Walther Günther
Walther Franz Gustav Günther (* 1. Juli 1891 in Zeitz; † 4. Oktober 1952 in Bonn) war ein deutscher Pädagoge, Volkswirt und Medienfunktionär.
Leben
Günther war der Sohn des Schreinermeisters Julius Günther (1864–1946) aus Zeitz. Er wurde Volksschullehrer und wirkte von 1911 bis 1914 im thüringischen Mühlhausen. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges eingezogen, leistete er nis 1917 seinen Militärdienst; in diesem Jahre schrieb er sich an der Universität in Bern ein. Er studierte Geschichte, Pädagogik, Volkswirtschaft und Rechtswissenschaften an der Universität in Berlin. Zunächst Werkstudent, arbeitete er ab 1920 als Lehrer an einer Privatschule.[1] Mit dem Medium Film kam er in Berührung, als er eine Assistentenstelle bei der „Gesellschaft für Volksbildung“[2] bekleidete. Von da an setzte er sich für den sachgerechten Einsatz von Lichtbild und Film im Unterrichtswesen ein.
1921 gründete er den „Deutschen Bildspielbund“,[3] dessen Leiter er wurde, und organisierte bis 1931 die „Deutschen Bildwochen“,[4] bei denen Pädagogen aus ganz Deutschland den Einsatz des Mediums Films in der Schule diskutierten. Sie fanden ab 1920 alljährlich statt. Seit 1923 war er außerdem Beisitzer der Filmprüfstelle und der Oberfilmprüfstelle Berlin.[5]
Er wurde Leiter der Berliner „Film- und Bildarbeitsgemeinschaft“[6] und arbeitete am „Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht“[7] in Berlin mit. Zusammen mit Hans Ammann[8] gab er die Zeitschrift Der Bildwart heraus, die von 1923 bis 1935 im Berliner Verlag von Erwin Loose erschien[9] und sich an Lehrer, Professoren und Künstler wandte, also an Menschen, die an den Auswirkungen und der Entwicklung des Films beruflich oder ideell interessiert waren.
Mit Ammann trieb er auch den Einsatz des Schmalfilms in den Schulen voran.[10]
1928 wurde er Direktor des Städtischen Film- und Bildamtes Berlin[11] und Präsident der „Internationalen Lehrfilmkammer“, die ihren Sitz in Basel hatte.[12] 1929 promovierte er mit einer Arbeit über Grundzüge der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges zum doctor rerum politicarum an der Universität Berlin.[13]
Am 1. Mai 1933 trat Günther der NSDAP und dem NS-Lehrerbund bei und wurde Mitglied der Reichskulturkammer. Von 1934 bis zu seiner Einberufung zum Kriegsdienst 1939 leitete er die Landesbildstelle Berlin-Brandenburg. Zeitgleich war er Abteilungsleiter bei der Reichsstelle für den Unterrichtsfilm.[14][15] In dieser Zeit verfasste er mehrere Fachbücher und zahlreiche Handreichungen für Lehrer zu aktuellen Unterrichtsfilmen.[16]
Nach dem Zweiten Weltkrieg war er maßgeblich am Aufbau des vom Deutschen Roten Kreuz betriebenen Kinderheims Friesland in Breddewarden bei Wilhelmshaven beteiligt. Anschluss an seine frühere Lebensarbeit indes konnte Günther nicht mehr finden. Er starb 1952 in Bonn.[17]
Werke
- Prüfungsordnung für technische Leiter von Lichtbildveranstaltungen. Verlag Ferdinand Hirt, Leipzig 1924, DNB 580048209.
- Städtefilme. (= Bildwart-Flugschriften. 3). 2. Auflage. Bildwart-Verlagsgenossenschaft, Berlin 1928, DNB 363944699.
- als Hrsg.: Verzeichnis deutscher Filme, Grundausg. I: Lehr- u. Kulturfilme. Bildwart-Verlagsgenossenschaft, Berlin 1927, DNB 368569519.[18]
- als Hrsg.: Der Bildwart: Handbuch zur Einrichtung und Führung von Bild- und Film-Arbeitsstellen. Gauverlag Bayerische Ostmark, Bayreuth 1938, DNB 365924717.
- Film- und Lichtbildgebrauch in der Schule. Verlag J. Klinkhardt, Leipzig 1939, DNB 573603596.
Literatur
- H. Ammann, in: Film, Bild, Ton. Zeitschrift für audio-visuelle Mittel in der Pädagogik. Hrsg. v. Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht. III. Jahrgang, H. 9, Dezember 1952.
- Helmut H. Diederichs: Frühgeschichte deutscher Filmtheorie, ihre Entstehung und Entwicklung bis zum Ersten Weltkrieg. Frankfurt am Main 1996, Publikation im Internet: 2001
- Malte Ewert: Die „Reichsanstalt für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht.“ (= Schriften zur Kulturwissenschaft. Band 15). Hamburg 1998, ISBN 3-86064-681-8, S. 255–256.
- Malte Ewert: Neue Dokumente zur Geschichte der Schulfilmbewegung in Deutschland: Berlin und Britische Besatzungszone 1945/46. (= Schriften zur Kultur-wissenschaft. Band 19.) Hamburg 1998, ISBN 3-86064-692-3.
- Walther Günther (Hrsg.): Der Bildwart. Blätter für Volksbildung. 4. Jahr, Heft 1, Januar 1926. Bildwart-Verlags-Genossenschaft, Berlin 1926.[19]
- Landesarchiv Berlin: Archivalien No. A Rep. 020-01-01 betr.: Film- und Bildamt Berlin / Landesbildstelle Berlin.
- Anne Marquardt: Der Film als Instrument der Formationserziehung im Dritten Reich: Der schulische Mediengebrauch der Nationalsozialisten, untersucht an Filmen Leni Riefenstahls. Diplomica Verlag, 2013, ISBN 978-3-8428-8346-8, S. 25, 36, 38, 51, 74, 75, 77.
- Fritz Terveen: Dokumente zur Geschichte der Schulfilmbewegung. Verlag Lechte, Emsdetten 1959.
- Fritz Terveen: Günther, Walther Franz Gustav. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, ISBN 3-428-00188-5, S. 278 (Digitalisat).
- Max Tiesler: Schmalfilm als Schulfilm. (= Filmbücher für Alle. Band 1). Halle 1931.
Einzelnachweise
- ↑ Bruno Jahn u. a.: Die deutschsprachige Presse: Ein biographisch-bibliographisches Handbuch. Verlag Walter de Gruyter, 2005, ISBN 3-11-096157-1, S. 379.
- ↑ am 14. Juni 1871 als Gesellschaft zur Verbreitung von Volksbildung gegründet, ab 1915 Gesellschaft für Volksbildung, vgl. Josef Olbrich: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-322-95032-1, S. 89 f. und 95
- ↑ ehemals „Bilderbühnenbund Deutscher Städte“, vgl. Harro Segeberg: Mediale Mobilmachung. Band 1: Das Dritte Reich und der Film. (= Mediengeschichte des Films. Band 4). Wilhelm Fink Verlag, 2004, ISBN 3-7705-3863-3, S. 74; Ulrich Bendel: 75 Jahre Darmstädter Bildstellen. 75 Jahre Medienpädagogik und -technik für den regionalen Bildungsbereich. Darmstadt, Mai 1998. (online, abgerufen am 20. Juni 2017): „Im Juli 1917 erging […] ein Aufruf zur Gründung eines ‚Bilderbühnenbundes deutscher Städte‘, der am 1. April 1918 seine Arbeit aufnahm.“
- ↑ 1919 wurde in Berlin die Bildstelle im Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht geschaffen und bereits 1920 fand in der Reichshauptstadt die erste „Deutsche Bildwoche“ statt, bei der Pädagogen aus ganz Deutschland den Einsatz des Films in der Schule diskutierten. Ebenfalls in Berlin wurde 1921 der „Deutsche Lichtspielbund“ von Walter Günther gegründet, der ab 1923 auch die Fachzeitschrift „Der Bildwart“ herausgab.
- ↑ Zu diesen beiden Institutionen der Filmzensur in der Weimarer Republik vgl. Christine Kopf: „Der Schein der Neutralität“ - Institutionelle Filmzensur in der Weimarer Republik (online (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive).
- ↑ Film- und Bildarbeitsgemeinschaft Groß-Berlin, 1920 von Lehrern gegründet, arbeitete eng mit dem Bilderbühnenbund Deutscher Städte e. V. zusammen. 1927 wurde die AG als „Filmseminar“ in städtische Verwaltung übernommen. 1934 entstand daraus die Landesbildstelle, die neben schulpädagogischen Aufgaben und der Erwachsenenqualifizierung in Filmarbeit, Vorführtätigkeit und Fotografie den Aufbau eines Bild- und Filmarchivs für Berlin anstrebte. Vgl. Lars Nebelung: Findbuch A Rep. 020-01-01. Landesarchiv Berlin, August 2004, abgerufen am 20. Juni 2017 (PDF; 221 kB).
- ↑ In Berlin wurde 1915 das Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht gegründet, das noch während des Ersten Weltkriegs Ostern 1917 in Stettin einen Lehrgang über die Lichtspielreform veranstaltete. Vgl. Ulrich Bendel: 75 Jahre Darmstädter Bildstellen. 75 Jahre Medienpädagogik und -technik für den regionalen Bildungsbereich. Darmstadt, Mai 1998 (online, abgerufen am 20. Juni 2017)
- ↑ Ingenieur und Gymnasiallehrer (1881–1955), gehört zu den wichtigsten Theoretikern und Methodikern des Schulfilms in der Weimarer Republik, leitete die Bildstelle in München und förderte maßgeblich den Einsatz des Schmalfilms im Unterricht, vgl. dazu Harro Segeberg: Mediale Mobilmachung. Band 1: Das Dritte Reich und der Film. (= Mediengeschichte des Films. Band 4). Wilhelm Fink Verlag, 2004, ISBN 3-7705-3863-3, S. 74; Michael Kühn: Unterrichtsfilm im Nationalsozialismus. Die Arbeit der Reichsstelle für den Unterrichtsfilm/Reichsanstalt für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht. Septem Artes Verlag, Mammendorf 1998, ISBN 3-929168-21-9, S. 259–260; Ulrich Bendel: 75 Jahre Darmstädter Bildstellen. 75 Jahre Medienpädagogik und -technik für den regionalen Bildungsbereich. Darmstadt, Mai 1998 (online, abgerufen am 20. Juni 2017): Auch Fortschritte in der Filmtechnologie brachten in den folgenden Jahren das Bildstellenwesen voran: Bereits 1929 (vorgestellt auf der deutschen Bildwoche in Dresden und der Lehrfilmkonferenz in Wien) gab es für den neu entwickelten 16-mm-Sicherheitsfilm erste handliche Stummfilmprojektoren, die jetzt ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen im verdunkelten Klassensaal zu betreiben waren. Damit rückte die alte Forderung, spezielle Unterrichtsfilme sollten in den Schulen das Kino ersetzen, in den Bereich des Erfüllbaren.
- ↑ Der Bildwart. In: difarchiv.deutsches-filminstitut.de. Abgerufen am 20. Juni 2017.
- ↑ Ulrich Bendel: 75 Jahre Darmstädter Bildstellen. 75 Jahre Medienpädagogik und -technik für den regionalen Bildungsbereich. Darmstadt, Mai 1998. (online, abgerufen am 20. Juni 2017): “Daß sich in der Folge der 16-mm-Schmalfilm ebenso rasch durchsetzte wie das neue Kleinbildformat 24×36 mm, das als 5×5 cm-Dia das alte 8,5×10 cm-Format ablöste, ist auch hauptsächlich der bereitwilligen Mitarbeit der Bildstellen und ihrer grundsätzlichen Abkehr von aufwendigen Großformaten zu danken.” Der 16-mm-Film war 1923 von Kodak entwickelt worden. Schon 1931 gab es rund 400 vom 35 mm-Format auf Schmalfilm umkopierte Filme im Angebot verschiedener Firmen, vgl. Harro Segeberg: Mediale Mobilmachung. Band 1: Das Dritte Reich und der Film. (= Mediengeschichte des Films. Band 4). Wilhelm Fink Verlag, 2004, ISBN 3-7705-3863-3.
- ↑ ehemals Filmseminar, später Landesbildstelle Berlin-Brandenburg, vgl. Harro Segeberg: Mediale Mobilmachung. Band 1: Das Dritte Reich und der Film. (= Mediengeschichte des Films. Band 4). Wilhelm Fink Verlag, 2004, ISBN 3-7705-3863-3, S. 74.
- ↑ recherche.bar.admin.ch. Abgerufen am 17. März 2020.
- ↑ 115 S.; 8°. Die Dissertation erschien 1931 im Druck, vgl. DNB 57139504X.
- ↑ Zeitungswissenschaft. Verlag von Duncker & Humblot, 1935, S. 192 (google.de [abgerufen am 23. Februar 2020]).
- ↑ Anne Marquardt: Der Film als Instrument der Formationserziehung im Dritten Reich: Der schulische Mediengebrauch der Nationalsozialisten untersucht an Filmen Leni Riefenstahls. Diplomica Verlag, 2013, ISBN 978-3-8428-8346-8, S. 36 (google.de [abgerufen am 23. Februar 2020]).
- ↑ z. B. zu Wolkenstürmer (1931) und Tag der Freiheit - Unsere Wehrmacht (1935), sowie zu dem 1936 aus Aufnahmen von Leni Riefenstahl produzierten zweiteiligen Film Olympia, vgl. Anne Marquardt: Der Film als Instrument der Formationserziehung im Dritten Reich: Der schulische Mediengebrauch der Nationalsozialisten, untersucht an Filmen Leni Riefenstahls. Diplomica Verlag, 2013, ISBN 978-3-8428-8346-8, S. 38 und 51.
- ↑ „Günther hat als fähiger und gewandter Organisator, als gründlicher praktischer und theoretischer Kenner wichtige Beiträge zur Entwicklung des Bild- und Filmwesens in Schule und Volksbildung geleistet. Seinem rastlosen und vielseitigen, oft eigenwilligen, immer aber anregenden Wirken verdanken die deutsche und die internationale Lehrfilmbewegung zwischen 1920 und 1934 zahllose Impulse.“ urteilte F. Terveen 1966.
- ↑ Eine unschätzbare Forschungsquelle bis heute. In: Harro Segeberg: Mediale Mobilmachung. Band 1: Das Dritte Reich und der Film. (= Mediengeschichte des Films. Band 4). Wilhelm Fink Verlag, 2004, ISBN 3-7705-3863-3, S. 74.
- ↑ 8°. Original Karton mit Deckeltitel; Abb. des Titelblattes bei amazon.com (aufgerufen am 20. September 2015)
Personendaten | |
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NAME | Günther, Walther |
ALTERNATIVNAMEN | Günther, Walther Franz Gustav (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Pädagoge, Volkswirt und Medienfunktionär |
GEBURTSDATUM | 1. Juli 1891 |
GEBURTSORT | Zeitz |
STERBEDATUM | 4. Oktober 1952 |
STERBEORT | Bonn |