Wiener Börse (Gebäude)

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Wiener Börse, Ecke Wipplingerstraße/Börseplatz
Wiener Börse, Schottenring 16
Provisorische Börse, Schottenring 19; genutzt 1872–1877; Ort des Schwarzen Freitags, 9. Mai 1873[Anm. 1]
Portal Provisorische Börse, Schottenring 19, als Karikatur 1877[Anm. 2]
Inserat für den Abverkauf von Bauresten der Provisorischen Börse (1877)

Die Wiener Börse (auch Alte Börse genannt) ist ein Gebäude an der Wiener Ringstraße; es grenzt an den Schottenring, die Wipplingerstraße, die Börsegasse und an den Börseplatz.

Geschichte

Ab 1861 war die Börse am Sitz der k.k. privilegierten oesterreichischen National-Bank, Strauchgasse 4, Wien-Innere Stadt, untergebracht. Bereits in jenem Jahr fasste die Börsekammer den Beschluss, ein eigenes Börsegebäude zu errichten, und erwarb dafür einen 3240 m² großen Baugrund um 180.000 Gulden. Als die Raumverhältnisse sich für den Börsenbetrieb als nicht mehr tragbar herausgestellt hatten, akzeptierte man 1869 Theophil von Hansens (1813–1891) großartigen Plan, der für 8790 m² Baugrund 865.000 Gulden vorsah und für dessen Umsetzung ein Darlehen von fünf Millionen aufzunehmen war. Betrug Anfang 1867 die Zahl der Tagesbesucher noch zwischen 900 und 1000, würde sie 1873 die Höhe von 3.200 erreichen.[1]

Neben der Detailplanung für den Neubau wurde für die Errichtung eines Notbaus Sorge getragen: Nach einigen Verzögerungen, unter anderem bedingt durch eine steuergesetzliche Änderung, übersiedelte am 6. Mai 1872[2] der Börsenbetrieb in ein nächst der Rossauer Kaserne (damals: Rudolphs-Kaserne) an der späteren Adresse Schottenring 19 von der Allgemeinen Oesterreichischen Baugesellschaft in Holz errichtetes, bis 1877 befristetes Bauprovisorium.

Das von Theophil von Hansen, dem Gewinner des Architektenwettbewerbs, geplante Gebäude[3] wurde von 1873 bis 1877 vom Planverfasser sowie dem Architekten Carl Tietz (1831–1874) im Stil der Neorenaissance, einer Form des (für die Ringstraße typischen) Historismus, ausgeführt. Hansen baute an einem anderen Abschnitt der Ringstraße gleichzeitig am Parlamentsgebäude.

Am 14. März 1877 beehrte Kaiser Franz Joseph I. auf Einladung von k.k. Finanzminister Sisinio von Pretis-Cagnodo das fertiggestellte, fünf Millionen Gulden[4] teure Gebäude mit seinem Besuch,[Anm. 3] bei dem er vom Präsidenten der Börsekammer, Moriz Freiherrn Wodianer von Kapriora (1810–1885), durch das Haus geführt wurde.[5] Die erste Börsenversammlung wurde am 19. März 1877 abgehalten[6] und damit das Börsengeschäft voll aufgenommen. Tage davor konnte das neue Haus vom Publikum auf Basis unentgeltlich ausgegebener Eintrittskarten besichtigt werden, wobei der große Börsesaal in den Abendstunden voll beleuchtet war. Der Zustrom war derart groß, dass am Abend des 17. März 1877 Erzherzog Friedrich (1856–1936) seinen Besuch unterlassen musste. Einen Tag später waren Dom Pedro II. (1825–1891), Kaiser von Brasilien, und seine Gattin Teresa Maria Cristina von Neapel-Sizilien Gäste in der neuen Börse.

Am 12. März 1945 wurde die Ostecke des Gebäudes von einem Bombentreffer stark in Mitleidenschaft gezogen. Bei einem Großbrand am 13. April 1956 wurde das Haus schwer beschädigt.[7] Bei der anschließenden Wiederinstandsetzung wurde der elf Abteilungen aufweisende Börsensaal (58,8/26,5/22,8 m)[4] nicht wieder hergestellt, sondern in einen Innenhof umgestaltet, und der Börsenbetrieb am 7. Dezember 1959 wieder aufgenommen.[6]

Von seiner Errichtung bis zum Umzug der Wiener Börse AG in das Palais Caprara-Geymüller Ende 2001[8] war das Gebäude Sitz dieser Institution. Heute ist es eine der vielen Sehenswürdigkeiten an der Wiener Ringstraße, und seine Säle werden für Veranstaltungen vermietet.[9] Das Gebäude befindet sich im Eigentum einer von Karl Wlaschek 2015 hinterlassenen Stiftung.[10]

Weblinks

Commons: Wiener Börse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Acher: Zum Einzug in die neue Börse. Ein historisch-statistischer Rückblick. In: Die Presse, Beilage Local-Anzeiger, Nr. 75/1877 (XXX. Jahrgang), 18. März 1877, S. 7 unten f. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/apr.
  2. Die provisorische Börse. In: Morgen-Post, Nr. 124/1872 (XXII. Jahrgang), 7. Mai 1872, S. 5 (unpaginiert), Spalte 1. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/mop.
  3. H.....g.: Der sechzigste Geburtstag Theophils Ritter von Hansen, – Grundsteinlegung zum neuen Börse-Gebäude. In: Neues Fremden-Blatt, Abendausgabe, Nr. 192/1873 (IX. Jahrgang), 14. Juli 1873, S. 3, Spalte 1. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfb.
  4. a b Der neue Börsen-Palast in Wien – kostet 5 Millionen. In: Neuigkeits-Welt-Blatt, Nr. 61/1877, 16. März 1877, S. 6 unten. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nwb
  5. Kleine Chronik. (…) Der Kaiser im Börsengebäude. In: Neue Freie Presse, Abendblatt, Nr. 4507/1877, 14. März 1877, S. 1, Spalte 1 unten. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  6. a b Felix Czeike (u. a.): Börse (Gebäude) im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien; 5. September 2017, abgerufen am 22. August 2017.
  7. Der größte Brand seit elf Jahren: Die Börse – ein rauchender Trümmerhaufen. Noch immer Brandherde und Einsturzgefahr – Hunderte werden brotlos. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 14. April 1956, S. 1 (Die Internetseite der Arbeiterzeitung wird zurzeit umgestaltet. Die verlinkten Seiten sind daher nicht erreichbar. – Digitalisat).
  8. Wiener Börse AG: Die Geschichte der Wiener Börse. Wien 2016, (PDF; 135 KB). In: wienerborse.at, abgerufen am 22. August 2017.
  9. Wiener Börsensäle
  10. Karl Wlascheks Immobilien im ersten Wiener Gemeindebezirk, in: Falter (Wochenzeitung), Nr. 33/2015, 12. August 2015, S. 16.

Anmerkungen

  1. Das Portal am rechten Ende des dargestellten Notbaus war der Maria-Theresien-Straße (ON 20) zugewandt. Die das Motiv grafisch einfassenden Elemente (Kaserne, Straße, Wohnbau) wurden vom Künstler frei komponiert.
    Die Verortung des Bauprovisoriums gemäß Grafik deutet auf den 1872 in Wien-Alsergrund benannten Schlickplatz hin.
  2. Die Börsekammer hatte das hölzerne Gebäude von der Allgemeinen Oesterreichischen Baugesellschaft gemietet. Nach dem Freiwerden des Provisoriums trachtete die Baugesellschaft – ihr war auf das Grundstück jahrzehntelange Steuerfreiheit zugesichert worden –, die vertraglich bedungene Demolierung bestmöglich an Dritte zu vergeben. Dem Abbau vorangehend: eine Versteigerung des Inventars. – Siehe: Tagesneuigkeiten. (…) Der demolirte Krach. In: Morgen-Post, Nr. 37/1877 (XXVII. Jahrgang), 8. Februar 1877, S. 3 (unpaginiert), Spalte 3 unten, (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/mop, sowie Tages-Neuigkeiten. (…) Der Auszug der Israeliten aus der alten Wiener Börse. In: Neuigkeits-Welt-Blatt, Nr. 65/1877, 21. März 1877, S. 4 (unpaginiert), Spalte 2. (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nwb.
  3. Die Planung der neuen Börse hatte 1869/70 begonnen, der erste Spatenstich wurde am 20. August 1870 gesetzt, der Fundamentaushub am 16. August 1871 gestartet. Nur knapp zwei Jahre später ereignete sich in den Räumen der provisorischen Börse der Wiener Börsenkrach von 1873. – Wahrscheinlich aus sozialethischer Rücksicht auf die noch weit spürbaren Folgen dieses elementaren Wirtschaftsereignisses, aber auch wegen des sich schleppenden und kostspieligen Verfahrens um den Bau des Provisoriums, wurde das neue Börsengebäude, anders als zumeist behauptet, weder feierlich eröffnet noch eingeweiht.

Koordinaten: 48° 12′ 54,2″ N, 16° 22′ 0,1″ O