Choquet-Integral

Der französische Mathematiker Gustave Choquet ist der Schöpfer des nach ihm benannten Choquet-Integrals. Im Unterschied zum Lebesgue-Integral, das die Integration auf beliebigen Maßräumen definiert, werden für das Choquet-Integral keine Maße, sondern lediglich Kapazitäten benutzt. Choquet-Integrale benötigt man z. B. in der Entscheidungstheorie, der kooperativen Spieltheorie, der Nutzenstheorie, der Datenverarbeitung (zur Konstruktion von Aggregationsfunktionen).

Idee

Sei $U$ die Grundmenge, $f|U\to [0,\infty )$ eine nichtnegative reellwertige Funktion und $\lambda$ ein Maß. Das Lebesgue-Integral $\textstyle \int fd\lambda$ sei wohldefiniert. Dann hat das Lebesgue-Integral folgende Darstellung als Riemann-Integral:

$\int fd\lambda =\int \limits _{0}^{\infty }\lambda (\{y|f(y)\geq x\})dx$.

Wenn man in dieser Darstellung das Maß $\lambda$ durch eine Kapazität $\mu$ ersetzt, hat man bereits die Definition des Choquet-Integrals für nichtnegative Funktionen.

Definition

Sei nun $f|U\to \mathbb {R}$ eine reellwertige Funktion, ${\mathcal {F}}(U)$ eine Menge von Teilmengen von $U$ und $\mu$ eine Kapazität. Die Funktion $f$ sei messbar, d. h.

$\forall x\in \mathbb {R} :\quad \{y|f(y)\geq x\}\in {\mathcal {F}}(U)$.

Dann ist das Choquet-Integral von $f$ bzgl. $\mu$ folgendermaßen durch Riemann-Integrale definiert:

$\int fd\mu :=\int \limits _{0}^{\infty }\mu (\{y|f(y)\geq x\})dx+\int \limits _{-\infty }^{0}[\mu (\{y|f(y)\geq x\})-\mu (U)]dx$.

Für positive $f$ reduziert sich dies auf

$\int fd\mu =\int \limits _{0}^{\infty }\mu (\{y|f(y)\geq x\})dx$.

Eigenschaften

Siehe z. B. Für $f\leq g$ gilt $\int fd\mu \leq \int gd\mu \quad$ (Monotonie). Für $\alpha \geq 0$ ist $\int \alpha fd\mu =\alpha \int fd\mu \quad$ (positive Homogenität).

I.allg. ist das Choquet-Integral nicht additiv, d. h.

$\int (f+g)d\mu \neq \int fd\mu +\int gd\mu$

Wenn $\mu$ 2-monoton ist, dann ist das Choquet-Integral superadditiv, d. h.

$\int (f+g)d\mu \geq \int fd\mu +\int gd\mu$.

Wenn $\mu$ 2-alternierend ist, dann ist das Choquet-Integral subadditiv, d. h. in der letzten Ungleichung gilt $\leq$.

Diskretes Choquet-Integral

Siehe z. B. Sei $U=\{1,\dots ,n\}$ und $f|U\to [0,\infty )$ eine nichtnegative Funktion mit den Werten $f(i)=y_{i},i=1,\dots ,n$. Bezeichne $y_{(1)},\dots ,y_{(n)}$ die der Größe nach geordneten Funktionswerte, d. h.

$0\leq y_{(1)}\leq y_{(2)}\leq \dots \leq y_{(n)}$.

Da im diskreten Fall das definierende Riemann-Integral zu einer Summe entartet, ergibt sich

$\int fd\mu =\sum _{i=1}^{n}(y_{(i)}-y_{(i-1)})\mu (\{j|f(j)\geq y_{(i)}\})=\sum _{i=1}^{n}y_{(i)}[\mu (A_{(i)})-\mu (A_{(i+1)})]$;

$y_{(0)}=0;\quad A_{(i)}=\{(i),(i+1),\dots ,(n)\};\quad A_{(1)}=U;\quad A_{(n+1)}=\emptyset$.

Anwendung

Diskrete Choquet-Integrale sind ein flexibles Mittel zur Aggregation interagierender Kriterien, siehe . In diesem Fall ist $U=\{1,\dots ,n\}$ eine Menge von $n$ Kriterien mit den Ausprägungen $f(i)=y_{i}$. Diese Kriterien sollen durch geeignete Mittelbildung zusammengefasst (aggregiert) werden zu einem (globalen) Kriterium $y$. Das diskrete Choquet-Integral bildet ein solches Mittel:

$y=\sum _{i=1}^{n}w_{(i)}y_{(i)}\quad {\text{mit den Gewichten}}\quad w_{(i)}=\mu (A_{(i)})-\mu (A_{(i+1)})$

Durch superadditive (subadditive) $\mu$ können Synergieeffekte (Redundanzeffekte) zwischen den Kriterien berücksichtigt werden.

Weblinks

• M. Grabisch: An introduction to the Choquet integral