Nauru Regional Processing Centre

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Koordinaten: 0° 32′ 27,6″ S, 166° 55′ 48″ O

Zelte zur Unterbringung der Flüchtlinge in Nauru (2012)

Das Nauru Regional Processing Centre bezeichnet eine Institution von zwei Flüchtlingslagern auf dem pazifischen Inselstaat Nauru, betrieben von der Internationalen Organisation für Migration (IOM), seit März 2006 unter australischer und nauruischer Aufsicht. Beide Lager befanden sich in Meneng: Eines, State House genannt, befand sich auf dem Gelände der ehemaligen Residenz des Staatspräsidenten. Das andere, Top Side genannt, hatte sich auf dem Gelände eines alten Sportplatzes befunden und war im September 2004 geschlossen worden. Im Februar 2008 wurde mit der Schließung des State House-Lagers die im Rahmen der "Pazifischen Lösung" errichtete Institution durch die australische Regierung aufgelöst, im August 2012 wurde sie allerdings erneut eröffnet.[1]

Derzeit sind 378 Personen im Nauru Regional Processing Centre untergebracht (Stand: Februar 2017, Tendenz: sinkend).[2]

Ein weiteres derartiges Internierungslager außerhalb des australischen Hoheitsgebietes befindet sich auf der Insel Manus von Papua-Neuguinea. Es handelt sich um das Manus Regional Processing Centre.

Vorgeschichte

Am 27. August 2001 rettete Arne Rinnan, der Kapitän des norwegischen Frachters MS Tampa, 433 Flüchtlinge aus Afghanistan, Sri Lanka, Indien, Pakistan und Iran von einem sinkenden Holzboot vor Indonesien. Daraufhin steuerte die MS Tampa die Weihnachtsinsel, ein australisches Außenterritorium, an, um die Flüchtlinge an Land zu setzen. Dies verweigerte die australische Regierung. Als die Tampa ein Notsignal setzte und in australische Gewässer eindrang, enterten australische Soldaten der Australian Special Air Service Regiments den Frachter und verhinderten so ein Anlegen in Flying Fish Cove, dem Hauptort der Insel. Damit umging die Regierung, dass die Flüchtlinge australischen Boden betreten konnten, was automatisches Recht auf Asylprüfung gewährt hätte.

Das Verhalten der australischen Regierung im Verlauf der sogenannten Tampa-Affäre führte zu einer diplomatischen Krise zwischen Australien und Norwegen und sie löste weltweit Kritik aus. UNO-Generalsekretär Kofi Annan erklärte, dies sei keine Art, mit Flüchtlingen umzugehen. Der norwegische Außenminister Thorbjørn Jagland warf Australien vor, die Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen zu untergraben. Am 2. September verkündete der australische Premierminister John Howard die Pazifische Lösung für den Umgang mit den Bootsflüchtlingen: Anstatt sie an der Weihnachtsinsel an Land zu lassen, sollten die 433 Flüchtlinge nach Neuseeland und nach Nauru verbracht werden.

So hatte der Australische Bund am 4. September mit den Regierungen der beteiligten Pazifikstaaten eine Übereinkunft zur Lösung des Flüchtlingsdramas erzielt: 283 Flüchtlinge werden von Nauru und 150 von Neuseeland aufgenommen. Der Präsident der Republik Nauru, René Harris, sah seinen Staat in der Lage, die illegalen Einwanderer vorübergehend aufzunehmen. Sein Volk sei gastfreundlich, und für die Errichtung provisorischer Unterkünfte sei schon ein Platz gefunden worden, sagt er. Auf Nauru standen zudem zehn Häuser leer, die eigentlich die Teilnehmer an der Weltmeisterschaft im Gewichtheben beherbergen sollten, die im Dezember 2000 abgesagt wurde. Am 20. September 2001 erreichten die 283 vorwiegend afghanischen Flüchtlinge die Insel Nauru und wurden in die zwei Flüchtlingslager gebracht. Zu diesen kamen im späteren Verlaufe noch einige Iraker hinzu.

Die Flüchtlinge in Nauru

Am 10. April 2002 wurden rund 250 afghanische Asylbewerber nach einem Ausbruchsversuch aus einem Flüchtlingslager festgenommen und ins Lager zurückgebracht. Hintergrund der Unruhen waren Berichte, nach denen nur 7 der 292 afghanischen Asylsuchenden als Flüchtlinge im Sinne der Vereinten Nationen anerkannt werden sollten.

Unruhen wie diese ließen immer wieder die Kritik aufkommen, die Flüchtlinge würden nicht gut behandelt. Die nauruischen Parlamentarier Kieren Keke und David Adeang betonen jedoch, die Flüchtlinge würden mehrmals täglich warme Mahlzeiten und bestmögliche ärztliche Versorgung erhalten. Sie hätten sogar einen höheren Lebensstandard als die meisten Nauruer. Da seit Januar 2004 keine australischen Ärzte die Flüchtlingslager besuchen dürfen, übernehmen diese Aufgabe die wenigen nauruischen Ärzte unter Leitung von Kieren Keke.

2001 wurde das Berufsausbildungszentrum von nauruischen Staatsbürgern niedergebrannt, um gegen die Flüchtlingslager und die politischen Handlungen von Präsident René Harris zu demonstrieren. Nauru falle dadurch negativ auf als Gefängnis für unerwünschte Asylanten. Jedoch wird Nauru für die Versorgung der Flüchtlinge vom Betreiber Australien fürstlich entlohnt, und diese Zahlungen sind zurzeit Naurus einzige finanzielle Einkommen; ohne diese Zahlungen könnte die Infrastruktur des Inselstaates nicht funktionieren und Nauru wäre endgültig bankrott. Die Zahl der Flüchtlinge sinkt jedoch stetig, da nun zunehmend mehr Flüchtlinge als legal anerkannt werden.

Im Juni 2004 versuchten australische Menschenrechtsaktivisten, mit der Reise einiger Yachten, der Flotilla of Hope, zu den Flüchtlingen Aufmerksamkeit in Australien zu erregen. Da es eine nicht bewilligte Aktion war, wurden die Yachten wenige hundert Meter vor der nauruischen Küste aufgefordert, umgehend die nauruischen Hoheitsgewässer zu verlassen. Die Yachten hatten Geschenke für die Flüchtlinge an Bord, welche sie aber nicht abgeben konnten. Im September 2004 kehrte die Flotilla of Hope nach Cairns zurück, kündigte zuvor aber weitere Aktionen an.

Am 9. September 2004 erhielten 21 Flüchtlinge in Neuseeland Asyl. Deshalb wurde das nördliche Flüchtlingslager Top Side geschlossen. Die übrigen etwa 90 Flüchtlinge verblieben im südlichen Lager State House in Meneng. Im Dezember 2004 durften weitere Flüchtlinge nach Australien einwandern, so dass 2005 noch etwa 40 Flüchtlinge übrig waren. Am 22. Juni 2005 gewährte Australien der letzten Familie mit Kindern Asyl.

Im November 2005 wurde der letzten verbliebenen Gruppe von Flüchtlingen Asyl gewährt; zurück bleiben die zwei Iraker Mohammed Faisal und Mohammed Sagar, welche gemäß einer australischen Expertise ein Sicherheitsrisiko darstellten und deshalb kein Asyl erhielten. Inzwischen haben sich die Kosten für das Nauru Regional Processing Centre seit November 2005 von 150.000 auf eine Million australische Dollar versechsfacht. Im März 2006 wurde die Verantwortlichkeit für den Lagerbetrieb von der IOM an die australischen und nauruischen Behörden übertragen.

Schließung

Nach der Niederlage Howards gegen den an seiner Stelle gewählten Premierminister Kevin Rudd im November 2007 wurde im Februar 2008 das verbliebene Lager State House geschlossen, nachdem die letzten burmesischen und sri-lankischen Flüchtlinge in Australien Asyl erhalten hatten. Dies war gleichbedeutend mit dem Ende der Pazifischen Lösung.

Wiedereröffnung

Im August 2012 beschloss die australische Regierung die Wiedereinführung der pazifischen Lösung, was auch zur Wiedereröffnung des Nauru Regional Processing Centre führte. Im September 2012 wurden die ersten Personen, 30 sri-lankische Flüchtlinge nach Nauru verbracht. Für ihre Unterbringung wurde ein provisorisches Zeltlager eingerichtet.[1]

Im Juli 2013 kam es zu Ausschreitungen, als etwa 150 mehrheitlich iranische Asylbewerber aus dem Camp ausbrechen wollten. Mehrere Flüchtlinge sowie Sicherheitspersonal wurden dabei verletzt, einige Gebäude auf dem Camp-Gelände brannten nieder.[3]

Kritikern zufolge war der Staat Nauru „auch mit australischem Personal und Geld nicht in der Lage, das Outsourcing der Flüchtlingsinternierung auf einem Standard zu betreiben, zu dem sich Australien völkerrechtlich verpflichtet hat“.[4] Im August 2016 beklagten die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch in einem gemeinsamen Report regelmäßige Übergriffe gegen Flüchtlinge, völlig unzureichende Unterbringung und medizinische Versorgung sowie Kommunikations- und Zugangsbeschränkungen für Flüchtlinge und Journalisten. Sie machten hauptsächlich die Regierung Australiens sowie die privaten Unternehmen, die die Flüchtlinge betreuen sollen, dafür verantwortlich.[5][6] Am 10. August 2016 veröffentlichte die britische Tageszeitung The Guardian geleakte Dokumente, in einem Umfang von mehr als 8000 Seiten. Sie berichten von zahlreichen Missbrauchsfällen und Fällen von Selbstverletzungen.[7][8][9]

Australien bemühte sich um Klarstellung: 1819 der in den Dokumenten des Guardian genannten Fälle seien lediglich "minor" (unerheblich) und nur 23 seien als "critical" (ernst) beschrieben worden. Gewalt und Selbstverletzungen seien keineswegs alltägliche Phänomene.[10] Die Redaktion des Guardian beharrte allerdings auf ihrem Standpunkt, dass Australien den Personen Zugang zu seinem Staatsgebiet gestatten müsse oder für deren Umsiedlung in andere Länder verantwortlich sei.[11]

Im Oktober 2016 erklärte Amnesty International in einem Bericht, die Behandlung der rund 400 Flüchtlinge und Asylsuchenden auf Nauru sei völkerrechtlich als Folter einzustufen.[12][13]

Aktivisten des australischen National Justice Project erzwangen bis Ende August 2018 vor australischen Gerichten die Verlegung von mehr als einem dutzend Kindern aus medizinischen Gründen auf das australische Festland.[14] Ende Oktober 2018 wurden in kurzer Zeit weitere 135 Personen nach Australien verlegt. Eine dauerhafte Ansiedlung der Personen in Australien soll nach Aussagen von Peter Dutton jedoch weiter ausgeschlossen bleiben.[15]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Australia reopens asylum detention in Nauru tent city vom 4. September 2012 (abgerufen am 6. April 2013).
  2. Monthly Operational Update: February 2017. Current transferee populations and refugee populations – Regional Processing Centres. In: newsroom.border.gov.au. Department of Immigration and Border Protection, 3. März 2017, archiviert vom Original; abgerufen am 3. März 2017 (englisch).
  3. Spiegel Online: Unruhen auf Nauru: Asylbewerber revoltieren in australischem Flüchtlingslager vom 20. Juli 2013 (abgerufen am 23. Juli 2013).
  4. Australiens Kampf gegen Boat People. In: ipg-journal. 2014, abgerufen am 30. März 2018.
  5. Australia: Appalling abuse, neglect of refugees on Nauru, Amnesty International, 2. August 2016
  6. Refugees attacked 'on a daily basis' on Nauru, human rights groups say, The Guardian, 3. August 2016
  7. Paul Farrell, Nick Evershed, Helen Davidson: The Nauru files: cache of 2,000 leaked reports reveal scale of abuse of children in Australian offshore detention. In: The Guardian. Guardian News & Media Ltd., 10. August 2016, abgerufen am 10. August 2016 (englisch).
  8. Nick Evershed, Ri Liu, Paul Farrell, Helen Davidson: The lives of asylum seekers in detention detailed in a unique database. In: The Guardian. Guardian News & Media Ltd., 10. August 2016, abgerufen am 10. August 2016 (englisch).
  9. Flüchtlinge auf Nauru leiden unter Missbrauch und Schikane. In: Die Zeit. Zeitverlag, 10. August 2016, abgerufen am 10. August 2016.
  10. Paul Maley:"Immigration rejects mass abuse, violence on Nauru" The Australian vom 15. Oktober 2016
  11. "The Guardian view on the Nauru files: Australia’s offshore detention centres breed misery" The Guardian vom 10. August 2016
  12. Amnesty wirft Australien Folter von Flüchtlingen vor. In: Zeit online. 17. Oktober 2016, abgerufen am 20. März 2018.
  13. Island of despair. Australia's “processing” of refugees on Nauru. Amnesty International, Oktober 2016, archiviert vom Original am 19. März 2018; abgerufen am 30. März 2018 (englisch): „The Government of Australia’s “processing” of refugees and asylum-seekers on Nauru is a deliberate and systematic regime of neglect and cruelty, and amounts to torture under international law.“ S. 43.
  14. Ben Doherty:"'Begging to die': succession of critically ill children moved off Nauru" The Guardian vom 24. August 2018
  15. Katharine Murphy and Helen Davidson: "Peter Dutton: resettling refugees in New Zealand risks return of boats " The Guardian vom 1. November 2018

Weblinks