Milieudefensie u.a. gegen Royal Dutch Shell

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Milieudefensie u. a. gegen Royal Dutch Shell ist ein Urteil der Rechtbank Den Haag vom 26. Mai 2021 (Aktenzeichen C/09/571932 / HA ZA 19-379). Dieses Urteil verpflichtet das Unternehmen Royal Dutch Shell dazu, seine CO2-Emissionen zu reduzieren. Die Umweltschutzorganisationen Mileudefensie und Greenpeace und weitere Kläger hatten gegen Shell geklagt.

Hintergrund

In den letzten drei Jahren ist die Anzahl der Klagen mit Bezug zum Klimawandel von 884 auf 1550 im Jahr 2020 gestiegen, so ein Bericht der Vereinten Nationen.[1] 2021 wurden bereits Frankreich und Deutschland von hohen Gerichten verurteilt, weil sie nicht genügend tun, um die Katastrophe abzuwenden. Auch die Niederlande wurden verklagt.[2][3]

Klage

Seit dem 1. Dezember 2020 ist ein Gerichtsverfahren zum Klimawandel gegen Shell anhängig.[4] Die Klägerschaft (sieben Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen sowie 17.379 Bürger) möchte damit erreichen, dass Shell die Ziele des Übereinkommens von Paris einhalten muss. In erster Instanz wies das Bezirksgericht in Den Haag am 26. Mai 2021 die Klagen der Einzelbürger ab, gab jedoch den Klagen der das Gemeinwohl vertretenden Umweltorganisationen statt und verpflichtete Shell, seine Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahr 2030 um netto 45 Prozent im Vergleich zu 2019 zu senken. Die konzerneigene Klimaschutzstrategie, nach der 55 Prozent der zum Erreichen der Klimaneutralität im Jahr 2050 vorgesehenen CO₂-Einsparungen erst nach 2035 erfolgen sollten, sei zu unkonkret und voller Vorbehalte. Laut dem Urteil sind sowohl die zum Konzern gehörenden Unternehmen zum Klimaschutz verpflichtet, als auch Zulieferer und Endabnehmer. Im Unterschied zu in anderen Rechtsordnungen wie den USA eingereichten Klagen, die Unternehmen zum Ersatz bereits eingetretener Schäden verpflichten wollen, ist dieses Urteil das erste, das ein Energieunternehmen verpflichtet, so zu handeln, dass angenommener künftiger Schaden gar nicht erst entsteht. Nach niederländischem Recht ist das aufgrund des wegweisenden Kellerluken-Falls von 1965, wo der Beklagte wegen fahrlässigen Verhaltens verurteilt wurde, möglich.[5][6][7]

Die Kläger wurden vom Anwalt Roger Cox vertreten.[8] Dieser hatte 2015 schon einen ähnlichen gerichtlichen Erfolg errungen: Er hatte damals die Umwelt-Organisation Urgenda vertreten, die den niederländischen Staat erfolgreich zur Einhaltung seiner selbst gesteckten Klimaziele verklagt hatte.[9]

Urteilsverkündung

Verschiedene Umweltgruppen haben, zusammen mit 17.000 niederländischen Bürgern, ein Verfahren gegen Shell unterstützt. Am 26. Mai 2021 gab es die Urteilsverkündung. Das Gericht:

  1. wies die Ansprüche von ActionAid und den einzelnen Klägern aus verfahrensrechtlichen Gründen zurück
  2. erklärte die übrigen Sammelklagen für unzulässig, soweit sie dem Interesse der gesamten Weltbevölkerung an der Eindämmung des gefährlichen, durch CO2-Emissionen verursachten Klimawandels dienten
  3. wies Royal Dutch Shell (RDS) an, sowohl direkt als auch über die Gesellschaften und juristischen Personen, die sie üblicherweise in ihre konsolidierten Jahresabschlüsse einbeziehen und mit denen sie gemeinsam die Shell-Gruppe bildet, das jährliche Gesamtvolumen aller CO2-Emissionen in die Atmosphäre, die auf die Geschäftstätigkeit und die verkauften energietragenden Produkte der Shell-Gruppe zurückzuführen sind, so zu begrenzen oder begrenzen zu lassen, dass dieses Volumen Ende 2030 um mindestens netto 45 %, bezogen auf das Niveau von 2019, reduziert ist
  4. wies RDS an, die Kosten des Verfahrens seitens Milieudefensie et al., die bis zu diesem Urteil auf € 22.732,51 geschätzt werden, zuzüglich gesetzlicher Zinsen ab zwei Wochen ab dem Datum dieses Urteils, zu tragen
  5. trug ActionAid auf, die Kosten des Verfahrens auf Seiten von RDS, die bis zu diesem Urteil auf € 1.126,- zuzüglich gesetzlicher Zinsen seit zwei Wochen ab dem Datum dieses Urteils geschätzt werden, zu übernehmen
  6. trug Milieudefensie et al. auf, die Kosten des Verfahrens auf Seiten von RDS, die bis zu diesem Urteil auf € 1.126,- zuzüglich gesetzlicher Zinsen ab zwei Wochen ab dem Datum dieses Urteils geschätzt werden, zu bezahlen
  7. schätzte die nachfolgenden Kosten von Milieudefensie et al. und RDS auf € 163 ohne Zustellung und erhöhte um € 85 im Falle der Zustellung
  8. erklärte die in den Punkten 3 und 6 genannten Beschlüsse für vorläufig vollstreckbar
  9. wies andere Anträge ab

Dieses Urteil wurde von den Richtern L. Alwin, I. A. M. Kroft und M. L. Harmsen abgefasst und am 26. Mai 2021 in öffentlicher Sitzung verkündet.[10]

Kritik

Die Professoren Bent Ole Mortensen und Peter Pagh kritisierten das Urteil. Hier wurde kein Unternehmen wegen einer Überschreitung des Gesetzes verurteilt, sondern wurde in Zukunft verpflichtet, die Emissionen zu verringern. Dabei würde ein Gericht parlamentarische Aufgaben übernehmen.[2][11]

Weblinks

Quellen

  1. Surge in court cases over climate change shows increasing role of litigation in addressing the climate crisis. UNEP, 26. Mai 2021, abgerufen am 27. Mai 2021 (englisch).
  2. a b Juraprofessor om klimadom mod Shell: 'Det er dybt problematisk'. 27. Mai 2021, abgerufen am 27. Mai 2021 (dänisch).
  3. Deutsche Welle (www.dw.com): Shell ordered to reduce CO2 emissions in watershed ruling | DW | 26.05.2021. Abgerufen am 27. Mai 2021 (britisches Englisch).
  4. Joachim Wille: Shell soll wirklich das Klima retten. Klimareporter, 1. Dezember 2020, abgerufen am 19. Dezember 2020.
  5. Jan Sternberg: Wegweisendes Urteil: Gericht verpflichtet Ölkonzern Shell zu Klimaschutz. RedaktionsNetzwerk Deutschland, 26. Mai 2021, abgerufen am 29. Mai 2021.
  6. Gericht in Den Haag ordnet für Shell schärfere CO2-Ziele an. In: welt.de. 26. Mai 2021, abgerufen am 29. Mai 2021.
  7. Joachim Wille: Shell steht an der „Kellerluke“. Klimareporter, 19. Dezember 2020, abgerufen am 19. Dezember 2020.
  8. Michael Schilliger: Shell-Klage: «Das Urteil verändert die Welt fundamental». Abgerufen am 13. Juni 2021.
  9. Gericht verpflichtet Ölkonzern Shell zu Klimaschutz. In: Der Spiegel. 26. Mai 2021, abgerufen am 29. Mai 2021.
  10. ECLI:NL:RBDHA:2021:5339, Rechtbank Den Haag, C/09/571932 / HA ZA 19-379 (engelse versie). Rechtbank Den Haag, 26. Mai 2021, abgerufen am 27. Mai 2021 (niederländisch).
  11. siehe auch FAZ.net / Markus Theurer: Shell-Urteil : Warum Richter keine Klimapolitik machen sollten