsspdf/1981/JSS_072_0i_AyeKaw_SanghaOrganizationIn19thCenturyBurmaAndThailand.pdf The Sangha Organisation in Nineteenth Century Burma and Thailand.]'' In: Journal of the [[Siam Society]] (JSS), Band&nbsp;72, 1984, S.&nbsp;166–96
* Handley, Paul M.; ''The King Never Smiles: a Biography of Thailand’s Bhumibol Adulyadej;'' New Haven 2006 (Yale University Press); ISBN 9780300106824 [zum politischen Hintergrund]
* Mahāmakut Rājavidyālaya Education Council (Hrsg.): ''Acts on the Administration of the Buddhist Order of Sangha.'' Bangkok 1963; [Kommentar zum Sangha-Gesetz (1962)]
* Mahāmakuta Educational Council, Mahāmakutrātchawitthayālai (Hrsg.): ''Acts on the administration of the Buddhist order of Saṅgha.'' Band 1: ''Act of the 121st Ratanakosin year, B.&nbsp;E. 2445 A.D. 1902, in the reign of King Rama&nbsp;V (King Chulalongkorn).'' Band 2: ''Act of the Buddhist era 2484, in the reign of King Rama&nbsp;VIII (King Ananda Mahidol).'' Band 3: ''Act of the Buddhist era 2505, in the reign of King Rama&nbsp;IX (King Phumibol Adulayadej)''. Bangkok 1989.
* Sophana, Sāsana [Phra]; Mahāmakuta Educational Council [Mahāmakutrātchawitthayālai]; ''Maxims of the Sangharāja of the Thai sangha and the government of the Thai sangha;'' Bangkok 2510 B.&nbsp;E. [1967] (Siva Phorn Ltd.)
* Sunthorn Na-rangsi: ''[http://www.thaibuddhism.net/pdf/admin_thai_sangha.pdf Administration of the Thai Sangha. Past, Present and Future.]'' In: ''Chulongkorn Journal of Buddhist Studies'', Band 1, Nr. 2, 2002, S. 59–74.
* Wichīan ’ākātsarœk; Sunthōn Suphūtayōthin; ''Prawat samanasak læ phatyot;'' [Bangkok] 1985; [Thai: „Geschichte der geistlichen Ränge und Fächer.“]

== Weblinks ==
* [https://th.wikisource.org/wiki/%E0%B8%9E%E0%B8%A3%E0%B8%B0%E0%B8%A3%E0%B8%B2%E0%B8%8A%E0%B8%9A%E0%B8%B1%E0%B8%8D%E0%B8%8D%E0%B8%B1%E0%B8%95%E0%B8%B4%E0%B8%84%E0%B8%93%E0%B8%B0%E0%B8%AA%E0%B8%87%E0%B8%86%E0%B9%8C_%E0%B8%9E%E0%B8%B8%E0%B8%97%E0%B8%98%E0%B8%A8%E0%B8%B1%E0%B8%81%E0%B8%A3%E0%B8%B2%E0%B8%8A_%E0%B9%92%E0%B9%94%E0%B9%98%E0%B9%94 Volltext] (Thai auf ''wikisource'')

== Einzelnachweise ==
<references />

[[Kategorie:Recht (Thailand)]]
[[Kategorie:Buddhismus in Thailand]]

<!-- Hauptquelle: [stark erweiterte Neuausgabe 2014: [http://www.bod.de/buch/karl-doehring/buddhistische-tempelanlagen-in-thailand/9783735739032.html ISBN 978-3-7357-3903-2] S. 432f. von  Karl Döhring: ''Buddhistische Tempelanlagen in Siam'' Orig.: Bangkok und Berlin 1920, 3 Bände  -->