Hypnagogie

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Hypnagogie bezeichnet einen Bewusstseinszustand, der beim Einschlafen oder Tagschlafen auftreten kann. Eine Person im hypnagogen Zustand kann visuelle, auditive und taktile Halluzinationen erleben, unter Umständen, ohne sich bewegen zu können (Schlafparalyse). Obwohl der Person bewusst ist, dass sie halluziniert, kann sie in den meisten Fällen nicht darauf reagieren. Der Begriff wurde im 19. Jahrhundert durch den französischen Gelehrten Alfred Maury geprägt.[1] Die traumartigen Erlebnisse in der Aufwachphase wurden u. a. von dem englischen Literaten Frederic W. H. Myers „hypnopomp“ genannt.[2]

Der Übergang vom Wachsein zum hypnagogen Zustand vollzieht sich fließend. Auch wenn das Wachdenken vorwiegend abstrakt ist, wird es im Hintergrund vom „anschaulichen“ Denken begleitet.[3] Die nach außen gerichtete Aufmerksamkeit ist herabgesetzt, das abstrakte Denken aber nicht völlig abgeschaltet. Die Gedanken reihen sich lockerer und ungezielter aneinander, mehr analog als logisch verknüpft.

Hypnagoge Wahrnehmungen

Hypnagoge Wahrnehmungen sind vorwiegend visueller Natur. Ebenfalls häufig sind auditive Wahrnehmungen, bei denen z. B. mit fremder Stimme gesprochene Wörter oder Sätze vernommen werden. Hörphänomene werden als „konform“ bezeichnet, wenn sie mit den gleichzeitigen Bildern sinnvoll verbunden sind. Andernfalls gelten sie als „autonom“. Auch haptische Eindrücke können sich zusammen mit Bildern oder alleine einstellen. Auch verstärkte Phosphen bei geschlossenen Augen, welche weitaus realistischer sind als gewöhnlich, sind möglich. Diese werden nochmals verstärkt, wenn der Betroffene sich als Schutzhaltung die Hände auf die Augen legt und einen Druck ausübt.

Taktile hypnagoge Phänomene oder die Wahrnehmung von Bewegung sind weitaus seltener. Ernst Jünger erwähnt etwa ein gelegentliches morgendliches Geschütteltwerden, das er als „frisson“ bezeichnet und das ihm als Nachweis für das Erreichen eines hypnagogen Zustands dient.[4] Vereinzelt werden außerdem auch Geruchs- und Geschmacksempfindungen beschrieben.[5]

Der Psychoanalytiker Herbert Silberer sieht in ihnen symbolische Ausdrucksformen und unterscheidet drei Gruppen: die „materielle“ Kategorie, welche Gedanken und Vorstellungen wiedergibt; die „funktionale“ Kategorie, in der sich der psychische Zustand (etwa Freude, Furcht) oder psychische Tätigkeiten (etwa Hemmungen) abzeichnen. Bei der dritten Kategorie handele es sich um Bilder, die durch körperliche Reize ausgelöst werden. Insbesondere die funktionale und die materielle Kategorie seien häufig miteinander verknüpft.[6]

Fußnoten

  1. L. F. A. Maury: Des hallucinations hypnagogiques, ou des erreurs des sens dans l'etat intermediaire entre la veille et le sommeil. In: Annales Medico-Psychologiques du système nerveux. Vol. 11, 1848, S. 26–40.
  2. Richard Anders: Wolkenlesen. Über hypnagoge Halluzinationen, automatisches Schreiben und andere Inspirationsquellen. In: Wiecker Bote, Greifswald 2003, ISBN 3-935458-06-1, S. 19.
  3. H. Schultz-Henke: Traumanalyse. In: Jutta von Graevenitz (Hrsg.): Bedeutung und Deutung des Traumes in der Psychotherapie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1986, S. 242.
  4. V. Berg: Im Dritten Gang. Notizen zu Ernst Jüngers morgendlichen Visionen. Als Manuskript vervielfältigt. San Lorenzo 2005.
  5. Jean Paul: Sämtliche Werke. München/Wien 1985, Lizenzausgabe Darmstadt 2000, II, Bd. 2, S. 1035.
  6. Herbert Silberer: Probleme der Mystik und ihrer Symbolik. Heller, Wien 1914; Nachdruck: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1961, S. 149 ff.