Schuldenregulierungsverfahren
Das Schuldenregulierungsverfahren (kurz: SRV) ist ein Verfahren des österreichischen Insolvenzrechts. Umgangssprachlich wird er oft als Privatkonkurs bezeichnet. Seit 1995 gibt es in Österreich diese Möglichkeit der Entschuldung für Privatpersonen. Ziel des Verfahrens ist es, redlichen und motivierten Schuldner die realistische Chance auf einen wirtschaftlichen Neubeginn zu geben. Mit Wirkung zum 1. November 2017 wurde das Schuldenregulierungsverfahren umfangreich novelliert.
Geschichte und Bedeutung
Der Privatkonkurs (Insolvenzrecht für Verbraucher; gerichtliches Schuldenregulierungsverfahren) wurde 1995 in Österreich eingeführt. Die Grundidee des Privatkonkurses: Schuldner zahlen über einen bestimmten Zeitraum jene Beträge, die für sie leistbar sind. In dieser Zeit soll nur eine bescheidene, aber menschenwürdige Lebensführung möglich sein. Dafür sind Schuldner bei Einhaltung der vereinbarten Zahlungen und sonstigen Pflichten nach Ablauf des Verfahrens wieder schuldenfrei (=Restschuldbefreiung). Die Gläubiger erhalten – wenn möglich – einen Teil ihrer Schulden zurück, auf den Rest müssen sie verzichten. Ziel des gerichtlichen Schuldenregulierungsverfahrens ist also, redlichen und motivierten Schuldner die realistische Chance auf einen wirtschaftlichen Neubeginn zu geben.
Bis Ende Oktober 2017 galt im Privatkonkurs die Verfahrensdauer von sieben Jahren. Für das Erreichen der Entschuldung mussten mindestens 10 % der Schulden zurückbezahlt werden (die sogenannte Mindestquote). Durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz trat am 1. November 2017 eine Reform der Insolvenzordnung in Kraft.[1] Hierdurch wurden die Mindestquote abgeschafft und die Verfahrensdauer im Abschöpfungsverfahren auf fünf Jahre verkürzt.
Verfahrensablauf
Zu den Voraussetzungen, um einen Privatkonkurs eröffnen zu können, zählen die tatsächliche Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sowie die Verpflichtung, keine neuen Schulden zu machen. Der Antrags- und Verfahrensablauf eines Privatkonkurses ist in der Insolvenzordnung geregelt.[2] Zuständig sind zumeist die Bezirksgerichte.
Der Versuch eines außergerichtlichen Ausgleichs vor der Insolvenzeröffnung ist mit der Reform nicht mehr verpflichtend. Ein außergerichtlicher Ausgleich verlangt die Zustimmung aller Gläubiger: Diese verzichten auf einen Teil ihrer Forderungen, Schuldner bezahlen die vereinbarte Quote sofort oder in Raten und werden danach von ihren restlichen Schulden befreit. Der außergerichtliche Ausgleich entspricht inhaltlich in vielen Punkten dem gerichtlichen Privatkonkurs, nur wird er „außerhalb des Gerichtes“ verhandelt und abgeschlossen.
Insolvenzeröffnung und Vermögensverwertung
Nach der Insolvenzeröffnung kommt es zu einer Vermögensverwertung. Alles Vermögen der Schuldner (Haus, Auto, Sparbuch etc.) wird verwertet. Exekutionen und Zinsen werden gestoppt.
Zahlungsplan
Wenn ein pfändbares Einkommen vorliegt, muss den Gläubigern ein Zahlungsplan angeboten werden, der zumindest der Einkommenslage der nächsten fünf Jahre entspricht. Die maximale Dauer darf sieben Jahre nicht überschreiten. Der Zahlungsplan gilt als angenommen, wenn die Mehrheit der Gläubiger zustimmt. Die Schuldner sind bei Einhaltung der vereinbarten Zahlungen und Erfüllung gesetzlicher Kriterien wieder schuldenfrei. Gläubiger erhalten einen Teil ihrer Forderungen zurück. Nach § 194 Abs. 2 IO (i. d. F. IRÄG 2017) braucht kein Zahlungsplan angeboten werden, wenn Schuldner in den kommenden fünf Jahren voraussichtlich kein pfändbares Einkommen haben werden oder das Einkommen das Existenzminimum nur geringfügig übersteigt. Die Geringfügigkeit soll nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Die Bagatellgrenzen nach § 292j Abs. 5 EO (10 Euro) und nach § 6a Abs. 3 GEG (20 Euro) bieten hier Anhaltspunkte.
Abschöpfungsverfahren
Wird der Zahlungsplan von den Gläubigern abgelehnt, ist eine Entschuldung – auch gegen den Willen der Gläubiger – im Abschöpfungsverfahren möglich. Über die Dauer von fünf Jahren wird der pfändbare Teil des Einkommens einbehalten. Danach erfolgt die Restschuldbefreiung. Auch eine Entschuldung ohne Rückzahlung ist möglich, wenn kein pfändbares Einkommen zur Verfügung steht. Überschuldete, die kein pfändbares Einkommen haben (oder nur „geringfügig“ darüber), können die Verhandlungen zum Zahlungsplan überspringen und gleich in die fünfjährige Abschöpfung gehen. Sie müssen jedoch mindestens einmal im Jahr dem Gericht Auskunft über die Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit geben: Nach § 210 Abs. 1 5a IO haben Schuldner ohne pfändbares Einkommen im Abschöpfungsverfahren mindestens einmal im Jahr dem Gericht und dem Treuhänder zu vom Gericht festgelegten Zeitpunkten über ihre Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit zu berichten. Unterbleibt die Auskunft, hat das Gericht eine Nachfrist von 14 Tagen zur Äußerung einzuräumen.
Übergangsregelungen
Mit der Novelle der Insolvenzordnung wurden auch Übergangsregelungen für bestehende Verfahren geschaffen, wodurch auch Personen, die ihre Insolvenz nach den alten Regelungen begonnen haben, vom Entfall der Mindestquote und der Verkürzung der Verfahrensdauer profitieren können. Bestehende Abschöpfungsverfahren laufen ab 1. November 2017 noch maximal weitere fünf Jahre (sofern sie nicht regulär schon zuvor enden). Auch sie können dann ohne Mindestquote Restschuldbefreiung erlangen.
Bestehende Zahlungspläne können auf Antrag abgeändert werden, um auf die neuen Regelungen umsteigen zu können: § 281 IO i. d. F. IRÄG 2017 enthält für Zahlungspläne, deren Laufzeit am 1. November 2017 noch nicht abgelaufen ist, einen Anspruch auf neuerliche Abstimmung über einen Zahlungsplan und Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens. Stellen Schuldner einen derartigen Antrag, sind auf Zahlungsplan und Abschöpfungsverfahren die Bestimmungen der IO nach IRÄG 2017 anzuwenden.
All jene, deren Abschöpfung kürzlich aufgrund der Mindestquote gescheitert ist, dürfen sofort wieder eine Insolvenz beantragen. Auch dies ist eine Ausnahmeregelung, denn grundsätzlich gilt eine Sperrfrist von 20 Jahren, bevor ein neuer Insolvenzantrag gestellt werden darf.
Für Verfahren, die in der Vergangenheit mit Restschuldbefreiung endeten oder wegen Obliegenheitsverletzung vorzeitig eingestellt wurden, gilt die Sperrfrist von 20 Jahren nach alter Rechtslage unverändert. Die zehnjährige Sperrfrist des § 194 Abs. 2 Z4 IO zur Vorlage eines neuen Zahlungsplans ist nach § 279 Abs. 2 i. d. F. IRÄG 2017 auch nur in diesen Fällen anzuwenden. Sie gilt nicht, wenn ein vorausgegangenes Abschöpfungsverfahren an der Mindestquote gescheitert ist.