Marie von Thadden-Trieglaff

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Marie von Thadden auf Trieglaff
Johanna von Puttkamer in den 40er Jahren
Katharina Fürstin Orlowa, Bismarcks Geliebte in seiner Pariser Zeit

Marie von Thadden-Trieglaff (* 1822 in Kardemin, Kreis Regenwalde; † 10. November 1846 ebenda) war die Tochter des Gutsbesitzers Adolf von Thadden-Trieglaff und die Ehefrau von Moritz Karl Henning von Blanckenburg. Sie hatte auf Otto von Bismarck in dem pietistisch-pommerschen Kreis den entschiedensten Einfluss und war wohl seine unerfüllte Lebensliebe.

Die pommersche Erweckungsbewegung

Der Vater von Marie von Thadden, Adolf von Thadden-Trieglaff war in Pommern zum Mittelpunkt einer pietistisch-protestantischen Erweckungsbewegung geworden, die sich der altlutherischen Kirche anschloss. Durch diese religiös-sentimental-romantische Bewegung war auch Marie in ihren religiösen-emotionalen Gefühlen stark geprägt worden.

Nachdem sich Bismarck dazu entschlossen hatte, Landwirt zu werden, kam er über seinen Freund und ehemaligen Mitschüler Moritz von Blanckenburg, der in der Nähe des bismarckschen Kniephofs das väterliche Gut verwaltete, öfters zusammen. Er führte ihn in den pietistischen Kreis ein. Dass fast der gesamte pommersche Landadel in ihm vertreten war und auch der König Friedrich Wilhelm IV. in seiner romantisch-religiösen Art dieser Bewegung nahestand, dürfte wohl auch ein Grund Bismarcks gewesen sein. Die wichtigsten Vertreter dieses Kreises in Cardemin sind:

Moritz von Blanckenburg, ein ehemaliger Mitschüler Bismarcks am Gymnasium zum Grauen Kloster, schrieb Bismarck ab 1843 mehrere Bekehrungsbriefe, um ihn dadurch wieder auf den tugendhaften Weg zurückzuführen. So kam Bismarck auch in Kontakt zu Blanckenburgs Verlobter Marie von Thadden.

Liebe zu Otto von Bismarck

Die Bekehrungsversuche seines Freundes Blanckenburg wollten bei Bismarck nicht fruchten. Anders aber verhielt es sich bei den Beziehungen, die sich allmählich zur Verlobten Moritz von Blanckenburgs, Marie von Thadden, entwickelten. So schildert Marie Moritz voller Erstaunen eine Begegnung mit Bismarck am Vortag: „Ich habe noch nie jemanden seinen Unglauben oder vielmehr seinen Pantheismus so frei und klar auseinandersetzen hören…“ und sein offenbar mit Leidenschaft hervorgebrachtes Bekenntnis: „Wie kann ich denn glauben, da ich doch einmal keinen Glauben gehabt habe: der muß entweder in mich hineinfahren oder ohne mein Zutun und Wollen in mir aufschließen!“[1] Zwischen Marie Thadden und Bismarck entwickelten sich Affinitäten, die beiden glückvoll und leidvoll zu schaffen machten. Bismarck war tief berührt von der liebevollen Teilnahme der jungen, bereits Moritz von Blanckenburg versprochenen Frau und konnte sich nicht versagen, immer wieder ihren Umgang zu suchen, ihr Verständnis, ihre Neckereien, ihren weiblichen Charme. Das Verhältnis wird besonders von Maries Seite in zahlreichen Briefen beleuchtet, die in offener und häufig auch verdeckter Weise ihre Faszination von Bismarcks Persönlichkeit widerspiegeln. Bismarcks schwermütige Stimmungen wurden durch die Teilnahme Maries an seinem Geschick noch verstärkt. Es machte den eigenen Reiz ihrer Beziehungen aus, dass beide die untergründigen Sehnsüchte und Affinitäten ihrer Herzen und Sinne ahnten. Dennoch wagt Bismarck nicht den entscheidenden Schritt, was auch den Bruch mit Moritz von Blanckenburg bedeutet hätte. Marie hätte wahrscheinlich, trotz aller unterschwelligen Zuneigung für ihn, die schwere Sünde des Treuebruchs zu ihrem „guten Moritz“ wohl kaum begangen. Die für sein weiteres politisches Fortkommen so ersprießlichen Kontakte mit den pommerschen Pietistenkreisen wären äußerst gefährdet gewesen, hätte Bismarck sich nicht zurückgehalten. Er wäre erneut in Isolierung geraten.

Tod und Ehevermittlung für Johanna von Puttkamer

Marie von Thadden führte mit ihren gleichfalls im Pietismus verwurzelten Jugendfreundinnen einen sentimental-verschwärmten Briefwechsel. Zu diesem Kreis gehörte Elisabeth von Mittelstadt, die Tochter des Stettiner Konsistorialpräsidenten, Hedwig von Blanckenburg und nicht zuletzt Johanna von Puttkamer, die spätere Frau Otto von Bismarcks und in Herzensangelegenheiten sogar eine besondere Vertraute Maries. Otto von Bismarck, der in ihrem Briefwechsel als interessanter Mann eine Rolle spielte und der bei Marie von Thadden und Johanna von Puttkamer unter literarischen Decknamen auftauchte, bezogen sie gern in ihre Schwärmereien von Glück und Liebe, reiner Seelengemeinschaft und religiöser Fürsorge ein. Marie von Thadden hat viel für ihn getan. Sie war es, die ihn, unterstützt von Moritz, auf die Freundin Johanna von Puttkamer hinlenkte. Schon bei der Blanckenburgschen Hochzeit, am 4. Oktober 1844, war absichtsvoll das erste Zusammentreffen zwischen Otto von Bismarck und Johanna von Puttkamer vorbereitet worden. Doch bei Bismarck schien kein Funke zu zünden. Moritz drang in ihn: „Komm und sieh! Willst Du sie nicht, dann nehme ich sie zu meiner zweiten Frau.“[2] Es vergingen noch fast zwei Jahre, ehe Otto von Bismarck in ein näheres Verhältnis zu Johanna von Puttkamer kam. Auf einer gemeinsam mit den Blankenburgs erlebten Harzreise ist sich das Paar dann schließlich näher gekommen. Den letzten Ausschlag gab schließlich der frühe Tod von Marie von Thadden. 1846 entschloss Bismarck sich, nach Schönhausen überzusiedeln. Dort traf ihn die Nachricht vom Tode Marie von Blanckenburgs am 10. November 1846. Sie hatte ihre Mutter verloren, die kurz zuvor an einem epidemischen Fieber erkrankt war, und sich bei deren Pflege selbst eine tödlich verlaufende Gehirnentzündung[3] zugezogen. Am 14. Dezember 1846 sprach sich Bismarck mit Johanna in Cardemin ab. Am 18. Dezember schrieb Bismarck darüber der Schwester unter dem Eindruck schmerzlicher Erschütterung: „Du weißt ungefähr, auf welchem Fuß ich mit dem Cardeminer Hause stand und wie schwer mich der neuerliche Todesfall deshalb trifft. Wenn noch etwas gefehlt hat, um mir den Entschluß, Pommern zu verlassen, leicht zu machen, so war es dieß.“[4] Wenige Tage später – etwa am 21. Dezember 1846 – schrieb Bismarck seinen berühmten Brautwerbebrief an Heinrich von Puttkamer. Darin nennt er die Beziehung zu Marie von Thadden und besonders ihren frühen Tod als den Wendepunkt in seinem Leben. Nach den Jahren des reinen Deismus mit pantheistischen Zügen konnte er – so bekannte er hier – zum ersten Mal wieder beten.

Bismarcks Erinnerung an Marie von Thadden

Viele Biographen halten die Beziehung zu Marie von Thadden für die eigentliche, einzige Liebe Bismarcks. Vergessen hat er sie sein Leben lang nicht. Das erste Kind von Otto und Johanna von Bismarck dürfte nicht zufällig Marie genannt worden sein. Auch in seiner Zeit als Botschafter in Paris war er nicht unempfindlich gegen weiblichen Charme: Als er sich 1862 auf einer Erholungsreise in Süd-West-Frankreich in die russische Fürstin Orlowa verliebte, bekannte er seiner klug tolerierenden Ehefrau Johanna, dass es auch „ein Stückchen Marie Thadden“ sei, das ihn anziehe. Noch im Alter, als ihm die Nichte von Marie von Thadden vorgestellt wurde, bemerkte er seufzend: „Was sieht mich aus diesen Augen alles an!“ Dennoch erwuchs zwischen Otto und Johanna von Bismarck eine lebenslange eheliche Verbindung, die durch gegenseitigen Respekt gekennzeichnet war und in christlicher Art alle Höhen und Tiefen durchhielt. Noch auf dem Sterbebett betete Bismarck dafür, mit „seiner Johanna“ in der Ewigkeit vereint zu sein.

Politische Karriere Bismarcks

Auch mit Moritz Karl Henning von Blanckenburg und seinem Onkel Albrecht von Roon, dem preußischen Generalfeldmarschall und Minister, verband ihn durch diese Zeit eine lebenslange Freundschaft. Roon führte ihn schließlich beim König Wilhelm I. ein. Neben den für einen Politiker so unverzichtbaren Kontakten brachte die pietistische Gesinnung auch das argumentatorische Potential – wie er dies schon in seinem meisterlichen Brautwerbebrief zeigte – für die Nähe zu den politisch konservativen Kreisen, wie etwa der Kreuzzeitung oder den Gebrüdern Ernst Ludwig von Gerlach und Ludwig Friedrich Leopold von Gerlach.

Literatur

  • Gedanken und Erinnerungen; Herbig, München 2007, ISBN 978-37766-5012-9.
  • Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin (H. v. Bismarck, Hrsg.), Stuttgart 1900.
  • Ernst Engelberg: Bismarck. Urpreuße und Reichsgründer. Akademie-Verlag XVI, Berlin 1985.
  • Lothar Gall: Bismarck – Der weiße Revolutionär, Ullstein, 2. Aufl., 2002, ISBN 3-548-26515-4.
  • Otto von Bismarck, Dokumente seines Lebens; Herausgegeben von Heinz Wolters, Leipzig 1986

Einzelnachweise

  1. Ernst Engelberg: Bismarck. Urpreuße und Reichsgründer. Akademie-Verlag XVI, Berlin 1985.,Seite 192
  2. Vgl. Eyck, Bd. 1, Seite 125
  3. Bismarcks Bekehrung. In: Neue Freie Presse, 19. November 1909, S. 3 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  4. Ernst Engelberg: Bismarck. Urpreuße und Reichsgründer. Akademie-Verlag XVI, Berlin 1985.,Seite 204–205