Antifaschistische Literatur

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Der Begriff Antifaschistische Literatur fasst parallele literarische Bestrebungen zusammen, deren gemeinsames Merkmal in der Frontstellung gegen den Faschismus, bzw. gegen den Nationalsozialismus liegt. Die Bezeichnung Antifaschistische Literatur soll nicht die Differenzen zwischen den Schriftstellern unterschiedlicher Provenienz verwischen.[1] Der Begriff Antifaschistische Literatur wurde von Lutz Winckler in die Literaturwissenschaft eingeführt.

Der Schriftsteller Johannes R. Becher brachte den kämpferischen Elan der antifaschistischen Literatur wie folgt zum Ausdruck: „Als 1933 Hitler an die Macht geriet, war es unsere Literatur, die im Namen alles dessen, was Deutschland an Gutem und Schönem hervorgebracht hatte, den Nazibarbaren den unversöhnlichen Kampf ansagte und führend allen deutschen Dichtern und Künstlern guten Willens voranging.“ Johannes R. Becher, 1956

Exilliteratur in der Zeit des Nationalsozialismus

Heinrich Mann in seiner Grußbotschaft an den Unionskongreß der Sowjetschriftsteller:

„Die antifaschistische Literatur ist in Wirklichkeit die einzige deutsche Literatur: vor allem, weil nur sie die Gedanken- und Gewissensfreiheit behalten hat, dann aber auch kraft des Leidens.“

Heinrich Mann

Nicht eine bestimmte Richtung, sondern das intellektuelle Engagement überhaupt, das die Redlichkeit eines Schriftstellers verbürge, bildete für Heinrich Mann das Kriterium für die Güte schriftstellerischer Werke:

„Sie werden in der Mehrzahl sozialistisch denken; die Hauptsache bleibt, daß sie überhaupt denken wollen. Die antifaschistische Literatur ist nicht notwendig absichtsvoll antifaschistisch: sie ist es schon dadurch, daß sie auf der Gewissensfreiheit besteht.“

Heinrich Mann

Antifaschistische Literatur in der SBZ/DDR

Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus wurde auf den kommunistischen Widerstand, der verherrlichend und oft auch geschichtsverfälschend dargestellt wurde, eingeengt.[2] Der antifaschistische Widerstand fungierte als das zentrale identitätsstiftende Konzept der SBZ und DDR. Der ideologischen Einseitigkeit korrespondierte eine literaturästhetische Einfachheit in der Darstellung des antifaschistischen Widerstandes in der Kinder- und Jugendliteratur. Diese wurde damit zu einer „Erfüllungsliteratur“[3], um das offizielle Geschichtsbild zu festigen. Der Parteiauftrag, das Faschismusverständnis der SED ästhetisch umzusetzen, schuf eine gleichförmige Widerstandsliteratur, welche dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus in seiner Bandbreite nicht gerecht wurde. Noch 1986 lehnte der Kinderbuchverlag den Vorschlag, ein Buch über den christlichen Widerstand zu schreiben, aus ideologischen Gründen ab.[4]

In den Lesebüchern aller Klassenstufen sind kleine Geschichten über den antifaschistischen Widerstand zu finden. Insbesondere in den unteren Klassen tauchen Erzählungen auf, welche mittels der Darstellung des Schicksals von Tieren oder Kindern die Grausamkeit der nationalsozialistischen Diktatur vermitteln. Anschauliches Beispiel dafür ist die „Kiki - Die Geschichte eines Hundes“ von Friedrich Wolf. Wolf verfasste diese Geschichte 1941 auf der Krim, 1947 wurde sie in der SBZ erstmals als Einzelausgabe in Deutschland publiziert. Ab 1952 taucht Kiki in den Lehrplänen für das 5.–8. Schuljahr auf. Ab 1958 findet sich Kiki im Lesebuch der 7. Klasse und ab 1967 bis zum Ende der DDR (1990) in allen Lesebuchausgaben der 6. Klasse. Faschismus wird darin weder als Begriff, noch als Phänomen eingeführt. Nichtsdestoweniger ist die Geschichte eindeutig politisch und parteilich ausgerichtet.[5][6]

Auch Bechers Ballade „Kinderschuhe aus Lublin“ zum Thema Konzentrationslager gehörte zur Schullektüre der DDR. Entstanden ist dieses Gedicht nach der Lektüre eines Berichts von Konstantin Simonow, der den Fund von zigtausend Kinderschuhen im KZ Majdanek dokumentierte. Becher ließ die Schuhe in einer fiktiven Gerichtsverhandlung auftreten.[7]

Zu den antifaschistischen Erzählungen gehören auch Abenteuergeschichten. In den Jahren 1960 und 1963 erschien der Roman Die Abenteuer des Werner Holt von Dieter Noll, ein Klassiker des Genres. Basierend auf dem ersten Teil wurde der Roman 1965 filmiert. In der Polytechnischen Oberschule gehörte der erste Band zum Lehrplan. Ein weiterer Klassiker war Peters Lehrjahre (1976) von Willi Bredel. Zur antifaschistischen Abenteuerliteratur gehören auch Der erste Schuß (1959) von Kurt David, Im Garten der Königin (1957) von Horst Beseler, Leuchtfeuer (1975) von Heinrich W. Bräuer und Pianke (1981) von Peter Abraham.

Antifaschistische Literatur (1933–1945)

Autor Titel Jahr Kommentar
Johannes R. Becher Das Dritte Reich 1934
Johannes R. Becher Kinderschuhe aus Lublin (Gedicht)
Bertolt Brecht Die Gewehre der Frau Carrar 1937
Bertolt Brecht Furcht und Elend des Dritten Reiches 1938
Bertolt Brecht Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui 1941
Willi Bredel Die Prüfung[8]
Ilja Ehrenburg Der Fall von Paris 1942
Lion Feuchtwanger Der falsche Nero 1936
Lion Feuchtwanger Exil 1940
Wolfgang Langhoff Die Moorsoldaten 1935
Heinrich Mann Lidice 1942
Klaus Mann Mephisto 1936
Klaus Mann Der Vulkan. Roman unter Emigranten 1939
Jean Paul Sartre Die Mauer 1937
Anna Seghers Das siebte Kreuz 1942
Anna Seghers Der Ausflug der toten Mädchen 1943
Anna Seghers Transit 1944
Upton Sinclair Drei Freiwillige 1937
Ernst Wiechert Der weiße Büffel oder von der großen Gerechtigkeit 1937
Friedrich Wolf Professor Mamlock 1933


Literatur

  • Simone Barck: Antifa-Geschichte(n). Eine literarische Spurensuche in der DDR der 1950er und 1960er Jahre. Köln, Weimar u. a.: Böhlau 2003
  • Wolfgang Beutin u. a.: Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 8. Auflage, Stuttgart, Weimar: Metzler, S. 469ff.
  • Wolfgang Brekle: Das antifaschistische schriftstellerische Schaffen deutscher Erzähler 1933–1945 in Deutschland, Berlin-Ost 1967 (Diss.)
  • Wolfgang Brekle: Die antifaschistische Literatur in Deutschland (1933–1945). In: Weimarer Beiträge 16 (1970) H. 6. S. 67–128.
  • Christian Fritsch/Lutz Winckler: Kunstkrise, Gesellschaftskrise. Zum Stellenwert der Deutschlandthematik und Faschismuskritik im Exilroman. In: Christian Fritsch, Lutz Winckler (Hg.), Faschismuskritik und Deutschlandbild im Exilroman, Argument: Berlin, 1981, S. 5–15.
  • Leonore Krenzlin: Zur ästhetischen Wertung der antifaschistischen Literatur. In: Weimarer Beiträge 21 (1975), H. 4, S. 130–147.
  • Uwe Neumann (Hg.): Sammlung. Jahrbuch für antifaschistische Literatur und Kunst, Frankfurt am Main 1978–1982 (Bd. 1–5).
  • Rüdiger Steinlein, Heidi Strobel, Thomas Kramer (Hg.): Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur SBZ/DDR. Von 1945 bis 1990, Stuttgart, Weimar: Metzler 2006, S. 324f.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Christian Fritsch/Lutz Winckler: Probleme und Perspektiven. In: Lutz Winckler Hrsg. in Zusammenarbeit mit Christian Fritsch: Antifaschistische Literatur Bd. 3. Königstein im Taunus 1979, S. 7–18, S. 9.
  2. Rüdiger Steinlein: Antifaschistische Literatur. In: Rüdiger Steinlein, Heidi Strobel, Thomas Kramer (Hg.): Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur SBZ/DDR. Von 1945 bis 1990, Stuttgart, Weimar: Metzler 2006, Sp. 323–388, Sp. 325.
  3. Karin Wieckhorst: Die Darstellung des antifaschistischen Widerstandes' in der Kinder- und Jugendliteratur der SBZ/DDR, Frankfurt a. M. 2000, S. 15, S. 101.
  4. Karin Wieckhorst: Die Darstellung des antifaschistischen Widerstandes' in der Kinder- und Jugendliteratur der SBZ/DDR, Frankfurt a. M. 2000, S. 104.
  5. Raina Zimmering: Mythen in der Politik der DDR. Ein Beitrag zur Erforschung politischer Mythen, Opladen: Leske und Budrich 2000, S. 60.
  6. Rüdiger Steinlein, Heidi Strobel, Thomas Kramer (Hrsg.): Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur SBZ/DDR. Von 1945 bis 1990, Stuttgart, Weimar: Metzler 2006, S. 357.
  7. Marianne Schwarz-Scherer: Strategien fiktionalen Erzählens — Sozialistische Gattungspoetik in den Exil-Balladen in der SBZ 1945—1949. In: Nobert Otto Eke (Hg.): „Nach der Mauer der Abgrund“? (Wieder-)Annäherungen an die DDR-Literatur, Amsterdam, New York 2013 (=Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik), S. 121–132, S. 125f.
  8. Katrin Pallowski: Überfälliger Hinweis auf eine antifaschistische Arbeiterliteratur. Willi Bredels Roman Die Prüfung, in: Lutz Winckler in Zusammenarbeit mit Christian Fritsch (Hg.), Antifaschistische Literatur Bd. 3, Königsstein/Ts. 1979, S. 19–33.