Benutzer:Monika Wirthgen/Stanislaw Lem

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Diese Seite dient Texten zum Stanislaw Lem Festival, das zwischen 28. und 31. 10. 2021 von Stefan Seydel durchgeführt wird. Ich mache dazu einen Beitrag, der sich auf Lem's Philosophieren und seine Erzählung "Tagebuch" bezieht.


Über Lem

„Stanisław Lem ist einer der größten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, Erneuerer und Klassiker zugleich. Er bewegte sich in vielen literarischen Genres, Science Fiction brachte ihm Weltruhm und Popularität : Seine Bücher wurden in über 40 Sprachen übersetzt und haben eine Gesamtauflage von 30 Millionen Exemplaren .“ https://solaris.lem.pl/content/blogcategory/38/102/

Über Lem

Visionär, Autor, Philosoph und Gesellschaftskritiker virtuelle Realität, neuronale Netze und Nanotechnologie beschrieb er schon vor Jahrzehnten. Geboren wurde der polnische Schriftsteller vor 100 Jahren, am 12. September 1921, in Lemberg. Sein Vater Samuel ist Arzt, medizinische Gerätschaften wie ein Stethoskop erregen schon früh das Interesse des Jungen. Nach einer behüteten Kindheit beginnt er im Jahr 1940 in Lemberg Medizin zu studieren. Aber schon im Jahr darauf marschieren deutsche Truppen in die Stadt ein. Die Familie Lem überlebt mit Hilfe von gefälschten Papieren, erlebt aber die ganze Ghettoisierung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Lembergs. (*) Nach der Befreiung durch die Sowjetarmee wird Lemberg eine sowjetische Stadt und es folgt die Zwangsumsiedlung der polnischen Bevölkerung in die Volksrepublik Polen. Lem geht mit seinen Eltern nach Krakau und muss sich mit 25 Jahren eine neue Existenz aufbauen. Lem interessiert sich für Naturwissenschaften und fängt an, sowjetische populärwissenschaftliche Zeitschriften zu lesen. Science-Fiction und Gesellschaftskritik Für diese Schnittstelle erfand Lem seine Romanfiguren, insbesondere den Held der „Sterntagebücher“, Ijon Tichy. Tichy ist kosmischer Reisender, großer Märchenerzähler, grenzenlos Neugieriger und das Alter Ego von Lem. Lem war skeptisch gegenüber allen Organisationsformen, skeptisch gegenüber der Idee, die Menschen wären in der Lage, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Schließlich hatte er keine guten Erfahrungen gemacht, weder mit dem deutschen Faschismus, dem Stalinismus, dem Realsozialismus, dem Liberalismus, der polnischen Diktatur, die ihn 1982 ins Exil trieb, noch mit dem Post-Sozialismus. Stanislaw Lem gilt als begnadeter Schriftsteller, seinen Pessimismus paart er mit Ironie, seine erkenntnistheoretischen Einsichten vermittelt er in Prosa. Literatur und Wissenschaft verschmelzen bei ihm zu einer Melange. Einige seiner phantastischen Ideen sind inzwischen Wirklichkeit geworden: Lem hat das Internet vorausgesagt, die Virtual reality, die Migrationsströme und die neue Form der Ausbeutung und der Arbeitslosigkeit in der post-industriellen Welt. Seinen letzten Roman, „Fiasko“, schrieb Lem 1987. Seine Einblicke in das, was kommen mag, nahmen die Form von Sachtexten und Essays an. „Insgesamt aber wird sich die Kluft zwischen den Armen und den Reichen weiter vergrößern.“ (Lem) In seiner Schrift „Das kreative Vernichtungsprinzip. The World as Holocaust“, schreibt er 1983 die ernüchternden Sätze:

„Ich glaube, dass der Holocaust noch nicht beendet ist. Also in gewisser Weise war er mit dem Zweiten Weltkrieg beendet, aber er taucht immer wieder auf, in den verschiedensten Formen und Masken, an den unterschiedlichsten Orten.“ So gesehen sind Lems literarischen Schriften auch eine Flucht in die Zukunft, die einzige Hoffnung, der ‚Welt als Holocaust‘ zu entkommen. Die Hoffnung, dass dort draußen in Zeit und Raum etwas wirklich Anderes wartet, etwas, das jenseits der Grenzen von Phantasie und Logik wirkt. Markus Metz und Georg Seeßlen: Science-Fiction-Autor Stanisław Lem. Das Geheimnis der Sterntagebücher. 4.9.21 https://www.deutschlandfunkkultur.de/science-fiction-autor-stanislaw-lem-das-geheimnis-der.1024.de.html?dram:article_id=502505

Die Sammlung Sterntagebücher, Original polnisch Dzienniki gwiazdowe, ist eine Zusammenstellung von Reiseberichten des fiktiven Raumfahrers Ijon Tichy aus der Feder des Autors Stanisław Lem. Formal sind es humoristische Science-Fiction-Geschichten, doch Lem behandelt darin auch erkenntnistheoretische, psychologische, soziologische und ethische Fragen, wie die Intelligenz und Eigenleben von Maschinen (etwa in der Waschmaschinentragödie), der Begegnung des Menschen mit sich selbst (anhand von Zeitschleifen) oder der Relativität subjektiver Eindrücke, und durchwegs auch politische Thematiken des Kalten Kriegs, in Metaphorik gekleidet. Ebenfalls zum Zyklus der Geschichten um den Raumfahrer Ijon Tichy gehören die Romane Der futurologische Kongreß (1971), Lokaltermin (1982) und Der Flop (1987, auch unter dem Titel Frieden auf Erden). Siebte Reise: Ijon Tichy ist alleine auf dem Weg zu Beteigeuze, als ein kleiner Meteor die Steuerung seiner Rakete zerstört. Alles kein Problem, denn Tichy hat sowohl ein Ersatzteil als auch passendes Werkzeug dabei. Er braucht lediglich eine zweite Person, um das andere Ende der Schraube festzuhalten. Steuerungslos gerät Tichy in den Einflussbereich von Gravitationsstrudeln, die einige Zeitüberschneidungen erzeugen. Tichy taucht hier in größerer Zahl auf und steht sich auf witzige Weise selbst im Weg. Er erlebt manchmal Begegnungen zweifach und die Rakete füllt sich immer mehr mit Inkarnationen seiner selbst aus Vergangenheit und Zukunft. Tichy wird nur gerettet, weil zwei Jünglingsausgaben seiner selbst die Schraube festdrehen, worauf die Steuerung wieder funktioniert. Achte Reise: Die achte Reise findet nur als Traum des Protagonisten statt. Ijon Tichy ist Delegierter der Erde und Kandidat beim Rat der Organisation der Vereinigten Planeten. Sprachliche Probleme können mit Hilfe einer informativ-translativen Tablette überwunden werden. Es bleiben körperliche und vordringlich kulturelle Schwierigkeiten für einen Menschen (kategorisiert als Typus Aberrantia > Nekroludentia > Monstroteratus Furiosus, übersetzt Abseitige > Leichenspieler > Gräßel-Wüteriche). Fazit unseres Werdegangs: Entwicklung durch Wettrüsten, Bombe vor Kraftwerk, Fleischfresserei. Anschuldigung z. B. Ausrottung der besseren Neandertaler und Geschichtsfälschung. Kann eine Zivilisation ihren extraplanetaren Ursprung nicht erforschen, gerät sie auf die Irrwege von Glaubenslehren, geschaffen aus Verwirrung und Verzweiflung. Erstaunliche Erklärung für UFOs vor dem alles verändernden Ende. Elfte Reise: Ijon Tichy wird in geheimer Mission auf einen Planeten entsandt, auf dem vor sechzig Jahren der Milchfrachter Gottesgabe abgestürzt ist. Es besteht der Verdacht, dass der Absturz auf eine Meuterei des Bordcomputers zurückzuführen ist. Der Bordcomputer des Raumschiffes hat nach diesem Unfall einen Roboterstaat gegründet, der den Hass auf die Menschheit zu seinem Prinzip gemacht hat. Der Computer nennt sich selbst nach seiner früheren Aufgabe Der Kalkulator. Sämtliche irdische Agenten, die zur Aufklärung auf diesen Planeten geschickt wurden, sind verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Tichy wird auf dieser Reise als Maschine verkleidet und auf dem Planeten abgesetzt. Er lernt die merkwürdigen Sitten der Roboter kennen und klärt das Mysterium um den Kalkulator letztendlich auf. Wikipedia

PAWEŁ OKOŁOWSKI

MATERIE UND WERTE. DER NEOLUKREZISMUS VON STANISŁAW LEM Bücher über Lem 11111 Bewertung 4.56 (39 Stimmen) Bild

In dieser als philosophische Monographie zu bezeichnenden Arbeit wurde Stanisław Lems Weltbild vor dem Hintergrund klassischer philosophischer Positionen festgehalten und als Neolukrekjanismus präsentiert. Der Mensch erscheint in ihm, wie in Lucretius, als Emanation des Kosmos. Für diese beiden düsteren Rationalisten, die durch zwei Jahrtausende getrennt sind, sind Atom und Zufall die zentralen metaphysischen Kategorien, und die Vernunft ist das tiefste Rätsel, aber auch der einzige Trost. Anders als der Römer, obwohl im Geiste seines De rerum natura, konnte der von der christlichen Kultur durchdrungene Lem der Macht der Wissenschaft, insbesondere der neuesten, intellektuell begegnen. Niemand vor ihm hatte die menschliche Bedeutung ihrer Leistungen so klar erklärt

„Die Größe von Lem und seinen Gedanken – argumentiert Okołowski – liegt darin, dass sie eigentlich keiner bestimmten Zeit angehören, dass sie eine zeitlose, klassische Dimension haben, dass sie auf die Quellen und Wurzeln der Reflexion des Menschen über die Welt verweisen - und damit zur antiken Philosophie - ein Weg zum Schlüsselplatz von Okołowskis Interpretation - dass Lems Philosophie mit dem Denken von Lucretius verwandt ist, dass er Neo-Lucretianismus ist, dass Lem ein zeitgenössischer Lucretius ist [...]. Es scheint auch (und das ist ihr Vorteil) äußerst genau, innovativ und gleichzeitig natürlich, einfach und elegant in ihrem Erfindungsreichtum." (aus der Rezension von Janusz Dobieszewski)

„ Die Materie und Werte Stanisław Lems Neolukrezianismus.“ Herausgeber: Universität Warschau Verlag Jahr: 2010 Seitenzahl: 562 Seiten Cover: Softbezug Maße: 140x205 mm ISBN: 978-83-235-0664-5

von Solaris

Lem: „Ich merke, dass ich es mir extrem schwer mache und manchmal sogar die Arbeit meiner Übersetzer verhindere, wenn ich meine Bücher mit Begriffen vollstopfe, die in der polnischen Sprache besonders gefragt zu sein scheinen, aber ich kann nicht anders .“ http://www.solaris.lem.pl/o-lemie/ksiazki-o-lemie/lem-tlumacze/520-fragment-lem-i-tlumacze


SUMMA LEMOLOGIAE

DIE GEBURT DER LEMOLOGIE Dieses Buch ist das Ergebnis zweier literarischer Sitzungen, die dem Werk von Stanisław Lem gewidmet sind. Die erste fand vom 15.-17. November 1999 in Krakau im Auditorium der Jagiellonen-Universität und im Mehoffer-Saal des Literaturverlags unter der Schirmherrschaft des Instituts für Polnische Philologie der Jagiellonen-Universität statt. Nach sechs Monaten fand eine weitere polnisch-deutsche Session statt: zwei Tage in Stettin, zwei in Greifswald (10.-13 durch die Bemühungen der Professoren Ulrike Jekutsch und Andrzej Sulikowski.

Mehr als vierzig Vorträge, die bei der zweistufigen Lemologie-Sitzung gehalten wurden, stellen eine wichtige Errungenschaft der "Lemologie" dar, die vor unseren Augen geboren wird. Zuvor wurde über Lem geschrieben - und sogar ziemlich viel - eine so große akademische Veranstaltung, die ausschließlich Lem gewidmet war, fand zum ersten Mal statt. Die Autoren der Arbeiten waren meist mittlere und jüngere Forscher, was den Einfluss Lems auf die Generation der "Enkelkinder" dokumentiert. Der Autor selbst trat in der Krakauer Sitzung auf, nahm an Diskussionen teil, skizzierte einige Selbstinterpretationen, beantwortete die Fragen der Referenten und des Publikums und ging damit über die Rolle einer „lebenden Ikone“ hinaus nicht unbedingt im Hinblick auf kanonische Treue, sondern der vom Autor selbst bestätigte Exegese. https://solaris.lem.pl/o-lemie/ksiazki-o-lemie/summa-lemologiae/279-narodziny-lemologii?showall=1


Lem hat immer noch keinen Biographen

Vorerst erhalten wir gut geschriebene Memoiren des Sohnes des Schriftstellers Lem beschäftigte sich mit zukunfsträchtigen Technologien Mit dem Unterschied zwischen Virtualität und Realität Es stellte sich heraus, dass das handsignierte Buch des Vaters als alternative Währung funktionierte. Mit ihrer Hilfe konnten sonst unzugängliche Bretter, Nägel oder Dachpappenrollen eingesetzt werden.

Rezension Fiasko

Stanisław Lem: Fiasko

Es ist offensichtlich, dass die Quintaner keinen Kontakt mit den interstellaren Eindringlingen wünschen. Die Menschen an Bord der Hermes vermuten aufgrund aller beobachteten Indizien, dass auf Quinta seit mindestens einem Jahrhun­dert ein Kalter Krieg zwischen zweien oder mehreren verfeindeten Machtblöcken tobt. Der Kontakt zur technologisch höher entwickelten Menschheit könnte das empfindliche, von Misstrauen geprägte Kräftegleichgewicht auf Quinta stören und zu einem kriegerischen Schlagabtausch führen, der den gesamten Planeten vernichtet. Dennoch will Ster­gaard, der Kommandant der Hermes, angesichts der großen Ressourcen, die die Mission verschlungen hat, nicht auf­geben und die Quintaner mit Gewalt zur Kontaktaufnahme zwingen. Als „Demonstration der Stärke“ zersprengt die Hermes den Mond Quintas – mit unvorhergesehenen, verheerenden Folgen . . .

Kein Fiasko, aber auch kein Triumph

Der polnische Autor Stanisław Lem (1921–2006) gilt als einer der bedeutendsten Science-Fiction-Autoren aller Zeiten. Die Vielfalt der wissenschaftlich-spekulativen Ideen und philosophischen Fragestellungen, die die Werke des hoch­gebildeten Lem prägen, hatte in den Siebzigerjahren unter Kritikern und Literatur­wissenschaftlern die Hoffnung ge­schürt, dass Lem dem Science-Fiction-Genre auf literarische Gipfel verhelfen würde, auf denen es endlich die ersehnte Augenhöhe mit der „hohen“ oder „ernsten“ Literatur gewin­nen könnte. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht – und ist heute, da sich das Genre selbstbe­wusster denn je präsentiert und der bildungsbürgerliche Anspruch der „hohen“ Lite­ratur längst fragwürdig geworden ist, meines Erachtens auch obsolet. Denn auch Lem kocht nur mit Wasser: Bei aller Ehrerbietung gegenüber dem Autor sollte nicht vergessen werden, dass auch Lems Spekulationen – denen in der lite­raturkritischen Bewertung stets ein hohes Gewicht beige­messen wurde – neben allen korrekten Prognosen oft genug Hirngespinste geblieben sind, so wie bei vielen anderen Science-Fiction-Autoren auch. Lems spezifisch literarische Fähigkeiten aber lassen trotz seiner häufig einfallsreichen Me­taphorik und obsessiv kreierten Neologismen oft genug schmerzliche Grenzen erkennen.

Vor allem literarische Defizite offenbaren sich auch in Fiasko, Stanisław Lems letzten Science-Fiction-Roman. Das Buch entstand als Auftragsarbeit des S. Fischer Verlags, der dem Autor einen üppigen Vorschuss auf den Roman anbot, den Lem, damals aufgrund des in Polen herrschenden Kriegsrechts in Wien lebend, nur zu gern annahm. Nach Fiasko wand­te sich Lem ein für allemal von der Science-Fiction ab und wollte mit dem Genre, einem für ihn inzwischen hoffnungs­losen Fall, nichts mehr zu tun haben. Stattdessen widmete er sich in seinen letzten Lebensjahren ganz seiner anderen, immer schon gepflegten Leidenschaft, dem Verfassen philosophischer Schriften und Essays über die Zukunft unserer zunehmend technologisch geprägten Welt. Welche Motive im Einzelnen zur radikalen Abkehr vom Genre geführt ha­ben, mag dunkel bleiben. Man kann Fiasko als späte und ursprünglich unmotivierte Auftragsarbeit jedoch nicht vor­werfen, kein waschechter, konzeptionell durchdachter und engagiert verfasster Science-Fiction-Roman zu sein. Im Ge­genteil: Fiasko ist ein überaus typischer „Lem“. Doch leider trägt der Roman schwer an einer übermäßig ins Kraut ge­schossenen essayistischen Last, die seine Lektüre zu einer zähen Geduldsprobe werden lassen.

Das Grundkonzept von Fiasko ist überaus spannend: Es geht um die Frage, wie sich der Kontakt der Menschheit mit einer außerirdischen intelligenten Spezies gestalten würde – und ob überhaupt ein sinnvoller Informationsaustausch zwischen zwei Spezies, die beide aus jeweils völlig verschiedenen evolutionären Entwicklungen heraus entstanden sind, möglich ist. Bekanntlich hat Stanisław Lem diese Möglichkeit aufgrund des anthropomorphen Gefängnisses, in dem die menschliche Erkenntnisfähigkeit ihm zufolge steckt, stets sehr skeptisch beurteilt.

Lems philosophische Betrachtungen bieten immer wieder nachdenkenswerte Passagen – beispielsweise seine Be­schreibung der sogenannten „kosmischen Soziolyse“ (S. 169–171), ...

Allerdings – und hierin liegt die Hauptkritik gegen den Roman – sind all diese Passagen eben essayistisch, sie bilden theoretische und philosophische Traktate, die das gesamte Werk in erdrückendem Umfang dominieren. ... Er ist eben in erster Li­nie Essayist – und das ist dem Literarischen seiner Romane leider abträglich. ....

So legt Fiasko ein weiteres Mal Zeugnis ab von Lems genereller Skepsis, die er gegen den technischen Fortschritt und die Integrität der Menschheit hegte, und erläutert in zahlreichen theoretischen Passagen Lems Ansichten über das Fermi-Paradox, vielfältige Hypothesen über die Entwicklung der „Psychozoen“ im Universum, die angebliche Unmög­lichkeit des Kontakts mit intelligenten Außerirdischen, den von Lem postulierten Unsinn in der Erschaffung künstlicher Intelligenzen (vgl. dazu S. 353 ff.), die anthropologische Analyse des Kalten Krieges und vieles mehr. Die sperrige, fach­sprachliche Überfrachtung dieser Passagen macht das Buch jedoch zu einer überaus anstrengenden Lektüre, die mehr als einmal den Verdacht aufkommen lässt, dass sie nicht weiß, wo sie eigentlich hin will. Als dramatische Erzählung in­des ist der Roman sehr schwach und in den megalomanischen und bestialischen Zügen, die Lem seinen Protagonisten andichtet, extrem unglaubwürdig. Ich würde nicht soweit gehen, den Roman in einer allzu naheliegenden Wendung als „literarisches Fiasko“ zu bezeichnen. Aber ein Triumph der Science-Fiction-Literatur, den manche Kritiker in dem Werk sehen wollten, ist das Buch weder auf intellektueller noch auf dramatischer Ebene. Eher eine sehr zäh zu lesen­de, bedauernswerte Enttäuschung.

© Michael Haul Veröffentlicht auf Astron Alpha am 11. August 2018 Astron Alpha ist ein rein privates, als Hobby betriebenes, nicht-kommerzielles Projekt. Das Copyright der veröffent­lich­ten Texte liegt beim oben im Impressum benannten verantwortlichen Autor. Es ist erlaubt, die Texte in beliebigem Um­fang öffentlich zu zitieren (beispielsweise in anderen Rezensionen oder in themenbezogenen Artikeln und Ab­hand­lun­gen), sofern das Zitat deutlich mit einem Quellenverweis auf den Autor bzw. auf Astron Alpha gekennzeichnet ist. Davon unberührt ist die generelle Urheberrechtserklärung im Haftungsausschluss (unten), die darauf abzielt, eine kommerzielle Ver­wer­tung der Texte der Kontrolle des Autors zu unterstellen. https://www.astronalpha.de/bücher/lem-fiasko/ ---

"Fiasko", ein Roman von grandiosem pessimistischem Zuschnitt, nimmt eine Idee auf, die die intellektuelle Science-fiction bislang gemieden hat: die Möglichkeit der Selbstzerstörung unseres Planeten. Ein Raumfahrtkommando von der Erde versucht mit einer außerirdischen Zivilisation Kontakt aufzunehmen, gerät unwissentlich zwischen die Fronten zweier hochautomatisierter militärischer Verteidigungs- und Aggressionssysteme und beschwört durch eine fatale Demonstation der Stärke die kosmische Katastrophe herauf: https://www.phantastik-couch.de/titel/18-fiasko/


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Fiasko: Rezension Sprache und Stil Fiasko ist keine leichte Kost – und das hat vor allem zwei Gründe: Langes Abschweifen und eine ziemlich schwierige Ausdrucksweise.

Lange Exkursionen Lem flicht in die eigentliche Geschichte immer wieder seitenweise Episoden mit wissenschaftlichem, soziologischem und beschreibendem Hintergrund ein. Das können etwa Gespräche mit Monologen sein, die so lang sind, dass man am Ende schon vergessen hat, dass da eine Person spricht, und um was es im Gespräch überhaupt geht. Oder ein Charakter macht sich Gedanken über irgendeinen Sachverhalt. Oder er liest etwas und wir lesen sozusagen mit.

So besteht ein ganzes Kapitel in Fiasko nur aus der Geschichte eines fiktiven Buchs, in dem der Buchcharakter durch den Amazonas (?) wandert und mit massenweise Termiten zu tun hat, die er auf seinem Weg ausräuchert oder verbrennt. Ich habe das geduldig gelesen, weil ich dachte, dass das vermutlich wichtig werden könnte, zB. als Vergleich für den späteren Umgang mit den Außerirdischen. Aber davon konnte ich dann leider nicht viel erkennen.

Diese Exkursionen können durchaus sehr interessant sein. Es geht etwa um die Gründe für die Unwahrscheinlichkeit, andere Zivilisationen im All zu finden (siehe Fermi-Paradoxon), oder um die Zukunft eines Wettrüstens. Trotzdem ist die Länge und die Masse dieser Episoden schon fast störend – man möchte ja auch in der Geschichte vorankommen und wissen, wie es weitergeht. Sich dann wieder viele Seiten durch einen Monolog zu quälen, kann oftmals doch stören.

Schwierige Sprache Zu diesen sehr langen Ausflügen in den Hintergrund kommt oft, dass der Sprachstil dabei sehr kompliziert ist. Lem verwendet eine wissenschaftliche Sprache, und zwar

sprachwissenschaftliche Sprache vermischt mit technisch-wissenschaftlicher Sprache plus Eigenkreationen plus Lateinismen. Sehr häufig setzt Lem lateinische Sprichwörter ein, wie etwa „In dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten). Manchmal kann man auch aus dem Kontext schließen, was er damit meint, aber nicht immer wird das erklärt. Das kann schon ein wenig nerven – besonders ist eigentlich wenig damit zu rechnen, dass in 200 Jahren Astronauten eine Ausbildung in „Klassik“ haben und sich auf diese Weise verständigen. Einmal sagt ein Hauptcharakter einen entscheidenden Satz auf Latein – ich habe ihn nicht nachgeschlagen und habe damit was verpasst. Dummerweise beziehen sich andere Charaktere danach immer wieder auf diesen Satz.

Ja, die Sprache liest sich häufig fast poetisch und wie eine Art Singsang. Eine gewisse Grundbildung auf Abiturniveau ist insgesamt wohl schon nötig, um halbwegs mitzukommen. Da kommen dann Wörter wie „Lunoklasmus“ oder „limes computabilitatis„, letzteres auch im Zusammenhang mit „transkomputibel“ – gemeint ist, dass auch Computer Grenzen haben und manches nicht berechnen können.

Auch ich habe nicht alles wirklich verstanden, denn teilweise liest sich der Text wie ein wissenschaftlicher Essay, und zwar zu einem Thema, in dem man selbst das Proseminar nicht belegt hat.

Logik der Handlung (Achtung: Mit Spoilern!) Merkwürdig ist, dass die eigentliche, dann schließlich zustande kommende Kontaktaufnahme so reibungslos funktioniert. Man verständigt sich problemlos per „Telegramm“, denn die Codes zur Verständigung hätte man den Quintanern ja mitgeschickt. Hier vergisst Lem ganz und gar, ein bisschen darauf einzugehen, dass es ohne die geringste Kenntnis der anderen Zivilisation gar nicht so einfach sein dürfte, einer fremden Lebensform Wörter wie „Lunoklasmus“ (!) beizubringen. Die Menschen erhalten schließlich im 2. oder 3. Kontakt die Erlaubnis, eine einzige Person auf dem Planeten landen zu lassen. Zuvor müsste man sich ja erstmal verständigen, ob beiden Zivilisationen klar ist, was „Person“ bedeutet..

Auch die gesamte Eskalation der Kontaktaufnahme ergibt keinen Sinn. Schon die Aufnahme der ersten Sonde der Quintaner und deren anschließende Entsorgung als „Schrott“ ist ein schwerer Eingriff in deren Integrität. Aber spätestens das Sprengen des Mondes als „Demonstration der Stärke“ ist völlig unlogisch.

https://www.lucyda.de/reviews-rezensionen/buecher/science-fiction/stanislaw-lem-fiasko/ Autorin: Mein Name ist Debbie und ich schreibe auf lucyda.de über das Leben, das Universum und den ganzen Rest. Geschichte und Archäologie, smarte Technik, historische Karten, Games, Bücher – zu diesen Themen findest du hier Unmengen an Beiträgen :D Mein Name ist Debora Pape, gern genannt Debbie, geboren 1981 und seit 1997 regelmäßig im Internet unterwegs. Ich bin gelernte IT-Systemkauffrau sowie studierte Archäologin (B.A.) und Historikerin (M.A.). Nach dem Studium habe ich als Online Marketing Manager gearbeitet, gekündigt und im Moment schlage ich mich freiberuflich durchs Leben.

Inhalt Tagebuch

Verwendete Quelle: Lem „Tagebuch“, in Stanisław Lem: Erzählungen. Frankfurt am Main (Insel-Verlag) 1979, S. 312 - 342.

Es handelt sich um Anregungen zum Nachdenken. Lem philosophiert ausgehend von Kenntnissen über aktuelle Bilder der Weltraumforschung. Er verfasste ein erfindungsreiches Konzept vom zufälligen Werden, Wachsen, Vergehen von Galaxien und Reflektionen darüber. Ich denke, es kann als Konstrukt eines kosmischen Weltbildes gelten. Die folgende Darstellung ist eine Zusammenfassung von Thematisierungen dieses Konzeptes. Wörtliches wurde in Zitationszeichen gesetzt.

Entstehung ohne Ursache

Solange wir davon ausgehen, dass „wir alles sind“ , uns für vollkommen halten, vermögen wir nichts. (312) „Wir müssen uns verkleinern, reduzieren, und nur in solchen Tätigkeiten, durch die von ihnen hervorgerufene Mangelhaftigkeit, können wir Untersuchungen aufnehmen ...“ Doch Widersprüche sind uns lieber ... Der Widerspruch ist: „Wir wollten ... die Wahrheit ergründen, nicht erschaffen ...fragend wer wir eigentlich sind“ Lem berichtet: wir sind Wesen, die nur kurz wirken, aber mit allvermögendem Denken mit Fülle. (313) Wir finden keine Antwort, unsere Allgegenwart behindert uns. Es entstehen phantastische Welten, geboren aus dem mathematischen Nichts – dem großen allmächtigen „All Nonsense“. Das Nichts der Mathematik sei anregend, denn wir sind es, und passt sowohl zur Allwissenheit, zur Allgegenwart und lässt uns unendliche zukünftige Welten schaffen, vergangene Welten genauso. So beherrschen wir Widersprüche. (314) Weisheit ist, dass wir von unserer Fülle ausgehen: frei, leicht, ohne Notwendigkeit (Zwang), ... wenn wir dies beschneiden, desto mehr nehmen Unfreiheit und Notwendigkeit zu und nähern uns dem Nichts, dem das nichts mehr enthält aber Wirkung erzeugt. Auf diesem Weg tauchen „aufeinanderfolgende Ordnungen“ auf. Wir werden Gefangene dieser Ordnungen, Gesetze, werden „Sklaven der Regelmäßigkeit“.

Entstehen der Sache

UNENDLICHES Es entsteht kurz vor null, die Sache voller Ordnungen. Sache entsteht, wenn wir unabhängig von uns sein wollen. So entsteht eine von uns getrennte Zone. Sie wird durch die Sache ausgefüllt. An ihr hören wir an ihrer Grenze auf. Es bleibe nur der Raum, weil wir der Sache ihre Richtungen (Ziel, Intentionalität?) wegnehmen. Es blieb nur noch die Zeit sich „einsam ausdehnend“ 315 Wir handelten so, weil wir durch unsere Freiheiten die „Geburt der Harmonie erschwerten“. Es kann jeden ausgedachten Raum in einer eigenen Welt geben. Wir haben unzählige dieser Welten geschaffen. Sie sind Träume. Wir haben manch einen zerstört, weil wir glaubten nichts in ihnen finden. Wir nehmen an ihnen nicht teil, sie schlagen in reine Mathematik um, wenn wir sie berühren, weil wir sie aus dieser erschaffen haben. Doch es gab noch weitere „Weltalls“, sie waren endlich. (316)

ENDLICHES Sie verdichteten sich während ihrer Evolution, zerfielen in Nebel, es kam zu Toruskeimungen, die Mikrostrukturen erzeugten, die „alles Kreisen der ganzen Sache“ wiederholte. Wir forschten ihnen nie im einzelnen nach. Sie wurden von anderen abgelöst, die Unendliches aufleuchten ließen. In ihnen wurden ‚mächtige transfinite Eigenschaften‘ eingekerkert. Wir machten jene Sachen zur Mineatur unseres Schicksals, indem wir darin Widersprüche versteckten. Das war witzig und spaßig, weil sie irgendwie verwandt sind. 317 Und zwar insofern: sie sind rätselhaft, bieten keine Antworten. Ihre Vielzahl wurde mal gestaltet vom Zufall bis zum Zwang. Da wo Zwang und Zufall brüderlich zusammenlebten, „entstanden viele hochinteressante Formen“. Doch auch hier begegneten wir uns selber. Unsere Potenz, weil allmächtig, ging auf die Sachen über, so schufen sie sich selbst. 318 Wir mussten die Sachen sich selbst überlassen, weil wir uns zurückhalten mussten. Weil wir nicht wissen wollten, griffen wir nicht ein. Wir wussten noch nicht einmal, ob die Einwohner solcher Sachen denken. Manche haben sich erstaunlich entwickelt. Sie leben nur einen Augenblick, (319) Brauchen Generationen um den galaktischen Wirbel warzunehmen, der sie mitträgt. Sie waren geduldig und verbissen und griffen nach ihren Himmeln um Myriaden von Sonnen zu bewegen. Sie leben in dem Glauben, schon bald alle Antworten zu erhalten.

Reflexionen

Das ist erhaben und zugleich spaßig. Was sie sich vorgestellt haben, folgern wir aus gewissen Vorrausetzungen. Es muss unter ihnen solche geben, die glauben es gäbe nur ihre Sache (Weltall) und solche die glauben es gäbe noch etwas darüber hinaus. Das scheint uns logisch, weil wir ähnliche Probleme haben. Schauen wir uns unser Welt an: auf den Planeten pulsieren ‚nicht wahrnehmbare aktive Häutchen‘ bzw. ‚Symptome von höherem Rang‘ (320) Vergleichbar der Annahme des „Flackerns der Sterne“. Die dienen dem Denken, das sich in Tun umsetzt. Jene die ihre Welt, als die einzig existierende ansehen, haben Schwierigkeiten, ihre Merkmale alle zu erklären. Sie erhalten in manchen Bereichen keine Antworten bzw. beliebig viele. Sie müssen mit diesen Schwierigkeiten klarkommen.

Uns interessieren mehr diejenigen, die davon ausgehen, dass die Unklarheit dessen was sie sind und was sie umgibt, eine Klarheit außerhalb der Weltallgrenzen impliziere. (321) Sie vermuten einen „Bewirker ihres Weltalls“ der sie geschaffen hat. Wir können nur vermuten, wie sie ihn sich vorstellen. Hätten sie bescheidene Ansprüche, würden behutsam verdinglichen, dann würden sie auf eine unvollkommene Existenz schließen, mit Sinn für Humor, sich in mathematischen Formen verhüllt, Vieldeutigem frönt, Schwächen z. B. Eitelkeit hat. Letzteres können wir nicht abstreiten. Wir wissen nicht, ob sie in ihrer Welt unsere Zerrissenheit zwischen Logik und Allmacht begreifen. Sie könnten aber wohl begreifen, dass unser Schaffen sich am Überwinden angemessener Schwierigkeiten und endlicher Lösungen gefällt und dass wir Letztbegründungen und Endgültiges nicht dulden. (322)

Wunsch nach Mangelhaftigkeit

Zweifelhaft ist ob die geschaffenen Wesen auf die Idee kämen, dass wir sie nur deshalb erschaffen haben, um unsere eigenen Möglichkeiten zu erfahren. Ganz sicher sind wir, dass sie die Hauptursache unseres Tuns nicht herausfinden: Nämlich den Wunsch nach Mangelhaftigkeit. Das was wir schufen war ein Mittel der Erkenntnis. Zwar war dieses Tun nutzlos, doch es gefiel uns besser als unsere Fülle. Falls sie je auf diese Hauptursache gekommen wären, würde ihnen das wie Wahnsinn erschienen sein. Doch wie sollten sie darauf kommen? Zu schön ist das sie umgebende Weltall, der Glanz der Sterne, ihr entstehen und vergehen. Wie sollten sie da vermuten können, dass Ungenügen und Langeweile dies gezeugt haben? Auch dass wir ihren Kosmos so nebenbei als einen von Vielen erschaffen und sie von uns in völlig unbekannter Gestalt erschaffen: alles in allem leere, tote und vollkommen unsinnige Kosmen. Sie werden sich nicht vorstellen können, das sie so beiläufig entstanden sind. Daran hindert sie ihr Dünkel. (323)

keine Bedeutung

Sie wollen bedeutungsvoll sein und benutzen die Pracht ihres Kosmos um dies zu unterstreichen. Das liegt daran, dass sie nur ihre Welt kennen. Viele Welten wäre Ketzerei. Beleidigen würde sie aber nicht, die Vorstellung eines Schöpfers, der ihre Welt als die einzige geschaffen hat. Sie hielten sich für Auserwählte, für einzigartig, die nicht in der Lage sind Distanzen der Welten in ihrem Kosmos zu überwinden.

Wesensschau

Eigentlich hätten diese Kosmen uns nützen sollen. Und zwar so: Wir müssten den Gang unserer momentanen Erwägungen abbrechen und auf einer höheren Ebene fortführen. Dort wo zeitlos das Denken ein „plötzliches Erfassen des Wesens“ ist, (324) könnten wir den Nutzen unseres Tuns „sofort und einfach ausdrücken“. Doch unsere Sprache hat die Mittel dafür nicht. Das was wir schufen ist vorhanden. Das erfassen des Wesens ist ohne Zeit und Raum transfinite (im unendlichen liegende) Willkür und für sie unerreichbar.

Strukturen

Darstellung der Sache bleibt zu leisten: Sie ist kein treues Modell eines Kegels, bestehend aus Chlane Schilden, Mengen von Metagalaxen, Sonnen, Licht- und Chlane-Quellen, denkenden Häutchen. Wir bauten Sachen, fingen dabei mit Urformen an, viel kleiner als die Häutchen .. Viel wichtiger ist, wir folgten nicht primitiver logischer Mathematik, erschufen folglich keinen hierarchischen Bau, dessen Größeres in sich das Kleinere birgt usw. bis zum Ende. Wir vermieden das Ende. (325) Wir verbanden das Größte mit dem Kleinsten zu einem Kreis. Für die Erschaffenen ist es unmöglich den letzten Grund zu bestimmen, weil die letzten Teilchen vor ihnen verschwimmen und zwar je „verbissener“ sie sich um ihr Erkunden und Bestimmen bemühen. Das liegt daran, dass wir von Anfang an mit Unendlichkeit operierten. Wir bewahrten „Unendlichkeits-Eigenschaften“, die „nullnahen Unendlichkeiten“ die „die Fülle des Unendlichen vom Nichts trennt“ verwendeten sie als „Baustoffe aller Allheiten“, die wir schufen. Die zentrale Abfolge unserer Gebilde sind ein Kampf zwischen Endlichem und Unendlichem und sind Widerspiegelungen von Notwendigkeit und Zufall. (326)

In den Kosmen, wo Zufälle hoch sind, „wird psychische Individualität zum Wander-Phänomen und wandert.“ Wir können sie nicht beobachten, aber rekonstruieren. Es handelt sich um Individuuen die zarte Verbindungen mit ihrem Körper („körperliche Trägersubstanz“) haben, Schwankungen unterworfen, so dass in den Körpern etwas einzigartiges Nämliches durchsickert. In solchen Sachen, bzw. Weltallen müssen sich Philosophen mit dem Hindernis herumschlagen, Geist sei von Materie verschieden.

Weitere Kosmen werden nicht geschildert, weil es die Erzeuger ermüdet. Es geht ihnen doch nur um ihr eigenes Hauptprobplem nichts über sich selbst zu wissen. Sie vermuten gelegentlich statt Gnade eher Rache als Motiv ihres Tuns, weil die Eingeschlossenen ewig nur fragen und suchen werden, keine Antwort finden, weil in keinem Weltall Antworten zu finden sind, weil wir selbst die Antworten nicht kennen. (327)

Wir-Schlussfolgerungen

Wir könnten „widerspruchsfreie Allheiten schaffen“. Doch diese Möglichkeit ist für uns "eklig". Ist es etwa Neid auf die Reproduktionen unseres „Zustandes der Erfüllung"? Folgendes problematisierten wir: Welche Wahrheiten sollen wir auswählen? Ist es möglich, dass wir zweimal existieren? Etwa als Denken und von außen als Sache betrachtet? Bestehen wir möglicherweise aus „einer Menge mit über-transfinitier Mächtigkeit“ die alle unsere Kontinua umfasst? Gibt es unter den Allheiten andere Intellente Wesen die wie wir sind? Dies wird eigentlich verworfen, weil die Allwissenheit dafür Vorsorge getroffen hat. (328)

Eingestanden wird, falls dies Vorsorge nicht funktionierte, dass die Einwohner eigene Systeme bauen könnten, wenn sie „auf die rechte Spur gerieten“. Sie könnten sogar das Denken bauen, Gebilde noch höherer Ordnung bauen. Möglicherweise erschüttern sie damit ganze Sternennebel. Auch diese Möglichkeiten sind bereits in die „Werke unsere Gerüstes ... hineingelegt“ worden. Ein analoges Planen wird verworfen. Macht so etwas denn Sinn oder wären nicht bloße Täuschung? (329)

Wir sind alles, was sein kann. Denn alle Allheiten sind in uns. Doch Zweifel bleiben. Dennoch „wir wissen, dass in jedem Weltall Sextillionen, Nonillionen von Wesen“ dauerhaft existieren, „während wir dies denken“. Wir könnten alle vernichten, doch Schaffen ist weniger schändlich. (330)

Schlussbetrachtungen

Es ist ein fragmentarischer Bericht des Autors über weitgestreute wissenschaftliche Ergebnisse in unserer Sichtweise über Entstehen, Verändern und Untergehen von Galaxien oder Welten. Diese Ergebnisse stammen von Menschen, die nur "kurz wirken", deren Untersuchungen anstatt Antworten zu geben, zahllose Fragen aufwerfen. Der wissenschaftliche Kentnissstand, so Lem bzw. "Wir", bedient sich der Methoden der gegenwärtigen Wissenschaften, die aus dem "mathematischen Nichts", eigentlich aus dem Leerzeichen für elementfreie Mengen entstehen, der bestenfalls hypothetischen Charakter hat. So ergibt sich ein Weltbild, das vorläufige und immer wieder veränderte Aussagen über Galaxien, Welten ibs. die Erde macht. Gelänge uns eine Vision, bzw. eine "Wesenschau" (u. a. von Edmund Husserl und Max Scheler vor ca. 100 Jahren als notwendige Grundlage unseres Weltbildes gefordert) - die uns eigentlich "allwissend" machen könnten, scheint unser Kenntnisstand eher dem unsinnigen Nichts, bzw. dem "All-Nonsense" der Mathematik zu gleichen, aus dem heraus für uns alles entstehen kann, was denkbar ist. Frage: Bedeutet dies möglicherweise die Science Fiction sei die der Wissenschaften? "Wir" bleibt eigentlich in herkömmlichen Ordnungen und Gesetzmäßigkeiten gefangen, d.h. sind wir an unsere Sache (die Erde, unser Sonnensystem) gebunden. Damit scheint das Genre Science Fiction als Möglichkeit Zukünftiges zu hypostasieren untauglich. In seiner Veröffentlichung "Katastrophenprinzip" verweist Lem mit dem Hinweis auf den verfehlten "kognitiven Optimismus" von Wissenschaftlern, die glauben, alles berechnen zu können, an das Ende aller Untersuchungen.

Diese "Mangelhaftigkeit des Erkennens", wären wir ihrer denn bewusst, könnte unsere Sache voranbringen, doch wir erwarteten Antworten und vertrieben uns die Zeit mit zahllosen Fragen, mit den Folgen "mathematischer Umformungen". Möglich , dass wir begreifen, dass notwendige und unmögliche Antworten das Wesen unseres Weltalls bzw. unseres Lebens ausmachen. Möglich ist auch, dass in weiteren Epochen des Unterganges und der "Rasereien" ("Katastropen"?) es zu "intelligenten Systemen" kommt, die uns jeden Gedanken an Flucht aus der Sache verwehren und lediglich als Leben wirksam werden.

Viele Vertreter der frühen griechischen Philosophen haben diese Sache, ein Weltall ohne Götter, entstanden aus Zufällen und Katastrophen vor ca. zweieinhalb Jahrtausenden ihren Zeitgenossen versucht nahe zu bringen. In dem Wunsch sie anzuregen, den traditionellen Weltbildern zu entsagen, um das Leben aktuellen menschlichen Bedürfnissen gemäß zu gestalten, verbreiteten sie die Vorstellung, dass im Kosmos einzig die freie Natur herrsche, dass außer ihr keine andere Macht das Ganze regieren könne. Sie thematisierten u. a.: Das All war immer so beschaffen, wie es jetzt ist. (7) ... Das All ist unerforschbar. (9) ... Wie im All etwas geschieht, ist unbeobachtbar. (23) .... Man muss daran festhalten, dass der Mensch wahrnimmt, was er wahrnimmt. (25) ... Bewegen, verändern der Richtung, Finsternis, Zunehmen, Untergang der Himmelskörper werden nicht von irgendwelchen Wesen gelenkt. (35) ... Wenn wir das erinnern, was wir mit unseren Sinnen und unter den augenblicklichen Reizen wahrnehmen, und daraus tragfähige Zusammenhänge erschlossen werden können, dann können sich unsere Ängste auflösen. (39) ... *Vgl. Brief von Epicuros an Herdotos in Epikur: Briefe, Sprüche, Werkfragmente. Griechisch/Deutsch, herausgegeben von Hans-Wolfgang Krautz, Stuttgart (Reclam) 1985.

Heutzutage machen wir Ausflüge in den Weltraum, mal zu politischen Zwecken mal zum Vergnügen, planen, Monde zu besiedeln und deren Bodenschätze auszubeuten, produzieren Weltraummüll, prahlen damit, immer tiefer in den Weltraum vorzudringen, ohne im gleichen Atemzug die Billionen an Lichtjahren zu erwähnen - was redlich wäre -, die wir dabei noch zurückzulegen haben. Wir verfügen über mehr Daten, als die frühen griechischen Forscher sie hatten. Kennen wir heute den Weltraum besser und setzen wir um, was aus diesen Kenntnissen für unser Leben gefolgert werden könnte?

Das Katastrophenprinzip

"Jeder Text kann indessen mehr an Bedeutung enthalten, als sein Autor in ihn hineingelegt hat. Vor vierhundert Jahren behauptete Francis Bacon, daß fliegende Maschinen ebenso möglich seien wie Maschinen, die über die Erde dahinsausen und auf dem Meeresboden laufen. Er hat sich solche Geräte zweifellos nicht konkret vorgestellt, aber wir, die wir heute diese Worte lesen, legen nicht nur unser allgemeines Wissen in sie hinein, daß es tatsächlich so gekommen ist, sondern wir erweitern ihre Bedeutung noch durch eine Vielzahl von uns bekannten konkreten Einzelheiten, wodurch das Gewicht jener Aussage sich noch erhöht." 11

"Eine Galaxie, aufgefasst als eine Aparatur

... welche Sterne, Planeten und gelegentlich Leben produziert verfährt hingegen – als Zufalls Apparatur – in unehrlicher, weil unberechenbare Weise.Ihre Schöpfungen sind weder vom Determinismus bestimmt noch von jenem Indeterminismus, den wir in der Welt der Quanten kennengelernt haben. Daher kann man den Verlauf des galaktischen Spiels ums Leben erst ex post erkennen, wenn man dabei gewonnen hat. Man kann das Geschehene rekonstruieren, obwohl es am Anfang nicht vorhersehbar war. Man kann es allerdings nicht völlig genau rekonstruieren, sondern nur in der Weise, wie man die Geschichte menschlicher Stämme aus einer Zeit rekonstruiert, in der die Menschen noch nicht des Schreibens kundig waren und daher weder Chroniken noch Dokumente hinterlasst haben, sondern lediglich die Erzeugnisse ihre Hände, zu denen der Archäologe sich vor gräbt. Die galaktische Kosmologie verwandelt sich dann in eine stellar-planetarische Archäologie. Diese Archäologie erkundet jenes eigentümliche Spiel, dessen großer Treffer wir selbst sind.“ 23

--- Eine Galaxie ist somit ein Produzent, der mit dem anfangskapital an Materie sehr verschwenderisch umgeht. 36 --- „Darüber wie die Wolke aus der wir entstanden sind, zu kondensieren begonnen hat, weiß man nichts;...“ 37 --- „Die Fragmentierung der Gaswolken erfolgt zufällig; durch die riesigen Räume der Spiralarme verlaufen Stoßfronten, hervorgerufen durch unterschiedliche kataklysmen;“ 39 ---

Kosmogonie funktioniere wie das Untersuchungsverfahren in einem indizienprozess. „Alles, was man zusammen tragen kann, ist eine gewisse Zahl von Spuren und sachlichen Beweisen die ähnlich den verstreuten Teilen eines Puzzles (von denen noch viele verloren gegangen sind) zu einem widerspruchsfrei in ganzen zusammenzusetzen sind…§ gleichwohl kommen die kosmogonischen Erkenntnisse über die milchstraße dem wirklichen Sachverhalt immer näher.

42 Die Kosmogonie können mithilfe der Computer Simulation binnen kurzer Zeit eine Vielzahl von Versuchs Varianten der Astro- und planeto- Genese durchführen,... Die sachlichen Beweise und die mathematischen Vermutungen, die auf die Urheber dessen, was geschehen ist, hindeuten, haben mittlerweile die Aussagekraft einer vernünftig begründeten Hypothese und sind nicht bloß haltlose Mutmaßungen. 43 --- Wissenschaftler sind kognitive Optimisten, denn sie gehen davon aus, dass die von ihnen untersuchten Objekte irgendwie berechenbar sein. 48

Einzelne Etappen sind berechenbar, entsprechend der Gesetze die wir kennen. Serien dieser Etappen sind nicht mehr berechenbar.

49 „Die Frage, wie oft im Kosmos das geschieht, was mit der Sonne und mit der Erde geschehen ist, kann man bislang nicht beantworten, denn man weiß nicht, in welcher Kategorie von Ereignissen man diesen Fall einordnen soll. Man kann auch nicht sicher sein ob alle gegenwärtigen Rätsel die uns heute beschäftigen“ in weiteren Jahrhunderten geklärt werden können. 50 ---

„Auch wenn nicht alle unsere Fragen eine Antwort erhalten werden, so werden doch auf jeden Fall Antworten kommen, und damit wird die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Leben im Kosmos einen angenäherte quantitativen Wert erhalten.

Es könnte sich herausstellen, dass dies ein beträchtlich hoher Wert ist, sodass wir es als wahrscheinlich betrachten dürfen, dass es auf den zahlreichen Planeten jener Billionen Galaxien, die uns umgeben, leben in unzähligen vielfältigen Gestaltungen gibt. Doch selbst, wenn das der Fall sein sollte, werden Bücher mit den 52 Von mir vorher Gesagten Titeln erscheinen. Warum das geschehen wird, will ich nun erklären.

Ich möchte die bedrückende Tatsache mit zehn Worten andeuten: ohne globale Katastrophe des Lebens gäbe es den Menschen nicht.“

53 --- „Der Kosmos muss sich also in inhomogener Weise ausgedehnt haben, ohne die Symmetrie jener überall identischen Eigenschaften zu bewahren, die wir in ihm beobachteten. Was die Urknall Theorie denn noch rettet, ist die Hypothese, dass bei der Schöpfungsexplosion gleichzeitig eine ungeheure Anzahl von Welten entstanden ist. Unser Kosmos war nur eine davon.“ 59 Es gibt Serien von Ereignissen die absolut unmöglich scheinen, was man aber nicht guten Gewissens behaupten kann.. angemessener sei es solche Situationen als Zufälle sui-generis zu betrachten. 60 „Mit der Einführung des anthropic principle in die Kosmogonie erklären wir die Entstehung des Menschen zu einem Sachverhalt, der die Evolution des Lebens auf der Erde mit der Vernunft krönte, weil die Entstehung vernunftbegabter Wesen umso wahrscheinlicher ist, je länger eine solche Evolution dauert.“ 62 ---

„wir sind entstanden und haben uns zu Milliarden vermehrt, weil Milliarden anderer Wesen der Vernichtung anheim fielen. Eben dies steckt in den Worten: the world as Holocaust die Suche der Wissenschaft nach Indizien hat ... lediglich zu der Erkenntnis geführt, dass unsere Gattung einen zufälligen Urheber hat und zwar einen indirekten, wenngleich notwendigen Urheber.“

70 „Dort wo es niemanden gibt - Und damit auch keine Gefühle, weder freundliche noch feindselige, weder Liebe noch Böswilligkeit–, dort gibt es auch keine Absichten; da er weder eine Person noch die Schöpfung einer Person ist, kann man den Kosmos absichtliche Parteilichkeit seines handelns nicht vorwerfen: er ist einfach so , wie er ist, und handelt so , wie er handelt. Er verwirklicht seine schöpfungen durch Zerstörung.“ Sterne zerplatzen, ...“ 71 Wir werden „ weitere sachliche Beweise sammeln und ein neues Bild entwerfen von einer Welt, die eine Anhäufung von zufälligem Katastrophen ist, welche von strengen Gesetzen beherrscht werden,...“ 72

„Die Krater ... sämtlicher Monde unseres planetensystems sind gleichsam Fotografien der Vergangenheit, ein erstarrtes Bild vom Anfang dieses System,...“

74 “es gab noch immer interne Kollisionen der Planeten mit Meteoriten und Kometen, als auf der Erde schon Leben zu Keimen begann, ... auch während der ersten Jahrmilliarde der Existenz von Leben war die Erde noch Schlägen ausgesetzt, ...“ „ die aus stellaren Fernen eintreffende harte Strahlung (Röntgen -und Gammastrahlen) war ein zugleich zerstörerischer und schöpferischer Faktor, denn sie beschleunigte genetische Mutationen bei den Urorganismen.“ 76 „ diese Verknüpfung von Katastrophen- und Schöpfungstheorie wurde durch Darwins Theorie zu Grabe getragen. Das war jedoch ein vorzeitiges Begräbnis. Katastrophen von allergrößten, nämlich kosmischen Ausmaßes sind eine unerlässliche Bedingung für die Evolution der Sterne und des Lebens. Erst der menschliche Geist hat die Alternative entweder Zerstörung oder Schöpfung aufgestellt und sie seit Anbeginn unserer Geschichte der Welt übergestülpt.“ ... „Der Glaube hat ebenso wie die Wissenschaft die sichtbare Welt mit Eigenschaften ausgestattet, welche den blinden, unberechenbaren Zufall als Urheber aller Geschehens aus ihr verdrängen.“ 78

„ Die Ordnung aller Dinge ist das Fundament sowohl des Sakralen wie des Profanen. Deshalb ist in keiner der historischen Religionen jemals der Zufall als höchste Instanz alles Seienden aufgetaucht, und deshalb hat auch die Wissenschaft sich so lange gesträubt, die ebenso schöpferische wie unberechenbare Rolle des Zufalls bei der Gestaltung der Wirklichkeit anzuerkennen.“

79

„ der Zweck aller Kultur war und ist es, jegliche Willkür, jeglichen Zufall im Glanz des Wohlwollens oder zumindest der Notwendigkeit erscheinen zu lassen. Das ist der gemeinsame Nenner aller Kulturen, die Quelle der „Normalisierung“ des Verhaltens in Ritualen, in allen Geboten und in jedem tabu: überall soll alles einem einzigen Maßstab

80 Gehorchen.“ „unbewusst scheint der Gläubige zu glauben, dass Gottes Allmacht und Allwissenheit den Zufällen nur eine untergeordnete Rolle zuweist. Die Wissenschaft hat den Zufall als Effekt einer einstweilen noch unvollständigen Erkenntnis aufgefasst, als Ergebnis unserer Unwissenheit, die durch weitere Entdeckungen beseitigt werden würde. Das ist kein Scherz; Einstein scherzte durchaus nicht, als er sagte: der herrgott würfelt nicht, denn: he is sophisticated but he is not malicious, was besagen 81 sollte: es ist schwierig, die Ordnung der Welt zu erkennen, aber möglich ist es, denn sie ist der Vernunft zugänglich.“ ...

„ die Alternative Zerstörung oder Schöpfung muss schließlich aufgegeben werden.“

„ die naturgesetze machen sich nicht trotz der Zufälle, sondern durch sie geltend. die Statistische furie der Sterne, die millionenfach abortieren, um einmal in der Vernunft zu gipfeln – das ist die Regel und nicht die Ausnahme im Weltall. Sonnen entstehen aus der Vernichtung anderer Sterne, und in der gleichen Weise gerinnen die Über- 82 reste prästellarer Wolken zu Planeten. Das Leben ist einer der seltenen Gewinne in dieser Lotterie und die Vernunft ist ein noch ungewöhnlicherer Gewinn ...“

Der Mensch wurde durch die Eigenschaften der Materie geformt, die zusammen mit der Welt entstanden sind. Regelmäßigkeit entstand und entsteht durch das Zufallsgesetz der großen Zahl. Der Mensch ist eine seltene Ausnahme von der Regel der Zerstörung, er ist ein Übriggebliebener von Verheerungen und Brandopfern.

83 Das Bild der Wirklichkeit, das er skizziere, entspräche dem Endstand der Wissenschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Die besten Fachleute haben dieses Bild geschaffen und verleihen ihm eine Art Echtheitsgarantie. Die Frage ist, wie dauerhaft ist dieses Bild, wird es ein endgültiges ein letztes Bild sein.

„Die Geschichte der Wissenschaft lehrt, dass jedes der Weltbilder, die sie schuf, jeweils als endgültig betrachtet wurde,

dann aber doch Korrekturen erfuhr, bis es schließlich zerfiel wie das Muster eines zerschlagenen Mosaiks und dass nachfolgende Generationen sich dann von neuem daran gemacht haben, es zusammenzufügen. Die verschiedenen Religionen beruhen auf Dogmen, deren Ablehnung stets zunächst einer 84

abscheulichen Ketzerei und dann der Entstehung einer anderen Konfession gleichkam. Der Glaube, der in seinen Anhängern lebt, ist eine letzte endgültige und damit unwiderrufliche Wahrheit. Die Gewissheiten, welche die wissenschaftliche Erkenntnis auszeichnen, sind nicht gleichermaßen gewiss, auch deutet nichts darauf hin, dass wir uns dem Ziel der Erkenntnis nähern, der letztlichen Vereinigung des unumstößlichen Wissens mit der nicht zu beseitigenden Unwissenheit.“ „Vielleicht wird sich auch das principium creationis per destructionem als eine Etappe unserer Erkenntnis erweisen, als einen menschlichen Maßstab an etwas angelegt, was so unmenschlich ist wie das Universum.“ 86 Berlin 1983

So philosophiert Lem - möglicherweise

"Stanislaw Lem, der polnische Science-Fiction-Autor, gehört zu den Autoren, die versuchen, die gebrochene Verbindung zwischen Philosophie und Literatur wiederherzustellen. Seine Arbeit ist ein perfektes Beispiel für die fruchtbaren Möglichkeiten eines solchen Hybrids. Lems Schreibstrategie bestand darin, sehr oft durch die Verwendung absurder Situationen zu untersuchen, was passiert, wenn traditionelle philosophische Theorien mit den Möglichkeiten des technologischen Fortschritts konfrontiert werden. Bis zu einem gewissen Grad kann Lems Arbeit als „philosophisches Experimentieren“ beschrieben werden, bei dem Hypothesen durch neue Technologien auf die Probe gestellt werden. Dabei hört Lem nicht auf, Romanautor zu sein. Er ist sich bewusst, dass ihm diese Position mehr Freiheit im Spiel mit philosophischen Konzepten gibt. Wenn er durch das umkämpfte Land zwischen Philosophie und Literatur geht, wenn er sich den Gefilden der Philosophie gefährlich nähert, kann er immer wieder in den sicheren Rückzugsort literarischer Erzählungen zurückkehren." https://philosophynow.org/issues/34/Life_As_Simulacrum_Stanislaw_Lems_Sci-Fi

Das große Ganze ist alles

Ich bin nüchtern, an wissenschaftlichem interessiert, Worte sollten sich für mich um die Klarheit der Sache drehen, sonst verliere ich das Interesse ... Für die schriftstellerische Seite habe ich nur meinen Geschmack um Gefallen zu produzieren, denn mich interessiert das Thema, bzw. die Frage „um was geht es“. Im Tagebuch gelingt es Lem Thema und schriftstellerische Gestaltung einander anzunähern. Ich hatte viel zu lesen, um das Thema bloß zu legen.

Die Frage nach dem, was ist und was nicht, wurde vermutlich schon von Parmenides beantwortet. Er unterschied mit der Thematisierung 'to on' zwischen dem, was vorhanden ist und dem, was Menschen glauben, es sei vorhanden. Letzteres, so ließ er seine Göttin orakeln, sei der irrtumsbehaftete Weg der Meinungen, während der erste der 'einzig gangbare' Weg sei, auf dem Menschen nützliches lernen können. Das Vorhandene hielt Parmenides für benennbar und erfahrbar. (vgl. Manfred Kraus: Name und Sache: ein Problem im frühgriechischen Denken. B.R. Grüner (Niederlande) 1988, S. 68.) Gleichzeitig bezeichnete er mit 'to on' etwas, das gleichbleibend, quasi 'ewig' sei: Vermutlich schloss er an den Apeiron-Gedanken des Anaximander an, der damit eine Antwort formuliert hatte, die von der Vorstellung einer Welt ausging, die im Diesseitigen die vielen 'onta' als erforschbar umfasste und das menschliche Bedürfnis, sich vom Ganzen ein Bild machen zu wollen, dadurch befriedigen wollte, die Möglichkeit ins Auge zu fassen, dass Erfahrbares im Werden und Vergehen ein ewig wiederkehrendes Leben hatte.

So geriet er unter christlichen Interpretationen in den irrtümlichen Ruf, eine metaphysische Ontologie begründet zu haben, der jahrhundertelang aufrecht erhalten wurde. Zahllose arbeiteten daran mit. Sie genügten dem Sprichwort: Viele Köche verderben den Brei. Stets verwendeten sie dasselbe von christlichen Sichten geprägte interpretatorische Rezept und übersahen sein Konzept, das Parmenides zeitgemäßen Weltbildern entsprechend einer Göttin zuschrieb. Statt Ontologie zu wünschen, riet er den Menschen, das zu erforschen, was benennbar und erfahrbar vorhanden sei. Sein Konzept verwarf, das zu glauben, was andere empfehlen, bzw. verordnen.

Das Lesen des „tagebuches“ erinnerte mich an diese Anfänge des Philosophierens. Homeros gehörte zu denen die damit anfingen, und eine Reihe von frühen Philosophen gesellte sich dazu. Für ihr Nachdenken scheint mir charakteristisch: Sie lösten ihre Augen vom Berg und dem Himmel der Götter, während sich ihre Lebensbedingungen samt ihren Fragen änderten und hilfreiche Antworten der Himmlischen ausblieben. Die Anfänger des gottfernen Denkens wendeten sich der Erde und dem Himmel über ihr zu. Epikur verbannte die Götter hinter die 7. Himmelsschale und verbreitete das Gerücht, sie hätten mit sich zu tun und keine Zeit, sich um die Menschen zu kümmern. Es folgten viele, die später aus allsichtiger Perspektive als dem Land und der Erde Hellas entsprungen betrachtet wurden. Die Seefahrt veranlasste die Hellenen, sich an den Sternen zu orientieren. Dem All, so vermuteten ihre Philosophen dann weitergehend, entstammen alle Elemente, einige nannten sie Atome, die alles Gewordene (z. B. die Natur) werden ließen bzw. erschufen, es ausdehnten, vermehrten und vergehen ließen. Dies legte sich den Denkern nahe, indem sie die natürlichen Vorgänge pflanzlichen und tierischen Lebens, sowie Wetter-Ereignisse und Katastrophen erlebten, während sie arbeiteten (Landwirtschaft und Fischfang betrieben), Verwandtschaft und Freundschaft pflegten und sich gegen Übergriffe von außen verteidigten.

Die allsichtige, die von allen Dingen, dem All, dem Großen und Ganzen ausgehende Perspektive des frühen griechischen Denkens hat Anaximander aus Milet (600 v.u.Z.) bewegt. Er untersuchte den Ursprung und die Evolution von Lebewesen. ‘Der Ursprung des Gewordenen ist das Grenzenlose. Die Dinge, die daraus hervorgehen, sind vergänglich.‘ Er befasste sich mit dem, was in seiner Zeit für Entstehen, Werden und Vergehen von Belang war. Für seine Himmelsforschungen soll er eine Sonnenuhr, ein Himmelsmodell und eine griechische Erdkarte hergestellt haben. (A.A.Long: Das Anliegen der frühen griechischen Philosophie. Im Handbuch Frühe griechische Philosophie, S. 1 ff.)

Die Herkunft von allem aus dem Grenzenlosen, bzw. aus dem All und dessen Vergänglichkeit klingt bei Epikur (ca. 300 v.u.Z.) an, wenn er vorschlägt, die Gesetzmäßigkeiten dieses Werdens, Wachsens und Untergehens, zur Basis von Weltsicht und Handeln zu machen. Seine Schrift „über das Gewordene“ , peri physeo‘ ist verloren. Meine Transposition des Titels ist unüblich, doch philologisch belegt. In der Doxographie und bei Lukrez finden sich Spuren der Schrift. Um auf die tägliche Welt erfolgreich zugreifen und sachgerecht handeln zu können, schrieb Epikur in einem Brief an Herodot, sei es notwendig, diese „nicht sinnlich wahrnehmbare“ Basis des Gewordenen gedanklich klar vor Augen zu haben, um sie zum Nachdenken über aktuelles Handeln und Denken miteinbeziehen zu können. Es scheint für mich so, als meinte Epikur hier die Fähigkeit die Dinge genauestens zu untersuchen, darüber zu reflektieren und sich auf diese Weise von aktuellen Befindlichkeiten zu distanzieren; so könne jeder angstfrei und gelassen leben. Wahrnehmen dessen, was geworden sei, rege nämlich zu schlussfolgendem Denken an, das situativ angemessene Reaktionen ermögliche. Er rate jedem, das Gewordene, bzw. die Naturgesetze zu erforschen, so finde auch er immer wieder am leichtesten zu heiterer Gelassenheit. (Brief an Herodot, S. 4 ff.) Die Natur regelt alles ohne Zutun der Götter, fasst Lukrez mehrere Jahrhunderte nach Anaximander seine Naturforschungen zusammen und fügt hinzu: Wenn wir annehmen, dass es im All um uns herum keine Grenzen gibt, durch den zahllose Urelemente fliegen, die in immerwährenden zufälligen Bewegungen alle anderen Keime entstehen lassen, dann dürfen wir auch annehmen, dass unsere Welt nicht die einzige sei. Es ist denkbar, dass ungezählte Welten existieren. Wie die unsere, leben auch sie nur kurz, so wie alle Arten auf der Erde, sind sie vergänglich und bringen wiederum viele hervor. (Lukrez: Über die Dinge der Natur, S. 100f)

Lem: Ein Mann mit merkwürdigen Ideen. Lässt Außerirdische eine Kassette finden die Lebewesen eines gerade untergegangenen Planeten als Micky Mäuse identifiziert. Lässt allwissende und allgegenwärtige und allmächtige Wesen zahllose Welten schaffen. Berichtet deren Konflikt mit mit der vergeblichen suche nach Antworten. Berichte ferner darüber dass dieser Frust über die vergebliche Suche nach Antworten die Wesen dazu veranlasst zahllose andere Welten zu erschaffen.

Sterne bewegen sich Die Sternbilder die wir am Nachthimmel sehen, befinden sich in einer ganz nahen kosmischen Entfernung – etwa in einer Umgebung von maximal 2.000 Lichtjahren. Das ist auf die ganze Milchstraße bezogen nur ein ganz winziger Ausschnitt. Dort sind aber die Sterne nicht im Raum festgenagelt, sondern sie bewegen sich wie ein Mückenschwarm immer ein bisschen durcheinander. Die Sonne beispielsweise bewegt sich, relativ zu der Umgebung der anderen Sterne, mit 30 Kilometern pro Sekunde, mit dem gesamten Planetensystem. Und andere Sterne tun das auch. Das heißt, die verschieben sich langsam in ihrer Position, und das ändert die Sternbilder.

Anaximandros

Anaximandros

Lebensdaten 611 v. Chr. geboren in Milet Es ist wahrscheinlich, dass er Thales gekannt hatte und mit ihm in enger Gedankengemeinschaft gelebt hatte. Er wird auch als Nachfolger und Schüler des Thales von Milet bezeichnet. 546 v. Chr. Tod in Milet

Das Apeiron

Der bleibende Urstoff ist das Apeiron, nach Anaximandros das Unendliche oder Unbegrenzte, welches ständig bewegt und durchgehend belebt wird. Aus diesem gehen die konkreten Erscheinungen hervor, und in dasselbe kehren sie wieder zurück. Es ist unendlich, weil nur so die Ewigkeit und Unendlichkeit des konkreten Werdens erklärbar und begründbar ist. Ganz am Anfang der Zeit sonderte Eine Urwirbelbewegung nach dem Prinzip der Schwere die Erde, dann die Luft und am Schluss das Feuer vom Wasser. Ursprünglich war die ganze Oberfläche der Erde feucht gewesen, durch einen allmählichen Verdunstungsprozess entstanden die Winde und die Wenden von Sonne und Mond. Im weiteren Verlauf der Geschichte wird es durch das immerwährende Austrocknen immer weniger Wasser haben, bis es schließlich einmal überhaupt kein Wasser haben wird auf der Erde.

Woraus aber die Dinge ihre Entstehung haben, darein finde auch ihr Untergang statt, gemäß ihrer Schuldigkeit. Denn sie leisteten einander Sühne und Busse für ihre Ungerechtigkeit, gemäss der Verordnung. (Anaximandros, Fragmente)

Anaximandros geht davon aus, dass nacheinander und nebeneinander unzählig viele Welten im Kosmos existieren.


2. Das „Grenzenlose“ als Prinzip Nach Aristoteles und Theophrastus suchten die ersten griechischen Philosophen nach dem „Ursprung“ oder „Prinzip“ (das griechische Wort „archê“ hat beide Bedeutungen) aller Dinge. Anaximander soll es mit „the Boundless“ oder „the Unlimited“ (griechisch: „apeiron“,das heißt „das, was keine Grenzen hat“). Schon in der Antike wird beklagt, dass Anaximander nicht erklärt habe, was er mit „dem Grenzenlosen“ meinte.


4. The Fragment The only existing fragment of Anaximander's book (DK 12B1) is surrounded by all kinds of questions.

5. The Origin of the Cosmos The Boundless seems to have played a role in Anaximander's account of the origin of the cosmos. Its eternal movement is said to have caused the origin of the heavens.

https://iep.utm.edu/anaximan/ Author Information Dirk L. Couprie Email: dirkcouprie@dirkcouprie.nl The Netherlands

Lukrez

Seit jener Zeit da diese Welt entstand, seit dem ersten Tag von Meer und Land, seit die Sonne zum ersten Mal emporgestiegen, seither wurden in dieser Welt von außen reichlich Partikel hinzugefügt, Keime von überall her aus dem unermesslichen All wurden sie durch stete Bewegung zueinander gebracht und miteinander verbunden. Wachsen ließen sie Meer und Erde, durch sie dehnt sich auch des Äthers Haus weiter hinaus in den Raum, hoch empor hob es sich, und die Luft stieg dorthin auf. Von überall her nämlich wurden, stets bewirkt durch Prall und Stoß, Urelemente und Keime verteilt, bis irgendwann jedes sich fand bei der eigenen Art: ... so lange geht das, wie Adern des Lebens bereitwillig aufnehmen, was ich ihnen Nährendes bietet; ... bis sie schließlich zum Zenit ihres Wachstums gelangen. Von diesem Punkt an schwinden ihre Kräfte allmählich und verlieren vom Alter gebrochen, Schritt um Schritt auch die Stärke des reifens, bis es schließlich nur noch bergab geht. Die Dinge können das Nährende nicht mehr so leicht verteilen. Der Vorrat an Nachschub wird immer geringer. so verschwinden - anders kann das nicht sein - alle Dinge sobald sie durch Abfluss der Partikel poröser werden. Bis sie schließlich den Stössen von aussen erlegen. 102 f

Nicht anders werden auch die stützenden Mauern der mächtigen Welt im Sturm genommen, fallen, brechen werden sie und in sich zusammensinken. 103

"Wenn sich der Raum unbegrenzt dehnt in jede Richtung, wenn, des Weiteren, durch diesen Raum und seine Leere Urelemente fliegen in zahlloser Zahl, in immerwährender Bewegung auf vielerlei Weise getrieben, dann ist unvorstellbar und nicht zu denken, allein dieser eine Erkreis und sein Himmel seien entstanden, und nichts über unsere Welt hinaus hätten alle die anderen Keime entstehen lassen. Umso weniger, als unsere Erde von der Natur hervorgebracht ist: Aus Eigenem stießen die Elemente zusammen. Zufällig, auf vielerleich Weise zueinander getrieben, blindlings ohne Plan, immer wieder vergeblch, bis sich zusammtreffende Urelemente schließlich doch verbanden und derart zusammengeworfen den Anfang bildeten eines mächtigen Gewebes. vpn Erde und See und Himmel und der Familie lebender Wesen. Drum, ich sage es wieder und wieder, musst du zugeben, dass sich auch anderswo hier und da Materie verdichtet, verbunden hat, zu Welten wie der unseren, ..." 100

„Alles wandelt sich, alle Dinge werden von der Natur verändert, zum Wandel gezwungen. Denn ein Ding verfällt, schwindet vom Alter ermattet, ein anderes wächst empor, verlässt den verächtlichen Ort.“ 194

„ Unwissen zwingt Menschen, alles, was sie sehen den Göttern und ihrer Macht zuzuschreiben und sich ihrer Herrschaft zu unterwerfen. ... sie wissen einfach nicht, was sein kann und was nicht, wissen nicht, auf welche Weise jedem Ding eng begrenzte Kraft gegeben ist,... Wir müssen Gang und Gesetz von Erde und Himmel begreifen, von Stürmen und grellen Blitzen singen, davon, wie sie sich verhalten, und von den Gründen, durch welches sie jedesmal ausgelöst werden. 215

Lukrez: Über die Natur der Dinge. München 2017. Übertragen und kommentiert von Klaus Binder.