Quelltext der Seite Vergewaltigung

[[Datei:Tizian 094.jpg|mini|''Die Vergewaltigung der [[Lucretia]]'', Gemälde von [[Tizian]], 1571]]
[[Datei:LRW-SCALE-11-2018.jpg|mini|Weltweite statistische Übersicht von Vergewaltigungen je 100.000 Einwohner. (Stand: 2018)<br />Quelle: <nowiki>http://www.womanstats.org</nowiki> (''englisch'')]]
'''Vergewaltigung''' ist nach Artikel 36 des [[Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt|Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt]] (Istanbul-Konvention) das nicht einverständliche, sexuell bestimmte vaginale, anale oder orale Eindringen in den Körper einer anderen Person.<ref>[[Europarat]]: ''[http://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/210 Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. SEV Nr.210.]'' ([http://www.coe.int/web/conventions/full-list/-/conventions/webContent/8620761 Übersetzungen]: [http://rm.coe.int/CoERMPublicCommonSearchServices/DisplayDCTMContent?documentId=0900001680462535 de]) Istanbul, 11. Mai 2011.</ref>

Eine Vergewaltigung kann körperliche Verletzungen im Sinne eines [[Trauma (Medizin)|medizinischen Traumas]] verursachen und geht in der Regel mit schweren seelischen Verletzungen im Sinne eines [[Trauma (Psychologie)|psychischen Traumas]] einher. Wird das Trauma nicht verarbeitet, birgt es das Risiko einer [[Transgenerationale Weitergabe|transgenerationalen Weitergabe]]. Neben ggf. anhaltenden körperlichen oder seelischen Schmerzen kann es zu einer [[Sexuell übertragbare Erkrankung|Übertragung von Geschlechtskrankheiten]] oder einer [[Schwangerschaft]] kommen. Immer bedeutet die Vergewaltigung eine massive Verletzung der [[Autonomie|Selbstbestimmung]] des Opfers.

Die juristische Bewertung ist je nach Land unterschiedlich. Eine Vergewaltigung verletzt das Menschenrecht auf [[sexuelle Selbstbestimmung]], das vom deutschen [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetz]] als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit unter {{Art.|2|gg|juris|text=Artikel 2 Absatz 1 GG}} in Verbindung mit {{Art.|1|gg|juris|text=Art. 1 Abs. 1 GG}} gefasst wird.<ref>Tatjana Hörnle: ''[http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/uploads/tx_commerce/Menschenrechtliche_Verpflichtungen_aus_der_Istanbul_Konvention_Ein_Gutachten_zur_Reform_des_Paragraf_177_StGB.pdf Menschenrechtliche Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention. Ein Gutachten zur Reform des §&nbsp;177 StGB.]'' (PDF 0,4&nbsp;MB) Deutsches Institut für Menschenrechte, Berlin, Januar 2015</ref>

== Rechtslage ==
Nahezu alle gegenwärtigen Gesellschaften kennen einen Straftatbestand der Vergewaltigung und ächten diese als eine der schwersten Straftaten. Eine einheitliche Definition dieses Rechtsbegriffs gibt es jedoch nicht. Ein erzwungener Geschlechtsverkehr in der [[Ehe]] oder mit Gegnern im Verlauf kriegerischer Handlungen oder mit gesellschaftlichen Außenseitern ([[Minderheit]]en oder [[Sklave]]n) wurde oder wird nicht überall als strafwürdiges Verbrechen angesehen. Viele Gesellschaften kannten oder kennen zudem eine Schuldzuweisung an das [[Opfer (Kriminologie)|Opfer]], die sich etwa in [[Ausgrenzung]] bis zu zwangsweiser Eheschließung mit dem Vergewaltiger äußert. Noch im 20.&nbsp;Jahrhundert galten Vergewaltigungen in Beziehungen als Schande für die Frau, deren Tabuisierung und faktische Straflosigkeit weltweit erst von der [[Frauenbewegung#Zweite Welle|zweiten Frauenbewegung]] durchbrochen wurden.<ref>Ruth Becker, Beate Kortendiek: ''Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie'' (Geschlecht und Gesellschaft), VS Verlag 3. Auflage 2010, ISBN 978-3-531-17170-8, S. 871&nbsp;f.</ref><!-- Selbst Tötungen aufgrund richterlicher Todesurteile oder durch [[Lynchjustiz]] sind in Ländern mit islamischer Rechtsprechung ([[Schari’a]]) vorgekommen.<ref>Zum Beispiel: [http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,395085,00.html ''Iran will Vergewaltigungsopfer hinrichten''], ''Spiegel Online'', 14. Januar 2006; [http://hrw.org/english/docs/2007/11/16/saudia17363.htm ''Saudi Arabia. Rape Victim Punished for Speaking Out. Court Doubles Sentence for Victim, Bans Her Lawyer From the Case''], [[Human Rights Watch]] vom 17. November 2007.</ref> Die Quellen belegen die Darstellung nicht. -->

In Europa gilt in acht Staaten Geschlechtsverkehr als Vergewaltigung, wenn er ohne Zustimmung geschieht – Deutschland, Irland, Großbritannien, Belgien, Zypern, Island, Luxemburg und Schweden (Stand: 2019).<ref>{{Internetquelle |url=https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/wie-gewalt-gegen-frauen-verhindert-werden-soll-15907128.html |titel=Häusliche Gewalt: Politikerinnen fordern mehr Hilfsangebote für Frauen |werk=FAZ |datum=2018-11-24 |abruf=2019-04-24}}</ref>

Aufgrund der international sehr unterschiedlichen Rechtslage ist ein Vergleich von Statistiken schwierig.

=== Deutschland ===
==== Strafrecht ====
Die ''Vergewaltigung'' (synonym: ''per vim stuprum'', veraltet: ''Notzucht'') wird seit 1997 unabhängig von Ehestand und Geschlecht des Opfers<ref name="ae1997">Dreiunddreißigstes Strafrechtsänderungsgesetz - §§&nbsp;177 bis 179 StGB (33. StrAndG) vom 1. Juli 1997, Bundesgesetzblatt Teil I 1997 Nummer 45 vom 4. Juli 1997 Seite 1607–1608</ref> in {{§|177|stgb|juris}} [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|StGB]] geregelt.

Die Norm in §&nbsp;177 Absatz 6 StGB lautet seit dem 10. November 2016<ref>Letzte Änderung durch: Fünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016, {{BGBl|2016 I S. 2460}}.</ref> wie folgt; die Höchststrafe beträgt gem. §&nbsp;38 StGB fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe:
{{Gesetzestext|(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

# der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder […]}}

Vergewaltigung ist ein [[sexueller Übergriff]] oder eine [[sexuelle Nötigung]] mit qualifizierten sexuellen Handlungen. Seit dem 10. November 2016 ist die Vergewaltigung auch ein Regelbeispiel des besonders schweren Falls des Straftatbestands sexueller Übergriff, sodass auch bestimmte Taten, die bisher nicht strafbar waren oder als [[sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen]] oder [[Nötigung (Deutschland)|Nötigung]] galten, als Vergewaltigung gelten.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/SchutzSexuelleSelbstbestimmung.html |titel=BMJV {{!}} Aktuelle Gesetzgebungsverfahren {{!}} Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung |sprache=de |abruf=2017-12-05}}</ref> Mit der Reform war der Wechsel zu einem „Nein-heißt-Nein“-Modell verbunden.<ref name="Hörnle2017" /> Grundtatbestand des §&nbsp;177 StGB ist nicht mehr die sexuelle Nötigung, sondern das neue Delikt sexueller Übergriff.<ref name="Hörnle2017">[[Tatjana Hörnle]]: ''Das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes sexueller Selbstbestimmung.'' [[NStZ]] 2017, S. 13–21 (14)</ref> Es sind nicht mehr „einschüchternde Tatmodalitäten (Gewalt, Drohung, Ausnutzung einer schutzlosen Lage)“ notwendig für das Bejahen einer Vergewaltigung.<ref name="Hörnle2017S19">Tatjana Hörnle: ''Das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes sexueller Selbstbestimmung.'' NStZ 2017, S. 13–21 (19)</ref>

Vergewaltigung ist nach geltendem Recht keine echte [[Qualifikation (Strafrecht)|Qualifikation]], sondern lediglich eine „[[Strafzumessung (Deutschland)|Strafzumessungsregel]]“<ref name="4 StR 549/19">BGH, Beschluss vom 24. März 2020, Aktenzeichen {{Rspr|4 StR 549/19}}, Randnummer (Rn.) 5–6 = NStZ-RR 2020, 211, beck-online</ref><ref>BGH, Beschluss vom 5. Juni 2018, Aktenzeichen {{Rspr|2 StR 170/18}} Rn. 6</ref><ref>Allgemein für Regelbeispiele: [[Kristian Kühl]] in: Lackner/Kühl, 29. Aufl. 2018, StGB §&nbsp;46 Rn. 11</ref> für einen besonders schweren Fall, also ein „[[Regelbeispiel]]“.<ref name="Hörnle2017S19" /><ref>[[Joachim Renzikowski]] in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, §&nbsp;177 Rn. 142</ref><ref>[[Martin Heger]] in: Lackner/Kühl, 29. Aufl. 2018, StGB §&nbsp;177 Rn. 1.</ref>

Vergewaltigung liegt vor, wenn eine Person vorsätzlich mit einer anderen gegen den erkennbaren [[Wille]]n den [[Beischlaf]] vollzieht oder vollziehen lässt oder andere besonders erniedrigende sexuelle Handlungen am Opfer vornimmt oder vom Opfer vornehmen lässt, insbesondere wenn sie mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind<ref>BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2018, Aktenzeichen {{Rspr|1 StR 546/18}} Rn. 7 = NStZ 2019, 407, beck-online</ref> (qualifizierte sexuelle Handlungen; zum Beispiel Oral- oder Analverkehr). Dies kann auch bei Einführen eines Fingers in die Scheide erfüllt sein.<ref name="Lackner22">Martin Heger in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018 §&nbsp;177 Rn. 22</ref><ref>BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1999, Aktenzeichen {{Rspr|3 StR 524/99}} = NStZ 2000, 254, beck-online</ref> Auch das Benutzen von Gegenständen kann darunter fallen.<ref name="Lackner22" /><ref>{{BT-Drs|13|2463}} S. 7, Zitat: „ Aber auch das Eindringen mit Gegenständen kann eine in gleicher Weise belastende und erniedrigende Verhaltensweise darstellen, die unter das zweite Regelbeispiel fällt“ und {{BT-Drs|13|7324}} S. 6</ref> Dabei kommt es nicht darauf an, ob in den Körper des Opfers oder den des Täters oder eines Dritten eingedrungen wird.<ref>Joachim Renzikowski in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, §&nbsp;177 Rn. 144</ref> Danach wird beispielsweise auch der erzwungene Mundverkehr, bei dem der Täter den [[Penis]] des Opfers in den Mund aufnimmt, als Vergewaltigung qualifiziert. Vergewaltigung setzt nach der Reform keine eigenhändige Verwirklichung voraus.<ref name="5 StR 358/18" /><ref name="Ziegler2020Rn48" /> Es genügt beispielsweise, wenn ein Mittäter den Beischlaf mit dem Opfer vollzieht.<ref name="5 StR 358/18">BGH, Beschluss vom 24. September 2018 {{Rspr|5 StR 358/18}} = NStZ 2019, 275, beck-online</ref> Auch Begehung in [[Täter (Strafrecht)#Mittelbarer Täter|mittelbarer Täterschaft]] kommt in Frage.<ref name="Ziegler2020Rn48">Theo Ziegler in: BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg, 46. Edition, Stand: 1. Mai 2020, §&nbsp;177 Rn. 48</ref>

Eine Vergewaltigung in der Ehe ist seit Juli 1997 nach §&nbsp;177 StGB strafbar (siehe unten).<ref>[https://www.bundestag.de/resource/blob/407124/6893b73fe226537fa85e9ccce444dc95/wd-7-307-07-pdf-data.pdf Deutscher Bundestag] Wissenschaftliche Dienste, abgerufen 1. Dez. 2021</ref>

===== Strafrahmen und Verjährung =====
Der [[Strafrahmen]] für sexuellen Übergriff ({{§|177|stgb|juris}} Absatz 1 und 2 StGB) umfasst [[Freiheitsstrafe (Deutschland)|Freiheitsstrafe]] von mindestens sechs Monaten bzw. bei einer Qualifikation für Krankheit und Behinderung und für sexuelle Nötigung (§&nbsp;177 Absatz 4 und 5) von einem Jahr bis höchstens 15 Jahren. Die Mindeststrafe beträgt bei Vergewaltigung (regelmäßig) mindestens zwei Jahre, im Falle der Qualifikation des §&nbsp;177 Absatzes 7 StGB (Mindeststrafe drei Jahre) lautet der Urteilstenor auf schwere Vergewaltigung (oder sexuelle Nötigung oder sexueller Übergriff)<ref name="Lackner24">Martin Heger in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018 §&nbsp;177 Rn. 24</ref>, im Fall des Absatzes 8 auf besonders schwere Vergewaltigung (oder sexuelle Nötigung oder sexueller Übergriff)<ref name="Lackner24" /> (Mindeststrafe fünf Jahre). Darüber hinaus sieht {{§|178|stgb|juris}} StGB für den Fall des [[Erfolgsqualifiziertes Delikt|erfolgsqualifizierten Delikts]] der ''Vergewaltigung mit Todesfolge'' eine Freiheitsstrafe von zehn bis fünfzehn Jahren oder lebenslange Freiheitsstrafe vor und entsprechend 30 Jahren Verjährungsfrist.

In Deutschland beträgt die [[Verjährung (Deutschland)|Verjährungsfrist]] für Vergewaltigung und schwere Sexualdelikte 20 Jahre. Die Verjährung beginnt gemäß {{§|78b|stgb|juris}} StGB erst ab der Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers.

Historische Entwicklung der maximalen Strafrahmen und Verjährung für Sexualstraftaten ohne Todesfolge<!--
Von 1973–1997 verjährte auch die Todesfolge schon nach 20 Jahren,
da sie in diesen Jahren nur mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht war,
dies hier auch noch zu betrachten würde zu weit führen,
insbesondere da auch die Abgrenzung von
Vergewaltigung mit Todesfolge
zu
Mord mit Straftaten-Verdeckungs-Absicht
viel zu schwierig darzustellen ist.-->:

Für Vergewaltigungen, die am 30. Juni 1994, 30. Juni 2013, 27. Januar 2015 noch nicht verjährt waren bzw. erst danach begangen wurden, ruht die Verjährung bis zur Vollendung des 18., 21. bzw. 30. Lebensjahres des Opfers.<ref>[https://lexetius.com/StGB/78b,12 alle Versionen von §&nbsp;78b StGB bei lexetius]</ref>

* Eine Vergewaltigung innerhalb der Ehe war bis 1997 als [[Nötigung (Deutschland)|Nötigung]] gem. §&nbsp;240 StGB mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder [[Geldstrafe (Deutschland)|Geldstrafe]] und ggf. als [[Körperverletzung (Deutschland)|Körperverletzung]] gemäß §&nbsp;223 ff. StGB strafbar mit teils höheren Strafandrohungen.<ref>[https://www.bundestag.de/resource/blob/407124/6893b73fe226537fa85e9ccce444dc95/wd-7-307-07-pdf-data.pdf Vergewaltigung in der Ehe Strafrechtliche Beurteilung im europäischen Vergleich – Ausarbeitung – WD 7 – 307/07 Abschluss der Arbeit: 28.01.2008]</ref> Entsprechend schnell trat Verjährung ein.
* Sexualstraftaten, die vor dem 30. Juni 1974 begangen wurden, waren spätestens am 30. Juni 1994 verjährt.<!-- Kein Ruhen der Verjährung aufgrund des geringen Alters des Opfers.-->
* Sexualstraftaten, begangen nach dem 30. Juni 1974 und vor dem 30. Juni 1993, zum Nachteil einer Frau, die vor dem 30. Juni 1975 geboren wurde, ist spätestens am 30. Juni 2013 verjährt.<!--
Tat vor 30.06.1993=(1975+18) ist verjährt spätestens 20 Jahre nach dem 18. Geburtstag des Opfers,
also am 30.06.2013=(1975+18+20)-->
* Eine Vergewaltigung zum Nachteil einer Frau, die vor 27. Januar 1974 geboren wurde, begangen nach dem 30. Juni 1993 und vor dem 5. Juli 1997, verjährte spätestens 2017.
<!--Tat nach 30. Juni 1993 und vor 5. Juli 1997,
unverjährt nach 30. Juni 2013,
also Tatverjährung mit 41. Geburtstag,
aber noch vor 27. Januar 2015, wo Verlängerung einträt.-->
* Eine Vergewaltigung zum Nachteil einer Frau, die nach dem 27. Januar 1974 und vor dem 30. Juni 1975 geboren wurde, begangen nach dem 30. Juni 1993 verjährt mit ihrem 50. Geburtstag, also insbesondere erst nach dem 27. Januar 2024.
<!-- Tat nach 30. Juni 1993,
unverjährt nach 30. Juni 2013,
also Tatverjährung erst nach 41. Geburtstag,
also erst nach 27. Januar 2015,
also Tatverjährung erst nach 50. Geburtstag-->
* Eine Vergewaltigung zum Nachteil einer Frau, die nach dem 30. Juni 1975 geboren wurde, verjährt frühestens an deren 50. Geburtstag, also insbesondere erst nach dem 30. Juni 2025.<!--
Geburt und Tat nach 30. Juni 1975, das heißt am 30. Juni 1994 sind noch keine 20 Jahre abgelaufen,
das heißt Verjährung verschiebt sich auf frühestens (18+20=)38. Geburtstag, der ist nach 30. Juni 2013,
das heißt Verjährung verschiebt sich auf frühestens (21+20=)41. Geburtstag, der ist nach 30. Juni 2016,
das heißt vor 27. Januar 2015, Verjährung verschiebt sich auf frühestens (30+20=)50. Geburtstag, der ist nach 30.06.2025.-->
* Eine Sexualstraftat zum Nachteil eines Mannes, begangen vor dem 5. Juli 1997 war nicht nach §&nbsp;177 StGB strafbar,<ref>[https://lexetius.com/StGB/177,4] „Wer eine Frau …“</ref> begangen vor dem 11. Juni 1994 war nicht nach §&nbsp;182 strafbar.<ref>[https://lexetius.com/StGB/182,4] „Wer ein Mädchen unter sechzehn Jahren …“</ref> Diese Straftaten waren vom 1. September 1935 bis 1. September 1969 explizit strafbar nach §&nbsp;175a StGB<ref name="stgb175a">[https://lexetius.com/StGB/175a,2 §&nbsp;175a StGB bei lexetius] in der Fassung von 1. September 1935 bis 1. September 1969</ref>, bis 27. November 1973 nach §&nbsp;176<ref>[https://lexetius.com/StGB/176,7 §&nbsp;176 StGB bei lexetius] in der Fassung von 1. September 1969 bis November 1973</ref>, von 28. November 1973 bis zum 5. Juli 1997 nach §&nbsp;178 StGB<ref>[https://lexetius.com/StGB/178,4 §&nbsp;178 StGB bei lexetius] in der Fassung von November 1973 bis zum 5. Juli 1997</ref>, jeweils mit 10 Jahren Höchststrafe und damit 10 Jahren Verjährungsfrist, ferner war bei Sexualstraftaten zum Nachteil von Männern, die zwischen 1. September 1969 und 30. Juni 1994 erfolgt sind, §§&nbsp;174, 175 StGB mit jeweils 5 Jahren Strafandrohung und Verjährungszeit einschlägig.<ref>[https://hoernle.rewi.hu-berlin.de/Gutachten_Strafrecht-2.pdf Sexueller Missbrauch von Minderjährigen: Notwendige Reformen im Strafgesetzbuch], Prof. Dr. Tatjana Hörnle / Stefan Klingbeil, LL.M. (Yale) / Katja Rothbart, Seite 28/29</ref> Daraus folgt:
** Sexualstraftaten zum Nachteil eines Mannes, begangen vor dem 30. Juni 1984, waren nach 10 Jahren verjährt, also spätestens am 30. Juni 1994 verjährt.
** Sexualstraftaten zum Nachteil eines Mannes, der vor dem 30. Juni 1985 geboren wurde, begangen nach dem 30. Juni 1984 und vor dem 5. Juli 1997, sind spätestens am 30. Juni 2013 verjährt.<!--
Straftaten nach §&nbsp;178 verjähren nach 10 Jahren.

Wer vor 30. Juni 1994 volljährig ist,
und die 10 Jahre Verjährungszeit abgelaufen ist,
bei dem ist alles verjährt. 30.06.1994=(1976+18)

War die Tat nach 30. Juni 1984 und das Opfer nach dem 30. Juni 1976 und vor dem 30. Juni 1985 geboren, war die Tat zehn Jahre später, am 30. Juni 1994, noch nicht verjährt und das Opfer war noch nicht 18 Jahre alt, also ist die Tat erst am 28. Geburtstag verjährt, also spätestens am 30. Juni 2013 verjährt.
Am Stichtag 5. Juli 1997 wurde die Strafandrohung von 10 auf 15 Jahre erhöht und damit die Verjährungsfrist von 10 auf 20 Jahre angehoben. Dies hat aber nur Auswirkungen auf Taten nach diesem Stichtag.
-->
** Sexualstraftaten, begangen vor dem 5. Juli 1997<!-- und nach dem 30. Juni 1984, da die Geburt aber später erfolgt, ist das nicht erwähnenswert--> zum Nachteil eines nach dem 30. Juni 1985 geborenen Mannes, verjähren an dessen 40. Geburtstag, also nicht vor dem 30. Juni 2025.<!--
Für Opfer, die nach 30. Juni 1985 geboren, Tatverjährung frühestens nach 10 Jahren,
also insbesondere nach 30. Juni 1994,
hier Opfer immer noch Kind, daher greift Verschiebung aus §&nbsp;176 schon,

also Tatverjährung daher erst nach 28. Geburtstag,
also insbesondere erst nach 30. Juni 2013,
also Tatverjährung erst nach 31. Geburtstag,
also erst nach 30. Juni 2016,
was nach 27. Januar 2015 ist,
also Tatverjährung erst nach 40. Geburtstag,
also erst nach 30. Juni 2025.
-->

* Nach dem 5. Juli 1997 begangene Vergewaltigungen verjähren frühestens am 50. Geburtstag des Opfers.<!--
Für Taten nach 5. Juli 1997 ist die früheste Verjährung 20 Jahre später, am 5. Juli 2017,
vorher (am 27. Januar 2015) wurde die Verjährungshemmung bis zum Alter 30 beschlossen.-->

<!--

Tat zwischen 30. Juni 1994 und 5. Juli 1997, Opfer geboren zwischen 30. Juni 1975 und 30. Juni 1985: Nur beim Mann verjährt.
Die Verjährung von Vergewaltigungen, begangen zwischen 30. Juni 1975 und 5. Juli 1997,
mit einem Opfer geboren nach dem 30. Juni 1975, unterscheidet sich für Männer und Frauen:
Wenn das Opfer weiblich ist sind Taten vor dem 30. Juni 1994 verjährt,
wenn das Opfer männlich ist und vor dem 30. Juni 1985 geboren wurde,
andernfalls verjährt sie am 40. Geburtstag des Mannes und am 50. Geburtstag der Frau.
-->

{| class="wikitable"
|+ Frühestmögliche Verjährung von Vergewaltigung, falls noch nicht verjährt;<br>
falls bereits verjährt, bleibt es dabei.
! Geburt
! rowspan="2"| vor 27. Januar 1974
! rowspan="2"| 28. Januar 1974<br />–30. Juni 1975
! rowspan="2"| 1. Juli 1975<br />–30. Juni 1985
! rowspan="2"| ab<br />1. Juli 1985
|-
! Tat
|-
| vor 30. Juni 1974 ||colspan=2|Frauen:<1994<br />Männer:<1984||-||-
|-
| 1. Juli 1974<br />–30. Juni 1984 ||colspan=2|Frauen 38J, 30. Juni 2013<br />Männer:<1994|| Frauen:50J<br />Männer:<1994||-
|-
| 1. Juli 1984<br />–30. Juni 1993 ||colspan=2|Frauen 38J, 30. Juni 2013<br />Männer:<2003
|rowspan=3| Frauen:50J<br />Männer:28J. 30. Juni 2013
|rowspan=3| Frauen:50J<br />Männer:40J
|-
| 1. Juli 1993<br />–30. Juni 1994 ||Frauen: 41J, 27. Januar 2015<br />Männer:<2004 || Frauen:50J<br />Männer:<2004
|-
| 1. Juli 1994<br />–05. Juli 1997||Frauen: 41J, 27. Januar 2015<br />Männer:<2007
|Frauen:50J<br />Männer:<2007
|-
| seit 6. Juli 1997 || colspan="4" |50J.
|}

===== Entwicklungsgeschichte =====
Das [[Reichsstrafgesetzbuch]] von 1871 fasste die Notzucht und die Bestimmung zu unzüchtigen Handlungen als Straftaten gegen die Sittlichkeit auf. Durch das 4. Gesetz zur Reform des Strafrechts von 1973 wurde das Schutzgut der Norm von der Sittenordnung auf die sexuelle Selbstbestimmung umgestellt. Nicht mehr unsittliches Verhalten, sondern Bestimmung zu sexuellen Handlungen gegen den Willen des Betroffenen stand nunmehr im Mittelpunkt. Die Notzucht und die Bestimmung zu unzüchtigen Handlungen wurden damit zu besonderen Fällen der Nötigung (Vergewaltigung und sexuelle Nötigung).

Vergewaltigung war bis 1997 als „außerehelich“ definiert, Vergewaltigung in der Ehe war somit „nur“ gemäß §&nbsp;240 StGB (Nötigung) strafbar.<ref name="DackSchä" /><ref name="Rudolph" /> 1973 legte das Land Hessen, 1983 die Hansestadt Hamburg erfolglos Gesetzesentwürfe vor, um die Formulierung „außerehelich“ aus den §§&nbsp;177 bis 179 StGB zu streichen.<ref name="Rudolph" /> 1983 versuchten die [[Bündnis 90/Die Grünen|Grünen]] und Abgeordnete der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] eine Streichung des Wortes „außerehelich“ zu bewirken.<ref name="Rudolph" /><ref>[http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13525515.html ''Die älteren Herren tun sich hart'']. In: ''Der Spiegel'', 29. Juni 1987.</ref> Beide Gesetzesentwürfe scheiterten. [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]] und [[Christlich-Soziale Union in Bayern|CSU]] begründeten ihren Widerstand gegen die Reformbestrebungen damit, dass die Gesetzesänderung den Abtreibungsparagraphen 218 erweitern würde, weil Ehefrauen die Behauptung, sie seien vergewaltigt worden, als Rechtfertigung für ihren Wunsch nach [[Schwangerschaftsabbruch|Abtreibung]] verwenden könnten.<ref name="Rudolph" /><ref>[http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13528219.html ''Frauen: Immer verfügbar'']. In: ''Der Spiegel'', 18. April 1988.</ref> In den folgenden Jahren legten u.&nbsp;a. die Grünen, die SPD, die [[Partei des Demokratischen Sozialismus|PDS]], der [[Deutscher Juristinnenbund|Juristinnenbund]] und das [[Justizministerium]] verschiedene Gesetzesentwürfe vor.<ref name="Rudolph" /> Am 15. Mai 1997 stimmte in namentlicher Abstimmung schließlich eine Mehrheit der Abgeordneten – vom [[Fraktionszwang]] befreit – für einen fraktionsübergreifenden Gruppenantrag der weiblichen Abgeordneten und für die rechtliche Gleichstellung ehelicher und außerehelicher Vergewaltigung. 470 Abgeordnete stimmten dem Antrag zu, 138 stimmten dagegen, 35 enthielten sich.<ref name="DackSchä" /><ref>Margrit Gerste: [http://www.zeit.de/1997/21/ehe.txt.19970516.xml ''Endlich: Vergewaltigung in der Ehe gilt künftig als Verbrechen'']. In: ''Zeit Online'', 16. Mai 1997.</ref><ref>[http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/13/13175.pdf ''Plenarprotokoll 13/175'']. Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht 175. Sitzung Bonn, 15. Mai 1997. (Tagesordnungspunkt 8, ab S. 15785, Abstimmungsergebnisse ab S. 15798)</ref> Seitdem ist auch die Vergewaltigung in der Ehe nach §&nbsp;177 StGB strafbar. Der Regierungsentwurf der CDU, CSU und [[Freie Demokratische Partei|FDP]], der eine Widerspruchs- bzw. Versöhnungsklausel enthielt, die es Opfern ehelicher Vergewaltigung im Gegensatz zu Opfern außerehelicher Vergewaltigung ermöglicht hätte, vor der [[Hauptverhandlung]] Widerspruch einzulegen und so den Ehepartner vor einer weiteren Strafverfolgung zu bewahren, wurde abgelehnt.<ref name="DackSchä">Regina-Maria Dackweiler und Reinhild Schäfer (Hrsg.): ''Gewalt-Verhältnisse: feministische Perspektiven auf Geschlecht und Gewalt''. [[Campus-Verlag]], Frankfurt a.&nbsp;M. 2002, ISBN 3-593-37116-2, S. [http://books.google.ca/books?id=fp1tvT9UKOcC&pg=PA107 107 f.]</ref><ref name="Rudolph">Jörg Rudolph: [http://www.joerg-rudolph.de/diplomarbeit/03_rechtsgeschichtlicher_ueberblick.htm ''Vergewaltigung in der Ehe. Ein Beitrag zur Diskussion um die Änderung des §&nbsp;177 StGB (Vergewaltigung) unter historischen und rechtspolitischen Gesichtspunkten.''] Diplomarbeit, Fachhochschule Frankfurt am Main, 1997.</ref>

Die bis 1997 im deutschen Strafrecht getrennten Tatbestände der Vergewaltigung (§&nbsp;177 StGB a. F.) und der [[Sexuelle Nötigung|sexuellen Nötigung]] (§&nbsp;178 StGB a. F.) wurden unter einem einzigen Tatbestand zusammengefasst und inhaltlich beträchtlich erweitert (§&nbsp;177 StGB n. F.). Damit ist die Vergewaltigung ein besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung<ref>Katja Goedelt: ''Vergewaltigung und sexuelle Nötigung. Untersuchung der Strafverfahrenswirklichkeit'', (Göttinger Studien zu den Kriminalwissenschaften, Bd.&nbsp;8), Univ.-Verl. Göttingen 2010, ISBN 978-3-941875-28-9, S. 3&nbsp;f.</ref> (vgl. [[Regelbeispiel]]). Hat der Täter (erniedrigende) sexuelle Handlungen an dem Opfer vorgenommen oder an sich von ihm vornehmen lassen, die mit einem Eindringen in den Körper (des Täters oder des Opfers) verbunden waren, lautet der Urteilstenor auf Verurteilung wegen Vergewaltigung. Der Gesetzgeber hat die Strafbarkeit dabei geschlechtsneutral auf „eine andere Person“ (erstmals damit auch auf Männer als [[Tatopfer]]) erweitert.

==== Bürgerliches Recht ====
Jeder, der in seiner sexuellen Selbstbestimmung verletzt wurde, hat unabhängig vom Geschlecht einen Anspruch auf [[Schmerzensgeld]] (§&nbsp;253 Abs.&nbsp;2 [[BGB]]). Dies leitet sich aus dem Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung her. Das Opfer kann seine Ansprüche gegen den Täter, insbesondere den auf Zahlung eines Schmerzensgeldes, auch im [[Strafverfahren]] geltend machen ([[Adhäsionsverfahren]]).

Bis 31. Juli 2002 konnten nur Frauen ein Schmerzensgeld verlangen, gegen die ein „Verbrechen oder Vergehen wider die Sittlichkeit“ begangen worden war oder die durch [[Tücke|Hinterlist]], Drohung oder Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses zur Gestattung der außerehelichen Beiwohnung bestimmt wurden (§&nbsp;847 Abs.&nbsp;2 BGB a. F.). Durch das 2.&nbsp;Schadensrechtsänderungsgesetz<ref>Zweites Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 [https://dejure.org/BGBl/2002/BGBl._I_S._2674 Link zu Gesetzestext und -begrünung] bei [[dejure.org]]</ref> wurde dies geändert.

=== Schweiz ===
{{Art.|190|StGB|ch}} Abs.&nbsp;1 [[Strafgesetzbuch (Schweiz)|StGB]] (gleichlautend {{Art.|154|MStG|ch}} Abs.&nbsp;1 [[Militärstrafgesetz (Schweiz)|MStG]]) lautet:
{{Gesetzestext|Vergewaltigung

1 Wer eine Person weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.}}

Als Vergewaltigung gilt also ausschließlich die vaginale Penetration. Alle anderen sexuellen Übergriffe sind ''sexuelle Nötigungen'' nach Artikel {{Art.|189|StGB|ch}} StGB. Insbesondere ist auch die erzwungene anale Penetration nach dem Schweizer Strafrecht keine Vergewaltigung, sondern eine sexuelle Nötigung. Diese Sonderstellung des vaginalen Verkehrs hat historische Wurzeln. In der heutigen Praxis ist sie irrelevant, da sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit der gleichen Maximalstrafe bedroht sind. Lediglich die Minimalstrafe ist bei der sexuellen Nötigung geringer (Geldstrafe ohne explizite Untergrenze), weil auch weniger gravierende Übergriffe (erzwungener Kuss, Begrapschen) als sexuelle Nötigungen gewertet werden.

Eine notwendige Voraussetzung für den Tatbestand ist die Anwendung von Nötigungsmitteln. Das Opfer muss sich also für den Täter erkennbar wehren und der Täter muss diesen Widerstand überwinden. Dabei dürfen aber an das Ausmaß des Widerstands keine zu großen Anforderungen gestellt werden. Während früher nur körperliche Gewalt als Nötigungsmittel galt, anerkennt der aktuelle Gesetzestext ausdrücklich auch den psychischen Druck. Schwieriger zu beurteilen sind Fälle, in denen ein Opfer, aufgrund der Aussichtslosigkeit der Situation, auf Widerstand verzichtet. Der Täter muss auf jeden Fall erkennen können, dass die sexuellen Handlungen gegen den Willen des Opfers stattfinden. Falls das Opfer von vorneherein zum Widerstand gar nicht fähig ist, scheidet Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung aus, in diesem Fall kommt nur die ''[[Schändung (Schweiz)|Schändung]]'' nach Art.&nbsp;191 in Frage, welche ebenfalls mit der gleichen Maximalstrafe bedroht ist.

Bis 1992 war die Vergewaltigung auf den erzwungenen Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe beschränkt, eine Vergewaltigung in der Ehe gab es schon rein begrifflich nicht. Zwischen 1992 und 2004 war die Vergewaltigung in der Ehe ein [[Antragsdelikt]]. Seit 2004 ist auch die Vergewaltigung unter Ehepartnern ein [[Offizialdelikt (Schweiz)|Offizialdelikt]].

Die Frage, ob die Vergewaltigung in der Ehe ein [[Antragsdelikt (Schweiz)|Antrags-]] oder ein Offizialdelikt sein soll, wurde und wird kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite steht die Überzeugung, dass es dem Schutz der Ehe dient, wenn den Ehepartnern die Möglichkeit des Verzeihens offengehalten wird. Auf der anderen Seite steht die Überzeugung, dass Gewaltdelikte nie reine Privatsache sind. Außerdem zeigte die Erfahrung, dass viele Frauen ihren Strafantrag wieder zurückzogen, wobei oft der Verdacht bestand, dass dieser Rückzug unter Druck erfolgt war.

=== Österreich ===
==== Grundtatbestand Vergewaltigung ====
In Österreich ist Vergewaltigung im {{§|201|StGB|RIS-B|DokNr=NOR40217855}} [[Strafgesetzbuch (Österreich)|StGB]] unter Strafe gestellt. Der Grundtatbestand in Absatz 1 lautet:
{{Gesetzestext|Vergewaltigung

§&nbsp;201. (1) Wer eine Person mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§&nbsp;89) zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung nötigt, ist mit Freiheitsstrafe von zwei bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
[…]}}
Der Tatbestand erfasst die [[Nötigung]] zum [[Geschlechtsverkehr#Juristische Terminologie|Beischlaf oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung]], wenn die Nötigung mit [[Gewalt]], durch [[Entziehung der persönlichen Freiheit]] oder durch [[Drohung]] mit der gegenwärtigen [[Gefahr für Leib oder Leben]] vorgenommen wird. Die Strafe für die Begehung des Grundtatbestands der Vergewaltigung ist Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren<ref>{{Internetquelle |url=https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2019/105 |titel=RIS – BGBLA_2019_I_105 – Bundesgesetzblatt authentisch ab 2004 |abruf=2019-12-25}}</ref> (bis 31. Dezember 2019 mindestens ein Jahr) und maximal zehn Jahren.

Ergänzend zum Grundtatbestand kennt das österreichische Strafrecht im zweiten Absatz des §&nbsp;201 StGB mehrere schwerwiegende [[Qualifikation (Strafrecht)|Qualifikationstatbestände]], die zu erheblichen Verschärfungen der Strafdrohung führen. Sollte die Vergewaltigung etwa eine [[Körperverletzung (Österreich)|schwere Körperverletzung]], eine [[Schwangerschaft]] oder für die vergewaltigte Person längere Zeit hindurch einen qualvollen Zustand zur Folge haben, erhöht sich der Strafrahmen auf fünf bis fünfzehn Jahre. Gleiches gilt, wenn der Täter bei der Durchführung der Tat das Opfer in besonderer Weise [[Demütigung|erniedrigt]]. Hat die Vergewaltigung den [[Todesfolge|Tod des Opfers zur Folge]], ist der Täter mit einer Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen, was exakt der Strafdrohung des vorsätzlichen Tötungsdelikts [[Mord (Österreich)|Mord]] entspricht.

==== Abgrenzung zu weiteren Sexualdelikten ====
Vergewaltigung ist der erste Straftatbestand des zehnten Abschnitts des Strafgesetzbuchs, der allgemein ''Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung'' behandelt. Neben dem Straftatbestand der Vergewaltigung gibt es ergänzend den §&nbsp;202 StGB ''[[Sexuelle Nötigung#Österreichische Rechtslage|Geschlechtliche Nötigung]]''. Er kommt nur zur Anwendung, sofern der Täter nicht bereits nach §&nbsp;201 StGB zu bestrafen ist. Das Delikt erfasst Nötigungen mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zur Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung. Der §&nbsp;202 StGB geht wesentlich weiter als der Tatbestand der Vergewaltigung, da aufgrund der Formulierung ''geschlechtliche Handlung'' wesentlich mehr Handlungen erfasst werden. Der Strafrahmen beträgt bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug und enthält die gleichen straferhöhenden Qualifikationen wie der Tatbestand des §&nbsp;201 StGB.

Bis Ende April 2004 war die Vergewaltigung in der Ehe in Österreich oder einer außerehelichen Lebensgemeinschaft in bestimmten Fällen nur auf Antrag des Opfers zu verfolgen. Seither ist §&nbsp;203 StGB ''Begehung in Ehe oder Lebensgemeinschaft'' aufgehoben, sodass jegliche Vergewaltigungsanzeige uneingeschränkt von den Sicherheitsbehörden als [[Offizialdelikt (Österreich)|Offizialdelikt]] verfolgt werden muss.

=== Vereinigte Staaten ===
[[Datei:O'Sullivan, Timothy H. - Petersburg, Virginia, eine Exekution für versuchte Vergewaltigung (Zeno Fotografie).jpg|mini|Petersburg, Virginia, 1864: eine Exekution für versuchte Vergewaltigung. Aufnahme von [[Timothy H. O’Sullivan]]]]
In den Vereinigten Staaten ist das Strafrecht eine Angelegenheit der [[Bundesstaat der Vereinigten Staaten|Bundesstaaten]]. Es unterscheidet sich von Bundesstaat zu Bundesstaat, wobei nicht unbedingt der Begriff {{lang|en|''rape''|de=Vergewaltigung}} verwendet wird, sondern auch {{lang|en|''sexual assault''|de=sexueller Übergriff}}, {{lang|en|''criminal sexual conduct''|de=kriminelles sexuelles Verhalten}}, {{lang|en|''sexual abuse''|de=sexueller Missbrauch}} oder {{lang|en|''sexual battery''|de=sexuelle Körperverletzung}}.

Das Strafrecht der amerikanischen Bundesstaaten kennt daneben auch den Tatbestand eines {{lang|en|''[[statutory rape]]''|de=Vergewaltigung nach dem Gesetz}}, der dann erfüllt wird, wenn ein Erwachsener sexuelle Handlungen mit einer Person im [[Schutzalter#USA|Schutzalter]] ausübt, gleichgültig, ob die jüngere Person Zustimmung signalisiert hat oder nicht.

Bis zum Jahr 1977 konnte für die Vergewaltigung einer erwachsenen Person in zahlreichen Bundesstaaten die [[Todesstrafe]] verhängt werden, in den [[Südstaaten]] vor der [[Bürgerrechtsbewegung]] unter Umständen auch für versuchte Vergewaltigung, wenn es sich um einen [[schwarze]]n Täter handelte.<ref name="books-QoKk9VvlIn8C-PT31">Lisa Lindquist Dorr: ''White Women, Rape, and the Power of Race in Virginia, 1900–1960.'' University of North Carolina Press, 2005, ISBN 978-0-8078-6344-2 ({{Google Buch |BuchID=QoKk9VvlIn8C |SeitenID=PT31}}).</ref> Der [[Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten|Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten]] erklärte dies im Fall ''Coker v. Georgia'' jedoch für verfassungswidrig. Seit der Entscheidung im Fall [[Kennedy v. Louisiana]] im Jahr 2008 darf die Todesstrafe auch nicht mehr für die Vergewaltigung von Minderjährigen verhängt werden.

=== Saudi-Arabien ===
In [[Saudi-Arabien]] ist die Vergewaltigung eine schwere Straftat und kann mit der [[Todesstrafe]] geahndet werden. Die Todesstrafe wegen Vergewaltigung wurde von 1980 bis Mai 2008 163 Mal verhängt.<ref>[http://www.todesstrafe.de/inhalt/staaten/saudi-arabien/delikte.html todesstrafe.de Deliktetabelle für das Königreich Saudi-Arabien]</ref> Täter, die zur Zeit der Vergewaltigung verheiratet sind, werden laut Gesetz hingerichtet; Täter, die zur Tatzeit ledig sind, werden mit einem oder mehreren Jahren Haft und 100 Peitschenhieben bestraft.<ref>[http://www.islam-qa.com/index.php?ref=72338&ln=eng&txt=rape Isl-QA: Jurisprudence and Islamic Rulings: 72238]</ref> Bei einer Vergewaltigung mit mehreren Tätern werden nicht selten alle Täter hingerichtet, egal, ob sie aktiv beteiligt waren oder nicht.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.derwesten.de/nachrichten/panorama/2007/10/31/news-1969302/detail.html |titel=Fünf Saudis wegen Mord und Vergewaltigung eines Kindes enthauptet |hrsg=derwesten.de |datum=2007-10-31 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20081031190619/http://www.derwesten.de/nachrichten/panorama/2007/10/31/news-1969302/detail.html |archiv-datum=2008-10-31 |offline=1 |abruf=2007}}</ref> Auch Jugendliche können wegen einer Vergewaltigung hingerichtet werden.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.netzeitung.de/ausland/413236.html |text=Netzeitung |wayback=20120315031502}}</ref>

Frauen ist es erlaubt, sich gegen einen Mann, der sie vergewaltigen will, auch unter Einsatz von Waffen zu verteidigen.<ref>[http://www.islam-qa.com/index.php?ref=4017&ln=eng&txt=rape Isl-QA_Jurisprudence and Islamic Rulings > Felonies]</ref> Wer jemanden zu Unrecht einer Vergewaltigung bezichtigt, kann mit Haftstrafe oder Peitschenhieben bestraft werden.

Auch das Vergewaltigungsopfer kann mit Haft oder Peitschenhieben bestraft werden, wenn es aktiv zur Entstehung der „Situation“ beiträgt, indem es sich etwa mit fremden Männern trifft oder eine uneheliche Beziehung führt, die letztlich in die Vergewaltigung mündet. So wurde Ende 2007 ein Vergewaltigungsopfer zu 90 Peitschenhieben verurteilt, weil es sich mit seinen Vergewaltigern vor der Tat mehrmals getroffen und uneheliche Beziehungen mit diesen unterhalten hatte. Das Opfer wurde später von [[Abdullah ibn Abd al-Aziz|König Abdullah]] begnadigt. Die Täter wurden zu Haftstrafen verurteilt. Der aus der [[Schiiten|schiitischen]] Stadt Qatif gemeldete Fall wurde in der Folge für antischiitische Propaganda instrumentalisiert.<ref>[http://www.cnn.com/2007/WORLD/meast/11/21/saudi.rape.victim/index.html ''Saudi rape victim’s husband blames judge for punishment''.] cnn.com</ref><ref>[http://www.nytimes.com/2007/12/01/world/01saudi.html?hp New York Times]</ref>

=== Schweden ===
Im Strafgesetzbuch Schwedens, ''Brottsbalk'' in der [[Schwedische Sprache|Landessprache]], behandelt das Kapitel 6 Sexualverbrechen. Paragraf 1 behandelt die Vergewaltigung (våldtäkt), Paragraf 2 den sexuellen Zwang (sexuellt tvång) und Paragraf 10 die sexuelle Belästigung (sexuellt ofredande).<ref>[https://lagen.nu/1962:700#K6 Brottsbalk Kapitel 6]</ref><ref name="transschweden">{{Webarchiv |url=http://www.belleslettres.eu/artikel/assange-vergewaltigung-schweden.php |text=Belles Lettres Sprachmagazin |wayback=20151013204836}}</ref><ref>[http://desv.dict.cc/?s=sexuellt+ofredande dict.cc | sexuellt ofredande | Wörterbuch Schwedisch-Deutsch]</ref>

§&nbsp;1 sagt sinngemäß: Sexuelle körperliche Handlungen, die Geschlechtsverkehr gleichen, die ohne Zustimmung der betroffenen Person, durch Misshandlung oder sonst wie mit Gewalt oder durch Androhung von Verbrechen erzwungen oder an Personen vollzogen werden, die wegen Bewusstlosigkeit, Schlaf, Drogen, Krankheit, körperlicher oder geistiger Störung in einem hilflosen Zustand sind, werden mit zwei bis sechs Jahren Haft bestraft, in minderschweren Fällen bis vier Jahre, in besonders schweren Fällen (z.&nbsp;B. mehrere Personen, besonders brutal) mit fünf bis zehn Jahren Haft.<ref name="transschweden" />

§&nbsp;1a sagt sinngemäß, dass die in §&nbsp;1 genannten Handlungen auch dann als Vergewaltigung mit Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren strafbar sind, wenn der Vorsatz in Bezug auf die freiwillige Teilnahme der betroffenen Person nicht nachgewiesen werden kann. In minderschweren Fällen kann von Strafe abgesehen werden.

§&nbsp;2 sagt sinngemäß: Wer gegen den Willen der betroffenen Person eine sexuelle Handlung durchführt, die nicht durch §&nbsp;1 abgedeckt ist, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft, in schweren Fällen mit Haft zwischen sechs Monaten und sechs Jahren.<ref name="transschweden" />

§&nbsp;4 sagt sinngemäß: Wer mit einer Person unter 15 Jahren den Geschlechtsverkehr oder vergleichbare sexuelle Handlungen vollzieht, wird wegen Vergewaltigung eines Kindes mit einer Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Jahren, in schweren Fällen mit fünf bis zehn Jahren Haft bestraft.

§&nbsp;10 sagt sinngemäß: Wer sich vor einem anderen so entblößt, dass dies Unbehagen erzeugt oder sonst wie durch Worte oder Handeln einen Menschen so belästigt, dass dies die sexuelle Integrität dieses Menschen verletzt, wird mit Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Haft bestraft.<ref name="transschweden" />

=== Syrien, Vereinigte Arabische Emirate, Marokko, Jordanien, Libanon ===
In [[Syrien]] und den [[Vereinigte Arabische Emirate|Vereinigten Arabischen Emiraten]] kann sich ein Vergewaltiger einer juristischen Verfolgung entziehen, wenn er sein Opfer heiratet.<ref>{{Internetquelle |autor=K. Pfannkuch |url=http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-12/Arabischer-Fruehling-Frauen/komplettansicht |titel=Der Aufstand der arabischen Frauen |werk=Zeit Online |datum=2012-12-05 |abruf=2012-12-05}}</ref> In Marokko wurde ein entsprechendes Gesetz bei Minderjährigen (Paragraph 475 des Strafgesetzbuchs) im Januar 2014 abgeschafft<ref>http://www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de/2014/01/marokko-keine-straffreiheit-mehr-fuer-vergewaltiger-von-minderjaehrigen/</ref>, in Jordanien und im Libanon wurde es im August 2017 abgeschafft<ref>http://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/jordan-rape-law-vote-repeal-rapists-punishment-marry-victims-womens-rights-sexual-assault-violence-a7870551.html</ref><ref>http://www.bbc.com/news/world-middle-east-40947448</ref>, sodass auch in diesen Ländern Vergewaltigung jetzt immer strafbar ist.

=== Türkei ===
Eine vom damaligen türkischen Ministerpräsidenten [[Recep Tayyip Erdoğan]] im November 2016 geplante [[Gesetzesnovelle]], nach denen ein Täter von sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige straffrei bleiben sollte, wenn er sein Opfer anschließend heirate, wurde nach einem Sturm der Entrüstung auch unter türkischen Frauen wieder [[ad acta]] gelegt.<ref>[[badische-zeitung.de]], ''Ausland'', 21. November 2016, Jürgen Gottschlich: [http://www.badische-zeitung.de/ausland-1/tuerkei-regierung-plant-problematisches-missbrauchsgesetz--130068961.html ''Türkei: Regierung plant problematisches Missbrauchsgesetz''] (24. November 2016)</ref><ref>[[badische-zeitung.de]], ''Kommentare'', 23. November 2016, Annemarie Rösch: [http://www.badische-zeitung.de/kommentare-1/frauenpower-wirkt--130175500.html ''Frauenpower wirkt''] (24. November 2016)</ref>

== Täter ==
Für ein besseres Verständnis der Opfer ist die wichtigste Einteilung in Tätertypologien die Unterscheidung in [[Sadismus|sadistische]] und nicht sadistische Täter, denn was die Opfer erleiden und durchmachen mussten, ist dramatisch unterschiedlich.<ref>Anna C. Salter: Transforming Trauma, Englisch Ausgabe, SAGE Publications Inc, New Edition (20. Juli 1995), ISBN 978-0-8039-5509-7 S. 104</ref> Bei nicht sadistischen Tätern ist es oft Schwäche. Vergewaltigung und Nötigung ist der Versuch, ein unsicheres männliches Selbstbild durch aggressive Handlungen zu kompensieren. Die Täter fühlen sich gekränkt oder in ihrem Stolz und ihrer Männlichkeit infrage gestellt. Die Tat beinhaltet Unterwerfung, Erniedrigung und der Mann stellt sich über die Frau, indem er die Frau erniedrigt.<ref>[https://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2017-06/gewalt-fantasie-vergewaltigung-therapie Warum tut ein Mann das?] Der Sexualtherapeut [[Ulrich Clement]] erklärt männliche Gewaltfantasien, Zeit Magazin, abgerufen 1. Dezember 2021</ref>

== Opfer ==
=== Vergewaltigung von Mädchen und Frauen ===
==== Deutschland ====
Laut deutscher Kriminalstatistik haben im Jahr 2016 knapp 8000 Frauen eine Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung angezeigt. Das sind durchschnittlich mehr als 20 Fälle pro Tag. Zwei Prozent der Frauen, das belegt eine EU-weite Studie,<ref>European Union Agency for Fundamental Rights: [https://fra.europa.eu/en/publication/2014/violence-against-women-eu-wide-survey Violence against women: an EU‑wide survey] abgerufen 1. Dezember 2021</ref> wurden nach eigener Aussage während der vergangenen zwölf Monate Opfer sexueller Gewalt.<ref>[https://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2017-06/gewalt-fantasie-vergewaltigung-therapie Warum tut ein Mann das?] Der Sexualtherapeut [[Ulrich Clement]] erklärt männliche Gewaltfantasien, Zeit Magazin, abgerufen 1. Dezember 2021</ref>
Eine repräsentative Studie im Auftrag des [[Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend|Bundesfamilienministeriums]] aus dem Jahr 2004 kommt zu dem Ergebnis, dass in Deutschland jede siebte Frau in ihrem Erwachsenenleben mindestens einmal Opfer von sexueller Gewalt wurde, 6 Prozent der Befragten gaben an, vergewaltigt worden zu sein. Davon sind 56 Prozent mehrmals Opfer sexueller Gewalt geworden, wobei sich die Spanne der Situationen von 2 bis hin zu über 40 Situationen erstreckte. Sexuelle Gewalt gegen Frauen wird fast ausschließlich (99 Prozent) durch erwachsene männliche Täter verübt. In knapp einem Prozent der Fälle war eine Frau die Täterin oder an der Tat zumindest beteiligt. Die Täter kommen überwiegend aus dem näheren Umfeld der Frauen, nur knapp 15 Prozent waren Unbekannte. Am häufigsten wurden Ex-Partner als Täter genannt. Versuche körperlicher Gegenwehr oder auch Hilferufe und die Flucht aus der Situation waren eher erfolgreich, wenn der Täter ein Unbekannter war.<ref name="BUNDES">[http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung4/Pdf-Anlagen/langfassung-studie-frauen-teil-eins,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf ''Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland''] (PDF; 8,3&nbsp;MB). Repräsentative Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums 2004, S. 79.</ref>

==== Indien ====
{{Hauptartikel|Vergewaltigungen in Indien}}
In Indien wurden im Jahr 2011 mehr als 24.000 Fälle von Vergewaltigung registriert. Frauenrechtlerinnen zufolge ist die Dunkelziffer aber extrem hoch, weil Vergewaltigungsopfer oft sozial stigmatisiert werden und die Übergriffe deshalb nicht melden.<ref>''Indien: Polizei befreit Opfer von Gruppenvergewaltigung'', [[Spiegel Online]], 8. Februar 2012.</ref> Seit der [[Gruppenvergewaltigung in Delhi 2012]] wird international<ref>{{Internetquelle |url=http://orf.at/stories/2238594/ |titel=Tausende Inder protestierten nach Vergewaltigung |werk=orf.at |datum=2014-07-19 |zitat=Nach dem Tod einer 23-jährigen Studentin in Folge einer Gruppenvergewaltigung im Dezember 2012 hat Indien immer wieder mit schweren Sexualverbrechen von sich reden gemacht. |abruf=2014-07-19}}</ref> immer wieder über Vergewaltigungen, Proteste gegen die lasche Strafverfolgung und Aussagen von Politikern berichtet. 2016 wurden nach Angaben der Polizei 38.947 Fälle angezeigt. In 570 Fällen waren die Opfer jünger als sechs Jahre, 1596 waren zwischen sechs und zwölf, im Alter zwischen 12 und 16 Jahren waren 6091 Opfer. Viele der Opfer sind [[Dalit]] oder Muslime, während die Täter häufig höheren [[Kaste]]n angehören.<ref>Till Fähnders: ''Späte Rache für Indiens Töchter.'' In: ''Frankfurter Allgemeine Zeitung'', 24. April 2018, S. 4.</ref>

==== Südafrika ====
In Südafrika wird jede vierte Frau Opfer sexueller Gewalt. Das Land steht damit in internationalen Statistiken zu Vergewaltigungen an vorderster Stelle. Mehr als 64.000 Vergewaltigungen werden jedes Jahr angezeigt. Polizei und Frauenverbände in Südafrika schätzen die Dunkelziffer bei sexueller Gewalt jedoch auf das 10- bis 25-fache der offiziellen Zahlen. In einer Umfrage gab jeder vierte Mann zu, schon einmal eine Frau vergewaltigt zu haben. Zur Verurteilung kommt es selten.<ref>[http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/nach-vergewaltigungstod-aufschrei-in-suedafrika-12056200.html Claudia Bröll: ''Aufschrei in Südafrika'', FAZ 8. März 2013]</ref><ref>[http://www.sueddeutsche.de/panorama/sexuelle-gewalt-in-suedafrika-maedchen-aus-kapstadt-stirbt-nach-vergewaltigung-1.1595918 Sexuelle Gewalt in Südafrika. Mädchen aus Kapstadt stirbt nach Vergewaltigung, Süddeutsche Zeitung 10. Februar 2013]</ref>

==== Vereinigte Staaten ====
Einer auf die Jahre 1993–1995 bezogenen Bevölkerungsumfrage des [[Justizministerium der Vereinigten Staaten|Justizministeriums der Vereinigten Staaten]] zufolge waren 91 Prozent der Vergewaltigungsopfer weiblich und 99 Prozent der Täter männlich.<ref>{{Internetquelle |autor=Lawrence A. Greenfeld |url=http://bjs.ojp.usdoj.gov/content/pub/pdf/SOO.PDF |titel=Sex offenses and offenders: An analysis of data on rape and sexual assault |hrsg=Bureau of Justice Statistics, Washington, DC |seiten=1 f |datum=1997 |format=PDF; 219&nbsp;kB |sprache=en |archiv-url=https://web.archive.org/web/20130305070553/http://bjs.ojp.usdoj.gov/content/pub/pdf/soo.pdf |archiv-datum=2013-03-05 |zitat=Overall, an estimated 91 % of the victims of rape and sexual assault were female. Nearly 99 % of the offenders they described in single-victim incidents were male. |offline=1 |abruf=2012-07-29}}</ref> Gemäß einem Bericht des Justizministeriums der Vereinigten Staaten wurden 94 Prozent der von 1991–1996 angezeigten Vergewaltigungen an Kindern und Jugendlichen von männlichen Tätern verübt. 82 Prozent der Opfer sind weiblich, wobei der relative Anteil der weiblichen Opfer und der Anteil der männlichen Täter mit dem Alter der Opfer ansteigt.<ref>Howard N. Snyder: {{Webarchiv |url=http://bjs.ojp.usdoj.gov/content/pub/pdf/saycrle.pdf |text=''Sexual assault of young children as reported to law enforcement: Victim, incident, and offender characteristics.'' |wayback=20120118183216}} (PDF; 131&nbsp;kB) U. S. Department of Justice, Washington, DC, 2000, S. 1, 4 und 8.</ref>

==== Opfer im Alten Testament ====
Im [[Altes Testament|Alten Testament]] war Vergewaltigung verboten. Unterscheidungen zeigen, dass nicht der Schutz der Frau im Vordergrund stand, sondern die Interessen ihres Besitzers. Aus den Gesetzestexten zu Vergewaltigungen von Frauen wird deutlich, dass die Frauen keinen Opferstatus haben und immer als Objekt betrachtet werden.<ref>„Phillys Trible, eine der bekanntesten US-amerikanischen Bibelwissenschaftlerinnen, bezeichnete eine nicht unbedeutende Anzahl alttestamentlicher Erzählungen als ''texts of Terror''“. Zitiert nach Simone Paganini ''Unzensiert'', Herder, 2021, S. 54, ISBN 978-3-451-03275-2</ref> Nach einer Vergewaltigung eines jungen Mädchens innerhalb der Stadtmauer sind Mann und Frau außerhalb der Stadtmauer durch [[Steinigung]] zu strafen ({{Bibel|Dtn|22|23-24}}). Die Frau, weil sie nicht um Hilfe schrie. Der Mann, weil er die Sippe eines anderen Mannes verunreinigte, nicht aber, weil er der Frau Gewalt angetan hat ({{Bibel|Dtn|22|25}}). Bei einer Vergewaltigung außerhalb der Stadtmauer soll der Mann getötet werden, weil er die Rechte eines anderen Mannes missachtet hat; die Frau gilt als unschuldig ({{Bibel|Dtn|22|25-26}}). Bei der Vergewaltigung von Dina durch Sichem unternimmt ihr Vater nichts um sie zu schützen, sondern gestattet Sichem gemäß der Gesetzgebung sie zu heiraten. Im Text zur Vergewaltigung Tamars durch Amnon wird die Vergewaltigung nicht verurteilt ({{Bibel|2 Sam|3|14-21}}) So werden die Taten zu [[Sachbeschädigung]]en, die durch Zahlungen an den Besitzer (Vater oder Ehemann) oder Tötung des Täters zu ahnden sind.<ref>Simone Paganini ''Unzensiert'', Herder, 2021, S. 53 ff, ISBN 978-3-451-03275-2</ref> An anderer Stelle ist auch bestimmt, dass ein Mann, der ein verlobtes Mädchen an einem Ort vergewaltigt, an dem Schreien ihr nicht hilft, getötet werden soll {{Bibel|5 Mos|22|25–27}}. Wer ein nicht verlobtes Mädchen vergewaltigt, soll den Vater des Mädchens mit 50 Silberlingen entschädigen und das Mädchen heiraten {{Bibel|5 Mos|22|28f}}.

=== Vergewaltigung von Jungen und Männern ===
{{Hauptartikel|Vergewaltigung von Jungen und Männern}}
Eine [[Metaanalyse]] von insgesamt 120 Studien kam zu dem Ergebnis, dass weltweit etwa 3 Prozent der Männer im Laufe ihres Lebens als Kinder oder Erwachsene vergewaltigt wurden (im Unterschied dazu 13 Prozent der Frauen).<ref name="stemple" /> In den meisten Fällen sind die Täter andere, gewöhnlich ältere Männer. Es gibt jedoch vereinzelt auch sexuelle Übergriffe von Frauen gegenüber Jungen und Männern.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.who.int/reproductive-health/adolescent/docs/population_syntheis2.pdf |titel=SEXUAL COERCION: Young men’s experiences as victims and perpetrators |hrsg=[[WHO]] |datum=2004-06 |format=PDF; 248&nbsp;kB |sprache=en |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20090613090744/http://www.who.int/reproductive-health/adolescent/docs/population_syntheis2.pdf |archiv-datum=2009-06-13 |abruf=2011-11-09}}</ref> Vergewaltigte Jungen und Männer können die Opfer-Erfahrung wegen des in der Gesellschaft vorherrschenden Männlichkeitsbilds nur schwer mit ihrer männlichen Identität vereinen. Sie stehen daher unter dem Druck, die erlittene Gewalt vor sich und anderen zu verbergen.<ref>Ulfert Boehme: ''Phychodynamik sexuell missbrauchter Männer.'' In: Dirk Bange, Wilhelm Körner (Hrsg.): ''Handwörterbuch Sexueller Missbrauch.'' Göttingen 2002, S. 475.</ref>

Eine südafrikanische Studie über sexuelle Gewalt hat eine Viertelmillion befragter Kinder und Jugendlicher im Alter von 10 bis 19 Jahren als Datenbasis. Von den 18-jährigen jungen Männern gaben 44 Prozent an, schon einmal vergewaltigt worden zu sein, davon 41 Prozent von Frauen, 32 Prozent von Männern und 27 Prozent von Tätern beiderlei Geschlechts.<ref>{{Internetquelle |autor=Neil Andersson, Ari Ho-Foster |url=http://www.equityhealthj.com/content/pdf/1475-9276-7-20.pdf |titel=13,915 reasons for equity in sexual offences legislation: A national school-based survey in South Africa |hrsg=International Journal for Equity in Health |datum=2008-07-27 |format=PDF; 230&nbsp;kB |sprache=en |abruf=2011-10-28}}</ref>

[[Vergewaltigung von Strafgefangenen|Vergewaltigungen in Strafanstalten]] dienen der Errichtung einer „zwischenmännlichen Dominationshierarchie“. Opfer sind meist jüngere, kleinere, schwächere und in Strafanstalten weniger erfahrene Männer. Sie werden symbolisch in „Frauen“ verwandelt. Viele unterwerfen sich in einer festen Beziehung einem stärkeren Mann, um Schutz vor Gruppenvergewaltigungen zu erhalten. In Jugendstrafanstalten ist die Rate der Vergewaltigungen höher als in Erwachsenengefängnissen. Sexuelle Angriffe sind die Hauptursache von Selbstmorden in Haft.<ref name="stemple" /><ref name="Schneider" />

=== Kulturelle Aspekte ===
Der englischsprachige Begriff {{lang|en|''[[Rape Culture]]''}} ({{enS|rape|de=Vergewaltigung}} und {{lang|en|''culture''|de=Kultur}}) bezeichnet [[soziale Milieus]] oder Gesellschaften, in denen Vergewaltigungen und andere Formen [[Sexualisierte Gewalt|sexualisierter Gewalt]] verbreitet sind und weitgehend toleriert oder geduldet werden.<ref>Vgl.: George Ritzer, J. Michael Ryan (Hrsg.): ''The Concise Encyclopedia of Sociology.'' Blackwell Publishing, 2011, ISBN 978-1-4051-8353-6, S. 493f.</ref><ref>Alex Thio, Jim Taylor: ''The Rape Culture.'' In: dies.: ''Social Problems.'' Jones & Bartlett Publishing, 2011, ISBN 978-0-7637-9309-8, S. 162f.</ref><ref>Sujata Moorti, Lisa M Cuklanz: ''Local Violence, Global Media. Feminist Analyses of Gendered Representations.'' 2. Auflage. Peter Lang Verlag, New York 2009, ISBN 978-1-4331-0277-6, S. 164 f.</ref>

== Formen ==
=== Grooming-Vergewaltigung ===
Der Begriff bezieht sich auf Straftaten, die an Minderjährigen und jungen Volljährigen begangen werden. Täter treten oft in Gruppen auf, umgarnen Mädchen und vergewaltigen sie anschließend. Häufig entsteht eine jahrelange sexuelle Ausbeutung mit [[Trauma (Psychologie)|Trauma]]folgen. Im englischen Hull traten jüngst Opfer einer solchen Gang an die Öffentlichkeit.

Das englische Wort „[[Grooming (Pädokriminalität)|Grooming]]“ (zu Deutsch sinngemäß ''Anbahnung'') bedeutet, dass die Täter zunächst den Mädchen schmeicheln, Geschenke machen und sich so stufenweise ihr Vertrauen erschleichen, mit dem Ziel, sie zu vergewaltigen. Geschieht dies im Internet, etwa in Chats oder in sozialen Netzwerken, spricht man von [[Cyber-Grooming]].<ref>[https://www.rtl.de/cms/angriff-auf-unsere-kinder-psychologin-zu-cybergrooming-wir-haben-alle-versagt-4719750.html Cybergrooming im Netz: „Wir haben alle versagt“], abgerufen 4. Dezember 2021</ref>

=== Gruppenvergewaltigung ===
Bei einer Gruppenvergewaltigung werden eine oder mehrere Personen von einer größeren [[Soziale Gruppe|Gruppe]] vergewaltigt. Die Täter sind in der Regel jünger als bei Einzelvergewaltigungen und vorwiegend männlich, wenngleich es auch schon Fälle von Mittäterschaft von Frauen gegeben hat.<ref name="Schneider2009">[[Hans Joachim Schneider]]: Gruppenvergewaltigung, in: Hans Joachim Schneider (Hrsg.): ''Internationales Handbuch der Kriminologie. Besondere Probleme der Kriminologie'' Volume 2, De Gruyter 2009, ISBN 978-3-89949-131-9, S. 821, 822</ref> Meist handelt es sich um Täterkollektive mit hierarchischer Struktur. Mehrheitlich ist die Tat geplant.<ref name="Dieregsweiler">Renate Dieregsweiler: ''Krieg – Vergewaltigung – Asyl'', Pro-Universitate-Verl, Sinzheim 1997, ISBN 3-930747-96-0, S. 21, 22.</ref> In der Kriminologie wird die kollektive Verantwortungslosigkeit betont: Die Gruppe verübt gemeinsam ein schweres Verbrechen, zu dem der Einzelne alleine nicht fähig wäre. Wichtig sind die [[Gruppendynamik]] sowie spezifische [[Wertvorstellung|Wert-]] und [[Soziale Norm|Normvorstellungen]], die [[Männlichkeit]], [[Macht]], [[Gewalt]] und [[Aggressivität]] enthalten können. Die Anpassung an die Gruppennorm gilt als ein Hauptaspekt der Motivation des einzelnen Täters.<ref name="Schneider2009" /><ref>A. N. Groth, H. J. Birnbaum: ''Men who rape. The Psychology of the Offender.'' Plenum Press, New York 1979.</ref> Stärker als bei einer Einzelvergewaltigung werden die Opfer zusätzlich gedemütigt und erniedrigt, sie werden in einem hohen Maß deindividualisiert und zum Objekt degradiert, an dem „Experimente“ vorgenommen werden. Das durch die zahlenmäßige Überlegenheit verstärkte Ohnmachtsgefühl des Opfers wird von den Tätern genossen, die Tat als Form der Unterhaltung verstanden. Je höher der Bekanntschaftsgrad der Täter ist, desto brutaler wird die Tat begangen.<ref name="Dieregsweiler" /> Eine Gruppenvergewaltigung verursacht bei dem Opfer schwerere physische und psychische Schäden als eine Vergewaltigung durch einen Einzeltäter.<ref name="Schneider2009" />
{{Zitat
 |Text=Das Machismo-Konzept der Männer, eine enge stereotype Konzeption von Feminität und der Behandlung von Frauen als ‚Gebrauchsgegenstände‘ führen zur Gruppenvergewaltigung.
 |Autor=[[Hans Joachim Schneider]]
 |ref=<ref name="Schneider2009" />}}
Es gibt nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen zu Gruppenvergewaltigungen von Frauen durch Männer ihres räumlichen und sozialen Umfeldes, was darin begründet sein mag, dass Gruppenvergewaltigungen unter den registrierten angezeigten Vergewaltigungen relativ wenig vertreten sind.<ref name="Dieregsweiler" /> 2017 wurde gegen 467 Tatverdächtige ermittelt.<ref name="wdr.de">[https://www1.wdr.de/nachrichten/missbrauch-gruppendynamik-100.html Gruppenvergewaltigungen wie in Velbert sind kein Einzelfall], WDR, 13. Juni 2018.</ref> Gruppenvergewaltigungen finden häufig im Rahmen von militärischen Auseinandersetzungen statt.
{{Siehe auch|Gruppenvergewaltigung in Delhi 2012|Missbrauchsskandal von Rotherham|Gruppenvergewaltigung in Freiburg}}

=== Vergewaltigungen im Krieg ===
[[Datei:Raped (Vergewaltigt) MET DP845004.jpg|mini|''Vergewaltigt.'' Aus dem Zyklus ''Bauernkrieg'' von [[Käthe Kollwitz]]]]
In Konfliktfällen wie [[Krieg]]en oder [[Bürgerkrieg]]en oder bei so genannten [[Ethnische Säuberung|ethnischen Säuberungen]] sind weltweit häufig massenweise und systematische (vgl. [[Sexismus]], [[Patriarchat (Soziologie)|Androkratie]] sowie [[Geschlechterordnung]]) Vergewaltigungen der Frauen von Kriegsgegnern zu konstatieren. Beispiele für solche Kriegsverbrechen von Männern sind [[Zwangsprostitution]] in [[Wehrmachtsbordell]]en,<ref>Christa Paul: ''Zwangsprostitution: staatlich errichtete Bordelle im Nationalsozialismus.'' Edition Hentrich, 1994.</ref> [[Lagerbordell]]en<ref>[[Die Zeit]]: [http://www.zeit.de/online/2009/27/lagerbordelle Zwangsprostitution im KZ]</ref><ref>[[Süddeutsche Zeitung]]: {{Webarchiv |url=http://www.sueddeutsche.de/politik/528/313435/text/ |text=''Himmlers Zwangsprostituierte.'' |wayback=20100128083109}} 9. Oktober 2008.</ref> und [[Trostfrauen|japanischen Kriegsbordellen]], die [[Massaker von Nanking|Vergewaltigungen von Nanking]] 1937 durch japanische Besatzungssoldaten, die [[Verbrechen der Wehrmacht#Sexuelle Gewalttaten|Gewalttaten deutscher Soldaten]] in den eroberten Gebieten oder auch die 1,9 Millionen<ref>Ilko-Sascha Kowalczuk, Stefan Wolle: [http://books.google.de/books?id=ZEoXg4NG41kC&pg=PA38&lpg=PA35&dq=vergewaltigungen+rote+armee+deutschland ''Roter Stern über Deutschland: Sowjetische Truppen in der DDR.''] Berlin 2001, S. 35–39, hier S. 38.</ref> [[Verbrechen der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg|Vergewaltigungen in den eroberten Ostgebieten und in Deutschland]] durch Angehörige der [[Rote Armee|Roten Armee]] am Ende des Zweiten Weltkrieges und nicht zuletzt Vergewaltigungen in den von alliierten Truppen befreiten Gebieten Frankreichs, Italiens und Deutschlands sowie während der Okkupation Japans ab 1945. Beispiele in jüngerer Zeit sind die [[Jugoslawienkriege]], der [[Zweiter Kongokrieg|zweite Kongokrieg]], der [[Dritter Kongokrieg|dritte Kongokrieg]]<ref>Susanne Babila: ''Im Schatten des Bösen. Der Krieg gegen die Frauen im Kongo.'' Fernseh-Dokumentation des SWR, in Zusammenarbeit mit Arte, 2007.</ref> und der [[Konflikt in Darfur]], in dem die [[Dschandschawid]] systematische Vergewaltigungen begehen.<ref>[https://tsarchive.wordpress.com/2004/01/27/meldung177522/ Tagesschau.de: Vergewaltigung als Waffe] (tagesschau.de-Archiv)</ref><ref>{{Webarchiv |url=http://www.amnesty.de/umleitung/2004/deu01/060 |text=amnesty International: Vergewaltigung als Kriegswaffe in Darfur. |wayback=20160304075248}} 19.&nbsp;Juli 2004.</ref>

Über die Hälfte der in Konfliktzonen Vergewaltigten sind Kinder; teils liegt ihr Anteil auch erheblich höher. Dies geht aus einem Bericht von [[Save the Children]] hervor.<ref>{{Internetquelle |url=http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE93903520130410 |titel=Studie: Vergewaltigungsopfer in Konfliktzonen überwiegend Kinder |hrsg=[[Reuters]] |abruf=2013-04-13 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20130411180618/http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE93903520130410 |archiv-datum=2013-04-11 |offline=1 |archiv-bot=2022-08-21 00:15:54 InternetArchiveBot }}</ref>

Bei dem von pakistanischen Militärs und Milizen der islamistischen Partei Jamaat-e-Islami begangene [[Genozid in Bangladesch]] wurden zahlreiche Frauen und Mädchen gefoltert, vergewaltigt und getötet. Tausende bengalische Frauen wurden entführt und als Kriegsgefangene in Bordellen und Armeebasen festgehalten. Die Gesamtzahl an Vergewaltigungsdelikten wird nach Angaben von ''Gendercide Watch'' auf 200.000 bis 400.000 geschätzt.<ref>{{Internetquelle |autor= |url=http://www.gendercide.org/case_bangladesh.html |titel=Gendercide Watch: Genocide in Bangladesh, 1971 |werk=gendercide.org |datum=1971-02-22 |abruf=2018-11-25}}</ref><ref>Gerhard Klas: [http://www.swr.de/-/id=7629310/property=download/nid=660374/1qntrqd/swr2-wissen-20110325.pdf ''Die blutige Geburt Bangladeschs.''] vom 25. März 2011, SWR2. abgerufen am 25. November 2018</ref> Viele Mädchen und Frauen wurden öffentlich vor den Augen ihrer Familie vergewaltigt. Viele begingen daraufhin Selbstmord. Viele wurden nach den Vergewaltigungen von ihren Familien zum Schutz der Familienehre verstoßen.<ref>Samuel Totten, William Spencer Parsons: ''Centuries of Genocide.'' Routledge, 2013, ISBN 978-0-415-87191-4, S. 257.</ref>

Mit dem [[Akayesu-Urteil]] des [[Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda|Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda]] wurden 1998 Vergewaltigung und [[Sexueller Missbrauch|sexuelle Gewalt]] als [[Völkermord]]handlungen definiert, wenn sie mit der Absicht erfolgen, eine bestimmte Bevölkerungsgruppe ganz oder teilweise zu zerstören. Die ehemalige [[Frauenministerium|Frauen-]] und Familienministerin von Ruanda, [[Pauline Nyiramasuhuko]], wurde 2011 wegen Vergewaltigung, Kriegsverbrechen und [[Verbrechen gegen die Menschlichkeit]] vom Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda zu lebenslanger Haft verurteilt. Sie war die erste Frau, die wegen Völkermord verurteilt wurde.<ref name="taz 1">{{Literatur |Autor=Dominic Johnson |Titel=Ministerin für Vergewaltigung |Sammelwerk=[[Die Tageszeitung|taz]] |Datum=2011-06-25 |ISSN=0931-9085 |Seiten=2 |Online=[http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=a2&dig=2011%2F06%2F25%2Fa0122&cHash=79a4a72c315eae3baa1e7cdb4bf0adf0 online] |Abruf=2014-04-18}}</ref><ref name="Spiegel 1">{{Internetquelle |url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/ruanda-erste-frau-muss-wegen-voelkermords-lebenslaenglich-hinter-gitter-a-770480.html |titel=Ruanda: Erste Frau muss wegen Völkermords lebenslänglich hinter Gitter |werk=[[Spiegel Online]] |datum=2011-06-24 |abruf=2014-04-18}}</ref>

Im Februar 2001 fällte der [[Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien|Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien]] in [[Den Haag]] ein historisches Urteil, als erstmals Vergewaltigung im Zusammenhang mit kriegerischen Aktionen als schwerer Verstoß gegen die [[Genfer Konventionen]] verurteilt und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft wurde<!--(siehe [[Foča-Fall]])-->. Im Juni 2008 verabschiedete der [[Sicherheitsrat der Vereinten Nationen]] die [[Resolution 1820 des UN-Sicherheitsrates|Resolution 1820]], nach der sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten nun als Straftatbestand gilt. Der Rat weist darauf hin, dass „Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt als Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschheit oder als Bestandteil von Völkermord geahndet werden können“.<ref name="taz 2">{{Literatur |Autor=[[Andreas Zumach]] |Titel=Vergewaltigung jetzt Kriegsverbrechen |Sammelwerk=[[Die Tageszeitung|taz]] |Datum=2008-06-21 |ISSN=0931-9085 |Seiten=8 |Online=[http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=au&dig=2008%2F06%2F21%2Fa0127&cHash=cd7f454308 online] |Abruf=2014-04-18}}</ref> Im Jahr 2009 folgten hierzu weitere Resolutionen [[Resolution 1822 des UN-Sicherheitsrates|1882]] und [[Resolution 1888 des UN-Sicherheitsrates|1888]].<ref>{{Internetquelle |url=https://www.peacewomen.org/SCR-1888 |titel=Security Council Resolution 1888 |werk=peacewomen.org |sprache=en |abruf=2019-04-24}}</ref>

Im April 2019 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat unter Enthaltung von Russland und China eine weitere Resolution zu sexueller Gewalt. Die UN-Mitgliedstaaten werden darin aufgefordert, ihre Gesetzgebung zu solchen Gewaltakten zu stärken, die Verfolgung der Täter auszuweiten und die Opfer besser zu versorgen. Die Resolution sieht zudem UN-Sanktionen im Falle der Anwendung sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten vor. Ein Aufruf zur Gewährung umfassender Gesundheitsservices an die Opfer, der in vorangehenden Entwürfen vorgesehen war, war zuvor – ebenso wie jeglicher Bezug auf die sexuelle Gesundheit – auf Druck der Vereinigten Staaten, Chinas und Russlands entfernt worden.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.n-tv.de/politik/UN-will-Vergewaltiger-verfolgen-article20983680.html |titel=UN will Vergewaltiger verfolgen |werk=n-tv |datum=2019-04-24 |abruf=2019-04-24}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Michelle Kosinski, Eli Watkins, |url=https://edition.cnn.com/2019/04/23/politics/un-security-council-sexual-violence/index.html |titel=US successfully removes 'sexual health' references from UN resolution on sexual violence |werk=CNN |datum=2019-04-23 |sprache=en |abruf=2019-04-24}}</ref>
{{Siehe auch|Sexuelle Gewalt im Zweiten Weltkrieg|Sexualisierte Gewalt als Kriegsmittel}}

==== Vergewaltigung als Kriegsstrategie ====
[[Datei:Friedhof-Lilienthalstraße-02.jpg|mini|Friedhof-Lilienthalstraße-02. Denkmal für weibliche Opfer von Vertreibung, Verschleppung, Zwangsarbeit und Vergewaltigung in Folge des Zweiten Weltkriegs]]Im Juni 2008 verabschiedete der [[Sicherheitsrat der Vereinten Nationen]] die Resolution 1820, die sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen als Kriegswaffe einstuft.<ref>[http://www.gwi-boell.de/web/un-resolutionen-un-resolution-1820-1595.html ''UN-Resolutionen'']. Gunda Werner Institut.</ref><ref>Lindsay Stark, Mike Wessells: {{Webarchiv |url=http://www.who.int/reproductive-health/adolescent/docs/population_syntheis2.pdf |text=''Sexual Violence as a Weapon of War.'' |wayback=20090613090744}} PDF; 248&nbsp;kB. In: ''The Journal of the American Medical Association.'' 308, Nr.&nbsp;7, 2012, S. 677–678. [[doi:10.1001/jama.2012.9733]]</ref>

Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt werden in vielen Ländern als [[Taktik (Militär)|Kriegstaktik]] eingesetzt, wie in [[Afghanistan]], der [[Zentralafrikanische Republik|Zentralafrikanischen Republik]], [[Tschad]], [[Demokratische Republik Kongo|Kongo]], [[Sudan]], [[Bosnien und Herzegowina]], [[Peru]] und [[Tibet]]. Vergewaltigung wird in bewaffneten Konflikten seit dem Zweiten Weltkrieg verwendet, um die Gegner zu bestrafen und zu erniedrigen, Gemeinden zu destabilisieren, bestimmte religiöse und politische Gruppen auszulöschen, die gegnerischen Truppen zu Racheakten zu provozieren sowie als Belohnung für Siege und Stärkung der Truppenmoral.<ref>Cassandra Clifford: ''Rape as a Weapon of War and it’s Long-term Effects on Victims and Society.'' 7th Global Conference Violence and the Contexts of Hostility, 2008. ({{Webarchiv |url=http://ts-si.org/files/BMJCliffordPaper.pdf |text=PDF; 94,5&nbsp;kB |wayback=20121202073402}})</ref> Viele der Opfer – meist junge Mädchen – können aufgrund von Verletzungen, Unsicherheit und Angst keine Schule mehr besuchen.<ref>[http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/68846/weltbildungsbericht-2011-02-03-2011 ''UNESCO-Weltbildungsbericht: Bewaffneter Konflikt und Bildung'']. Bundeszentrale für politische Bildung, Februar 2011.</ref> Studien aus Ruanda gehen davon aus, dass zwischen 250.000 und 500.000 Frauen und Mädchen während des Völkermords 1994 Opfer sexualisierter Gewalt wurden. Besonders dramatisch stellte sich die Lage im Kongo dar. Nach Angaben der [[Bundeszentrale für politische Bildung]] von 2009 ereigneten sich 75 Prozent aller Vergewaltigungen von Menschen, die [[Ärzte ohne Grenzen]] weltweit behandelte, im Kongo. Viele Frauen werden nach ihrer Vergewaltigung von ihren Familien verstoßen, gleiches gilt für die gezeugten Kinder.<ref>[http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/69247/gewalt-gegen-frauen-23-11-2009 ''Gewalt gegen Frauen'']. Bundeszentrale für politische Bildung, November 2011.</ref>

Die UN-Resolution 1888 vom 30. September 2009 stellte fest, dass bis dahin nur wenige der Täter sexueller Gewalt vor Gericht gestellt worden sind.<ref>[http://www.un.org/Depts/german/sr/sr_09-10/sr1888 ''Resolution 1888 (2009) vom 30. September 2009''].</ref>

Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt wurden in Ländern wie Chile, Griechenland, Kroatien, Iran, Kuwait, Kongo, Uganda, der ehemaligen Sowjetunion und dem ehemaligen Jugoslawien als Mittel von Kriegen oder politischer Aggression von Männern auch gegen Männer eingesetzt.<ref name="stemple">Lara Stemple: [http://scienceblogs.de/geograffitico/wp-content/blogs.dir/70/files/2012/07/i-e76e350f9e3d50b6ce07403e0a3d35fe-Stemple_60-HLJ-605.pdf ''Male Rape and Human Rights.''] (PDF; 262&nbsp;kB). In: ''Hastings Law Journal'' 60, Nr.&nbsp;1, 2009, S. 605–647.</ref>

Während des [[Bürgerkrieg in Sierra Leone|Bürgerkriegs in Sierra Leone]] 1991 bis 2002 wurden bei Überfällen auf Dörfer durch die [[Revolutionary United Front]] (RUF) regelmäßig Mädchen und junge Frauen oft öffentlich vergewaltigt und anschließend zwangsrekrutiert. „Weibliche Familienangehörige angeblicher Feinde wurden bevorzugt malträtiert. Durch die öffentlichen (Massen-)Vergewaltigungen griffen die Täter das maskuline Selbstbild der jeweiligen männlichen Familienangehörigen an, die in ihrer Wehrlosigkeit als Versager verhöhnt wurden. RUF-Kämpfer vergewaltigten auch Männer, um sie zu entmännlichen. Ebenso wurden sie gelegentlich von RUF-Kombattantinnen sexuell misshandelt. So war [[sexualisierte Gewalt]] eine verbreitete Kriegstaktik, um den familiären und sozialen Zusammenhalt der jeweiligen Feinde langfristig zu brechen.“<ref>Rita Schäfer: [http://www.bpb.de/apuz/31630/kriegerische-maennlichkeit?p=0 ''Kriegerische Männlichkeit'']. [[Aus Politik und Zeitgeschichte]] (APuZ 46/2009), Bundeszentrale für politische Bildung.</ref>

Nach einem Bericht des [[UNHCR]] werden Massenvergewaltigungen im [[Bürgerkrieg im Südsudan seit 2013#Zweiter Waffenstillstand|Bürgerkrieg im Südsudan]] als Kriegsmittel eingesetzt; für April bis September 2015 liegen dem Bericht zufolge Hinweise auf mehr als 1300 Vergewaltigungen allein aus dem Bundesstaat Unity vor, die im Bericht erfassten Vergewaltigungen seien allerdings nur ein Ausschnitt der wirklichen Gesamtzahlen. Die Massenvergewaltigungen würden von der Regierung aber auch von den Rebellen als Entlohnung für ihre Kämpfer eingesetzt. Da die Vergewaltigungen systematisch eingesetzt wurden und jeweils gegen bestimmte ethnische Gruppen gerichtet waren, bestehe Grund zur Annahme, dass sie als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzustufen seien.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-03/buergerkrieg-suedsudan-massenvergewaltigung-un |titel=Bürgerkrieg Südsudan: Frauen vergewaltigen statt Sold |hrsg=Zeit online |datum=2016-03-11 |abruf=2016-03-11}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=17207 |titel=South Sudan: UN report contains “searing” account of killings, rapes and destruction |hrsg=UNHCR |datum=2016-03-11 |sprache=en |abruf=2016-03-11}}</ref>

Im Januar 2016 hielt [[Rolf Pohl]], [[Sozialpsychologie|Sozialpsychologe]] an der [[Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover|Leibniz Universität Hannover]] den siebten Teil seiner Abschlussvorlesung, der sich unter dem Titel ''Die Zerstörung der Frau als Subjekt'' mit der Vergewaltigung als Kriegsstrategie befasste.<ref>{{YouTube|kH6g8M8PcSI|Die Zerstörung der Frau als Subjekt|2020-08-06|upl=Arbeitsgemeinschaft Politische Psychologie|d=2017-01-14|k=Siebter Teil der Abschlussvorlesung von [[Rolf Pohl]] vom 12. Januar 2016 an der [[Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover|Leibniz Universität Hannover]] mit dem Titel ''Gewalt, Geschlecht, Politik. Psychoanalytisch-sozialpsychologische Perspektiven''}}</ref>

{{Siehe auch|Lamija Adschi Baschar|Nadia Murad}}

=== Vergewaltigung im Militär ===

Eine 2009 veröffentlichte Untersuchung gab an, dass in der US-Armee mehr Vergewaltigungen angezeigt wurden, seit Frauen Soldatinnen werden können. Die Dunkelziffer sei jedoch sehr hoch, da z.&nbsp;B. in der [[United States Air Force Academy]] etwa 80 Prozent der weiblichen Vergewaltigungsopfer die Übergriffe, aus Angst, eingeschüchtert oder sogar bestraft zu werden, nicht meldeten.<ref name="Schneider">Hans Joachim Schneider: ''Vergewaltigung''. In: ders. (Hrsg.): ''Internationales Handbuch der Kriminologie''. 2. Band. De Gruyter Rechtswissenschaften, Berlin 2009, ISBN 978-3-89949-131-9, S. 824, 834.</ref>

Das [[Kriegsveteranenministerium der Vereinigten Staaten]] erkennt die psychische [[Trauma (Psychologie)|Traumatisierung]] von Soldatinnen und Soldaten durch sexuelle Übergriffe  im Militärdienst mittlerweile als eigenständiges Gesundheitsproblem an (siehe engl. Eintrag: [[:en:Military sexual trauma|Military sexual trauma]]).<ref name = VFW>[https://www.vfw.org/advocacy/national-legislative-service/congressional-testimony/2021/11/supporting-survivors-assessing-vas-military-sexual-trauma-programs ''Supporting Survivors: Assessing VA's Military Sexual Trauma Programs ''] Veterans of Foreign Wars, aufgerufen am 2. Februar 2022</ref>

In den USA kamen im Jahr 2020, entsprechend dem ''Annual Report on Sexual Assault in the Military'' des [[Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten|US-Verteidigungsministeriums]] 6.290 Fälle zur Anzeige (2019 waren es 6.236). Der Anteil der weiblichen Soldatinnen ist (mit etwa 6 Prozent Betroffenen) zwar prozentual deutlich höher, da jedoch mehr männliche Soldaten in der US-Armee sind, ist die Anzahl der jeweils erfassten Opfer etwa gleich hoch. Innerhalb der letzten 10 Jahre, stiegen die Ausgaben für therapeutische und medikamentöse Behandlungen weiblicher Opfer um 158 Prozent, während die Gesundheitskosten für männliche Opfer im selben Zeitraum um 110 Prozent zunahmen.<ref name = VFW/>

Schätzungen gehen davon aus, dass männliche Opfer die Übergriffe in nur rund 20 Prozent anzeigen. Außerdem machen zahlreiche Betroffene erst viele Jahre später die entsprechenden Aussagen, wenn ein Teil von ihnen durch Depressionen, Panikattacken, Schlafstörungen, Suchtprobleme und andere Spätfolgen nicht mehr arbeitsfähig ist.<ref name = STE>Mary F. Calvert: ''Männer und Opfer'' In: ''Stern Crime'' Nr. 39, Oktober 2021, S.&nbsp;82–96.</ref> Selbst das zuständige Ministerium für Kriegsveteranen räumt ein, dass möglicherweise nur ein Drittel der Taten zur Anzeige kommen. Zu den Präventionsmaßnahmen gehören Kurse wie das sogenannte ''Bystander Intervention Training'', durch welches Unbeteiligte dafür sensibilisiert werden, wie Übergriffe verhindert werden können.<ref name = VFW/>

Für Deutschland gibt es bisher keine öffentlich verfügbaren Statistiken zu Vergewaltigungen im Militär.<ref name = STE/>

=== Vergewaltigung als Folter ===
Vergewaltigungen und alle Formen von sexueller Gewalt wurden und werden auch als [[Folter]]methode eingesetzt. Berichte über sexuelle Gewalt als Mittel der Folter finden sich in der neueren Geschichte in Bezug auf Argentinien und Chile in den 1970er und 80er Jahren; es liegen auch Berichte u.&nbsp;a. aus dem ehemaligen Jugoslawien, Bangladesch, Tschad, Kenia, der Türkei, China, Ruanda und Südafrika vor.<ref>Sven-U. Burkhardt: ''Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit'' (= ''Bremer Forschungen zur Kriminalpolitik.'' Band 4). Lit, Münster 2005, ISBN 3-8258-7162-2, S. 46, 60, 67.</ref>

In der Rechtsprechung internationaler Gerichtshöfe wurde sexuelle Gewalt und Vergewaltigung als Form der Folter erstmals vom [[Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien|Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien]] (ICTY) aufgenommen und weiterentwickelt. Der ICTY erkannte in seinem am 16. November 1998 ergangenen Urteil zu systematischen Vergewaltigungen von serbischen Frauen 1992 im [[Lager Čelebići|Gefangenenlager Čelebići]] die Vergewaltigung und sexuelle Gewalt gegen Frauen ausdrücklich als Formen der Folter an, die den schweren Verletzungen des Artikels 147 der IV. [[Genfer Konvention]] entsprechen.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.icty.org/sid/7617 |titel=Celebici case: the Judgement of the Trial Chamber – press release |hrsg=[[United Nations]] [[International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia]] |datum=1998-11-16 |sprache=en |abruf=2013-03-09}} {{Internetquelle |url=http://www.icty.org/x/cases/mucic/cis/en/cis_mucic_al_en.pdf |titel="Čelebici Camp" (IT-96-21) – case information sheet |hrsg=[[United Nations]] [[International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia]] |datum=2008 |format=PDF; 169&nbsp;kB |sprache=en |abruf=2013-03-09}} Daphné Lucas: [http://www.gwi-boell.de/assets/gwi-boell.de/images/downloads/Gender_Krieg_Daphne_Lucas.pdf ''Die Entwicklung der Rechte der Frauen in bewaffneten Konflikten durch die Rechtsprechung der internationalen Gerichtshöfe''] (PDF; 75&nbsp;kB). Heinrich-Böll-Stiftung, Gunda Werner Institut (Hrsg.) 2008, S. 6.</ref>
{{Siehe auch|Folter in Chile}}

== Folgen für die Opfer ==
Vergewaltigung bedeutet eine Verletzung der Autonomie, des [[Selbstbestimmungsrecht]]s und damit der psychischen Integrität. Man unterscheidet zwischen physischen und psychischen Folgen einer Vergewaltigung.

Physische Folgen einer Vergewaltigung können vaginale und rektale Blutungen, Hämatome und Harnröhreninfektionen sein. Eine mittels lediglich angedrohter Gewalt erzwungene sexuelle Handlung kann jedoch auch ohne hinterher sichtbare physische Spuren geschehen. Häufig treten bei den betroffenen Personen zudem [[Psychosomatik|psychosomatische]] Beschwerden auf (z.&nbsp;B. anhaltende Unterleibsschmerzen). In den meisten Fällen bestehen die Gefahren einer Ansteckung durch [[Sexuell übertragbare Erkrankung|Geschlechtskrankheiten]] und ungewollter [[Schwangerschaft]]. In wenigen Fällen endet eine Vergewaltigung in Verbindung mit massiver Gewalteinwirkung mit dem Tod des Opfers.

Nach einer repräsentativen Studie im Auftrag des [[Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend|Bundesfamilienministeriums]] aus dem Jahr 2004 reichten die Verletzungsfolgen von Prellungen (73 %), vaginalen Verletzungen (32,7 %), anderen inneren Verletzungen (5,4 %), Knochenbrüchen (2,3 %) bis zu Fehlgeburten (3,5 %).<ref name="BUNDES" />

Laut einer Studie aus dem Jahr 1996 resultierten damals in den USA jährlich 32.000 Schwangerschaften aus Vergewaltigungen.<ref>M. M. Holmes, H. S. Resnick, D. G. Kilpatrick, C. L. Best: ''Rape-related pregnancy: estimates and descriptive characteristics from a national sample of women.'' In: ''[[American Journal of Obstetrics and Gynecology]].'' Band 175, Nummer 2, August 1996, S.&nbsp;320–324, PMID 8765248.</ref>

Die psychische Schädigung des Opfers hält oft lange an. Viele empfinden während der Tat Todesangst, die meisten befinden sich bei und unmittelbar nach der Tat in einem [[Akute Belastungsreaktion|Schockzustand]]. Als Spätfolge kann bei Betroffenen eine [[posttraumatische Belastungsstörung]] und die [[Dissoziative Identitätsstörung]] auftreten.

Als Symptome wurden beschrieben:
* [[Albtraum|Albträume]]
* eine Störung der Sexualität
* Gleichgültigkeit
* [[Depression]]
* [[Schuldgefühl]]e
* [[Angst]]zustände oder [[Panikattacke]]n
* [[Selbstverletzendes Verhalten]]
* [[Suizid]]versuche oder vollendeter Suizid
* Schlafstörungen

Die Schwere der Reaktionen ist sehr unterschiedlich. Sie hängt unter anderem von den bei der Tat eingesetzten Gewaltmitteln, von dem sozialen Umfeld des Opfers und dessen Umgang mit der Vergewaltigung, von früheren Gewalterlebnissen und vom Alter des Opfers ab. Einige Opfer finden auch ohne spezielle Betreuung zu einem normalen Leben zurück (siehe auch [[Resilienz (Psychologie)|Resilienz]]), anderen gelingt es nur langfristig und nur durch eine [[Psychotherapie]], die Vergewaltigung zu verarbeiten.

== Kriminologische Perspektive ==
[[Datei:West Midlands Police - Rape and Serious Sexual Offences Campaign (8102683294).jpg|mini|Aufklärungskampagne aus den [[West Midlands (Region)|West Midlands]], England. Text: „‚Ich habe ein Kondom benutzt, das bedeutet, sie war einverstanden.‘ Keine Entschuldigung für Sexualstraftäter.“]]
Bis in die 1960er Jahre wurde Vergewaltigung als ein schweres, aber seltenes Delikt angesehen, das von psychisch abnormen Tätern, die der Frau unbekannt waren, begangen wurde. Erst durch [[Viktimologie|Viktimisierungsstudien]], vor allem seit den 1980er Jahren, hat sich die kriminologische Betrachtung völlig gewandelt.<ref>Hans Joachim Schneider (Hrsg.): Internationales Handbuch der Kriminologie, Band 2: Besondere Probleme der Kriminologie, De Gruyter 2009, ISBN 978-3-89949-131-9, S. 841&nbsp;f.</ref> Entgegen der immer noch weit verbreiteten Wahrnehmung in der Öffentlichkeit finden die meisten Vergewaltigungen im Bekannten- oder Verwandtenkreis statt. Eine Vergewaltigung durch einen völlig Fremden („der Mann hinter dem Baum“) kommt äußerst selten vor. So kannten z.&nbsp;B. nach einer US-amerikanischen Studie von 2004 lediglich in zwei Prozent aller Fälle Opfer und Täter einander vor der Tat nicht.<ref>A. Abbey, R. BeShears, A. M. Clinton-Sherrod, P. McAuslan: ''Similarities and differences in women’s sexual assault experiences based on tactics used by the perpetrator.'' In: ''Psychology of Women Quarterly.'' Band 28, 2004, S. 323–332.</ref> Wenn man davon ausgeht, dass Vergewaltigungen durch Familienmitglieder, Lebenspartner oder nahe Freunde oft nicht angezeigt werden, so dürfte der tatsächliche Anteil von Vergewaltigungen durch völlig Fremde sogar noch geringer sein. Gemäß derselben Studie spielten in rund zwei Drittel aller Fälle Alkohol oder andere Drogen eine Rolle.

Ein Zusammenhang zwischen der Kleidung und dem Auftreten einer Person und ihrem relativen Risiko, vergewaltigt zu werden, konnte bisher statistisch nicht nachgewiesen werden.

Die Beweislage bei Vergewaltigungen ist schwierig, meist steht Aussage gegen Aussage.<ref name="nzz13062010">{{Internetquelle |autor=[[Christine Brand]] |url=http://www.nzz.ch/nachrichten/startseite/delikt_untervier_augen_1.6060578.html |titel=Delikt unter vier Augen |hrsg=[[Neue Zürcher Zeitung]] |datum=2010-06-13 |abruf=2010-06-14}}</ref>

Eine 2014 erschienene Studie des [[Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen|Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen]] unter Leitung von [[Christian Pfeiffer]] stellte fest, dass in Deutschland noch vor 20 Jahren knapp 22 Prozent der Angezeigten verurteilt worden seien, dagegen im Jahr 2012 nur noch etwas mehr als acht Prozent der Tatverdächtigen. Die Gruppe der Fremdtäter sei laut Studie weniger geworden, wurden im Jahr 1994 noch etwa 30 Prozent der aufgeklärten Fälle fremden Tatverdächtigen zugerechnet, waren es 2012 nur noch 18 Prozent. Dementsprechend stieg der Anteil der Tatverdächtigen aus dem sozialen Nahraum in diesem Zeitraum von 7,4 auf knapp 28 Prozent.<ref>''Studie zu Vergewaltigungsprozessen. Mehr Fälle, weniger Urteile'' Tagesschau.de, 17. April 2014</ref>

Der [[Deutscher Juristinnenbund|Deutsche Juristinnenbund]] kritisierte 2014, dass das deutsche Strafrecht keine wirksame Strafverfolgung aller ''nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen'' ermögliche und forderte die Bundesregierung auf, das Sexualstrafrecht zu modernisieren. „Der Strafrechtsparagraph, der sexuelle Nötigung und Vergewaltigung unter Strafe stellt, erfülle die internationale Vorgabe der Kriminalisierung nicht.“<ref>{{Webarchiv |url=http://www.tagesschau.de/inland/sexualstrafrecht100.html |text=''Sexualstrafrecht sei „nicht wirksam“. Juristinnen fordern Strafrechtsreform'', tagesschau.de, 12. Mai 2014 |wayback=20140512223357}}</ref> [[Sexualstrafrecht (Deutschland)#Verschärfung 2016|2016 wurde das Sexualstrafrecht verschärft]].

=== Häufigkeit ===
Laut deutscher Kriminalstatistik haben im Jahr 2016 knapp 8.000 Frauen eine Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung angezeigt. Das sind mehr als 20 Fälle pro Tag. Zwei Prozent der Frauen, das belegt eine EU-weite Studie,<ref>European Union Agency for Fundamental Rights: [https://fra.europa.eu/en/publication/2014/violence-against-women-eu-wide-survey Violence against women: an EU‑wide survey] abgerufen 1. Dezember 2021</ref> wurden nach eigener Aussage während der vergangenen zwölf Monate Opfer sexueller Gewalt.<ref>[https://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2017-06/gewalt-fantasie-vergewaltigung-therapie Warum tut ein Mann das?] Der Sexualtherapeut [[Ulrich Clement]] erklärt männliche Gewaltfantasien, Zeit Magazin, abgerufen 1. Dezember 2021</ref>
[[Datei:A country comparison of rape and sexual assault rate trends, per 100000 people, 2003 - 2011, United Nations.png|mini|Ein Ländervergleich des Trends bei der Anzahl Vergewaltigungen und sexueller Übergriff pro 100.000 Personen, 2003–2011, Vereinte Nationen]]
Genaue Zahlen sind aufgrund einer hohen [[Dunkelziffer]] nicht bekannt. Eine Bevölkerungsbefragung in Deutschland ergab, dass 8,6 Prozent der befragten Frauen mindestens einmal im Leben Opfer einer Vergewaltigung, sexuellen Nötigung oder eines entsprechenden Versuchs waren.<ref>P. Wetzels, C. Pfeiffer: ''Sexualisierte Gewalt gegen Frauen im öffentlichen und privaten Raum.'' In: ''Materialien zur Frauenpolitik.'' Band 48. BMFSFJ, Bonn 1995.</ref> Repräsentative Studien in den USA fanden, dass 15 bis 25 Prozent aller Frauen im Laufe ihres Lebens mindestens einmal vergewaltigt werden.<ref name="KB">D. G. Kilpatrick, C. L. Best: ''Sexual assault victims: data from a random national probability sample.'' 36th Annual Meeting of the Southeastern Psychological Association, Atlanta (Georgia) 1990.</ref> Es wird angenommen, dass die Mehrzahl der Gewaltverbrechen Kinder und Jugendliche trifft. So schlussfolgert man etwa aus Befragungen, dass 10 bis 15 Prozent aller Frauen und zwischen 5 und 10 Prozent aller Männer bis zum Alter von 14 oder 16 Jahren „mindestens einmal einen sexuellen Kontakt erlebt haben, der unerwünscht war oder durch die 'moralische’ Übermacht einer deutlich älteren Person oder durch Gewalt erzwungen wurde“,<ref>Dirk Bange: ''Ausmaß.'' In: Dirk Bange, Wilhelm Körner (Hrsg.): ''Handwörterbuch Sexueller Missbrauch.'' Göttingen 2002, S. 20–25.</ref> der also den Tatbestand einer sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung erfüllt. Laut einer im September 2013 veröffentlichten UN-Studie bekennen sich rund 25 Prozent der Männer in der Asien-Pazifik-Region dazu, mindestens einmal in ihrem Leben ihre Partnerin oder eine andere Frau vergewaltigt zu haben. 10 Prozent gaben an, sich mindestens einmal an einer Frau vergangen zu haben, die nicht ihre Partnerin war.<ref>Rachel Jewkes, Emma Fulu, Tim Roselli, Claudia Garcia-Moreno: [https://www.thelancet.com/journals/langlo/article/PIIS2214-109X(13)70069-X/fulltext ''Prevalence of and factors associated with non-partner rape perpetration: findings from the UN Multi-country Cross-sectional Study on Men and Violence in Asia and the Pacific.''] In: ''The Lancet Global Health.'' Band 1, Ausgabe 4, 2013.</ref>

Es wird angenommen, dass die [[Dunkelziffer]] von Vergewaltigungen zwei- bis hundertfach so hoch wie die Zahl der polizeilichen Meldungen ist.<ref>H. J. Schneider: ''Kriminologie der Gewalt.'' Hirzel Verlag, Stuttgart/Leipzig 1994.</ref><ref>H. Feldmann: ''Vergewaltigung und ihre psychischen Folgen.'' In: ''Forum der Psychiatrie.'' Band 33. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1992.</ref> Viele Opfer erstatten keine Anzeige. Als Grund dafür werden Schamgefühle und die Angst des Opfers vor einem Wiedererleben des Traumas oder der Rache des Täters genannt, die Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird, sowie die Nähe des familiären Umfelds, aus dem die Täter oft stammen.<ref>D. Finkelhor, K. Yllo: ''Vergewaltigung in der Ehe: Eine soziologische Perspektive.'' In: J. Heinrichs (Hrsg.): ''Vergewaltigung – die Opfer und die Täter.'' Gerd J. Holtzmeyer Verlag, Braunschweig 1986, S. 65–75.</ref><ref name="Heynen">Susanne Heynen: ''Vergewaltigung.'' In: Dirk Bange, Wilhelm Körner (Hrsg.): ''Handwörterbuch Sexueller Missbrauch.'' Göttingen 2002, S. 697–705.</ref>

=== Anzeigebereitschaft ===
Die Bereitschaft von Opfern, die Tat anzuzeigen, ist Umfragen zufolge gering. Vergewaltigung gehört zu den Straftaten, deren Häufigkeit unterschätzt wird. Die Vergewaltigung hat weltweit eine der niedrigsten Verurteilungsraten von allen Verbrechen. Vergewaltigte Frauen zeigen die Tat bei der Polizei oft nicht an, da sie als Vergewaltigungsopfer sozial gebrandmarkt werden. Im Strafverfahren haben sie die Hauptbürde zu tragen. Weitere Ursachen können angenommene Beweisprobleme, geringer gesellschaftlicher Status der vergewaltigten Person, fehlende soziale Unterstützung und die Angst vor der Belastung des Verfahrens sein.<ref name="Heynen" /> In den USA bleiben zwei Drittel bis drei Viertel aller Vergewaltigungen im Dunkelfeld. Die „Justiz-Lücke“ ''(justice gap)'' sei groß: Von den angezeigten Vergewaltigungen kommen nur 8&nbsp;Prozent zur Anklage, 3&nbsp;Prozent der Täter kommen vor Gericht und 2&nbsp;Prozent erhalten eine Freiheitsstrafe.<ref>Hans Joachim Schneider: ''Vergewaltigung.'' In: ders. (Hrsg.): ''Internationales Handbuch der Kriminologie.'' Band 2. De Gruyter Rechtswissenschaften, 2009, ISBN 978-3-89949-131-9 Kapitel S. 813–816, [http://books.google.de/books?id=KhQwwzWaeFUC&pg=PA831&lpg=PA831&dq=vergewaltigung+falschbeschuldigung&source=bl&ots=xTZ3AQy7E3&sig=F8u72pb91SIeQ3pCcK4OlTquMdw&hl=en&sa=X&ei=UVp5UPOdJYTMswaiiYG4AQ&ved=0CDsQ6AEwAg#v=onepage&q=vergewaltigung&f=false einsehbar bei Google Books]</ref> Die Anzeigebereitschaft sinkt mit dem Anstieg des Bekanntheitsgrades zwischen Tätern und Opfern.<ref name="Heynen" /> Auch die Deutung eines Geschehens als Vergewaltigung kann von „subjektiven Faktoren“ und „situativen Lebensumständen“ abhängig sein, weshalb sich vor allem bei weiblichen Vergewaltigungsopfern in Intimbeziehungen regelrecht eine „Tendenz zur Verharmlosung“ der erlittenen Gewalt gegenüber Anderen einstellen kann,  „und zwar insbesondere dann, wenn es sich bei dem Täter um den aktuellen Partner des Opfers handelt“.<ref>{{Literatur |Autor=Gerhard Schreiber |Titel=Im Dunkel der Sexualität. Sexualität und Gewalt aus sexualethischer Perspektive |Verlag=De Gruyter |Ort=Berlin und Boston |Datum=2022 |ISBN=978-3-110-71759-4 |Seiten=345}}</ref>

Die Initiative #[[Ichhabnichtangezeigt]] bietet eine Fülle von Erklärungen, warum es nicht zu Anzeigen bei der Polizei kommt. Zu den genannten Gründen gehören Vergessenwollen, Abwehrreaktionen des sozialen Umfelds, die unsicheren Erfolgsaussichten einer Anzeige und ein auch aufgrund von schlechten Erfahrungen geringes Vertrauen in Polizei und Justiz. „Betroffenen wird oft nicht zugehört, sie werden alleine gelassen, und sie werden zum Schweigen gebracht, indem sie mit Anfeindungen und Ausgrenzung bedroht werden, falls sie die sexualisierte Gewalt öffentlich machen. Mit einer Anzeige würden sie das.“ Sexualisierte Gewalt wird oft von Mächtigeren gegenüber weniger Mächtigen verübt. Bei den Abwehrreaktionen des Umfelds und den geringen Erfolgsaussichten von Anzeigen spielen „[[Vergewaltigungsmythos|Vergewaltigungsmythen]]“ eine wesentliche Rolle.<ref>Daniela Oerter, Sabina Lorenz, Inge Kleine: ''{{Webarchiv |url=https://ichhabnichtangezeigt.files.wordpress.com/2012/07/auswertung_ausf-web.pdf |text=Auswertung der Social-Media-Kampagne #ichhabnichtangezeigt. 1. Mai 2012 bis 15. Juni 2012. |wayback=20160325182716}}'' (PDF; 742&nbsp;kB) abgerufen am 11. März 2016</ref>

==== International steigende Anzeigebereitschaft ====
Vor allem in westlichen Ländern ist über lange Zeiträume relativ synchron ein [[Kriminalitätsrückgang]] besonders bei [[Gewaltkriminalität]] und [[Diebstahl]] gut dokumentiert. Die Häufigkeit von Vergewaltigungen, die zur Gewaltkriminalität gehören, veränderte sich in unterschiedlichen Ländern jedoch weniger einheitlich. Die Bereitschaft der Opfer, Anzeige zu erstatten stieg zwar überall an. Die Zeiträume der Anstiege lagen in unterschiedlichen Ländern jedoch etwas anders.<ref name="tonry-5-6">{{Internetquelle |autor=Michael Tonry |url=https://scholarship.law.umn.edu/faculty_articles/511 |titel=Why Crime Rates Are Falling Throughout the Western World, 43 Crime & Just. 1 (2014) |seiten=5,6 |sprache=en |abruf=2019-06-06}}</ref>

In den USA stiegen die Anzeigeraten (das Verhältnis der angezeigten zu den tatsächlichen Fällen) von gewalttätigen, auch sexuellen Übergriffen in den 1970er Jahren etwas und ab Mitte der 1980er Jahre stark an. Seit Anfang der 1990er Jahre fallen Kriminalitätsraten (das Verhältnis von Anzeigen zur Bevölkerungsgröße) in den westlichen Ländern. In den USA ging die Zahl der Anzeigen wegen Gewaltkriminalität zwischen 1991 und 2005 um 27 % zurück. Wenn die Änderungen der Anzeigebereitschaft berücksichtigt werden, fielen die Zahlen der tatsächlichen Fälle jedoch um 51 %. Ähnliche Rückgänge wurden auch in [[England und Wales]], sowie [[Skandinavien]] ermittelt, wo es ebenfalls regelmäßige Viktimisierungsstudien gibt.<ref name="tonry-5-6" />

Ein Grund für die gestiegene Anzeigebereitschaft ist die verringerte Toleranz gegen sexuelle Gewalt und Gewalt gegen Frauen im Allgemeinen, zumindest in westlichen Gesellschaften. Auch die Polizei ist als Teil der Gesellschaft von der geänderten Kultur beeinflusst. Dadurch stieg ihre Bereitschaft, solche Vorfälle ernst zu nehmen und als Kriminalität zu registrieren – auch um öffentlicher Kritik vorzubeugen.<ref name="tonry-5-6" />

Der kulturelle Toleranzlevel für Gewalt änderte sich zumindest seit den 1960er Jahren. Vorfälle, die heute angezeigt werden, wurden früher zwar als unerwünscht, unfreundlich oder inakzeptabel bezeichnet, aber nicht als kriminell. Beispiele sind Partnerschaftskonflikte oder ungewollte, sexuelle Berührung in der Öffentlichkeit. Der Kriminologe [[Michael Tonry]] meint, der kulturelle Wandel beträfe auch die Begriffe. Wäre in einer Viktimisierungsstudie in den 1960er Jahren jemand nach einem Schlag vom Partner gefragt worden, ob sie oder er Opfer einer Gewalttat geworden sei, wäre die Wahrscheinlichkeit nein zu sagen größer als heute gewesen.<ref>{{Internetquelle |autor=Michael Tonry |url=https://scholarship.law.umn.edu/faculty_articles/511 |titel=Why Crime Rates Are Falling Throughout the Western World, 43 Crime & Just. 1 (2014) |seiten=7 |sprache=en |abruf=2019-06-06}}</ref>

Viele Bewertungen von sexuellen Übergriffen haben sich verschoben. So auch Vergewaltigungen und versuchte Vergewaltigungen durch Bekannte, den Ehemann, oder bei Frauen, die [[Date Rape|auf der Suche nach einer Beziehung]] sind. Dies ist auch ein Erfolg des Feminismus der 1970er und 1980er Jahre. Politische Bewegungen bewirkten Verschärfungen von Gesetzen und veränderten auch der Auslegung bestehender Gesetze.<ref name="tonry-8">{{Internetquelle |autor=Michael Tonry |url=https://scholarship.law.umn.edu/faculty_articles/511 |titel=Why Crime Rates Are Falling Throughout the Western World, 43 Crime & Just. 1 (2014) |seiten=8 |sprache=en |abruf=2019-06-06}}</ref> Seit den späten 1990er Jahren wird die Berichterstattung in den Medien zunehmend opferzentriert und moralisch.<ref>{{Internetquelle |autor=Michael Tonry |url=https://scholarship.law.umn.edu/faculty_articles/511 |titel=Why Crime Rates Are Falling Throughout the Western World, 43 Crime & Just. 1 (2014) |seiten=48 |sprache=en |abruf=2019-06-06}}</ref>

Änderungen des Anzeigeverhaltens, juristische Änderungen, einer erweiterten Registrierung durch die Polizei und der geänderten gesellschaftlichen Toleranz führten zu einem wesentlichen Anstieg der Fallzahlen gegenüber den tatsächlichen Vorfällen in den Kriminalstatistiken aller entwickelten Länder.<ref name="tonry-8" />

==== Deutschland ====
{{Manueller Rahmen|content={{Graph:Chart|width=250|height=150|type=line|yAxisTitle=Häufigkeitszahl|x=1987,1988,1989,1990,1991,1992,1993,1994,1995,1996,1997,1998,1999,2000,2001,2002,2003,2004,2005,2006,2007,2008,2009,2010,2011,2012,2013,2014,2015,2016,2017,2018,2019,2020,2021
|y1=8.6,8.6,8.1,8.2,8.4,8.5,7.9,7.5,7.6,7.6,8.1,9.6,9.2,9.1,9.6,10.4,10.6,10.7,9.9,9.8,9.1,8.9,8.9,9.4,9.2,9.8,9.2,9.1,8.6,9.6
|y2=,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,9.6,13.7,11.2,11.4,11.7,11.9
|yAxisMin=0
}}|caption=In Deutschland angezeigte Fälle von ''Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexueller Übergriff im besonders schweren Fall einschl. mit Todesfolge §§ 177, 178 StGB'' in den Jahren 1987–2021 als [[Häufigkeitszahl]] (pro 100.000 Einwohner). Rot ab 2016.<ref name="pks-zeitreihe" />|width=350|align=right}}
Laut [[Polizeiliche Kriminalstatistik (Deutschland)|Polizeilicher Kriminalstatistik]] wurden 2021 in Deutschland 106.656 Fälle von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung angezeigt, davon 9.903 Fälle von Vergewaltigung oder schwerer sexueller Nötigung (eine Rate von 128,3 beziehungsweise 11,9 Fällen pro 100.000 Einwohner). In diesen Zahlen sind Versuche enthalten. Die Aufklärungsquote von Vergewaltigungen lag mit 85 %, geringfügig höher als in den Jahren zuvor.<ref name="pks-zeitreihe">{{Internetquelle |url=https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/PolizeilicheKriminalstatistik/PKS2021/PKSTabellen/Zeitreihen/zeitreihen_node.html |titel=Polizeiliche Kriminalstatistik 2021 – Zeitreihen Übersicht Falltabellen |hrsg=Bundeskriminalamt |format=xlsx; csv |sprache=de |abruf=2022-04-17}}</ref> Bei diesen Angaben handelt es sich um Anzeigen, nicht um Verurteilungen.
{{Manueller Rahmen|content={{Graph:Chart|width=250|height=150|type=line|yAxisTitle=Häufigkeitszahl|x=1987,1988,1989,1990,1991,1992,1993,1994,1995,1996,1997,1998,1999,2000,2001,2002,2003,2004,2005,2006,2007,2008,2009,2010,2011,2012,2013,2014,2015,2016,2017,2018,2019,2020,2021
|y1=55.9,60.0,58.9,60.0,59.7,59.9,54.6,55.7,57.8,60.0,64.8,65.5,62.9,63.4,64.3,65.3,66.2,69.4,66.9,63.4,68.4,69.1,59.9,57.3,57.6,56.0,58.1,58.2,56.8,57.7
|y2=,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,57.7,67.9,77.0,84.2,98.2,128.3
|yAxisMin=0
}}|caption=In Deutschland angezeigte Fälle wegen ''Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung insgesamt'' in den Jahren 1987–2021 als [[Häufigkeitszahl]] (pro 100.000 Einwohner). Rot ab 2016.<ref name="pks-zeitreihe" />|width=350|align=right}}

Im Jahr 2019 sind in Deutschland 8.782 Verurteilungen wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und 562 wegen Vergewaltigung ergangen.<ref>{{Internetquelle |url=https://www-genesis.destatis.de/genesis/online |titel=Verurteilte: Deutschland, Jahre, Art der Straftat, Code=24311-0001
 |hrsg=Statistisches Bundesamt |format=xlsx |sprache=de |abruf=2022-05-28}}</ref> Die Verurteilungsraten in Vergewaltigungsprozessen sind sehr niedrig. 2012 wurden in 8,4 % der Fälle Täter verurteilt, 20 Jahre zuvor waren es 21,6 %.<ref>https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2014-04/studie-vergewaltigung-anzeige-verurteilung, abgerufen am 17. November 2019.</ref>

Anzeige- und Verurteiltenzahlen sind schwer vergleichbar. Anzeigezahlen beziehen sich auf Fälle, während Verurteiltenzahlen Personen zählen. Hinzu kommt, dass nicht alles Angezeigte aufgeklärt, nicht alles Aufgeklärte angeklagt und nicht alles Angeklagte abgeurteilt wird.

Bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung in Partnerschaften sind die Opfer zu fast 100 % weiblich. 2015 starben in Deutschland 331 Frauen durch Partnerschaftsgewalt.<ref>[https://www.bka.de/DE/Presse/Listenseite_Pressemitteilungen/2016/Presse2016/161122_Partnerschaftsgewalt.html Bundeskriminalamt: Gewalt in Paarbeziehungen, Pressekonferenz vom 22. November 2016.]</ref>

Bei der Interpretation des zeitlichen Verlaufs sind die weiter oben beschriebenen kulturellen Veränderungen zu berücksichtigen. Das sind die steigende Anzeigebereitschaft, die sich verringernde gesellschaftliche Toleranz gegenüber Gewalt, Verschärfungen von Gesetzen und ihrer Auslegung.<ref name="tonry-5-6" /> Besonders hervorzuheben ist die [[Sexualstrafrecht (Deutschland)#Verschärfung 2016|Verschärfung des Sexualstrafrechts 2016]]. Die Zunahme ab 2017 ist darauf sowie auf eine erhöhte Anzeigebereitschaft durch die Debatte unter dem Stichwort „nein ist nein“ nach den sexuellen Übergriffen Silvester 2015 zurückzuführen.<ref>[http://web.archive.org/web/20180808051456/http://www.br.de/nachrichten/mehr-vergewaltigungen-bayern-100.html], abgerufen am 25. September 2017.</ref>

==== Schweiz ====
2014 wurden in der Schweiz 556 Vergewaltigungen angezeigt (eine Rate von 6,8 auf 100.000 Einwohner); die Aufklärungsrate lag bei 81,1 %.<ref name="nzz13062010" /><ref name="PKS2014">{{Webarchiv |url=http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/news/publikationen.html?publicationID=6354 |text=Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) Jahresbericht 2014 |wayback=20160310083227}}</ref>

==== Schweden ====
Auf 100.000 Einwohner kamen 2006 in Schweden 46,5 bei der Polizei angezeigte Vergewaltigungen.<ref name="lovett">{{Internetquelle |autor=Jo Lovett, Liz Kelly |url=http://kunskapsbanken.nck.uu.se/nckkb/nck/publik/fil/visa/197/different#page=95 |titel=Different systems, similar outcomes? Tracking attrition in reported rape cases across Europe |werk=Child and Women Abuse Studies Unit, London |hrsg=[[London Metropolitan University]] |seiten=93-101 |datum=2009 |format=PDF; 4&nbsp;MB |kommentar=ISBN 978-0-9544803-9-4 |abruf=2016-03-11}}</ref> Dies ist die höchste Quote in Europa und etwa vier Mal so hoch wie in Deutschland. Die europaweit vergleichende Studie von Jo Lovett und Liz Kelly benennt als mögliche Gründe hierfür u.&nbsp;a. einen weiter gefassten Vergewaltigungsbegriff sowie eine aktivere Stellung der betroffenen Personen im Prozess. So besitzen sie als Verfahrensbeteiligte das Recht, eigene Anträge zu formulieren, und haben nicht lediglich die Rolle eines Zeugen inne – wie z. B. in Deutschland, wenn keine [[Nebenklage]] eingereicht wird bzw. werden kann.<ref name="lovett" /><ref>Lara Blume, Kilian Wegner: ''[http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/14-09/index.php?sz=10 Reform des §&nbsp;177 StGB? - Zur Vereinbarkeit des deutschen Sexualstrafrechts mit Art. 36 der „Istanbul-Konvention“]'' In: HRRS Aug./Sept. 2014, {{ISSN|1865-6277}}, abgerufen am 11. März 1996.</ref> Die in den letzten Jahrzehnten in Schweden intensiv geführte öffentliche Diskussion über sexualisierte Gewalt wird als ein weiterer Grund für die hohe Anzeigebereitschaft gesehen. Die schwedischen [[Häufigkeitszahl]]en sind nicht direkt mit Zahlen aus anderen Ländern und älteren schwedischen Zahlen vergleichbar, weil Serientaten mittlerweile hochgerechnet in die Statistik eingestellt werden.<ref>Ruth Alexander: ''[http://www.bbc.co.uk/news/magazine-19592372 Sweden’s rape rate under the spotlight]'' BBC News 15. September 2012, abgerufen am 11. März 2016.</ref><ref>Sabine Kräuter-Stockton: ''[https://www.djb.de/publikationen/zeitschrift/djbZ-2013-2/djbZ-2013-2b1/ §&nbsp;177 StGB – Kritik und Verbesserungsvorschläge im Vergleich mit den Regelungen in Norwegen, Schweden und England/Wales.]'' In: djbZ 2013 Heft 2, 16. Jahrgang, [[Deutscher Juristinnenbund]] e.V. (djb) 2013, {{ISSN|1866-377X}}, abgerufen am 11. März 2016.</ref><ref>[[Bundeskriminalamt (Deutschland)]]: ''{{Webarchiv |url=http://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/2014/pks2014Richtlinien,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/pks2014Richtlinien.pdf |text=Richtlinien für die Führung der Polizeilichen Kriminalstatistik i. d. F. vom 01.01.2014. Stand: 14.04.2014. |wayback=20160330050444}}'' (PDF; 160&nbsp;kB), abgerufen am 11. März 2016.</ref>

==== Japan ====
Japan wies, basierend auf Zahlenmaterial aus den 1970er und 1980er Jahren, die niedrigste Anzahl angezeigter Vergewaltigungsfälle und die höchsten Aufklärungsraten in allen entwickelten Ländern auf.<ref>[http://www.hawaii.edu/PCSS/biblio/articles/1961to1999/1999-pornography-rape-sex-crimes-japan.html Pornography, Rape and Sex Crimes in Japan], von Milton Diamond, Ph.D. and Ayako Uchiyama Published: International Journal of Law and Psychiatry 22(1): 1-22. 1999.</ref> Im Jahr 2002 gab es nach Angaben der UN in Japan 2357 Vergewaltigungsfälle, was einer Rate von 1,85 pro 100.000 Einwohner entspricht; zum Vergleich betrug diese Rate in demselben Zeitraum in Deutschland 10,44 und in den USA 32,99.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.unodc.org/pdf/crime/eighthsurvey/8sv.pdf#page=40 |titel=Eighth United Nations Survey of Crime Trends and Operations of Criminal Justice Systems, covering the period 2001–2002 |hrsg=[[Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung]] |seiten=40 |format=PDF |sprache=en |abruf=2012-03-25}}</ref> Vergleichbar sind diese Zahlen insofern nicht, da das bis Juli 2017 gültige japanische Sexualstrafrecht aus dem Jahr 1907 für den Tatbestand der Vergewaltigung zwingend „Gewalt“ oder „Bedrohung“ sowie Penetration mit dem Penis voraussetzte, sich nur auf weibliche Opfer bezog und die Scham der Frauen und Mädchen Anzeigen verhinderte.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.sueddeutsche.de/panorama/sexualstrafrecht-nein-heisst-auch-anderswo-nicht-immer-nein-1.2978822-3 |titel=Nein heißt auch anderswo nicht immer nein |werk=sueddeutsche.de |datum=2016-05-03 |abruf=2018-06-26}}</ref>

=== Falschbeschuldigungen und -verdächtigungen ===
Eine Studie aus dem Jahr 2010 wertete den Verlauf von 100 Strafanzeigen wegen Vergewaltigung aus. Die Untersuchung stützt sich jedoch nicht auf die Einstellungen der Beamten, sondern wertet den Verfahrensverlauf nach einem eigenständigen Satz von Kriterien aus. Das knappe Ergebnis lautet, dass während der Ermittlungen bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens drei Prozent Falschanschuldigungen festgestellt wurden und in etwa 80 Prozent der Fälle das Strafverfahren eingestellt wurde.<ref>Corinna Seith, Joanna Lovett und Liz Kelly: ''Unterschiedliche Systeme, ähnliche Resultate? Strafverfolgung von Vergewaltigung in elf europäischen Ländern''. Länderbericht Österreich, London u.&nbsp;a. 2010, S. 6, {{Webarchiv |url=http://www.cwasu.org/filedown.asp?file=Austria_German_final%281%29.pdf |text=Unterschiedliche Systeme, ähnliche Resultate? Strafverfolgung von Vergewaltigung in elf europäischen Ländern |wayback=20131220073249}}</ref> In Europa schwankte der Wert zwischen einem und neun Prozent mit einem Mittel von rund sechs Prozent.<ref>Liz Kelly: ''The (In)credible Words of Women: False Allegations in European Rape Research''. In: ''Violence Against Women''. 16, Nr.&nbsp;2, 2010, S. 1345–1355, hier S. 135. [[doi:10.1177/1077801210387748]]</ref><ref>Ilse Lenz: Der neue Antifeminismus. Der [[Kachelmann-Prozess|Fall Kachelmann]] und das Bild vom männlichen Opfer. In: Blätter für Deutsche und Internationale Politik, 7/2011</ref>

Klaus Püschel, der Direktor des Rechtsmedizinischen Instituts Hamburg, das die größte deutsche Opferambulanz betreibt, stellte im Jahr 2009 fest, bei ärztlichen Untersuchungen hätten sich 27 Prozent der angeblich Vergewaltigten als Scheinopfer erwiesen, die sich ihre Verletzungen selbst zugefügt hatten. In 33 Prozent der Fälle habe die Tat rechtsmedizinisch nachgewiesen werden können, in den restlichen 40 Prozent sei das Ergebnis der Rechtsmedizin nicht eindeutig. Die Tendenz zur Falschbeschuldigung sei laut Püschel in den letzten Jahren erheblich gestiegen, zuvor habe sie über Jahrzehnte konstant bei fünf bis zehn Prozent gelegen.<ref>[http://www.zeit.de/2011/28/DOS-Justiz/komplettansicht ''Lügen, die man gerne glaubt'']. Die Zeit, 28/2011, 11. Juli 2011</ref>

In einer 2005 im Auftrag des [[Home Office (Ministerium)|britischen Innenministeriums]] durchgeführten Untersuchung wurden 2643 Anzeigen wegen Vergewaltigung untersucht. Davon wurden 8 Prozent von Polizeibeamten als Falschbeschuldigungen klassifiziert. Das Forscherteam stellte jedoch fest, dass viele dieser Klassifikationen gegen die offiziellen Kriterien zur Bestimmung falscher Anschuldigungen verstießen und lediglich auf den persönlichen Meinungen der Polizisten beruhten. Nach näherer Analyse und Anwendung der Home-Office-Richtlinien schrumpfte der Anteil der Falschbeschuldigungen auf 3 Prozent. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass in der Polizei weiterhin ein Misstrauenklima gegenüber Vergewaltigungsopfern herrsche und die Häufigkeit von Falschbeschuldigungen überschätzt werde. Außerdem bestünde die Tendenz, falsche Anschuldigungen mit Rücknahmen von Anzeigen zu vermischen, ganz so als ob in diesen Fällen keine sexuellen Übergriffe stattgefunden hätten.<ref>Liz Kelly, Jo Lovett, Linda Regan: {{Webarchiv |url=http://www.homeoffice.gov.uk/rds/pdfs05/hors293.pdf |text=''A gap or a chasm? Attrition in reported rape cases'' |wayback=20050228035435}} (PDF; 647&nbsp;kB). Home Office Research Study 293, 2005.</ref>

Eine Studie zu Vergewaltigung, sexueller Nötigung und Falschbeschuldigung in Bayern gibt mit Verweis auf die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2000 einen Anteil von 7,4 Prozent an nachweislich falschen Vergewaltigungsverdächtigungen an (140 von insgesamt 1894 Vorgängen) die zu einer Ermittlung wegen einer [[Vortäuschung einer Straftat|vorgetäuschten Straftat]] (nach §&nbsp;145 d StGB) oder nach §&nbsp;164 StGB als [[falsche Verdächtigung]] führten. Mit wenigen Ausnahmen handelte es sich um Fälle mit eindeutiger Beweislage im Hinblick auf diese Straftaten. Auch nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen noch fragliche Fälle werden in der Regel als Anzeige wegen Vergewaltigung oder sexueller Nötigung an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Laut der Studie ist „[Der] Tatnachweis für ein Vortäuschen oder eine falsche Verdächtigung aber insbesondere deshalb meist nicht zu führen, weil ein Geständnis des angeblichen Opfers nicht vorliegt. Trotz vieler Inkonsistenzen in den Zeugenaussagen und dem Vorliegen weiterer Kriterien, welche die Glaubwürdigkeit in Frage stellen, bleibt letztendlich die Aussage des angeblichen Opfers neben der des von ihm Beschuldigten stehen; andere Personen- oder Sachbeweise liegen in ausreichender Beweiskraft in der Regel nicht vor. Anzeige erstattet wird in diesen Fällen fast ausschließlich wegen Vergewaltigung oder sexueller Nötigung und nicht wegen Vortäuschens oder falscher Verdächtigung.<ref>Erich Elsner, Wiebke Steffen: ''Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in Bayern. Opferrisiko, Opfer- und Tatverdächtigenverhalten, polizeiliche Ermittlungen, justizielle Erledigung'', 1. Auflage. Bayerisches Landeskriminalamt, München 2005, ISBN 3-924400-16-4. [http://www.polizei.bayern.de/content/4/3/7/vergewaltigung_und_sexuelle_n_tigung_in_bayern_bpfi.pdf PDF] Seite 177f / Kap. 6.2</ref> […] die [[Einstellung des Strafverfahrens (Deutschland)|Einstellungsquote]] nach §&nbsp;170 II StPO durch die Staatsanwaltschaft [liegt] bei den als Vergewaltigung oder sexueller Nötigung angezeigten Vorfällen bei deutlich über 50 Prozent. Die Beweislage ist oft schlecht, ein „hinreichender Tatverdacht“ gegen den Beschuldigten lässt sich nach Abschluss der Ermittlungen nicht begründen, weil unbeteiligte Zeugen meist ebenso fehlen wie verwertbare Tatspuren. Deshalb unterbleibt bis auf wenige Ausnahmen auch eine Anzeige wegen Vortäuschens einer Straftat bzw. falscher Verdächtigung, selbst wenn in dem einen oder anderen Fall der Verdacht für das Vorliegen eines dieser Delikte nahe liegt.“<ref>Erich Elsner, Wiebke Steffen: ''Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in Bayern. Opferrisiko, Opfer- und Tatverdächtigenverhalten, polizeiliche Ermittlungen, justizielle Erledigung'', 1. Auflage. Bayerisches Landeskriminalamt, München 2005, ISBN 3-924400-16-4. [http://www.polizei.bayern.de/content/4/3/7/vergewaltigung_und_sexuelle_n_tigung_in_bayern_bpfi.pdf PDF] Seite 157 / Kap. 5.1</ref> Medial bekannte Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum, in denen nach Abschluss des Strafverfahrens eine Falschanschuldigung festgestellt wurde, sind hierbei unter anderem der [[Justizirrtum um Horst Arnold]], [[Justizirrtum um Ralf Witte]] sowie der [[Kachelmann-Prozess]]. Auch Prominente wie beispielsweise [[Andreas Türck]] oder [[Karl Dall]] wurden in der Vergangenheit der Vergewaltigung bezichtigt und anschließend freigesprochen.<ref>[https://www.20min.ch/story/karl-dall-ist-nicht-allein-799838216350 Karl Dall ist nicht allein] 20min.ch</ref> Eine Falschbeschuldigung wie beim Urteil gegen [[Gina-Lisa Lohfink]] im Jahre 2016 kann „eine Verhöhnung und Irreführung aller Frauen und Männer, die tatsächlich Opfer einer Straftat geworden sind“<ref>[https://www.welt.de/vermischtes/article157807277/Verhoehnung-aller-die-tatsaechlich-Opfer-geworden-sind.html „Verhöhnung aller, die tatsächlich Opfer geworden sind“] Welt.de</ref> darstellen.

''Siehe auch''
* [[Vergewaltigungsmythos]]
* [[Täter-Opfer-Umkehr]]

== Soziobiologische Sicht ==
Gewaltsame [[Begattung]]en wurden bei vielen [[Art (Biologie)|Spezies]] von Säugetieren, Vögeln, Insekten und Fischen beobachtet.<ref>S. R. Garner, R. N. Bortoluzzi, D. D. Heath, B. D. Neff: ''Sexual conflict inhibits female mate choice for major histocompatibility complex dissimilarity in Chinook salmon.'' In: ''Proceedings. Biological sciences.'' Band 277, Nummer 1683, März 2010, S.&nbsp;885–894, {{DOI|10.1098/rspb.2009.1639}}, PMID 19864282, {{PMC|2842720}}.</ref> Bei [[Borneo-Orang-Utan]]s, die zu den [[Menschenaffen]] gehören, sollen sogar die Mehrzahl der Paarungen durch Gewalt zustande kommen.<ref>Cheryl Denise Knott, Melissa Emery Thompson u.&nbsp;a.: ''Female reproductive strategies in orangutans, evidence for female choice and counterstrategies to infanticide in a species with frequent sexual coercion.'' In: ''Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences.'' 277, 2010, S.&nbsp;105, {{DOI|10.1098/rspb.2009.1552}}.</ref> [[Michael Schmidt-Salomon]] plädiert dafür, sozial geächtete Verhaltensweisen wie Vergewaltigungen aus einer [[Soziobiologie|soziobiologischen]] Perspektive als evolutionäre Überlebensstrategie zu betrachten. Nicht etwa, um sie zu legitimieren, sondern weil sich dadurch die Chance biete, wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen zu können, um derartige Verhaltensweisen einzudämmen.<ref>[[Michael Schmidt-Salomon]]: [[Hoffnung Mensch]]. Eine bessere Welt ist möglich., Piper Verlag, München 2014, S. 94.</ref> Die These, dass Vergewaltigungen beim Menschen Teil einer evolutionäre Anpassungsstrategie seien, gilt jedoch als umstritten. Widerspruch durch den Philosophen Richard Hamilton betont, dass [[Vergewaltigung von Jungen und Männern]], Vergewaltigung von Frauen außerhalb des gebärfähigen Alters, Vergewaltigung mit Todesfolge und nicht-vaginale Formen der Vergewaltigung durch solche Theorien nicht erklärt werden können.<ref>{{Literatur |Autor=Richard Hamilton |Titel=The Darwinian Cage: Evolutionary Psychology as Moral Science |Sammelwerk=Theory, Culture & Society |Band=25 |Nummer=2 |Datum=2008-03 |ISSN=0263-2764 |DOI=10.1177/0263276407086793 |Seiten=105–125}}</ref> Eine andere Theorie sieht Vergewaltigungen als nicht-adaptives Nebenprodukt anderer evolutiver Mechanismen wie z. B. des Wunsches nach sexueller Vielfalt, das Verlangen nach Sex ohne Investition, oder die allgemeine Fähigkeit, körperliche Aggression einzusetzen, um eine Vielzahl von Zielen zu erreichen. Eindeutige Belege für einer dieser Theorien existieren jedoch nicht.<ref>{{Literatur |Autor=David M. Buss |Titel=Evolutionary psychology : the new science of the mind |Auflage=Sixth Edition |Ort=New York |Datum=2019 |ISBN=978-1-138-08818-4 |Seiten=313}}</ref>

== Mahnmal ==
[[Datei:Wir haben Gesichter 02.jpg|mini|Wir haben Gesichter 02]]
[[Datei:Wir haben Gesichter 04.jpg|mini|links|Wir haben Gesichter 04]]Im Mai 2005 wurde im [[Viktoriapark]] in [[Berlin-Kreuzberg]] das Mahnmal [[Wir haben Gesichter]] aufgestellt, das an alle Frauen erinnern soll, die Opfer einer Vergewaltigung wurden. Am späteren Ort des Mahnmals war 2002 eine Frau von zwei Männern überfallen und vergewaltigt worden. Die Statue ist Teil der gleichnamigen Aktion.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.livekritik.de/kultura-extra/extra/feull/30_jahre_frauenhausbewegung.php |text=— |archive-is=20150630000000}} Beleg Mahnmal</ref>

== Literaturgeschichte ==
[[Datei:Ugrabitev Prozerpine.jpg|mini|Der Raub der Proserpina. Unbekannter Künstler, 17. Jahrhundert]]

Die Frauennötigung zählt – neben den verwandten Motiven des [[Brautraub|Frauenraubes]] und der [[Zwangsheirat|Zwangsverheiratung]] – zu den [[Motiv (Literatur)|literarischen Motiven]], die sich in der Weltliteratur zu allen Zeiten gefunden haben.<ref>[[Elisabeth Frenzel]]: ''Motive der Weltliteratur. Ein Lexikon dichtungsgeschichtlicher Längsschnitte'' (= ''[[Kröners Taschenausgabe]].'' Band 301). 5., überarbeitete und ergänzte Auflage. Kröner, Stuttgart 1999, ISBN 3-520-30105-9, S. 172.</ref> Die [[griechische Mythologie]] kennt die Geschichte der [[Persephone]] (Proserpina), die [[Raub der Persephone|von Hades geraubt]] wird. Bereits das Alte Testament hatte Erzählungen von Vergewaltigungen umfasst, darunter die Gräueltat der Benjamiter von Gibea {{Bibel|Ri|19}}, sowie den Überfall des Stammes Benjamin auf die jungfräulichen Töchter der Stadt [[Silo (biblischer Ort)|Silo]] {{Bibel|Ri|21}}. In der [[Genesis (Bibel)|Genesis]] (1. Buch Mose) wird die Geschichte von [[Sodom und Gomorra]] erzählt, wobei zu den Sünden der Sodomiten laut {{B|Gen|18+19}} die Vergewaltigung männlicher Durchreisender gehört habe.<ref>Tatsächlich wird den Sodomiten weniger die „[[Unzucht]]“ zwischen Männern als der Mißbrauch der Gastfreundschaft durch sexuelle Gewalt angelastet. ''(„Sie riefen nach Lot und fragten ihn: Wo sind die Männer, die heute Nacht zu dir gekommen sind? Bring sie zu uns heraus, wir wollen mit ihnen verkehren.“'' − Gen 19)</ref>

Bekannt ist auch der römische Mythos vom [[Romulus und Remus#Der Raub der Sabinerinnen|Raub der Sabinerinnen]]. Ebenfalls der römischen Mythologie ist die Geschichte der [[Lucretia]] zuzurechnen, der Ehefrau eines vornehmen Bürgers, die sich nach einer Vergewaltigung selbst ersticht. [[Georgios Monachos]] berichtet Ähnliches über die heilige Euphrasia von Nikomedien, die sich in der Zeit der [[Christenverfolgungen im Römischen Reich|Christenverfolgung]], um der Vergewaltigung durch einen römischen Soldaten auszuweichen, selbst den Tod gab und damit zu einer [[Märtyrer]]in für ihre sittliche Überzeugung wurde.<ref>{{Literatur |Autor=J. Hack |Titel=Christlicher Bilderkreis |Verlag=Fr. Hurter |Ort=Schaffhausen |Datum=1856 |Seiten=306 |Online={{Google Buch|BuchID= jA9AAAAAIAAJ |Seite=306}}}} Elisabeth Frenzel: ''Motive der Weltliteratur. Ein Lexikon dichtungsgeschichtlicher Längsschnitte'', Kröner, Stuttgart, 5. Auflage, 1999, ISBN 3-520-30105-9, S. 174f</ref> Diese Motivvariante des Selbstmordes angesichts einer drohenden Vergewaltigung findet sich auch in verschiedenen Werken späterer Autoren (Beispiele: [[James Shirley]]: ''The Traitor'', 1631; [[Andreas Gryphius|Gryphius]]: ''[[Catharina von Georgien]]'', 1657; [[Friedrich de la Motte Fouqué|Fouqué]]: ''Der Litauerfürst und die brandenburgische Nonne'', 1818). In anderen Werken bringt die Frau sich ''nach'' der erlittenen Tat um ([[Daniel Caspar von Lohenstein|Lohenstein]]: ''Ibrahim Sultan'', 1673), in wieder anderen wird die Frau von ihrem Vater getötet, weil diesem ihre Unbescholtenheit noch wertvoller ist als ihr Leben ([[Verginia]]-Legende; [[Guillén de Castro|Castro]]: ''Cuánto se estima el honor'', um 1623; [[Gotthold Ephraim Lessing|Lessing]]: ''[[Emilia Galotti]]'', 1772; [[Friedrich Maximilian Klinger|Klinger]]: ''Aristodemos'', 1790; [[Heinrich von Kleist|Kleist]]: ''[[Die Hermannsschlacht (Kleist)|Die Hermannsschlacht]]'', 1821).

Eine weitere Motivvariante ist die [[Rache]] der vergewaltigten Frau. In der griechischen Mythologie setzt [[Philomela]] ihrem Vergewaltiger [[Tereus]] die zerstückelten und zubereiteten Glieder von dessen Sohn zum Mahle vor. Häufiger jedoch ist es der Bräutigam oder Vater der Vergewaltigten, der Rache sucht ([[Miguel de Cervantes|Cervantes]]: ''[[La ilustre fregona]]''; [[Victor Hugo|Hugo]]: ''[[Le roi s’amuse]]'', 1832; [[Giuseppe Verdi|Verdi]]: ''Rigoletto'', 1851). In [[Pedro Calderón de la Barca|Calderóns]] Drama ''[[Der Richter von Zalamea]]'' geht es um die komplexen Loyalitäten eines Richters, dessen Tochter vergewaltigt wurde.

In [[Samuel Richardson|Richardsons]] Roman ''[[Clarissa (Roman)|Clarissa]]'' (1748), in [[Jean Paul]]s Roman ''[[Titan (Jean Paul)|Titan]]'' (1800–1803) und in Kleists Novelle ''[[Die Marquise von O....]]'' (1808) stehen die Folgen einer Vergewaltigung in Form einer Schwangerschaft im Mittelpunkt. Im letztgenannten Werk ist es eine Ohnmächtige, die vergewaltigt wird; Ähnliches geschieht in [[Otto Ludwig]]s Novelle ''Maria'' (1843) und in [[Ludwig Tieck|Tiecks]] Briefroman ''[[William Lovell]]'' (1895/96). In [[Friedrich Schiller|Schillers]] Trauerspiel ''[[Die Verschwörung des Fiesco zu Genua|Fiesco]]'' (1783) und in [[Alfred de Musset]]s Drama ''[[Lorenzaccio]]'' (1834) liefert die Vergewaltigung – ähnlich wie schon bei den Lucretia- und Verginia-Stoffen – den Anlass zu einem Aufstand gegen eine Despotie.

Bis in die 1980er Jahre waren romantisierte Vergewaltigungen in einigen Subgenres des [[Trivialliteratur|trivialen]] [[Liebesroman]]es – besonders in den [[Bodice Ripper|Bodice-Ripper-Romanen]] der 1970er Jahre, aber auch schon bei [[E. M. Hull]] (''The Sheik'', 1919) – feste Bestandteile der Narration, weil sie es den Autorinnen erlaubten, sexuelle Handlungen ausführlich darzustellen, ohne ihre weiblichen Hauptfiguren als sexuell initiativ charakterisieren zu müssen.

Ein jüngeres Beispiel für die Behandlung des Vergewaltigungsthemas ist [[Alice Walker]]s Roman ''[[Die Farbe Lila (Roman)|Die Farbe Lila]]'' (1982) über die Entwicklung einer Frau, die als Kind von ihrem Stiefvater vergewaltigt wurde und erst nach und nach entdeckt, dass sie eine wertvolle Person ist und dass Sexualität nicht in jedem Falle Gewalt impliziert.

== Literatur ==
<!-- alphabetisch nach Nachname Autor/Hrsg.In!-->
* Susanne Balthasar: ''Die Tatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung. Eine rechtsvergleichende Betrachtung des deutschen und österreichischen Rechts mit Schwerpunkt im 20.&nbsp;Jahrhundert.'' Linz 2001, ISBN 3-85487-251-8.
* Susan J. Brison: ''Vergewaltigt. Ich und die Zeit danach ; Trauma und Erinnerung.'' Beck, München 2004, ISBN 3-406-52199-1.
* [[Susan Brownmiller]]: ''Gegen unseren Willen. Vergewaltigung und Männerherrschaft.'' Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-596-23712-2.
* Daniel Gerber: ''Fünfzehn Dollar für ein Leben.'' Brunnen, Basel 2005, ISBN 3-7655-3843-4.
* Katja Goedelt: ''Vergewaltigung und sexuelle Nötigung. Untersuchung der Strafverfahrenswirklichkeit.'' Göttinger Studien zu den Kriminalwissenschaften, Band 8. Göttinger Universitätsverlag, Göttingen 2010, ISBN 978-3-941875-28-9 ([http://webdoc.sub.gwdg.de/univerlag/2010/GSK8.pdf online-version]; PDF; 1,6&nbsp;MB).
* [[Luise Greuel]]: ''Polizeiliche Vernehmung vergewaltigter Frauen.'' Beltz, Weinheim 1993, ISBN 3-621-27162-7.
* Hilkje Charlotte Hänel: ''What is Rape? Social Theory and Conceptual Analysis.'' transcript, Bielefeld 2018, ISBN 978-3-8376-4434-0.
* Susanne Heynen: ''Vergewaltigt – die Bedeutung subjektiver Theorien für Bewältigungsprozesse nach einer Vergewaltigung.'' Weinheim 2000.
* [[Jon Krakauer]]: ''Die Schande von [[Missoula]]. Vergewaltigung im Lande der Freiheit.'' Piper, München 2016, ISBN 978-3-492-05756-1.
* Christine Künzel (Hrsg.): ''Unzucht – Notzucht – Vergewaltigung. Definitionen und Deutungen sexueller Gewalt von der Aufklärung bis heute.'' Campus, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-593-37291-6.
* Peter M. Leuenberger: ''Vergewaltigungsmythen in der Literatur von 1980–2000 zum Thema Vergewaltigung.'' Solothurn 2003.
* [[Regina Mühlhäuser]]: ''Eroberungen. Sexuelle Gewalttaten und intime Beziehungen deutscher Soldaten in der [[Sowjetunion]] 1941–1945.'' Hamburger Edition, Hamburg 2010, ISBN 978-3-86854-220-2.
* {{Literatur |Autor=[[Rolf Pohl]] |Titel=Die Zerstörung der Frau als Subjekt. Macht und Sexualität als Antriebskräfte männlicher Vergewaltigungsstrategien im Krieg |Hrsg=Gender Initiativkolleg der Universität Wien |Sammelwerk=Gewalt und Handlungsmacht |Verlag=Campus Verlag |Ort=Frankfurt a. Main, New York |Datum=2012 |Reihe=Politik der Geschlechterverhältnisse |BandReihe=51 |ISBN=978-3-593-39781-8 |Seiten=113-124}}
* re.ACTion: ''Antisexismus_reloaded. Zum Umgang mit sexualisierter Gewalt – ein Handbuch für die antisexistische Praxis.'' Unrast, Münster 2015, ISBN 978-3-89771-301-7.
* [[Mithu Sanyal|Mithu Melanie Sanyal]]: ''Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens''. [[Edition Nautilus]], Hamburg 2016, ISBN 978-3-96054-023-6.<ref>[[deutschlandfunk.de]], ''Andruck – Das Magazin für Politische Literatur'', 21. November 2016, [[Christiane Florin]]: [http://www.deutschlandfunk.de/narrative-der-gewalt-ueber-die-kulturgeschichte-der.1310.de.html?dram:article_id=371662 ''Narrative der Gewalt: Über die Kulturgeschichte der Vergewaltigung''] (24. November 2016)</ref>
* Brigitte Schliermann: ''Vergewaltigung vor Gericht.'' Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1993, ISBN 3-89458-123-9.
* Gerhard Schreiber: Im Dunkel der Sexualität. Sexualität und Gewalt aus sexualethischer Perspektive. De Gruyter, Berlin/Boston 2022, ISBN 9783110717594.
* Udo Steinhilper: ''Definitions- und Entscheidungsprozesse bei sexuell motivierten Gewaltdelikten. Eine empirische Untersuchung bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung.'' Universitätsverlag Konstanz, Konstanz 1986, ISBN 3-87940-282-5.

== Weblinks ==
{{Wiktionary}}
{{Commonscat|Rape|Vergewaltigung}}
* Stefan Blaschke: [http://history-of-rape.blogspot.com/ The History of Rape: A Bibliography. Eine Bibliographie über den gesamten Themenbereich des sexuellen Missbrauches]
* [[Nhi Le]]: [https://www.jetzt.de/the-female-gaze/the-female-gaze-in-filmen-werden-vergewaltigungen-zu-oft-banalisiert ''In Filmen werden Vergewaltigungen zu oft banalisiert''] In: [[Jetzt (Onlinemagazin)|Jetzt.de]], 20. Oktober 2020, abgerufen am 23. Oktober 2020
* {{Literatur
  |Autor=Silvia Sanides
  |Titel=[http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/evolutionsbiologie-warum-maenner-vergewaltigen_aid_182042.html Evolutionsbiologie. Warum Männer vergewaltigen. Ein neues Buch entfacht in den USA einen Streit über den Ursprung sexueller Gewalt]
  |Sammelwerk=Focus Online Wissen
  |Nummer=9
  |Datum=2000}}
* {{Webarchiv |url=http://www.amnesty.org/en/library/asset/IOR53/001/2011/en/7f5eae8f-c008-4caf-ab59-0f84605b61e0/ior530012011en.pdf |text=Sexual Violence. Human Rights Law and standards in the International Criminal Court. Amnesty International Publication, London 2008 |wayback=20131023104357}} (PDF; 407&nbsp;kB)

== Einzelnachweise ==
<references responsive />

{{Rechtshinweis}}

{{Normdaten|TYP=s|GND=4042696-8}}

[[Kategorie:Vergewaltigung| ]]
[[Kategorie:Gewalt gegen Frauen]]
[[Kategorie:Sexualkriminalität]]
[[Kategorie:Foltermethode]]
[[Kategorie:Besondere Strafrechtslehre]]
[[Kategorie:Sexualität in Deutschland]]