Benutzer:Albany/Muschelseide

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Muschelseide ist der gereinigte und gekämmte Faserbart der Edlen Steckmuschel (''Pinna nobilis'' L.), der seit der Antike im Mittelmeerraum zur Herstellung von textilen Objekten verwendet wurde.[1] [2]Das älteste Objekt stammt aus dem 4. Jahrhundert; das Fragment wurde in Aquincum, dem heutigen Budapest gefunden, ging jedoch im 2. Weltkrieg verloren. Das älteste noch existierende Objekt ist eine Mütze aus dem 14. Jahrhundert, die 1978 in Saint-Denis, nördlich von Paris, gefunden wurde.

Abgrenzung Begriff

Im 16. Jahrhundert gab der Naturforscher Guillaume Rondelet (1507-1566) dem Faserbart der Pinna den Namen Byssus - in Analogie zum antiken Byssus [3], [4]. In seinem Buch über die Fische des Meeres - Universae aquatilium historiae, das 1555 erschien, unterscheidet er zwischen dem Byssus der Erde und dem Byssus des Meeres: Byssus terrenus est et marinus. Der Byssus der Erde, der antike Byssus, ist ein kostbares Leinengewebe, das aus den feinsten, noch grünen Leinenfasern hergestellt wurde. Deshalb muss genau unterschieden werden zwischen dem Byssus der Antike und des Mittelalters - aus Leinen -, und dem zoologischen Byssus, dem Faserbart verschiedener Muschelarten. Die feinste, gaze- oder schleier-ähnliche Qualtität dieses Leinenbyssus wird in der Literatur auch linea nebula oder ventus textilis genannt. Da die Muschelseide oft ebenfalls mit Byssus - italienisch bisso - bezeichnet wird, sind Verwechslungen und Falschzuschreibungen häufig. Vor allem die häufige Nennung des Begriffs Byssus in der Bibel und im Zusammenhang mit altägyptischen Mumienbinden führen dazu, dass in den letzten Jahren mit Byssus bezeichnete Gewebe als Muschelseide interpretiert werden. Neueste Forschungen zeigen, dass der Begriff Byssus vor 1500 nie Muschelseide bezeichnet hat.

Geschichte

Irgendwo rund ums Mittelmeer kam irgendjemand einmal auf die Idee, die Haftfäden der Edlen Steckmuschel zu reinigen, zu spinnen und als Textilmaterial zu verwenden. Wo genau? Und wann? Das wissen wir nicht. Aus der Bronzezeit wurden in Griechenland, in Thessalien und auf Santorini viele Reste von Muschelschalen gefunden, darunter auch der Steckmuschel (Karali 1990, Fischer 2007, Burke 2012). War sie nur Nahrung? Oder wurde bereits damals deren Byssus zu Textilien verarbeitet? Waren es die Phönizier? Sie lebten bereits tausend Jahre vor Christus an der östlichen Mittelmeerküste und kannten ein anderes Meeresprodukt, den echten Purpur, den kostbarsten Farbstoff der Antike.

Antike

Das älteste Fragment aus Muschelseide, das 1907 bei Ausgrabungen ausserhalb der römischen Legionärsstadt Aquincum - heute Budapest - gefunden wurde, beweist die Existenz von Muschelseide zumindest in der Spätantike[5]. in einem Frauengrabe , dem heutigen Budapest gefunden wurdeSicher ist aber auch, dass Muschelseide in der Antike existierte, aber unter anderen Namen. Das erste schriftliche Hinweis für die Verwendung von Muschelseide ist jedoch noch älter: um 200 nach Christus. Tertullian, ein zum Christentum übergetretener Römer aus Karthago, im heutigen Tunesien, erwähnt sie in seiner Schrift De Pallio: «Nec fuit satis tunicam pangere et serere, ni etiam piscari vestitum contigisset: nam et de mari vellera, quo mucosae lanusitatis plautiores conchae comant» (Nicht war es genug, die Stoffe der Tunika zu kämmen und zu pflanzen; nein, man fand es auch nötig, den Kleiderstoff zu fischen, denn auch aus dem Meere holt man Vliesse, wo Muscheln von beträchtlicher Grösse mit Büscheln versehen sind.) Neben Wolle und Leinen, den damals üblichen Textilmaterialien, wird also auch die Muschelseide zu Bekleidungszwecken verwendet.

Das Buch Periplus maris Erythreai, dessen Verfasser nicht bekannt ist, stammt aus dem 1. Jahrhundert nach Christus. Es ist ein Handbuch für den Import und Export von Handelsgütern und beschreibt die Schiffsrouten und Hafenstädte zwischen Indien und Ostafrika. Hier taucht auch der Begriff pinikon auf, der unterschiedlich interpretiert wird. Sind es Perlen oder mit Perlen bestickte Stoffe? (Kaeuffer 1859). Oder ist es Muschelseide? (Gilroy 1845, Schrader 1886). Meint pinnikon oder pinninon - Begriffe, die wir 800 Jahre später in Sardinien finden werden - das Gleiche?

In einem Bericht über den Handel im Altertum finden wir unter Ausfuhr: «von Apologos (Hafenstadt im Südirak, an der Tigrismündung) nach Indien und Arabien Stoffe aus Faden der Steckmuschel, von der Insel Tapobrane (alter Name für Ceylon) Steckmuscheln...; von Ganges (Flussmündung in Bangladesh): Steckmuschelseide... » (Schmidt 1924). Auch hier: viele Fragzeichen!

Im Hou Hanshou, einem Buch über die Geschichte der Späteren Han-Dynastie des 1. bis 3. Jahrhunderts, wird der über Zwischenhändler erfolgte Warenaustausch zwischen chinesischen und römischen Händlern auf der Seidenstrasse beschrieben. Aus Daqin, dem römischen Reich, werden kostbare Textilien erwähnt: «They also have a fine cloth which some people say is made from the down of ‘water sheep,’ but which is made, in fact, from the cocoons of wild silkworms.» Dieses 'Wasserschaf' ist nur einer all der verschiedenen Namen, die mit Muschelseide in Zusammenhang gebracht wurden (Ecsedy 1974, McKinley 1998, Boulnois 2001). John Hill analysiert den Begriff in seiner Neuübersetzung des Hou Hanshou und kommt aufgrund neuer Quellen zur Überzeugung, dass es sich dabei nicht um Wildseide, sondern um Muschelseide handelte (Hill 2009).




4. bis 6. Jahrhundert

Inflation und Teuerung sind der Grund, dass der römische Kaiser Diokletian im Jahr 301 Maximalpreise für alle erdenklichen Waren und Dienstleistungen verordnet. Teile davon sind erhalten und bilden eine unerschöpfliche Quelle für alle an der römischen Alltagsgeschichte Interessierten. Verschiedene Textilien sind erwähnt, darunter auch die Meerwolle. Handelt es sich um Muschelseide? (Caputo & Goodchild 1955, Lauffer 1971, Giacchero 1974, Reynolds 1981).

Vom Heiligen Basilius dem Grossen (331-379) ist ein Predigttext überliefert, in dem er mit Bewunderung vom goldenen Vlies der Pinna spricht: «Unde pinnae auream lanam nutriunt, quam insectorum nullus hactenus est imitatus» (Zanetti 1964). Dieses Zitat dürfte der Ursprung sein für die Legende, welche im Goldenen Vlies des Jason aus der griechischen Mythologie Muschelseide zu erkennen meint (Abbott 1972). Cole hat dazu 2005 eine ausführliche Studie publiziert.



Aquincum, römische Legionärsstadt - heute Budapest. Aquincum, römische Legionärsstadt - heute Budapest. Ebenfalls aus dem 4. Jahrhundert stammt das älteste Objekt - der erste materielle Beweis, dass Muschelseide in der Spätantike verarbeitet wurde. Das Stofffragment wurde 1912 in einem Frauengrab in Aquincum gefunden; das heutige Budapest war damals eine römische Legionärsstadt an der nordöstlichen Reichsgrenze (Hollendonner 1917, Nagy 1935, Wild 1970). Die gleichzeitig gefundene Halskette aus Gold und farbigen Glasperlen deutet darauf hin, dass es sich bei dieser Mumie um eine hochgestellte Persönlichkeit handelte. Stammt das Textilfragment aus den syrischen Provinzen Roms? Einiges spricht dafür (Maeder 2008). Leider ging dieses Fragment in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verloren.


Das Zentrum Ostroms, Konstantinopel, ist bekannt für seinen verschwenderischen Luxus, nicht zuletzt in der Kleidung. Der Historiker Procopius beschreibt um das Jahr 550 in seinem Buch De Aedificiis die Insignien, welche fünf armenische Satrapen (Statthalter) von Kaiser Justinian I als Machtzeichen erhielten. Dazu gehörte ein «aus Wolle gemachter Mantel, nicht wie die, die von den Schafen herkommt, sondern aus dem Meer gesammelt. Man pflegt die Lebewesen ‚Pinnoi’ zu nennen, aus denen diese Wolle herauswächst».

Mittelalter

Neuzeit

20. Jahrhundert bis heute

Biologie der Pinna nobilis und ihres Byssus

Herstellungsprozess

Gewinnung und Reinigung des Faserbarts

Weiterverarbeitung

Stricken

Weben

Sticken

Pelz

Weblinks

  • Umfassende Homepage mit allen Aspekten zur Muschelseide, in Deutsch, Italienisch und Englisch [1]
  • Byssus als Textilbegriff von der Antike bis zum Mittelalter: siehe Online-Plattform des Reallexikons zur Deutschen Kunstgeschichte [2]

Einzelnachweise

  1. Daniel McKinley: Pinna and her silken beard: a foray into historical misappropriations. Ars Textrina 29, 1998: 9-223.
  2. Felicitas Maeder, Ambros Hänggi, Dominik Wunderlin (Hrsg.): Muschelseide - Goldene Fäden vom Meeresgrund / Bisso marino - Fili d'oro dal fondo del mare. Ausstellungskatalog. Milano 2004.
  3. Franz Olck: Byssos. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band III,1, Stuttgart 1897, Sp. 1108–1114.
  4. Franz Bock: Die textilen Byssus-Reliquien des christlichen Abendlandes, aufbewahrt in den Kirchen zu Köln, Aachen, Cornelimünster, Mainz und Prag. Aachen 1895.
  5. Hollendonner