Benutzer:Verena Zehetbauer

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Theaterpropaganda im ersten Weltkrieg

Das Theater wurde im 1. Weltkrieg unter anderem auch dazu missbraucht, um in Form der Propaganda, die Sichtweisen der Bevölkerung im Sinne des Herrschers zu verändern und erwünschte Reaktionen der Bevölkerung zu steuern.[1]

In einem sich radikalisierenden Krieg, in dem Mobilisierung, Legitimierung und Sinnstiftung zu einer zentralen Frage wurden, fiel dem Theater als wichtigem öffentlichem Forum eine besondere Bedeutung zu. Das Theater sah sich im 1. Weltkrieg als ein Medium konfrontiert, das Expressivität und Reflexivität, komplexen künstlerischen Ausdruck und pure Unterhaltung miteinander verband. [2]

Bedeutung des Theaters im ersten Weltkrieg

In der Zeit des 1. Weltkriegs entwickelten sich zwischen Militär, Wirtschaft und politischen und gesellschaftlichen Organisationen neue Interaktionsformen. Es entstanden politische Praktiken und Modelle, welche auf den Bereich der Kriegskultur verweisen. So rückten Mobilisierung, Propaganda und das Problem der nationalen Identität im Krieg in das Zentrum der Kulturgeschichte der Jahre 1914-1918. Auf den Bühnen der Kriegszeit wurden „Nation“ und „Volk“ in Figuren, Bildern und Handlungen unmittelbar sinnlich erfahrbar gemacht. Das Theater galt als Symbol nationaler Kultur, Inbegriff der Bildung und Reservat reiner, idealer Kunst und fungierte zugleich als Instanz kritischer Reflexion und kultureller Selbstvergewisserung. Die Kultur des Bürgertums lässt sich an der Geschichte seiner Theater ablesen. [3]

Die Theaterpolizei

Die Aufgabe der Theaterpolizei war es, für öffentliche Ordnung und Sicherheit in den Theaterräumen zu sorgen. Gegen Demonstranten und Ruhestörer während der Aufführung wurde vorgegangen, Tumulte wurden bestmöglich verhindert. Bevor ein Theaterstück aufgeführt wurde, musste das gedruckte Stück zur Kontrolle im Polizeipräsidium abgegeben werden.[4]

Die Tabuschwellen für das Theater wurden seit August 1914 argwöhnischer überwacht: Sittlich anstößige Werke, die eine negative Wirkung auf das Publikum ausüben konnten, wurden mit sofortigem Verbot belegt. Zusätzlich wurden Werke mit politischer Tendenz überprüft, vor allem wenn sie sich mit dem Krieg in Verbindung bringen ließen und wurden erst nach ausdrücklicher Zustimmung des Oberkommandos genehmigt.[5]

Eine wichtige Aufgabe des Staates war es, zu erkennen, welche Gefahren von den sittlichen und geistigen Grundlagen des Volkslebens von den Mächten drohten, die die Schaubühne in Kriegszeiten beherrschten. Größtes Interesse bestand in der Überwachung des gesamten künstlerischen und technischen Betriebes des Theaters. Es galt zu verhindern, dass Darstellungen aufgeführt wurden, welche spielerisch oder unter dem Deckmantel tiefsinniger Problematik in der Lage waren, die Grundlagen zu erschüttern, auf denen das Staatswesen aufgebaut war.[6]

Einfluss des Krieges auf das Theater

Der Spielplan des Wiener Burgtheaters formte sich während des Krieges durch mancherlei Veränderungen um. In Zeiten des Friedens wurde auf eine gerechte Verteilung des Klassischen und des Modernen, des Ernsten und des Heiteren geachtet. Dies wurde etwas abgeändert durch den Spielplan des Krieges. Dieser war gezeichnet durch einen stark nationalen Charakter. Alle Dichter, die den feindlichen Nationen angehörten, wurden aus dem Repertoire gestrichen. Begründet wurde dies dadurch, dass man bei den Autoren schwerlich eine Trennung in „deutschfeindliche“ und „deutschfreundliche“ durchführen könne. Beispiele für gestrichene Aufführungen sind:

  • sämtliche Tolstoi-Inszenierungen,
  • die drei Zugstücke der letzten Friedenssaison,
  • „Pygmalion“,
  • „Der Reiherbusch“ und
  • „Der hässliche Ferante“.

Zu Kriegsbeginn wurden nun Stücke aufgeführt wie:

  • Grillparzers‘ „Glück auf, mein Feldherr!“,
  • „Der Tag von Oudenarde“, sowie
  • „Wallensteins Lager“, als ein charakteristisches Bild aus deutscher Soldatenvergangenheit.[7]

Spielplan Theater an der Wien

Um den Kummer, den der Krieg auslöste zu entkommen, flüchteten viele in die Unterhaltung. Das Theater an der Wien eröffnete die Herbstsaison 1914 mit Emmerich Kálmáns Kriegsoperette „Gold gab ich für Eisen“. Karl Kraus vermerkte in der Fackel: „Diese Tatsache wird den Nachlebenden mehr über den Weltkrieg, den wir gleichzeitig führen, zu denken geben als alle Geschichtsbücher.“ Im Jahre 1915 wurden in Wien 20 Operetten uraufgeführt, unter anderem Emmerich Kálmáns „Die Csárdásfürstin“. Während der vier Kriegsjahre gab es insgesamt 120 Operettenpremieren. Die Vergnügungsstätten, die Bühnen, Revuetheater und Kinos, konnten nicht über schlechten Besuch klagen. Ein wahrer Gründungsboom von „Kinematographen-Theatern“ setzte ein. Zahlreiche prominente österreichische Literaten ergingen sich in hysterischer Kriegspropaganda: Hermann Bahr, Hugo von Hofmannsthal, Franz Theodor Csokor, Felix Salten, Franz Karl Ginzkey, Rainer Maria Rilke, Alfons Petzold, Peter Rosegger, Ottokar Kernstock. Auch Anton Wildgans‘ berühmtes Wort vom „Volk der Tänzer und der Geiger“ steht in einem der fürchterlichen, hetzerischen Kriegsgedichte. Der Arbeiterdichter Alfons Petzold reimte: „Die Bücher hinein, das Schwert heraus/Schussfreudig die blanke Büchse…“, und der deutsch-völkische Priesterdichter Ottokar Kernstock verherrlichte das Morden als nationale Pflicht: „ Steirische Holzer, holzt mir gut/Mit Büchsenkolben die Serbenbrut…“ Dass niemand zum literarischen Appell für den Krieg gezwungen wurde, beweisen einige Gegenbeispiele: Arthur Schnitzler, Alfred Polgar, Franz Werfel oder Stefan Zweig. Karl Kraus verarbeitete den ganzen Irrsinn des Krieges, der „großen Zeit“, in seinem gewaltigen Weltkriegsdrama „Die letzten Tage der Menschheit“‘. Tausende von Zeitungsmeldungen, Verordnungen, Heeresverlautbarungen, Slogans, Werbetexten und Augenzeugenberichten wurden zu 219 Einzelszenen verarbeitet, die ein Panorama der Niedertracht, der Menschenverachtung und Hinterhältigkeit bieten - von den Nörglern und Patrioten, den Reportern und Offizieren zu den Schiebern und Beinstellern, den Literaten im Kriegsarchiv und den Verehrern der Reichspost, bis hin zum abschließenden Kommentar des Kaisers: „Ich habe es nicht gewollt“.[8]

  1. So Norstedt u. a.: From the persian Gulf to Kosovo – War Journalism and Propaganda. In: European Journal of Communication 15 (2000), S. 383–404.
  2. Baumeister: Kriegstheater. Großstadt, Front und Massenkultur. 1914 – 1918. (2005), S. 7-8.
  3. Baumeister: Kriegstheater. Großstadt, Front und Massenkultur. 1914 – 1918. (2005), S. 14.
  4. Houben: Polizei und Zensur. Längs- und Querschnitte durch die Geschichte der Buch- und Theaterzensur.(1926), S. 113
  5. Baumeister: Kriegstheater. Großstadt, Front und Massenkultur. 1914 – 1918. (2005), S. 31.
  6. Dinter: Weltkrieg und Schaubühne. (1916), S. 24-27
  7. Kronfeld: Burgtheater und Weltkrieg (1917), S. 14-16
  8. Sandgruber: Illustrierte Geschichte Österreichs. Epochen/ Menschen/ Leistungen. (2000), S.222-223