RMS Leinster
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
|
Die RMS Leinster war ein Passagierschiff der Reederei City of Dublin Steam Packet Company aus Dublin. Der 1897 in Dienst gestellte Dampfer transportierte Passagiere, Post und Fracht im Linienverkehr zwischen Dún Laoghaire (damals Kingstown) an der irischen Ostküste und Holyhead auf der britischen Insel Anglesey über die Irische See. Am 10. Oktober 1918 wurde die Leinster vor der Sandbank Kish Bank in der Bucht von Dublin von dem deutschen U-Boot UB 123 durch zwei Torpedos versenkt. Von den 771 Passagieren und Besatzungsmitgliedern starben 501. Somit war einer der größten Verluste von Menschenleben durch die Versenkung eines zivilen Schiffs im Ersten Weltkrieg nach der Lusitania zu beklagen. Es handelt sich zudem um das bis heute schwerste Schiffsunglück in der Irischen See.
Das Schiff
Die Leinster wurde 1895 zusammen mit drei weiteren Schiffen bei Laird Brothers in der englischen Stadt Birkenhead in Auftrag gegeben. Ihre Schwesterschiffe waren die Ulster (Stapellauf 27. Juni 1896), die Munster (Stapellauf 21. Dezember 1896) und die Connaught (Stapellauf 21. September 1897). Die Schiffe wurden nach den vier historischen Provinzen Irlands benannt. Die City of Dublin Steam Packet Company war eine 1822 gegründete Reederei mit Sitz in Dublin, die sich auf Fähr- und Postverkehr von Dublin zu britischen Häfen wie Liverpool, Belfast und Glasgow spezialisiert hatte. 1850 wurden von der britischen Admiralität erstmals Aufträge zum Posttransport an private Gesellschaften vergeben. Deren Schiffe durften somit das Namenspräfix RMS für „Royal Mail Steamer“ (Deutsch: Königlicher Postdampfer) tragen. Die Reederei beteiligte sich daran.
Die 115,2 Meter lange aus Stahl gebaute Leinster wurde mit Doppelschrauben angetrieben und konnte eine Höchstgeschwindigkeit von 24 Knoten erreichen. Sie lief am 12. September 1896 vom Stapel und wurde im Januar 1897 fertiggestellt. Während ihrer Probefahrten am 27. Februar 1897 unterbot die Leinster den Rekord für die schnellste Überfahrt von Kingstown nach Holyhead um sechs Minuten. Sie war insgesamt 20 Jahre lang im Dienst. Am 8. September 1902 rammte und versenkte der Dampfer das Kish Bank-Feuerschiff Albatross in der Bucht von Dublin. Es gab keine Toten. Die Leinster nahm die Besatzung auf und brachte sie nach Holyhead.
Nachdem ihr Schwesterschiff Connaught am 3. März 1917 von dem deutschen U-Boot U 48 versenkt worden war, wurden die Leinster und ihre übrigen Schwesterschiffe mit einem Tarnanstrich versehen. Außerdem wurde sie mit einem 6-Pounder-Geschütz und zwei Kanonen ausgerüstet. Das Schiff wurde jedoch nicht als Truppentransporter oder zu einem ähnlichen kriegsrelevanten Zweck eingesetzt, sondern blieb weiterhin im regulären Passagierverkehr.
Die letzte Fahrt
Abfahrt in Irland
Am Donnerstag, dem 10. Oktober 1918 um 08:50 Uhr morgens legte die Leinster vom Carlisle Pier in Kingstown zu einer Überfahrt nach Holyhead ab. Dort sollte sie planmäßig am Admiralty Pier von Salt Island anlegen. Das Kommando hatte der 61-jährige Kapitän William Birch, ein gebürtiger Ire, der sich mit seiner Familie auf Anglesey niedergelassen hatte. Das Schiff fuhr ohne Geleitschutz. Das Wetter war heiter, aber es wehte ein kräftiger Wind aus Süd-Südost.
An Bord befanden sich 77 Besatzungsmitglieder, drei Artilleristen der Royal Navy und 691 Passagiere. Unter den Passagieren befanden sich 489 Angehörige der Marine, des Heeres, der Luftstreitkräfte und des Sanitätspersonals des Vereinigten Königreichs, Irlands, Kanadas, Australiens, Neuseelands und der Vereinigten Staaten, darunter Soldaten, Offiziere, Ingenieure, Ärzte und Krankenschwestern. Weiterhin waren 22 Postangestellte des Dublin Post Office an Bord, die den Postraum des Schiffs führten. Die übrigen 180 Passagiere waren Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder. Insgesamt waren 771 Menschen an Bord. Um 09:42 Uhr erreichte die Leinster das Kish Bank-Feuerschiff.
Versenkung
Um 09:50 Uhr, als die Leinster erst 16 Meilen zurückgelegt hatte und die Sandbank Kish Bank in der Dublin Bay östlich passierte, sahen Passagiere an Deck des Schiffs einen Torpedo, der auf die Backbordseite des Dampfers zukam. Er verfehlte die Leinster und schoss an ihrem Bug vorbei. Es handelte sich um einen Torpedo von UB 123, einem deutschen U-Boot des Typs UB III, das erst seit einem halben Jahr im Dienst war und sich unter dem Kommando des 27-jährigen Oberleutnants zur See Robert Ramm auf seiner zweiten Feindfahrt befand.
Kurz nach dem ersten wurde ein zweiter Torpedo abgeschossen, der die Backbordseite des Schiffs traf und im Postraum einschlug. Bis auf einen wurden alle Postangestellten getötet. Ein großes Loch wurde in die Schiffshülle gerissen. Der Einschlag war so heftig, dass auch auf der anderen Seite des Schiffs der Rumpf aufgerissen wurde. In dem Versuch, sein Schiff zu retten, befahl Kapitän Birch, dass die Leinster beidrehte und wieder den sicheren Hafen von Kingstown ansteuerte. Sie wendete und machte bei reduzierter Geschwindigkeit weiterhin Fahrt.
Einige Minuten danach schlug ein dritter Torpedo in die Steuerbordseite der Leinster ein, was eine schwere Detonation zur Folge hatte, die das Schiff fast zerriss. Ein voll besetztes Rettungsboot, das gerade zu Wasser gelassen wurde, wurde in Stücke gesprengt. Kapitän Birch wurde von der Kommandobrücke und viele Passagiere vom Bootsdeck in die See geschleudert. Kohle, Planken, Teile der Decksaufbauten und andere Trümmer wurden durch die Luft gewirbelt und verletzten die fliehenden Menschen. An einigen Stellen trat Dampf aus. Die Leinster nahm viel Wasser auf, bekam Schlagseite nach Backbord und begann, schnell über den Bug zu sinken. Nach wenigen Augenblicken war es kaum noch möglich, zu stehen. Es herrschte große Panik; Passagiere sprangen zu Dutzenden über Bord. Vier Minuten nach dem letzten Treffer ging das Schiff unter.
Evakuierung und Rettung
Einige Rettungsboote konnten zu Wasser gelassen werden, weitere Überlebende klammerten sich an Wrackteilen und Flößen fest. Dutzende Menschen ertranken noch während des Untergangs, viele weitere erlagen den Folgen von Erschöpfung oder Unterkühlung, bevor Hilfe eintraf. Trotz der Nähe zum Land dauerte es eineinhalb Stunden, bis Rettungsschiffe eintrafen. Mehrere Rettungsboote kenterten und liefen voll.
Die britischen Zerstörer Lively, Mallard und Seal und die Yacht Helga nahmen 270 Überlebende auf. 501 Passagiere und Besatzungsmitglieder kamen durch die Versenkung ums Leben, darunter auch Kapitän Birch. Er hatte sich durch die Explosion Verletzungen zugezogen und ertrank, als sein Rettungsboot kenterte, während es versuchte, Schiffbrüchige zu einem der Zerstörer zu transferieren. Unter den Toten waren 37 Besatzungsmitglieder, 349 Militärangehörige und 115 zivile Passagiere.
Die Überlebenden wurden nach Kingstown gebracht und gingen an dem Landungssteg Victoria Wharf an Land. Ärzte, Krankenschwestern, Rettungshelfer und etwa 200 Krankenwagen machten sich auf dem Weg zur Pier. In den folgenden Tagen und Wochen wurden hunderte Leichen an die irische Küste gespült. 144 Militärangehörige wurden auf dem Grangegorman Military Cemetery in Dublin beigesetzt. Dutzende andere wurden nach Großbritannien, Kanada und die USA verschifft, um dort beerdigt zu werden. In ganz Irland fanden Beerdigungen und Trauerfeiern statt.
Das Schiff sank sieben Meilen südöstlich des Kish Bank-Feuerschiffs und liegt in 33 Metern Tiefe. Es ist heute ein beliebtes Taucherziel (Position 53° 18′ 52,8″ N, 5° 47′ 42,6″ W ).
Passagiere
Als Passagiere an Bord waren auch:
- Michael Joyce, irischer Politiker, Mitglied des Stadtparlaments von Limerick (überlebte)
- Lady Alexandra Phyllis Hamilton, britische Adelige, Tochter des Politikers James Hamilton, 2. Duke of Abercorn (kam ums Leben)
- Maud Elizabeth Ward, Sekretärin des britischen Politikers Lieut. Colonel Douglas James Proby (kam ums Leben)
- Lieut. Colonel Charles Harold Blackbourne, Veteran des Zweiten Burenkriegs und Regimentskommandeur in Frankreich im Ersten Weltkrieg (kam mit Sohn und Tochter ums Leben)
- Alfred White Curzon King, 15-jähriger Neffe des Verlegers Alfred Harmsworth, 1. Viscount Northcliffe (kam ums Leben)
- Thomas Foley, Schwager des irischen Tenors John McCormack (kam mit seiner Ehefrau ums Leben)
- Josephine Carr, 19-jährige Stenotypistin aus Cork (kam ums Leben; sie war das erste Mitglied des Women’s Royal Naval Service, das im Dienst durch Feindeinwirkung starb)
- Captain Hutchinson Ingham Cone, ehemaliger Kommandant des Zerstörers USS Dale der United States Navy und Leiter des United States Naval Air Service (überlebte)
- Robert Jocelyn Alexander, Sohn der irischen Komponistin Cecil Frances Alexander (There Is A Green Hill Not Far Away, Once In Royal David’s City) und deren Ehemann William Alexander, Bischof der Church of England (kam ums Leben)
Politische Folgen
Die Versenkung der Leinster hinterließ einen tiefen Eindruck in der irischen Bevölkerung und führte zu großen Anfeindungen des Deutschen Kaiserreichs. Es kam zu heftigen Reaktionen in der Öffentlichkeit und der Presse.
Die Versenkung hatte zudem Einfluss auf die zögerlich beginnenden Friedensverhandlungen (am 3. Oktober hatte Deutschland ein Waffenstillstandgesuch an die Vereinigten Staaten gerichtet). Vier Tage nach der Versenkung richtete US-Präsident Woodrow Wilson seine Antwort an die Deutschen, dass es keinen Frieden geben werde, solange Passagierschiffe versenkt würden.
Ihr Untergang stellt einen der größten Verluste von Menschenleben durch die Versenkung eines zivilen Schiffs im Ersten Weltkrieg nach der Lusitania und den bis heute größten Verlust von Menschenleben auf einem irischen Schiff dar. Sie ist außerdem das bis heute schwerste Schiffsunglück in der Irischen See. Die City of Dublin Steam Packet Company konnte sich finanziell nie vom Verlust der Leinster und der Connaught erholen. Sie stellte ihren Betrieb 1924 ein.
Gedenken
Im Jahr 2002 wurde in Dún Laoghaire die Organisation The Friends of the Leinster gegründet, die sich zum Ziel machte, das Gedenken an das Schiff und die Toten aufrechtzuerhalten. Zum 85. Jahrestag der Katastrophe im Oktober 2003 initiierten sie Gedenkveranstaltungen in Dún Laoghaire und Holyhead.
Am 30. Mai 2008 brachte das staatliche irische Postunternehmen An Post eine Briefmarke mit einer Abbildung der Leinster zur Markierung des 90. Jahrestags ihrer Versenkung heraus. Am Freitag, dem 10. Oktober 2008, genau 90 Jahre nach dem Untergang, fand in der St. Michael’s Roman Catholic Church in Dún Laoghaire ein ökumenischer Gedenkgottesdienst zu Ehren der Todesopfer statt.
Literatur
- John de Courcy Ireland. Ireland and the Irish in Maritime History. Glendale Press, Dublin 1986
- Edward J. Bourke. Shipwrecks of the Irish Coast: 1105–1993. Edward J. Bourke, Dublin 1994
- Roy Stokes. Death in the Irish Sea: The Sinking of RMS Leinster. The Collins Press, Wilton (Irland) 1998
- Philip Lecane. Torpedoed! The RMS Leinster Disaster. Periscope Publishing, Penzance (England) 2005