Abraham Farissol

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 25. Mai 2021 um 17:56 Uhr durch imported>Crazy1880(385814) (tk k).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Iggeret Orhot Olam. Illustrierte Ausgabe Prag 1793

Abraham ben Mordechai Farissol (* um 1451 in Avignon; † um 1525 in Ferrara) war ein italienisch-jüdischer Gelehrter und Kopist der Renaissance provenzalischer Herkunft. Sein bekanntestes Werk, eine Abhandlung über Kosmographie und Geographie Iggeret Orhot Olam (Schreiben über die Wege der Welt) von 1524, erschien 1586 erstmals hebräisch im Druck in Venedig und 1691 in lateinischer Übersetzung in Oxford.

Leben und Werk

Iggeret Orhot Olam, Ausgabe Venedig 1586

Abraham Farissol wurde in Avignon geboren und wanderte in jungen Jahren aus unbekannten Gründen nach Italien aus.[1] Er verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Ferrara und Mantua. Er wirkte in der jüdischen Gemeinde von Ferrara als Kantor und war bekannt als sorgfältiger Kopist von Handschriften. Die jüdische Gemeinschaft Ferraras wählte ihn als ihren Repräsentanten, als es galt, das Judentum in einer Disputation mit Dominikanern und Minoriten vor dem Herzog von Ferrara zu vertreten.[2]

Magen Abraham

Diese Erfahrung beeinflusste Farissols als Handschrift erhaltenes Werk Magen Abraham (Schild Abrahams) von 1514, das der Verteidigung des Judentums in Streitgesprächen dienen sollte. Die polemische Schrift, die zum Teil auf älteren Schriften beruht, ist in ein Kapitel zum Christentum und eines zum Islam unterteilt.[2] Aus dem Buch geht hervor, dass Farissol sowohl zu jüdisch-christlichen Kreisen unter Juden portugiesischer und spanischer Herkunft, wie auch zu judaisierenden und antiklerikalen Christen Kontakt hatte.[3] Den Reformator Martin Luther sah Farissol als möglichen Kryprojuden an.[4]

Bekannt ist Farissols Erklärung und Verteidigung der Geldleihe gegen Zins, in der er argumentiert, dass es in der Gesellschaft des 16. Jahrhunderts keinen Unterschied geben kann zwischen Einkommen aus Geldgeschäften und anderen Geschäften.[5]

Kommentare

Farissol verfasste einen kurzen Kommentare zur Torah, Pirhei Schoschanim, einen Kommentar zu Ekklesiastes, die beide als Manuskripte erhalten sind, sowie einen Kommentar zum Buch Hiob, der in der Bomberg Bibel von 1517 abgedruckt war.[2]

Iggeret Orhot Olam

Gebetbuch für eine Frau, 1471

Das bedeutendste und bekannteste Werk von Farissol ist Iggeret Orhot Olam (Traktat über die Wege der Welt). Das Buch, 1524 erstmals in Ferrara und 1586 in Venedig im Druck erschienen, erlebte mehrere Auflagen und wurde 1691 ins Lateinische übersetzt. Es gilt als erstes hebräisches Geographiewerk und war sehr populär. In dreißig Kapitel behandelte es verschiedene Länder und deren jüdische Besiedlung, das 14. Kapitel handelt von den zehn verlorenen Stämmen Israels, deren Nachkommen er in den B'nei Israel in Indien vermutet.[6] Aus der Einleitung zu diesem Kapitel geht hervor, dass die Untersuchung im Zusammenhang mit dem Auftauchen des Messiasprätendent David Reuveni in Italien im Jahr 1523 steht, dessen Ausführungen von Farissol teilweise wiedergegeben werden. Farissol beschrieb auch die neu entdeckten Reisewege nach Afrika, Spanien und Amerika und, erstmals in einem hebräischen Buch,[2] das neuentdeckte Amerika mit einer Karte.[7]

Gebetbuch von 1471

Das Gebetbuch nach dem italienischen Ritus von 1471 wurde von Farissol als Auftragswerk für die Braut eines unbekannten Auftraggebers kopiert. Besondere Aufmerksamkeit erhielt in jüngster Zeit ein Segensspruch im Morgengebet, in dem Gott dafür gedankt wird, dass er „mich als Frau, nicht als Mann erschaffen hat.“ Der Segensspruch in den heute gebräuchlichen Gebetbüchern, die im orthodoxen Judentum verwendet werden, lautet: Ich danke Gott, dass er mich als Mann und nicht als Frau erschaffen hat, was von vielen als frauenfeindlich erachtet wird. Frauen danken Gott stattdessen dafür, dass er sie nach seinem Willen erschaffen hat. Die egalitäre Formulierung für Frauen wie sie das Gebetbuch von Farissol festhält, ist im zeitgenössischen orthodoxen Judentum unbekannt.[8]

Literatur

  • David B. Ruderman: The world of a Renaissance Jew: the life and thought of Abraham ben Mordecai Farissol (Monographs of the Hebrew Union College, no. 6), Cincinnati 1981, ISBN 978-0-87820-405-2 (National Jewish Book Award 1982 (Memento vom 21. Januar 2008 im Internet Archive))

Weblinks

Itinera mundi, Ausgabe Oxford 1691
Commons: Abraham ben Mordecai Farissol – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Werke

Einzelnachweise

  1. Heinrich Graetz: Geschichte der Juden. Band 9. Leipzig 1866, S. 42 ff. (zeno.org [abgerufen am 19. März 2012]).
  2. a b c d Farissol, Abraham ben Mordecai. In: Encyclopaedia Judaica. 2. Auflage. Band 6, Detroit/New York u. a. 2007, ISBN 978-0-02-865934-3, S. 717 (englisch). galegroup.com
  3. Haim Hillel Ben-Sasson: Disputations and Polemics. In: Encyclopaedia Judaica. 2. Auflage. Band 5, Detroit/New York u. a. 2007, ISBN 978-0-02-865933-6, S. 694–695 (englisch). galegroup.com
  4. Joseph Elijah Heller, B. Mordechai Ansbacher: Luther, Martin. In: Encyclopaedia Judaica. 2. Auflage. Band 13, Detroit/New York u. a. 2007, ISBN 978-0-02-865941-1, S. 271–272 (englisch). galegroup.com
  5. Haim Hillel Ben-Sasson: Geschichte des jüdischen Volkes. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. C.H.Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-55918-1, S. 481 (books.google.ch [abgerufen am 19. März 2012]).
  6. E. C. J.: Tribes, Lost Ten. In: Isidore Singer (Hrsg.): Jewish Encyclopedia. Funk and Wagnalls, New York 1901–1906.
  7. Farissol, Abraham (1452–c.1528). Iggeret Orhot Olam, in Hebrew. Abgerufen am 19. März 2012 (englisch).
  8. Aimee Neistat: Medieval siddur battles gender inequality via Jewish prayer. In: Haaretz. 7. Januar 2012, abgerufen am 19. März 2012 (englisch).