Quelltext der Seite Stahlstreit zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten

Der '''Stahlstreit zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika''' beschreibt eine wechselseitig [[Protektionismus|protektionistische]] Außenhandelspolitik, bei der die Kontrahenten die [[Stahl]]importe und andere Waren aus dem Wirtschaftsraum des jeweils anderen mit [[Zoll (Abgabe)#Schutzzoll (Protektionszoll)|Schutz-]] bzw. [[Zoll (Abgabe)#Vergeltungszoll (Retorsionszoll)|Vergeltungszöllen]] belegen.

== Stahlstreit 2002/2003 ==
=== Auslöser ===
Nach »Section 201 Trade Act of 1974«<ref>[https://legcounsel.house.gov/Comps/93-618.pdf TRADE ACT OF 1974] Website des [[Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten|US-Repräsentantenhauses]], abgerufen am 25. Juli 2018 (englisch)</ref>  belegte US-Präsident [[George W. Bush]] mit Wirkung zum 20. März 2002 bestimmte Stahleinfuhren mit Schutzmaßnahmen bis hin zu Zöllen in Höhe von 30 %  mit einer Gültigkeit von zunächst drei Jahren. Nach Art. 201 des US-Handelsgesetzes können US-Branchenverbände Importbeschränkungen erwirken, wenn sie nachweisen, dass durch die Einfuhren die Existenz der heimischen Unternehmen gefährdet ist.<ref>Wolf Schäfer: [http://www.cesifo-group.de/DocDL/ifosd_2002_10_1.pdf ''Protektion und Gegenprotektion – ein Negativsummenspiel''] in: ''Importquoten und Schutzzölle: Droht ein Handelskrieg zwischen der EU und den USA?'' [[ifo Schnelldienst]] 10/2002, S. 8 ff.</ref> Die Maßnahmen betrafen rund die Hälfte aller amerikanischen Stahleinfuhren. Da der Lieferschwerpunkt aus Europa bei den besonders betroffenen [[Walzen#Breit-/Flachprodukte|Flacherzeugnissen]] lag und die EU  der größte Stahlexporteur auf dem amerikanischen Markt ist, waren EU-Stahlexporte in die USA zu einem Anteil von fast 70 % betroffen.<ref>Dieter Ameling: [http://www.cesifo-group.de/DocDL/ifosd_2002_10_1.pdf ''Schutzzölle auf amerikanische Stahleinfuhren – ein Spiel von Präsident Bush mit dem Feuer''] in: ''Importquoten und Schutzzölle: Droht ein Handelskrieg zwischen der EU und den USA?'' [[ifo Institut für Wirtschaftsforschung#Veröffentlichungen|ifo Schnelldienst]] 10/2002, S. 3 f.</ref>

Der europäische [[Wirtschaftsverband]] [[Eurofer]] versuchte daraufhin gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung, Ausnahmen – so genannte »product exclusions« – von den Zöllen in den USA zu erhalten. Für einen Zeitraum von 200 Tagen legte die [[EU-Kommission]] zunächst für 15 Produktkategorien bestimmte Mengen fest, bei deren Überschreitung ein Zoll von 25 % fällig wurde. Es sollte eine Überschwemmung des EU-Marktes infolge der weitgehenden Abschottung des amerikanischen Stahlmarktes verhindert werden.

Die EU-Kommission betrieb daraufhin zusammen mit Japan, Korea, China, Australien und Neuseeland ein Verfahren vor der [[Welthandelsorganisation#Streitschlichtungsfunktion|WTO]] mit dem Ziel einer Abschaffung der amerikanischen Maßnahmen sowie einer Liberalisierung von Einfuhren bei anderen Waren als Ausgleich für die getroffenen Schutzmaßnahmen.

=== Hintergründe ===
Die USA begründeten die teilweise Anhebung der Schutzzölle um bis zu 30 % mit den unvorhersehbaren Folgen der [[Asienkrise]], die 1997 begonnen und in den USA zu einem Anstieg von Billigimporten der in Asien nicht mehr absetzbaren Stahlprodukte geführt hatte. Die EU, Japan und einige andere Staaten lehnten diese Argumentation mit der Begründung ab, dass die Krise sich bereits Anfang 2001 abgeschwächt habe. Schutzzölle seien nach den [[WTO|WTO-Statuten]] nur in engen Grenzen möglich.<ref> Bernhard Zangl: ''Die Internationalisierung der Rechtsstaatlichkeit. Streitbeilegung in GATT und WTO''. Frankfurt/M. 2006, S. 153 [http://books.google.de/books?id=-5jwxoDMQ6IC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_atb#v=onepage&q&f=false Google Books]</ref>

Tatsächlich zeigten sich bereits seit den sechziger Jahren Krisenerscheinungen in der amerikanischen Stahlindustrie mit erheblichem Arbeitsplatzabbau in den achtziger Jahren, der die Gesamtbeschäftigtenzahl praktisch halbierte. Außerdem hatte der Stahlstreit eine globale Dimension in der Gestalt von weltweiten [[Überkapazität#Volkswirtschaftslehre|Überkapazitäten]]. Schließlich hatte er eine innenpolitische Dimension, die sowohl mit dem Versuch des Präsidenten zusammenhing, ein Mandat für Handelsliberalisierung vom [[Kongress der Vereinigten Staaten|Kongress]] zu erhalten (''trade promotion authority'') sowie den kurzfristigen Wahlaussichten republikanischer Abgeordneter in den Wahlbezirken des sog. [[Rust Belt]] als auch den langfristigen Wahlaussichten des Präsidenten selbst.<ref>Andreas Falke: [http://www.cesifo-group.de/DocDL/ifosd_2002_10_1.pdf ''Hintergründe des Stahlkonfliktes zwischen der EU und den USA''] in: ''Importquoten und Schutzzölle: Droht ein Handelskrieg zwischen der EU und den USA?'' [[ifo Schnelldienst]] 10/2002, S. 5 ff.</ref>

=== Entscheidung der WTO ===
Der [[WTO Appellate Body|Appellate Body]] entschied am 10. November 2003 zugunsten der Beschwerdeführer.<ref>[https://www.wto.org/english/tratop_e/dispu_e/cases_e/ds252_e.htm ''Dispute Settlement 252: United States — Definitive Safeguard Measures on Imports of Certain Steel Products''] Website der WTO, abgerufen am 25. Juli 2018 (englisch)</ref>

Die [[United States International Trade Commission]] (ITC) habe die gem. Art. XIX 1a GATT<ref>[https://www.wto.org/english/docs_e/legal_e/gatt47_02_e.htm#articleXIX ''Article XIX: Emergency Action on Imports of Particular Products''] The General Agreement on Tariffs and Trade (GATT 1947), Website der WTO, abgerufen am 25. Juli 2018 (englisch)</ref> erforderliche "unerwartete Entwicklung" nicht hinreichend dargelegt, die die ergriffenen Schutzmaßnahmen zugunsten der US-Wirtschaft rechtfertigen könnten. Die auch nach dem ''Safeguards Agreement''<ref>[https://www.wto.org/english/docs_e/legal_e/25-safeg.pdf ''Agreement on Safeguards''] Website der WTO, abgerufen am 25. Juli 2018 (englisch)</ref> erforderliche Gefährdung der heimischen Wirtschaft durch wettbewerbsverzerrende Einfuhrmengen sei nicht nachgewiesen. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, warum die USA die Mitgliedstaaten des [[Nordamerikanisches Freihandelsabkommen|Nordamerikanischen Freihandelsabkommens]] (NAFTA) [[Mexiko]] und [[Kanada]] sowie [[Israel]] und [[Jordanien]] von den Maßnahmen ausgenommen hatten.<ref>[https://www.wto.org/english/tratop_e/dispu_e/cases_e/1pagesum_e/ds252sum_e.pdf ''US – STEEL SAFEGUARDS (DS248, 249, 251, 252, 253, 254, 258, 259)''] WTO Dispute Settlement: One-Page Case Summaries, abgerufen am 25. Juli 2018 (englisch)</ref><ref>[http://www.spiegel.de/wirtschaft/welthandel-usa-verlieren-stahlstreit-mit-eu-a-256876.html ''Welthandel: USA verlieren Stahlstreit mit EU''] [[Der Spiegel]], 11. Juli 2003</ref><ref>[http://www.n-tv.de/archiv/Sieg-fuer-die-EU-article104580.html ''Stahlstreit: Sieg für die EU''] [[n-tv]], 11. Juli 2003</ref> Die Maßnahmen seien als Verstoß gegen die liberalen WTO-Handelsregeln unzulässig.<ref>[http://www.handelsblatt.com/politik/international/wto-weist-einspruch-zurueck-niederlage-fuer-die-usa-im-stahlstreit-mit-der-eu/2284960.html  ''Niederlage für die USA im Stahlstreit mit der EU''] [[Handelsblatt]], 10. November 2003</ref>

Nachdem der Dollar-Kurs nachgegeben und vor allem die Autoindustrie höhere Materialpreise beklagt hatte, außerdem rund 200 000 Arbeitsplätze in der amerikanischen Stahlindustrie verloren gegangen waren, hob Präsident Bush die Strafzölle wieder auf. Er musste sich vorwerfen lassen, vor der "europäischen Erpressung" kapituliert zu haben.<ref>[https://industriemagazin.at/a/stahlstreit-von-2002-als-praesident-bush-dem-druck-europas-nachgab ''Stahlstreit von 2002: Als Präsident Bush dem Druck Europas nachgab''] [[Das Österreichische Industriemagazin|Industriemagazin]], 9. März 2018</ref>

== Handelsstreit 2017/2018 ==
Der Streit um die Mitte 2017 von US-Präsident [[Donald Trump]] angekündigte Überprüfung der amerikanischen Stahlimporte<ref>Henrike Rossbach: [http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/stahlstreit-mit-usa-versetzt-brigitte-zypries-in-alarmbereitchaft-15067868.html ''Der Stahlstreit mit Amerika eskaliert''] [[FAZ]], 19. Juni 2017</ref> könnte gütlich beigelegt werden.<ref name="faz-15708891">{{Internetquelle | url=https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/der-handelsstreit/trump-und-juncker-legen-handelskrieg-auf-eis-15708891.html | titel=Handelskrieg auf Eis | autor=Winand von Petersdorff | werk=[[Frankfurter Allgemeine Zeitung#FAZ.NET|FAZ.net]] | datum= |zugriff=2018-07-26}}</ref><ref>[https://www.zeit.de/2018/29/usa-eu-handelskrieg-verhandlungen-donald-trump ''USA und EU: Doch kein Krieg der Sterne?''] [[Zeit]], 11. Juli 2018</ref>{{zukunft|2019|1}}

== Literatur ==
* Oliver Schmidt: ''Zwischen Protektionismus und Globalisierung – der Stahlstreit zwischen USA und EU.'' In: Michael H. Stierle (Hrsg.): ''Globale und monetäre Ökonomie: Festschrift für Dieter Duwendag; mit 16 Tabellen.''  Physica-Verlag, Heidelberg 2003, S. 223–242. ISBN 3790800481

== Weblinks ==
* [[Peter Hilpold]]: [http://www.zaoerv.de/55_1995/55_1995_1_a_89_127.pdf ''Die Neuregelung der Schutzmaßnahmen im GATT/WTO-Recht und ihr Einfluß auf Grauzonenmaßnahmen''] [[Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht|ZaöRV]] 1995, S. 89–127
* [[Dieter Bender (Wirtschaftswissenschaftler)|Dieter Bender]]: [http://www.kas.de/wf/de/71.10937/ ''Internationale Handelsordnung''] [[Konrad-Adenauer-Stiftung|KAS]], abgerufen am 25. Juli 2018

== Einzelnachweise ==
<references />

{{Rechtshinweis}}

[[Kategorie:Internationaler Handel]]
[[Kategorie:Welthandelsorganisation]]
[[Kategorie:Außenhandelspolitik]]
[[Kategorie:Zollgeschichte]]
[[Kategorie:Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten]]