Die Architekten (Roman)

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Karl-Marx-Allee in Berlin als Beispiel für Sozialistischen Klassizismus

Die Architekten ist ein 1963 bis 1966 verfasster Roman von Stefan Heym, der erst 2000 in deutscher Sprache erschien (in englischer Originalsprache erst 2005 veröffentlicht). Der Autor setzt sich darin mit der Wende in der Architektur (Abkehr vom sozialistischen Klassizismus) und der unzureichenden Aufarbeitung des Stalinismus in der DDR auseinander.

Ort und Zeit

Der Roman spielt von Winter 1955 bis Winter 1956, abgesehen von einem Prolog, der auf Ereignisse in Prag 1935 und Moskau 1939 rekurriert. Schauplatz ist eine nicht näher bezeichnete Stadt in der DDR.

Charaktere

Rostock 1955: Architekten mit Bebauungsplan

Professor Arnold Sundstrom steht im Mittelpunkt. Er hat am Bauhaus in Dessau studiert und ist ebenso wie sein Studienkollege Daniel Tieck in der Nazizeit nach Moskau emigriert. Beide arbeiten in der Sowjetunion als Architekten. Während Tieck 1939 verhaftet wird, ist Sundstrom weiter tätig und wird nach dem Krieg Chefarchitekt in einer Stadt der DDR.

Arnold Sundstrom ist mit der weit jüngeren Julia Sundstrom verheiratet. Sie ist die Tochter eines kommunistischen Ehepaares, das den stalinistischen Säuberungen zum Opfer gefallen ist. Arnold Sundstrom hat sie in Moskau als Tochter angenommen und später geheiratet.

Julia Sundstrom ist Architektin und ebenso wie Arnold beim Architekturamt der Stadt beschäftigt. Zur Gruppe der Architekten gehören außerdem der aus Kroatien emigrierte junge Kommunist Edgar Wukowitz sowie die beiden Deutschen Waltraut Greve und John Hiller.

Neben der Gruppe der Architekten, von denen das Buch seinen Titel hat, spielt noch die Gruppe von Julias Verwandten eine Rolle: Julian, ihr Vater (tot), und Julian, der 5jährige Sohn von Julia und Arnold. Daniel Tietz, der überraschend aus der Sowjetunion zurückkehrt, wird sehr zögerlich in die Gruppe der Architekten adaptiert und steht andererseits in Beziehung zur Gruppe der Verwandten, da er die Eltern von Julia noch gekannt hat.

Als Nebenprotagonisten spielen unter anderem Genosse Tolkening (Parteisekretär), Riedel (Bürgermeister), ein "Dichterfürst des Proletariats" und Käthchen Kranz, Sängerin und "heitere Muse der Republik", eine Rolle.

Handlung

Leipzig: Baustelle der Straße der III.Weltfestspiele

Die Architekten haben in der kriegszerstörten Stadt die Straße des Weltfriedens projektiert. Der erste Bauabschnitt ist fertig, die Planung der Verlängerung (zweiter Bauabschnitt) steht an. Aufgrund von Ereignissen in der Sowjetunion besteht eine Verunsicherung, in welchem Architekturstil geplant werden soll. Die Genossen in Berlin wollen es anders, können aber nicht sagen, wie.

John Hiller zeigt Julia Sundstrom ein Buch mit Ansichten der Charlottenburger Chaussee, wie sie von den Architekten um Albert Speer in der Nazizeit für den Wiederaufbau nach dem Krieg geplant worden ist. Da der Stil sehr dem der Straße des Weltfriedens ähnelt, bekommt sie Zweifel am Sozialismus. Diese Zweifel werden durch die Kritik von Daniel Tietz, der einen Entwurf im Bauhaus-Stil vorlegt, bestärkt.

Die zweite Ebene ist die der Aufklärung der Familiengeschichte. Obwohl im Prolog ein Teil vorweggenommen wird, erfährt der Leser ebenso wie Julia die Wahrheit häppchenweise. Julia sieht ihren Ehemann immer kritischer. Sie trennt sich von ihm, geht mit John Hiller eine Liebesbeziehung ein und zieht mit ihm in eine Hütte im fiktiven Ostseebad Kleinmallenhagen. Ihr Mann erpresst sie mit dem Kind, so dass sie in das gemeinsame und gut situierte Haus mit Haushälterin zurückzieht.

Durch die Gegenüberstellung mit Daniel Tietz lässt sich nicht mehr verheimlichen, dass Arnold Julias Eltern in Moskau denunziert hat. Er verteidigt sich mit seiner Parteidisziplin und damit, dass es eine andere Zeit war. Er ist ein Machtmensch und will seine jetzige Position nicht aufgeben.

Was die Straße des Weltfriedens betrifft, verordnen die Genossen in Berlin einen städtebaulichen Wettbewerb. Es gibt zwei konkurrierende Entwürfe, der eine von Professor Sundstrom und John Hiller, der andere von Daniel Tieck und Julia Sundstrom. Die Funktionäre treffen eine ausgewogene Entscheidung. Professor Sundstrom bekommt den Nationalpreis nicht, für den er schon im Gespräch war, darf aber die Straße des Weltfriedens nach seinem Entwurf weiter bauen. Daniel Tietz und Julia Sundstrom wird ein anderes Projekt angeboten.

Julia Sundstrom findet das private Glück für sich und ihren Sohn, indem sie Daniel Tietz heiratet.

Interpretation

Chruschtschow und Stalin in den 1930er Jahren

Im Roman geht es um die Rolle der Architektur sowie um Stalinismus und Entstalinisierung.

Bereits 1954 hat Chruschtschow auf der Allunionskonferenz in Moskau eine Rede vor Bauleuten gehalten. Dabei kritisierte er das teure Repräsentationsgehabe des sozialistischen Klassizismus und seine Stilblüten (den sogenannten Zuckerbäckerstil). Die Rede wurde 1955 in der DDR unter dem Titel Besser, schneller und billiger bauen![1] veröffentlicht. Das funktionale Bauen des Bauhaus wurde in der Stalin-Ära als formalistisch und kosmopolitisch verurteilt. Mit der Chruschtschtow-Rede wurde es ansatzweise rehabilitiert.

Die Geheimrede auf dem XX.Parteitag folgte 1956. Darin wurde enthüllt, dass unter Stalin Unschuldige verfolgt und massenweise ermordet worden sind.

Durch den Kompromiss am Ende des Romans erfolgt keine Aufarbeitung der stalinistischen Vergangenheit. Insofern kann der Roman als Kritik an der fehlenden Entstalinisierung in der DDR gelesen werden.

Der Autor stellt keine der Personen als rundum negativ dar. Er hält sich insofern mit einem Urteil zurück. Allerdings beschreibt er eine latente Gewaltatmosphäre. Nicht nur damals in Moskau entwickeln sich Gespräche sehr schnell zu Verhören. Sundstrom, ein Machtmensch, scheut nicht davor zurück, Spione einzusetzen. Zugleich hat er Angst vor körperlicher Gewalt.

Für Sundstrom hat Architektur eine dienende Funktion. Der Architekt führt aus, was der Bauherr will. Will er schöpferisch tätig sein, ist dieses Verständnis hinderlich. Anders als für Tieck ist die architektonische Lösung für Sundstrom stets ein Kompromiss.

Der Stil ist realistisch. Aber anders als im sozialistischen Realismus drückt Heym auch Zweifel am Sozialismus aus.

Literatur

Primärliteratur

  • The architects. Northwestern University Press, Evanston (Illinois) 2005. ISBN 978-1-907970-13-9 (Entstanden ca. 1963–1966, bis 2005 als englischer Originaltext unveröffentlicht.)
Dt. Titel: Die Architekten. Roman. C. Bertelsmann, München 2000, ISBN 3-570-00441-4

Rezensionen

  • Rezension von Manfred Jäger, Deutschlandfunk vom 27. Oktober 2000[2]
  • Rezension von Heinrich Wefing: Heuchelei in Stein, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. August 2000[3]
  • Deutsche Welle, 100 gute Bücher: Stefan Heym, Die Architekten, abgerufen am 28. Dezember 2021[4]
  • Stefan Heym, Die Architekten auf Perlentaucher.de, abgerufen am 28. Dezember 2021[5]

Film

Einzelnachweise