Julie Salis-Schwabe

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Julie Salis-Schwabe

Julie Salis-Schwabe, geborene Ricke Rosetta Schwabe,[1] (* 31. Januar 1818 in Bremen; † 20. Mai 1896 in Neapel) war eine deutsche Philanthropin jüdischer Abstammung, die sich insbesondere für die Verbreitung der von Friedrich Fröbel inspirierten Fröbelpädagogik in Italien und England einsetzte.

Leben und Wirken

Ricke Rosetta (die sich später Julie nannte) Schwabe wurde in eine wohlhabende jüdische Kaufmannsfamilie hineingeboren. 1821 übersiedelten die Schwabes nach Hamburg. Ricke Rosetta erhielt Privatunterricht. Im Alter von ca. 16 Jahren ging sie für zwei Jahre nach Leipzig, wo sie im Hause einer befreundeten Familie vielseitigen Privatunterricht genoss. 1837 heiratete sie ihren Cousin Salis Schwabe[2] aus Oldenburg stammend, der in der Nähe von Manchester eine große Fabrik besaß, die Kattun bedruckte.[3] Aus der als glücklich geltenden Ehe gingen sieben Kinder hervor, drei Töchter und vier Söhne.[4] Julie und Salis Schwabe waren überzeugte Unitarier, Anhänger der „Manchester School of Free Traders“ und engagierten sich im sozialen Bereich für Kinder, Kranke[5] und alte Menschen. Sie förderten die schönen Künste. In dem gastfreien und hochgebildeten Hause der Familie Schwabe, ob im Wohnsitz bei Manchester[6] oder später in ihrem Schloss Glyn Garth[7] auf der Insel Anglesey in nördlichen Wales, verkehrten Musiker, Politiker, Künstler, Pädagogen und Philosophen, u. a. Frédéric Chopin,[8]Christian Carl Josias Freiherr von Bunsen,[9] und Ferdinand Gregorovius.[10]

Friedrich Fröbel, den „Begründer“ des Kindergartens, lernte Julie Salis-Schwabe im Hause ihrer Cousine, der Fröbelpädagogin Johanna Goldschmidt (geborene Schwabe) in Hamburg kennen. Diese war dem Pädagogen 1849 in Bad Liebenstein begegnet. Am 6. März 1850 eröffnete Friedrich Fröbel den „… ersten Hamburger, wie überhaupt den ersten Deutschen Bürger-Kindergarten, …“.[11][12] Ein Jahr später vermittelte Goldschmidt Fröbel einen Aufenthalt in Hamburg, um dort junge Mädchen zu Kindergärtnerinnen auszubilden.

Julie verstärkte nach dem Tod ihres Mannes Salis Schwabe im Juli 1853 ihr soziales Engagement entsprechend ihrer Lebenseinstellung „Reichtum verpflichtet“. Dabei galt ihr philanthropisches Wirken der Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen, ebenso den Kranken und „Irren“, allgemein allen in Not geratenen Menschen. 1865 übersiedelte sie nach London. Vor allem die erbärmlichen sozialen Verhältnisse in Neapel, die Julie Salis Schwabe durch viele Italienreisen kennen gelernt hatte, versuchte sie zu lindern, nicht durch Almosen, sondern durch die Errichtung von Erziehungs- und Bildungseinrichtungen, da sie der Ansicht war, „dass Bildung für die Massen das sicherste Mittel ist, um ein Land, eine Gesellschaft zu verbessern“. Darum wollte sie eine Erziehungs- und Bildungseinrichtung ins Leben rufen. Die „edle Frau“ schrieb an ihre „Sponsoren“ in Deutschland, England und Frankreich:

„Indem auf diese Weise die menschenfreundlichen, aufgeklärten und ernsten Denker der verschiedenen Nationen sich vereinen, einen Zustand der tiefsten menschlichen Versunkenheit zu verbessern, wage ich zu hoffen, daß das Institut in Neapel auch die erste Grundlage eines Bündnisses edler Menschen werde, die ohne Unterschied der Nationalität und des Glaubens sich vereinigen, jenen unheilvollen Mächten entgegenzuwirken, die statt des Reiches Gottes und alles Guten und Wahren auf Erden nur ihre eigene Macht und Herrschaft durch Unwissenheit der Massen zu begründen suchen.“

In London gab die bekannte Opernsängerin Jenny Lind ein Benefizkonzert, das 1000 Pfund Sterling einbrachte.[13] Daraufhin konnte Julie Salis-Schwabe 1871 in Neapel das Istituto Froebeliano gründen, das zuerst von einer Engländerin geleitet wurde. Einen Teil der Lehrkräfte/Kindergärtnerinnen italienischer, deutscher und englischer Nationalität schickte sie zur Ausbildung nach Hamburg zu Emilie Wüstenfeld und Johanna Goldschmidt. Bereits zwei Jahre später musste das Institut infolge einer Cholera-Epidemie geschlossen werden. Nach zehnjährigem Kampf gelang es ihr endlich mit Hilfe der italienischen Regierung, das Istituto Froebeliano wieder aufzubauen. Die Anstalt umfasste einen Kindergarten mit drei Kindergartenklassen, eine Elementarschule, mit Vermittlungsklassen, welche die Kinder vom Kindergarten in die Schule überleitete, eine Volksschule, eine "Präparandie" für Knaben, worin diese bis zur Quarta des Gymnasiums vorbereitet wurden sowie eine höhere Mädchenschule, der sich Ausbildungsklassen für Kindergärtnerinnen anschlossen. In allen Einrichtungen wurde nach Friedrich Fröbels Einheitsidee gearbeitet. Durch königlichen Erlass erhielt die neapolitanische allumfassende Erziehungs- und Bildungsinstitution 1887 den ehrenvollen Titel Istituto Fröbeliano Internazionale Emanuele II verliehen. Das Institut wurde viele Jahre von der Fröbelpädagogin Adele von Portugall geleitet.

Der Erfolg in Neapel spornte Julie Salis-Schwabe dazu an, mit einer Gruppe gleichgesinnter Menschen 1892 auch in Großbritannien eine Froebel-Society zur Förderung des Kindergarten-Systems ins Leben zu rufen. Diese konnte 1896 in Colet Gardens, im Londoner Stadtteil Kensington, ein „Muster-Erziehungsinstitut im Geiste Friedrich Fröbels und William Ellis“, ein nicht-konfessionell gebundenes Lehrerseminar, feierlich eröffnen. Eingeweiht wurde das Fröbel-Educational-Institute von Kaiserin Friedrich. Die Einrichtung sollte die Entwicklung des Kindergartens mit Berücksichtigung der Fröbelpädagogik in England unterstützen, verbreiten und fördern. Das einstige Fröbel-Lehrerseminar existiert noch heute als Ibstock Place School, die inzwischen in Roehampton angesiedelt ist und sich nach wie vor den Fröbelschen Grundideen verpflichtet fühlt.[14]

Literatur

  • Von einer Frau (Johanna Goldschmidt): Zur Sache Friedrich Fröbels, in: Rheinische Blätter für Erziehung und Unterricht 1853, S. 325–344
  • J.[Jenny] Asch: Eine Fröbelsche Erziehungsanstalt in Neapel. (Istituto Froebliano Vittorio Emanuelle II), Breslau 1897.
  • E. Lawrence: Friedrich Froebel and english Education. Abingdon 2012.
  • A.[Adele] v. Portugall: Friedrich Fröbel sein Leben und Wirken. Leipzig / Berlin 1905.
  • Manfred Berger: Die Fröbelpädagogik nach Europa getragen. Julie Salis-Schwabe, eine in Vergessenheit geratene Fröbel-Pädagogin. In: Theorie und Praxis der Sozialpädagogik (TPS), Heft 2, 2016, S. 52–54.
  • Für ein Fröbel-Institut in Italien. In: Die Gartenlaube. Heft 7, 1876, S. 124 (Volltext [Wikisource]).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. vgl. https://www.nifbe.de/component/themensammlung?view=item&id=541:julie-salis-schwabe-1819-1896&catid=37
  2. Der Name ihres Ehemanns lautete „Salis Schwabe“ und nicht „Adolf Salis Schwabe“, wie Manfred Berger schreibt. Der Ehemann von Julie Salis Schwabe wurde als „Salomon ben Elias Schwabe“ in Ovelgönne geboren. Seit wann er sich „Salis Schwabe“ nannte, ist nicht bekannt. Er benutzte diesen Namen aber schon im Februar 1831, als er sich taufen ließ, und im September 1835, als er in Großbritannien eingebürgert wurde. (Parliamentary Debates: Band 30, Private Act, S. xl, Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D~GB%3D6aw9AAAAcAAJ~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3DPT4~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D). Julies Bruder Adolph Schwabe war verheiratet mit Mathilde Pfeiffer.
  3. In der englischen Literatur heißt es dazu: „calico printing“.
  4. Familie: Schwabe, Salis / Schwabe, Julie Ricke Rosetta (F12642). In: Auswanderer aus dem Großherzogtum Oldenburg. Oldenburgische Gesellschaft für Familienkunde e. V., abgerufen am 12. Dezember 2019.
  5. Salis Schwabe gehörte mit Friedrich Huth und Daniel Meinertzhagen zu den Initiatoren des 1845 eröffneten German Hospital in London (Ulrike Kirchberger: Aspekte deutsch-britischer Expansion, Franz Steiner, Stuttgart 1999, S. 226 Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D~GB%3DuaoMMzZGmlQC~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3DPA226~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D). Nach dem Tode von Salis Schwabe 1853 unterstützte auch Julie Salis Schwabe das Krankenhaus (German Hospital Dalston: Supported by Voluntary Contributions. Wertheimner, London 1857, S. 31, Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D~GB%3DmWRLAAAAcAAJ~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3DPA31~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D)
  6. Schwabe hatte mehrere Wohnsitze in Manchester besessen, ab 1848 Crumpsall House
  7. Glyn Garth und die Familie Schwabe. In: Reise in die Vergangenheit. Bangor University, 2018, abgerufen am 16. Dezember 2019.
  8. Chopin gehörte nicht zu dem Freundeskreis, wie Manfred Berger schreibt. Chopin ist der Familie Schwabe nur einmal begegnet, als er im August 1848 aus Anlaß eines Konzertes in Manchester in Crumpsall House gewohnt hat (Rose Cholmondeley: Chopin’s visit to Britain, 1848. The Chopin Society UK, 1998, abgerufen am 17. Dezember 2019.)
  9. Der Autor Manfred Berger erwähnt hier Georg von Bunsen. Das ist falsch, denn es handelte sich um dessen Vater Christian Carl Josias Freiherr von Bunsen
  10. Friedrich Fröbel, der 1852 verstorben war, und Julia Salis Schwabe sind sich zu Lebzeiten nie persönlich begegnet, wie Manfred Berger schreibt.
  11. Zitat: Von einer Frau, 1853, S. 341.
  12. Die Bezeichnung „Erster Bürgerkindergarten“ wurde tatsächlich als Name, nicht als Beschreibung gewählt. Es folgten ein „Zweiter Bürgerkindergarten“, „Dritter Bürgerkindergarten“, etc. (Adalbert Weber: Die Geschichte der Volksschulpädagogik und der Kleinkindererziehung, mit besonderer Berücksichtigung der Letzteren. J. Bacmeister, Eisenach, S. 308 (H. Hoffmann))
  13. Johanna Goldschmidt war die Schwiegermutter von Jenny Lind–Goldschmidt, wodurch sie verwandtschaftlich mit Julie Salis-Schwabe verbunden war.
  14. History of the School (englisch) Ibstock Place School. Abgerufen am 28. Mai 2019.