Kriegerdenkmal (Düsseldorf-Golzheim)

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Das Kriegerdenkmal befindet sich zwischen Rotterdamer Straße und Reeser Platz in Düsseldorf-Golzheim. Es handelt sich bei ihm um ein ersatzweise errichtetes Denkmal für die im Ersten Weltkrieg getöteten oder verschollenen Soldaten des 39. Füsilierregiments. Im Juli 1939 wurde es eingeweiht. Das erste – „Denkmal der 39er“ zu diesem Zweck – wurde unter dem NS-Regime frühzeitig und aus ideologischen Gründen abgerissen. Dagegen wurde dieses Mal mehrfach, in gleichsam ideologischer Weise, von ihm erweitert.

Vorgeschichte

Einweihung des Denkmals 1928
Reste des „39er Denkmal“ lagerten Jahrzehnte lang unbeachtet auf dem städtischen Bauhof und wurden erst 1978 als „Mahnung gegen Terror und Intoleranz“ nahe dem alten Standort wieder aufgestellt.

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg eskalierte ein Streit um den Begriff Kameradschaft. Zum Beispiel wurde darüber gestritten, in welcher Form der gefallenen „Frontkameraden“ zu gedenken sei. Wie widersprüchlich unter anderem diese Entwicklung trotz aller Kontinuität war, zeigt so etwas wie „ein patriotischer Betriebsunfall“ in Düsseldorf im Jahre 1928. Die Traditionsverbände des 39. Füsilierregiments mit dem Ehrennamen General Ludendorff schrieben in diesem Jahr einen Bildhauerwettbewerb für ein Kriegerdenkmal aus. Der Entwurf von Jupp Rübsam – der selbst ein „39er“ war – wurde angenommen.[1][2] Rübsam gehörte unmittelbar nach dem Krieg zur avantgardistischen Künstlergruppe Junges Rheinland. Aber Rübsam verstand sich – als er an dem Wettbewerb teilnahm – nicht als politischer Künstler. Der Titel seiner Arbeit war Innere Festigung: Ein behelmter und ein Soldat mit Kopfverband liegen auf dem Bauch und halten sich die Hand. Das Werk war zwar kein antimilitaristisches Denkmal, dennoch widersprach es gängigen Klischees der Denkmalproduktion der Weimarer Zeit, denn die deutschen „Helden“ liegen bei ihm sozusagen im Dreck und entsprachen keinen arischen Anforderungen, wie sie etwa in der NS-Ideologie formuliert waren. Den Preisrichtern fiel derartiges offenbar nicht auf. Die Festschrift zur Denkmaleinweihung besagt: „Der Entwurf […] bringt die Idee eines Kriegerdenkmals stark und rein zum Ausdruck und ist auch eine einwandfreie rein plastische Lösung.“ Gelobt wurde eine angebliche „Wuchtigkeit und monumentale Note“. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Kriegsveteranen aus der Stadt auch das Denkmal in völkischem Sinne interpretiert haben.

Die bei der Einweihung vor der Rheinhalle versammelten Patrioten – im Sinne des damalig vorherrschenden Patriotismus – waren überrascht, als der Ehrengast des Tages (des Sedantages), Erich Ludendorff, seine Teilnahme kurzfristig absagte und gegen das Denkmal verbal in Stellung ging. Denn als „Feldherr“ des Weltkrieges und de facto Militärdiktator von 1916 bis 1918 wurde Ludendorff – besonders in weiten NS-Kreisen der Weimarer Zeit und auch sonst oft – quasi-religiös gehuldigt. Er hatte zudem maßgeblich zur Beförderung der Dolchstoßlegende beigetragen, durch die er seine eigene militärische Niederlage und sein eigenes Versagen geleugnet und eine Verschwörung jüdischer und sozialistischer Kräfte herbeifantasiert hatte.[3]

Rübsam widmete sein „39er Denkmal“ den Gefallenen des 39. Regiments. Seine tragende Idee war es, Kameradschaft und gegenseitige Hilfe darzustellen. Seine Formensprache löste schon vor Aufstellung des Denkmals 1928 verschiedenste Reaktionen aus. Es wurde als eines der „üblichen“ Kriegsdenkmäler von Seiten der SPD und KPD kritisiert, während es von extremen NS-Kreisen als zu wenig „deutsch“ diffamiert wurde. Gegen solche Angriffe verteidigte die – als modern geltende – Künstlervereinigung Das Junge Rheinland (Rheinische Sezession) und mit ihr über 400 Künstler Rübsams Arbeit und forderten die Stadtverantwortlichen auf, zu diesem Denkmal zu stehen und damit Düsseldorfs Ruf als Kunststadt zu verteidigen.

Der Abbruch des Rübsam-Werks im März 1933 zeigt – in Verbindung mit dem Datum der kurz zuvor erfolgten Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar und der Bücherverbrennung im April 1933 – wie dringlich dem NS-Staat diese politische Aktion war.[3]

Geschichte

Denkmal im Seitenprofil (2008)

Nachdem das 1928 eingeweihte erste „39er-Denkmal“ unter anderem wegen seiner expressionistischen Gestaltung bei einigen auf erhebliche Kritik gestoßen war, wurde vom Denkmalausschuss des Regiment Nr. 39 bereits 1932 ein neuer Wettbewerb ausgelobt, in dem der gemeinsame Entwurf der Hamburger Architekten Rudolf Klophaus und Artur Tachill mit dem Hamburger Bildhauer Richard Kuöhl den 1. Preis erhielt. Nachdem das erste Denkmal 1933 abgebrochen worden war, wurde 1936 mit dem Bau des neuen Denkmals begonnen. Am 3. August 1938 erfolgte die zweite Grundsteinlegung für ein „39er-Denkmal“ auf dem Reeser Platz.[4]

Karte Reichsaustellung Schaffendes Volk, 1937. Noch ohne Kriegerdenkmal an der Reeserstrasse.

Nachdem Düsseldorf 1930 die Hauptstadt des Gaus Düsseldorf geworden war, hatte der Gedanke eines Ausstellungsparks in der Stadt von neuem Anschub erhalten. Gauleiter Friedrich Karl Florian entwickelte bis Mitte der 1930er Jahre ambitionierte Vorstellungen über einen 1934 durchgeführten Wettbewerb für ein Schlageterforum[5]. Düsseldorf sollte unter Anknüpfung an den Schlageter-Kult, das Schlageter-Nationaldenkmal sowie Düsseldorfer Messe- und Kunstausstellungstraditionen Mittelpunkt des NSDAP-Gaus zum Zentrum des Nationalsozialismus im Westen Deutschlands werden. Es war ein völlig neues Stadtviertel in Düsseldorf entstanden. Die als Siedlung Schaffendes Volk angelegte Mustersiedlung, trug ab 1937 den Namen Schlageterstadt nach Albert Leo Schlageter und lag im südlichen Teil des Ausstellungsgeländes der Reichsausstellung Schaffendes Volk (heute Nordpark) mit Wohnraum der gehobenen Ansprüche von NS-Führungskräften aus Politik, Wirtschaft und Kunst (heute Golzheimer Siedlung).[6]

Im Juli 1939, weniger als zwei Monate vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, wurde das Mal welches besonders auf Ludendorffs Forderung hin errichtet wurde, im Stadtteil Schlageterstadt eingeweiht.[7] Das Mal wurde von den Nationalsozialisten unter Mitwirkung der Wehrmacht erbaut. Bereits seit Ende des Zweiten Weltkriegs provoziert es zu Diskussionen, nicht zuletzt weil die Bundeswehr bis 1988 Gedenkfeiern auf dem Platz davor veranstaltete und dabei die eindeutige faschistische Ästhetik des Denkmals ignorierte.[8] In der Nachkriegszeit, in der der Erhalt des Denkmals in Frage gestellt wurde, blieb es schließlich unangetastet – mit „der Begründung, es sei den gefallenen Soldaten gewidmet und wäre ‚künstlerisch und architektonisch‘ bedeutsam“.[9] In der Forschung gilt das Denkmal jedoch überwiegend als ein Dokument der nationalsozialistischen Erinnerungskultur der späten 1930er Jahre in Deutschland. Außerdem verwies es ursprünglich auf die nach 1933 wiedererlangte Bedeutung Düsseldorfs als Garnisonsstadt.

Im Jahre 1946 wollte der Stadtrat das „kriegsverherrlichende“ Werk abreißen lassen. Dazu kam es aber nicht. Es wurde zunächst weiterhin für offizielle Gedenkfeiern an die Kriegstoten genutzt. Diese wurden 1958 aber an den Nordfriedhof verlagert. Die Anlage wurde 2002 unter fortdauernden Denkmalschutz gestellt.[10] Ende 2018 geriet das Denkmal in die Diskussion von Bürgern mit der Düsseldorfer Kunstkommission. Der derzeitige Zustand des geschlossenen Denkmals mit dem unwirtlichen Platz soll geändert werden. Auch die Sichtbarkeit der Reste des wiedererrichteten Mals an der Tonhalle soll verbessert werden.[11][12] Daher lobte die Kunstkommission 2019 einen Wettbewerb aus, den das Kunstkollektiv Ultrastudio mit einem Metallsteg, der von hinten schräg über das Denkmal ragt, 2020 für sich entschied.[13][14] Bald regte sich dagegen Widerstand, unter anderem der Künstler Gerhard Richter, Thomas Ruff, Thomas Schütte, Katharina Sieverding und Günther Uecker, die auch den Steg als Architektur der Macht sehen. Daraufhin entschied sich der Stadtrat für eine erneuerte Bürgerbeteiligung.[15][16]

Beschreibung

Denkmal in Frontalansicht (2008)

Das Kriegerdenkmal ist den gefallenen Soldaten des Niederrheinischen Füsilier-Regiments Nr. 39 gewidmet, einem zuletzt in Düsseldorf-Derendorf stationierten Verband der Königlich Preußischen Armee bzw. des Deutschen Heeres. In der Mitte einer schmucklosen Muschelkalkwand, die sich auf der Ostseite eines gepflasterten, sich bis zur Rotterdamer Straße hin erstreckenden Vorplatzes erhebt, befindet sich ein vergittertes Tor („Tor der Gruft“), woran ein Eisernes Kreuz befestigt ist. An beiden Seiten des Tores marschieren – im Halbrelief und Hochrelief dargestellt – Soldaten in Kriegsmontur und mit geschulterten Gewehren über Treppen heraus. Über dem Tor ist die Inschrift: „– FUER DES DEUTSCHEN VOLKES EHRE UND FREIHEIT –“ zu lesen. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden die Namen eroberter Städte eingemeißelt. Es ist ein Werk im Stil des Neoklassizismus. In seiner realistischen Wiedergabe der aus der Gruft zum erneuten Kampf herausmarschierenden deutschen Soldaten entspricht es auch nationalsozialistischer Kunstauffassung.

Durch die geografische Ausrichtung des Denkmals – es zeigt gen Rhein und damit gen Westen – wurde der Revanche-Gedanke an Frankreich zum Ausdruck gebracht. Da das Denkmal bereits 1932 in Auftrag gegeben wurde, war es genau betrachtet kein NS-Denkmal, doch ist das martialische Monument entstanden aus dem Ungeist der sich bereits ankündigenden NS-Zeit. Mit der Inschrift „Für des deutschen Volkes Ehre und Freiheit“ und mit den ebenso später eingemeißelten Namen eroberter Städte im Zweiten Weltkrieg wurde es Ausdruck der aggressiven Kriegspolitik der Nationalsozialisten.[17]

Der Historiker, Volkskundler und Leiter der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf Bastian Fleermann, der sich mit rheinischer Geschichte und der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt, kommt in einem Gutachten zu dem Schluss, das Denkmal sei: „... nach Entstehungszeit, Kontext und Nutzung als nationalsozialistisch einzustufen“.[18]

Weblinks

Commons: Kriegerdenkmal – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Propaganda aus Stein, Film von Nicole Blacha über den schwierigen Umgang mit Nazi-Architektur, u. a. am Beispiel des 39er Denkmals, abrufbar bis 21. August 2025.

Einzelnachweise

  1. Hans Maes (Hrsg.), Hatto Küffner, Edmund Spohr: Düsseldorf in Stein und Bronze. Triltsch Verlag, Düsseldorf, 2. Auflage. 1984, ISBN 3-7998-0018-2, S. 76–77, 84.
  2. Rolf Purpar: Kunststadt Düsseldorf. 2. Auflage. Grupello Verlag, Düsseldorf 2009
  3. a b Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung: Kriegsdenkmäler als Lernorte friedenspädagogischer Arbeit
  4. https://www.duesseldorf.de/stadtarchiv/stadtgeschichte/chronik/duesseldorfer-stadtchronik-1938.html
  5. Stefanie Schäfers: Vom Werkbund zum Vierjahresplan. Die Ausstellung „Schaffendes Volk“, Düsseldorf 1937. In: Düsseldorfer Geschichtsverein (Hrsg.): Quellen und Forschungen zur Geschichte des Niederrheins, Band 4 (= Beiträge der Forschungsstelle für Architekturgeschichte und Denkmalpflege der Bergischen Universität - Gesamthochschule Wuppertal, Band XI), Droste Verlag, Düsseldorf 2001, ISBN 3-7700-3045-1. Vgl. Webseite Vorhandene Bebauung I
  6. http://schaffendesvolk1937.de/schlagetersiedlung/
  7. http://www.diss-duisburg.de/Internetbibliothek/Buecher/diss--kriegsdenkmaeler-friedenspaedagogik--2012.pdf
  8. https://www.duesseldorf.de/medienportal/pressedienst-einzelansicht/pld/werkstatt-tag-zum-39er-denkmal-am-reeser-platz.html
  9. Beschreibung auf www.return2style.de
  10. https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/streit-um-kunstwerk-neben-dem-39er-denkmal-in-golzheim_aid-19697887
  11. Diskussion um Nazi-Kriegerdenkmal. Abgerufen am 28. April 2019 (verfügbar bis 12. Dezember 2019).
  12. Rheinische Post online: Der neue Streit um die alte NS-Stätte in Düsseldorf
  13. Ergebnis: Das 39er Denkmal auf dem Reeser Platz in Düsseldorf. In: wettbewerbe-aktuell.de. wettbewerbe aktuell Verlagsgesellschaft mbH, abgerufen am 22. August 2021.
  14. Reeserplatz. In: ultra-studio.de. Ultrastudio, abgerufen am 22. August 2021.
  15. Helga Meister: Stahlbrücke über Soldaten-Denkmal empört Künstler. Westdeutsche Zeitung, 19. Juni 2020, abgerufen am 22. August 2021.
  16. Arne Lieb: Bürger sollen erneut über Gegendenkmal am Reeser Platz diskutieren können. Rheinische Post, 18. Juni 2020, abgerufen am 22. August 2021.
  17. http://www.diss-duisburg.de/Internetbibliothek/Buecher/diss--kriegsdenkmaeler-friedenspaedagogik--2012.pdf
  18. https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/streit-um-kunstwerk-neben-dem-39er-denkmal-in-golzheim_aid-19697887

Quelle

Koordinaten: 51° 15′ 5,5″ N, 6° 45′ 28″ O