Richten (Fertigungsverfahren)

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Richten lässt sich zu den Fertigungsverfahren nach DIN 8580 in die Hauptgruppe zwei – Umformen – einordnen.

Richten ist vergleichbar mit Biegen. Der Unterschied besteht darin, dass ein Werkstück etwa nach einem Biegevorgang zur Verbesserung der Maßhaltigkeit in einem separaten Richtarbeitsgang nachbearbeitet wird. Während das Biegen ein eher grobes In-Form-Bringen beschreibt, liegt beim Richten der Schwerpunkt auf dem Exakt-in-Form-Bringen des Werkstücks. Häufig müssen auch Stahlteile, die einer Wärmebehandlung (z. B. Härten, Glühen) unterzogen wurden, gerichtet werden.

Als Hilfsmittel zum Richten dienen häufig Pressen und Biegevorrichtungen, die elektromechanisch, unter Umständen auch hydraulisch, angetrieben sind. Modernere Richtbänke fahren ein vollautomatisches, computergesteuertes und überwachtes Programm ab, um Werkstücke bis auf engste Toleranzen zu bearbeiten.

Richtverfahren

Anforderungen

Beim Richten wird die Geometrie eines Werkstücks so verformt, dass die vorgegebenen Toleranzen eingehalten werden. Dies geschieht entweder ohne Messung der Anfangs-/End-Geometrie (Form-Abweichung und Materialeigenschaften sind vor dem Richtvorgang immer annähernd gleich, sodass mit einer fest eingestellten Verformung immer ein gleichbleibendes Ergebnis erzielt wird) oder es werden die Geometrien vor, während und nach dem Richten erfasst – dabei werden die Verformungsvorgänge von einer (NC-)Steuerung an die gemessenen Abweichungen angepasst.

Rundteile

Beim Richten von Rundteilen gibt es die Verfahren Roll-Richten und Biege-Richten. Zur Messung der Abweichung werden Sensoren (z. B. digitale Messeinrichten) eingesetzt. Beim Rundrichten haben diese nur die während einer Drehung auftretenden Abweichungen zu erfassen. Eine Einstellung reduziert sich auf die Kontrolle, dass diese während der gesamten Messung immer am Werkstück anliegt.

Das Verfahren Roll-Richten wird häufig eingesetzt für Werkstücke, die noch am Anfang des Entstehungs-Prozesses sind (z. B. Werkstücke-Rohlinge nach dem Schmiede-Vorgang).

Das Verfahren Biege-Richten setzt eine Messung der Rundlauf-Abweichungen voraus, damit diese gezielt durch Biegen in ihre Toleranz gebracht werden.

Roll-Richten

Beim Roll-Richten wird das Werkstück über eine kraftschlüssige Verbindung zu einer Werkstückaufnahme von einem Motor in Drehung versetzt. Während dieser Drehbewegung wird das Werkstück stark verformt (über die Elastizitätsgrenze hinaus) und die Verformung während der Drehbewegung schrittweise (oder kontinuierlich) zurückgenommen. Dieser Richtvorgang wirkt sich zumeist auf das gesamte Werkstück aus (i. d. R. auf eine Stelle in der Mitte).

Biege-Richten

Beim Biegerichten muss die Werkstück-Geometrie vor dem eigentlichen Richtvorgang gemessen worden sein, um die zu richtende Abweichung richtig positionieren zu können. Dies geschieht bei solchen Maschinen vollautomatisch (Messung der Abweichung, Positionierung des Werkstücks, Ausübung des Biege-Hubs). Anschließend führt eine NC-Achse einen Biege-Hub aus (dabei wird, wie beim Rollrichten, das Werkstück von einem Stempel gegen zwei Widerlager gedrückt). Dieser Biege-Hub wird von der NC-Steuerung an die gemessene Abweichung angepasst. Die Maschine ist dabei lernfähig und kann die Verformung an die nach einem Biege-Hub gemessenen Werte anpassen.

Formteil-Richten

Beim Formteil-Richten wird ein nicht rotationssymmetrisches Werkstück in seine Toleranzen gerichtet (z. B. Aluminium-Gussteile). Dies bedingt, dass die Messeinrichtungen auf ihren Sollwert geeicht werden (ein Meisterwerkstück wird eingelegt, die Messeinrichtungen angelegt und diese auf die bekannten Abweichungen abgeglichen). Anschließend kann durch Biegen die Verformung herbeigeführt werden.

Richten mittels Hochfrequenzhämmerns

Beim Richten mittels eines hochfrequenten Hammers werden plastische Verformungen und Druckeigenspannungen in definierten Bereichen des Werkstückes oder der Baugruppe eingebracht. Schweißkonstruktionen werden z. B. im Bereich der Schweißnähte häufig durch eine Nachbehandlung gerichtet. Je nach Konstruktion und Auswahl des Nachbehandlungsortes können ausgezeichnete Maßgenauigkeiten beim Richten erreicht werden. Darüber hinaus kann, im Gegensatz zu anderen Richtverfahren, die Lebensdauer von zyklisch belasteten Konstruktionen in vielen Fällen gesteigert werden.

Richten von Rohren

Geradheitsabweichungen bei Rohren

Bei den verschiedenen Rohrherstellungsverfahren fallen die Rohre im Allgemeinen in einem so unvollkommenen Geradheitszustand an, dass ein Richtprozess eingeschaltet wird. Während früher die gerichteten Rohre nach Augenmaß gerade sein mussten, die Geradheit demnach dem subjektiven Empfinden des Maschinenpersonals überlassen war, werden heute mehr und mehr präzise quantitative Geradheitsanforderungen gestellt, die nur mit modernen Richtmaschinen erreicht werden können.

So wird z. B. gefordert, dass ein Rohr auf 1 Meter Bezugslänge keine größere Geradheitsabweichung als 0,2 mm haben darf. Ein an den Rohrmantel angelegtes Lineal von 1 m Länge darf dann nicht mehr als 0,2 mm Abstand zum Rohrmantel aufweisen. Bei größeren Rohrlängen treten, aufgrund einer linearen Verknüpfung der Geradheitsabweichung und der Bezugslänge, entsprechend proportional größere Abweichungen auf.

Arten von Rohrrichtmaschinen

Als wichtigste Maschinengruppe für Rohre sollten die kontinuierlich arbeitenden Schrägwalzen-Richtmaschinen genannt werden. Die lange Anlagelänge jeder Walze infolge ihrer hyperbolischen Form führt zu einer Einleitung der Biegekräfte als Streckenlast (nicht als Punktlast), was sich positiv auf die Oberfläche auswirkt. Zuerst lassen sich die Schrägwalzen-Richtmaschinen in zwei Kategorien, je nachdem ob sich das Richtgut beim Richtvorgang dreht oder nicht, unterteilen. Sofern die Geradheitsabweichung vor dem Richten sehr groß ist, hat eine Lösung mit lediglich axial verschobenem Richtgut große Vorteile. Zu nennen sind hier die Umlaufrichtmaschine und die Flügelrichtmaschine. Sehr „krummes“ Richtgut könnte durch Rotation bei der Einführung in die Maschine schnell beschädigt und unbrauchbar werden. Bei allen anderen Rohrrichtmaschinen dreht sich das Richtgut während des Richtprozesses mit. Je nach Einsatzbereich wird die Anzahl der benutzten Richtwalzen angepasst:

  • Zweiwalzen-Richtmaschinen für blanke und verzunderte dickwandige Rohre (und Stangen)
  • Sechswalzen-Richtmaschinen für Rohre aus Stahl und Nichteisenmetall mit hoher Oberflächengüte (Präzisionsrohr)
  • Siebenwalzen-Richtmaschinen besonders für verzunderte Rohre mit mittleren Wandstärken
  • Neunwalzen-Richtmaschinen als Hochleistungsrichtmaschinen (300 m/min) ebenfalls für verzunderte Rohre mit mittleren Wandstärken
  • Zehnwalzen-Richtmaschinen (CNC-gesteuert)

Richtprinzip der Schrägwalzen-Richtmaschine für Rohre

Zweiwalzen-Richtmaschine Bei dieser Maschine mit vertikaler Walzenanordnung ist die Oberwalze hyperbolisch und die Unterwalze meist zylindrisch ausgeführt. Die Walzen sind zur Richtgutachse unter einem Winkel von 14° bis 21° geschränkt, so dass dem Richtgut eine Drehung und eine Vorschubbewegung aufgezwungen wird. Von der Unterwalze wird das Rohr plastisch in die konkave Kontur der Oberwalze hinein gebogen. Dieser plastischen Längsbiegung kann eine plastische Ovalverformung des Rohrquerschnitts überlagert werden. Dadurch wird die Gradheit, besonders an den Rohrenden, verbessert. Seitlich wird der Richtspalt durch Führungslineale begrenzt.

Richten gewalzter Bleche

In Walzstraßen gewalzte Bleche werden nach dem Walzen gerichtet. Hierbei unterscheidet man je nach Temperatur des Bleches Warmrichten und Kaltrichten. Dazu wird das Blech durch eine Gruppe oberer und unterer Rollen geführt, so dass es eine Art Schlangenlinie durchläuft und in beide Richtungen durchgebogen wird. Die Durchbiegung wird hierbei so eingestellt, dass ein gerades Blech die Streckgrenze in beiden Biegungsrichtungen erreicht, aber nicht überschreitet. Ungerade Blechabschnitte überschreiten so die Streckgrenze und werden plastisch (dauerhaft) begradigt, während gerade Abschnitte ihre gewünschte Form behalten.

Siehe auch

Weblinks