Proteinurie

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Klassifikation nach ICD-10
R80 Isolierte Proteinurie
Albuminurie o.n.A.
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Unter Proteinurie versteht man die übermäßige Ausscheidung von Proteinen (Eiweiß) über den Urin. Die Grenze für eine normale (physiologische) Proteinausscheidung wird mit weniger als 150 Milligramm pro Tag angesetzt. Eine erhöhte Proteinausscheidung kann ein harmloses, vorübergehendes Ereignis sein und wird dann als benigne reversible Proteinurie bezeichnet. Anhaltend erhöhte Proteinmengen im Urin sind allerdings nicht nur die Folge verschiedener Erkrankungen, sondern auch eine wichtige eigenständige Ursache für das Fortschreiten einer Nierenerkrankung.[1] Als harmlos gilt die Unterform der Marschalbuminurie als milde Begleiterscheinung der Sporthämaturie.

Grundlagen

Erstmals wissenschaftlich nachgewiesen wurde Eiweiß im Urin (und damit die Möglichkeit einer verminderten „Eiweißdichtigkeit“ der Niere) 1770 von Domenico Cotugno.[2] Eine wichtige Funktion der Nieren ist das Filtern des Blutplasmas, dies geschieht in den Glomerula der Nierenkörperchen. Proteine ab einer Molekülmasse von 80 Kilodalton (kDa) – beispielsweise Globuline – werden durch diesen „Filter“ zurückgehalten. Dagegen passieren Stoffe bis zu einer Molekülmasse von 6–15 kDa diese Barriere. Neben dieser Größenselektivität gibt es auch eine Ladungsselektivität, die stark negativ geladene Proteine zurückhält.

Albumin mit seiner Molekülmasse von 66–69 kDa wird zu 99,97 % zurückgehalten. Der Siebkoeffizient für Albumine liegt somit bei unter 0,001. Grund ist die starke negative Ladung des Albuminmoleküls, die eine vermehrte Filtration verhindert. Für gleich große Moleküle mit fehlender oder gar positiver Ladung ist der glomeruläre Filter durchlässiger.[3]

Die in den Primärharn gelangenden Proteine werden in makro- und mikromolekulare Proteine eingeteilt, wobei die Grenze beim Albumin beziehungsweise dessen Molekülmasse gezogen wird. Diese Proteine werden im proximalen Tubulus zu 96 Prozent rückresorbiert. Die Aufnahme erfolgt über die Vermittlung der Rezeptoren des Megalin-Cubilin-Komplexes als eine spezifische, ATP-abhängige Endozytose. Es gelangen also auch unter physiologischen Bedingungen geringe Mengen an Proteinen in den Endharn.

Pathophysiologie

Die Ursachen einer pathologischen Proteinurie sind Veränderungen, die bei der eigentlichen Urinbildung zum Tragen kommen oder mit dieser selbst nichts zu tun haben. Erstere werden als renale Formen in glomeruläre und tubuläre Proteinurien, letztere in prärenale (beziehungsweise präglomeruläre) und postrenale Formen unterteilt.

Die prärenal gelegenen Ursachen führen zu einem Überangebot an Proteinen und damit zu einer sogenannten Überlaufproteinurie. Mit diesen pathologisch erhöhten Konzentrationen von (niedermolekularen) Proteinen im Serum kommt es konsequenterweise zu einer vermehrten Filtration und einem Überschreiten der Kapazität zur Resorption dieser Proteine im proximalen Tubulus.

Eine im Glomerulum lokalisierte Störung – meist handelt es sich dabei um eine Entzündung (Glomerulonephritis) – bewirkt einen durchlässigeren Filter, sodass die Resorptionskapazität im Tubulus ebenso überschritten wird.

Bei Störungen der Tubuluszellfunktion ist primär die Rückresorption von Proteinen beeinträchtigt. Auch normale Konzentrationen von Eiweißen im Primärharn führen damit zu einer signifikanten Proteinurie.

Bei postrenalen Störungen stammen die Proteine aus den ableitenden Harnwegen.

Bei einer Proteinausscheidung im Urin von mehr als 3–3,5 g pro 24 Stunden, bei Kindern von mehr als 1 g pro m² Körperoberfläche und 24 Stunden, wird von einer sogenannten großen Proteinurie gesprochen. Diese führt in der Regel zur Entstehung eines nephrotischen Syndroms.

Ätiologie

Ursächlich für die Entstehung einer Proteinurie sind:[4]

Bestandteile

Neben der Menge ist auch die Zusammensetzung der Proteine von Bedeutung. So kann auch bei geringfügiger Proteinurie eine Erkrankung vorliegen, wenn ein pathologisches Verteilungsmuster vorliegt. Dies gilt besonders bei systemischen Erkrankungen wie einem Diabetes mellitus, einer arteriellen Hypertonie oder einem Lupus erythematodes.

Von 500 im Urin gesunder Personen vorhandenen Proteinen ist ein Großteil noch nicht identifiziert, wobei empfindlichere Messmethoden wie Radioimmunassay oder Nephelometrie Abhilfe schaffen.[5][6]

Die wichtigsten Harnproteine sind

Albumin: Albumin kann ebenso bei Störungen der glomerulären Filtration wie bei einer mangelnden tubulären Rückresorption vermehrt ausgeschieden werden. Eine klinisch isolierte Albuminausscheidung wird als Albuminurie, die mit gängigen Harnstreifen nicht feststellbare, bei einer Zuckerkrankheit aber klinisch bedeutsame geringfügige Albuminausscheidung als Mikroalbuminurie bezeichnet.

Medizinische Bedeutung

Menschen, bei denen eine vermehrte Ausscheidung von Albumin im Urin nachgewiesen wird, haben ein erhöhtes Risiko, im weiteren Verlauf einen fortschreitenden Verlust der Nierenfunktion bis hin zum dialysepflichtigen Nierenversagen zu erleiden.[7] Bei gegebener Nierenfunktion steigt mit zunehmender Proteinurie die Mortalität[8] sowie das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden.[9] Eine nach Kochen und Essigsäurezusatz entstehende milchige Trübung des proteinreichen Urins erkannte bereits der Leidener Arzt Frederik Dekkers (1648–1720). Auch der Italiener Domenico Cotugno (1736–1822) führte bereits einen durch Hitzefällung herbeigeführten Albuminnachweis im Urin von „Wassersüchtigen“ durch.[10] Als wichtiges Diagnosekriterium wurde die zusammen mit Ödemen auftretende Proteinurie dann 1827 von Richard Bright (1789–1857) etabliert.[11]

Einzelnachweise

  1. S. Klahr, G. Schreiner, I. Ichikawa: The progression of renal disease. In: The New England Journal of Medicine. Band 318, Nr. 25, 1988, S. 1657–66, PMID 3287163.
  2. Joachim Frey: Krankheiten der Niere, des Wasser- und Salzhaushaltes, der Harnwege und der männlichen Geschlechtsorgane. In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 893–996, hier: S. 910–912.
  3. Rainer Klinke, Stefan Silbernagl (Hrsg.): Lehrbuch der Physiologie. 4. Auflage, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 3-13-796004-5, S. 300f.
  4. Proteinurie (Nephrotisches Syndrom). (Memento des Originals vom 8. Dezember 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/proteinurie.universimed.com Medizinische Universität Wien – AKH Consilium
  5. virtuelles medizinisch-analytisches Labor, Urinbefunde: Proteine (Memento vom 7. Juni 2007 im Internet Archive) Biorama
  6. Jürgen E. Scherberich: Nichtinvasive Diagnostik von Nierenerkrankungen – Differentielle klinische Bewertung der Proteinurieformen (Memento des Originals vom 14. September 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.proteinurie.de
  7. Marije van der Velde, et al.: Screening for albuminuria identifies individuals at increased renal risk. In: Journal of the American Society of Nephrology. Band 20, Nr. 4, April 2009, ISSN 1533-3450, S. 852–862, doi:10.1681/ASN.2008060655, PMID 19211710.
  8. Kunihiro Matsushita, et al: Association of estimated glomerular filtration rate and albuminuria with all-cause and cardiovascular mortality in general population cohorts: a collaborative meta-analysis. In: The Lancet. Band 375, Nr. 9731, 12. Juni 2010, ISSN 1474-547X, S. 2073–2081, doi:10.1016/S0140-6736(10)60674-5, PMID 20483451.
  9. Brenda R. Hemmelgarn, et al.: Relation between kidney function, proteinuria, and adverse outcomes. In: The Journal of the American Medical Association. Band 303, Nr. 5, 3. Februar 2010, ISSN 1538-3598, S. 423–429, doi:10.1001/jama.2010.39, PMID 20124537.
  10. F. P. Schena: The role of Domenico Cotugno in the history of proteinuria. In: Nephrology Dialysis Transplantation, Band 9, 1994, S. 1344 f.
  11. Horst Kremling: Zur Entwicklung der Nierendiagnostik. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 8, 1990, S. 27–32; hier: S. 28.

Weblinks