Blut und Liebe. Ein Ritter-Schauer-Drama
Daten | |
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Titel: | Blut und Liebe. Ein Ritter-Schauer-Drama |
Originaltitel: | dto. |
Gattung: | Historie |
Originalsprache: | Deutsch |
Autor: | Martin Luserke |
Erscheinungsjahr: | 1912 |
Uraufführung: | 1906[1] |
Ort der Uraufführung: | Freie Schulgemeinde Wickersdorf bei Saalfeld im Thüringer Wald |
Ort und Zeit der Handlung: | Hochmittelalter |
Personen | |
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Bei dem Theaterstück Blut und Liebe, Untertitel Ein Ritter-Schauer-Drama, handelt es sich um eine im Jahr 1912 erstmals publizierte Groteske von Martin Luserke, die der Jugendbewegung (Bündische Jugend) zuzurechnen ist.[3][4] Entstanden ist das Theaterstück in dem reformpädagogischen Landerziehungsheim Freie Schulgemeinde Wickersdorf bei Saalfeld im Thüringer Wald aus Anlass von dessen Gründung im Jahr 1906.[5] Es gehört zu den am häufigsten aufgeführten deutschen Jugend-Laienspielen[6] und wird bis heute von zahlreichen Laienspiel- bzw. Amateurtheatergruppen im deutschen Sprachraum als bekannter Klassiker geprobt und aufgeführt, auch an vielen Schulen.[7][8][9][10][11][12]
Charakterisierung
Die mittelalterliche Groteske zeichnet sich dadurch aus, dass sie vom Autor bewusst so angelegt worden ist, eine Improvisation der Spieler zu begünstigen. Sie setzt eine Leichtigkeit im Spiel voraus. Luserke hatte sich von William Shakespeares Hamlet dazu inspirieren lassen, eine Parodie zu schreiben, die in Blut und Liebe ihren Ausdruck findet. Liebe und Mordlust werden so ins Groteske übersteigert, dass sich die Zuschauer bei entsprechender Vortragskunst sehr erheitern.[13][14]
Vorgesehene Besetzung
Elf „Jungens-Spieler“, davon vier als Frauen kostümiert (lt. Autor)
Handlung
Das Stück thematisiert die Interaktion von zwei in Dauerfehde befindlichen Burgherrenfamilien, als Ritter Roderich von Löwenklauenstein beschließt, die Tochter des mit ihm verfeindeten Ritters Wolf von Wolfseck zu ehelichen. Dieser möchte sich jedoch nicht auf solche Weise befrieden, sondern die Feindschaft der beiden Familien unbedingt aufrechterhalten. Somit steht er dem Ansinnen seines Kontrahenten ablehnend gegenüber. Zur zentralen Figur gerät ein Wunderheiler und Giftmischer[15], der durch die von ihm angerührten und verabreichten Zaubertränke Intrigen und Verwechslungen auslöst und die ganze Angelegenheit dadurch wirkungsvoll kompliziert.[16]
Vorwort des Autors
Zur 21. Auflage von 1952 schrieb Luserke: „Dieses jetzt vierzig Jahre alte Spiel stellt höhere Anforderungen als es wohl auf den ersten Blick erscheint. Es ist, wie alle echten Grotesken, ganz auf Leichtigkeit und Laune gestellt und würde durch zu tiefes Hineinknien verdorben werden. Der Text läßt viel Raum zur Improvisation in jeder Richtung bis zur ganzen Auffassung hin. Das Groteskenspiel verlangt die Improvisation geradezu. Doch möge hierzu aus langer Spielerfahrung der Rat gegeben werden: Noch wichtiger als das Maß der Improvisation ist die Richtung dabei. Man kann eine Groteske zum Beispiel mit Kulissen spielen. Damit hat die Phantasie nun ihre Bahn im Sprachlichen – und außerdem zum Beispiel auch noch im Musikalischen voller Anzüglichkeit zu werden, wäre bedenklich. Das Stück ist nicht hintergründig genug für ein allgemeines Austollen. Geschrieben wurde es für ein Vergnügen mit der Musik zusammen. Nicht für Kino-Begleitmusik! Es spielen nämlich typisch musikalische (poetische) Personen – Thusnelda, Roderich und die Gespenster – gegen typisch musiklose. Die ersteren sind nach grotesker Leitmotivmanier zu ‚begleiten‘. Wird der Unterschied beachtet, so spielt die Musik mit und ist nicht Mache. Ebenso dürfen nur die typisch musikalischen Szenen vor Beginn mit Musik untermalt werden. Das Spiel darf zum Beispiel keine Ouvertüre haben. Die Musik beginnt erst mit den ‚Trompeten‘ überhaupt. Das Spiel muß notwendig auf der Vorhangbühne gespielt werden. Effekte wie der allererste Anfang und die sprechend leere Szenerie mehrfach sollten nicht verlorengehen, sie brauchen die Guckkastenbühne. Man lasse in allen tragenden Dingen ein solches kleines Spiel, wie es ist! Endlich noch eins, was nicht geändert werden sollte: Es ist ein Stück bloß für Jungens-Spieler. Die weiblichen Rollen sind auf Verkleidete gestellt und können nur so ausgeschöpft werden. Das scheint mir ein wichtiger Punkt des Geschmacks zu sein.“[18]
Bekannte Akteure
- Der NS-Widerstandskämpfer Willi Graf („Weiße Rose“) wirkte an mindestens einer Aufführung von Blut und Liebe mit.[19]
- Gerhard J. Bellinger übernahm zwanzigjährig die Rolle des Wolf von Wolfseck.[20]
- Horst Müllers Abiturklasse 1948 probte Blut und Liebe unter Leitung von Ernst Hartung trotz gleichzeitiger Abiturvorbereitungen, um Luserkes Stück während der Abiturfeier aufführen zu können.[21]
Rollenwandel
Die Rolle des Quacksalbers wurde gegenüber der Urfassung von 1906 verändert. Von Luserke ursprünglich als „der Jude“ angelegt und als solcher bezeichnet, wurde die Charakterfigur in den 1950er Jahren moderater angelegt und in die eines keiner Bevölkerungsgruppe zugeordneten Quacksalbers gewandelt. Dadurch wurden kleinere Änderungen im Text erforderlich, die auch eine Anpassung des Reim- und Versmaßes zur Folge hatten.[22]
Kritik
- Das „witzige, spritzige Stück“, so Gudrun Wilcke (Pseudonym: Gudrun Pausewang) wirke am Ende „wie der Anflug einer Kritik am Nationalsozialismus“.[23] Sie bezieht sich dabei offensichtlich auf eine zwischen 1933 und 1945 erschienene Neubearbeitung des 1906 im Kaiserreich entstandenen Werks. Als Werk der Zeit des Dritten Reiches kann Blut und Liebe daher nicht bezeichnet werden.
- Die in der heutigen Rezeption als antisemitisch wahrgenommene Rolle eines im Hochmittelalter angesiedelten jüdischen Wunderheilers und Giftmischers (heute neutraler als Quacksalber bezeichnet) führte dazu, dass der Autor Luserke teils als Antisemit bezeichnet wird.[24][25] Diese Charakterisierung Luserkes aufgrund einer Theaterrolle ist jedoch nach wissenschaftlichen Kriterien nicht hinreichend belegt; sie ist zudem umstritten. Luserkes Groteske spielt im Hochmittelalter (etwa 1050 bis 1250), in dem Juden Außenseiter der entstandenen christlichen Ständegesellschaft waren, zu den Zünften keinen Zugang hatten, nur geächtete Berufe ausüben konnten, sozial und religiös nicht anerkannt waren und mit Missgunst betrachtet wurden. In Luserkes Groteske komme ein von einem Ritter gefangen gehaltener Jude vor, der von diesem Ritter als „verdammter Judenhund“ tituliert werde.[26] Für das Hochmittelalter war dies möglicherweise nicht ungewöhnlich. Auch eine 2017 vorgelegte Dissertation verweist darauf, dass Luserke seine als jüdisch beschriebenen Figuren ganz unterschiedlich angelegt habe, z. B. auch positiv als junger und mutiger Held (Jussuf in: Der Brunnen If)[27] oder als beliebter netter „Mauscheltyp“ mit differenzierter Charakteristik (Moses in: Der Brunnen If).[28] Zudem überlasse es Luserke den jeweils agierenden Laienspielgruppen, wie sie die Figuren in ihren Aufführungen konkret auslegen, denn er gebe dazu keine Regieanweisungen.[29] Auch diese Dissertation behandelt Blut und Liebe als Theaterstück des Dritten Reiches, obwohl es aus der Zeit vor 1933 bzw. vor dem Ersten Weltkrieg stammt, worauf die Verfasserin allerdings hinweist.[30] Grund hierfür ist, dass in Kortes Dissertation Theatertexte untersucht werden, die in drei verschiedenen Spielreihen zwischen 1933 und 1945 erschienen. Dazu gehören auch Neuauflagen älterer Stücke in der Reihe "Münchener Laienspiele".
Textausgabe
- Martin Luserke: Fünf Komödien und Fastnachtsspiele aus der freien Schulgemeinde Wickersdorf. Bonsels Verlag, München 1912.
- 22. Auflage (= Das Bühnenspiel, 292). Deutscher Theaterverlag, Weinheim/Bergstraße 1996, ISBN 3-7695-2509-4.
Einzelnachweise
- ↑ Blut und Liebe: Erstaufführung 1906. Auf: luserke.net, abgerufen am 1. Juli 2017.
- ↑ Blut und Liebe. In: Deutscher Theaterverlag. Auf: theatertexte.de, abgerufen am 1. Juli 2017.
- ↑ Martin Kießig: Martin Luserke. Gestalt und Werk. Versuch einer Wesensdeutung. Dissertation Universität Leipzig 1936, OCLC 632234871, S. 111–112.
- ↑ Stiftung Jugendburg Ludwigstein (Hrsg.): Jahrbuch des Archivs der Deutschen Jugendbewegung (= Informationen zur erziehungs- und bildungshistorischen Forschung), H. 12/13. Selbstverlag, Dortmund 1980, S. 178.
- ↑ Hotte Schneider: Die Waldeck: Lieder, Fahrten, Abenteuer. Die Geschichte der Burg Waldeck von 1911 bis heute. Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2005, ISBN 3-935035-71-3, S. 90.
- ↑ Elisabeth Korn: Die Jugendbewegung, Welt und Wirkung: Zur 50. Wiederkehr des Freideutschen Jugendtages auf dem Hohen Meissner. Eugen Diederichs Verlag, 1963, S. 73.
- ↑ Eva Sternheim-Peters: Habe ich denn allein gejubelt? Eine Jugend im Nationalsozialismus. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 2000, ISBN 3-8046-8884-5, S. 356.
- ↑ Amateurtheater Schleswig-Holstein: 8. Theatertage in Wedel (5. bis 7. September 1997). Auf: amateurtheater-sh.de, abgerufen am 1. Juli 2017.
- ↑ Erzbistum Köln: Blut und Liebe (1982) (Memento des Originals vom 24. August 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. . In: Das Lehrertheater am Collegium Josephinum Bonn, S. 4. Auf: erzbistum-koeln.de, abgerufen am 1. Juli 2017.
- ↑ Scheunentheater Igstadt: Blut und Liebe (1988). In: Seit 25 Jahren auf der Bühne: Das Scheunentheater, S. 1. Auf: kgm-igstadt.de, abgerufen am 1. Juli 2017.
- ↑ 1997 Blut und Liebe. In: VHS Meldorf, Holstein. Auf: meldorfer-theatergruppe.de, abgerufen am 1. Juli 2017.
- ↑ Martin Luserke: Blut und Liebe (1989). In: Dientzenhofer-Gymnasium Bamberg. Auf: dg-info.de, abgerufen am 1. Juli 2017.
- ↑ Heiko van Dieken: Ende der Verdunkelung. Erinnerungen an die Nachkriegszeit. Verlag De Utrooper, 1998, ISBN 3-928245-77-5, S. 63.
- ↑ Klaus Hupp: Meine Jugend in Köslin. Ein Gefüge von Bildern und Szenen lebendiger Erinnerungen an das Leben in meiner hinterpommerschen Heimatstadt Köslin 1928–1945. Husum Druck, Husum 1994, ISBN 3-88042-682-1, S. 129.
- ↑ Horst Müller: Der Krieg, er zieht sich etwas hin. Books on Demand, 2016, ISBN 978-3-7412-0338-1, S. 203.
- ↑ Blut und Liebe. Auf: klimpermimen.de, abgerufen am 1. Juli 2017
- ↑ Blut und Liebe (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. . In: Godesheimer Chronik: Laienspiel und Kindertheater, S. 5. Auf: godesheim.de, abgerufen am 1. Juli 2017
- ↑ Vorwort von Martin Luserke zu Blut und Liebe, 21. Auflage von 1952. In: Deutscher Theaterverlag. Auf: dtver.de, abgerufen am 1. Juli 2017
- ↑ Peter Goergen: Willi Graf – ein Weg in den Widerstand. Röhrig Universitätsverlag, St. Ingbert 2009, ISBN 978-3-86110-458-2, S. 38.
- ↑ Gerhard J. Bellinger: Wer einem Stern folgt kehrt nicht um. Eine Bildbiografie. Books on Demand, Februar 2017, ISBN 978-3-7431-9564-6, S. 54.
- ↑ Horst Müller: Der Krieg, er zieht sich etwas hin. Fünf Texte. Books on Demand, Norderstedt 2016. ISBN 978-3-7392-4154-8, S. 200f.
- ↑ Barbara Korte: Texte für das Theaterspiel von Kindern und Jugendlichen im Dritten Reich – Eine exemplarische Untersuchung verschiedener Spielreihen. Phil. Diss. Georg-August-Universität Göttingen 2017, S. 23.
- ↑ Gudrun Wilcke: Die Kinder- und Jugendliteratur des Nationalsozialismus als Instrument ideologischer Beeinflussung. Liedertexte – Erzählungen und Romane – Schulbücher… und Jugendkultur, -literatur und -medien. Peter Lang Internationaler Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 2005. ISBN 978-3631541630, S. 62.
- ↑ Barbara Korte: Texte für das Theaterspiel von Kindern und Jugendlichen im Dritten Reich – Eine exemplarische Untersuchung verschiedener Spielreihen. Phil. Diss. Georg-August-Universität Göttingen 2017, S. 307.
- ↑ Barbara Stambolis: Die Jugendbewegung und ihre Wirkungen: Prägungen – Vernetzungen, gesellschaftliche Einflussnahmen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014. ISBN 978-3847003434, S. 34.
- ↑ Horst Müller: Der Krieg, er zieht sich etwas hin. Books on Demand, Norderstedt 2016. ISBN 978-3741203381, S. 203.
- ↑ Martin Luserke: Der Brunnen If – Zaubermärchen. Christian Kaiser Verlag, München 1927.
- ↑ Barbara Korte: Texte für das Theaterspiel von Kindern und Jugendlichen im Dritten Reich – Eine exemplarische Untersuchung verschiedener Spielreihen. Phil. Diss. Georg-August-Universität Göttingen 2017, S. 407.
- ↑ Barbara Korte: Texte für das Theaterspiel von Kindern und Jugendlichen im Dritten Reich – Eine exemplarische Untersuchung verschiedener Spielreihen. Phil. Diss. Georg-August-Universität Göttingen 2017, S. 412.
- ↑ Barbara Korte: Texte für das Theaterspiel von Kindern und Jugendlichen im Dritten Reich – Eine exemplarische Untersuchung verschiedener Spielreihen. Phil. Diss. Georg-August-Universität Göttingen 2017, S. 309, S. 360.