Ulrich Schultz-Venrath

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 13. März 2022 um 19:36 Uhr durch imported>Didym(969691) (typo).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Ulrich Schultz-Venrath (geb. Schultz; * 1952) ist ein deutscher Arzt für Psychosomatik, Psychotherapie und Nervenheilkunde sowie Psychoanalytiker, Gruppenlehranalytiker, Autor und Herausgeber. Schultz-Venrath arbeitet in eigener Praxis in Köln. Er ist Professor für Psychosomatik an der Universität Witten/Herdecke.[1]

Leben und Wirken

Nach dem Abitur am Wilhelmsgymnasium in München studierte Schultz-Venrath Philosophie und Medizin in Aachen und später in Berlin, wo er 1983 mit der Arbeit Berufsvorschläge für Rehabilitanden mit Epilepsie nach Arbeitserprobung, medizinische, soziale und psychologische Bestimmungsfaktoren[2] promovierte.

Von 1980 bis 1990 war er wissenschaftlicher Assistenzarzt in der Abteilung für Klinische Neurophysiologie (Stanislaw Kubitzki) und Neurologie (Dieter Janz) am Universitätsklinikum der Freien Universität Berlin. Dazwischen folgten Ausbildungen zum Facharzt für Nervenheilkunde in der Neurologisch-Psychiatrischen Abteilung Havelhöhe. Von 1987 bis 1989 war er wissenschaftlicher Angestellter am Institut für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätskliniken Köln, wo er von 1990 his 1996 als Leitender Oberarzt und stellvertretender Leiter der Neurologischen Abteilung des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke (Wilhelm Rimpau) tätig war. Schultz-Venrath habilitierte sich 1993 an der Universität Witten/Herdecke und wurde dort 1997 zum Professor ernannt. Von 1997 bis 1998 war er Ärztlicher Direktor der Psychotherapeutischen Klinik Stuttgart-Sonnenberg. Danach leitete er von 1999 bis 2019 als Chefarzt die Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Evangelischen Krankenhaus Bergisch Gladbach.[3]

Neben frühen Publikationen zur Geschichte der Psychoanalyse, Psychosomatik sowie zur Medizin im Nationalsozialismus fokussieren sich seine jüngeren Werke auf die Einführung und Entwicklung der Mentalisierungsbasierten Psychotherapie („Mentalization-based treatment“, kurz MBT) in Einzel- und Gruppentherapien (MBT-G). MBT und MBT-G wurde für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen an einer Tagesklinik in London entwickelt, hat sich inzwischen aber auch für andere psychische und psychosomatische Störungen bewährt. Schultz-Venrath kam mit dieser Methode in Kontakt, nachdem er an einem Research Summer School Training of Psychoanalysis von Peter Fonagy am University College London teilnahm. Mit einer Arbeitsgruppe um die Londoner Psychotherapeuten Fonagy sowie Anthony Bateman und Patrick Luyten entwickelte Schultz-Venrath das Konzept von MBT in Deutschland weiter und machte es dort populär. Hierzu trug wesentlich sein Grundlagenwerk Lehrbuch Mentalisieren (erschienen bei Klett-Cotta) bei.[4] Er ist Herausgeber der Reihe Mentalisieren in Klinik und Praxis (Klett-Cotta).[5]

Ehrung

  • Nachwuchspreis der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) für die Habilitationsschrift: Ernst Simmels Psychoanalytische Klinik "Sanatorium Schloss Tegel GmbH" (1927-1931) – Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte einer psychoanalytischen Psychosomatik.

Werke (Auswahl)

Als Herausgeber

  • Medizin und Nationalsozialismus. Zusammen mit Gerhard Baader. Verlagsgesellschaft Gesundheit / Mabuse-Verlag, 1980, 4. Aufl. 1989. ISBN 3-92549-9-21-0.
  • Ernst Simmel. Psychoanalyse und ihre Anwendungen. Ausgewählte Schriften (zusammen mit Ludger Hermanns). Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt 1993. ISBN 3-596-11348-2.
  • Psychotherapien in Tageskliniken – Historische Perspektiven und zukünftige Aufgaben. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft. Berlin 2011. ISBN 978-3-941468-42-9.
  • Der 11. September. Psychoanalytische, psychosoziale und psychohistorische Analysen von Terror und Trauma. Zusammen mit Thomas Auchter, Christian Büttner, Hans-Jürgen Wirth. Psychosozial-Verlag, Gießen, S. 108-128. ISBN 3-89806-247-3.
  • Mentalisieren in Klinik und Praxis. Reihe bei Klett-Cotta.
    • Mentalisieren in Gruppen (Ulrich Schultz-Venrath und Helga Felsberger). 2016. ISBN 978-3-608-96156-0.
    • Mentalisieren bei Depressionen (Lenka Staun). 2017. ISBN 978-3-608-96139-3.
    • Mentalisieren mit Kindern und Jugendlichen (Maria Teresa Diez Grieser und Roland Müller). 2018. ISBN 978-3-608-96151-5.
    • Mentalisieren mit Paaren (Peter Rottländer). 2020. ISBN 978-3-608-96454-7.
    • Mentalisieren des Körpers (Ulrich Schultz-Venrath). 2021. ISBN 978-3-608-20373-8.
    • Mentalisieren bei Persönlichkeitsstörungen (Sebastian Euler). 2021 (in Druck).
    • Mentalisieren bei Traumatisierungen (Maria Teresa Diez Grieser). 2021 (in Druck).

Als Autor

  • Traumatic occlusion of both internal carotid arteries. Zusammen mit Mechthilde Kütemeyer, Andreas Kern, Wolfgang Hepp. J Neurol 231: 233-236. 1984.
  • Das Sanatorium Schloss Tegel Ernst Simmels. Zur Geschichte und Konzeption der ersten Psychoanalytischen Klinik. In: PPMP -Psychotherapie, Psychosomatik, medizinische Psychologie. Zusammen mit Ludger Hermanns. Nr. 37, S. 58–67, ISSN 0937-2032. 1987.
  • Frühe psychoanalytische Schmerzauffassungen. PPmP Psychother Psychosom med Psychol 39: 185-192. Zusammen mit Mechthilde Kütemeyer. 1989.
  • "Und doch wäre ich...beinahe Berliner geworden"- Sigmund Freud im Sanatorium Schloß Tegel. Zeitschrift für psychoanalytische Theorie und Praxis, 5 (78–88). Zusammen mit Ludger Hermanns. 1990.
  • Gleichschaltung zur Ganzheit – Gab es eine Psychosomatik im Nationalsozialismus? In: Richter, H.-E. & Wirsching, M. (Hrsg.), (S. 83–103). Zusammen mit Ludger Hermanns. Fischer Taschenbuch Verlag. Frankfurt a. M. 1991.
  • Der Missbrauch von Geschichte als transgenerationelles Traumatisierungsphänomen. Psyche - Z Psychoanal 46: 392-403. 1995.
  • Ernst Simmel – ein Pionier der Psychotherapeutischen Medizin? Psychotherapeut 41: 107-115. 1996.
  • Looking back on low back pain: trial and error of diagnoses in the 20th century. Spine 28 (16): 1899–1905. Zusammen mit Gabriele Lutz und Martin Butzlaff. 2003
  • Magical Ideation – Defense Mechanism or Neuropathology? A study with Multiple Sclerosis Patients. Psychopathology 37, 141-144. Zusammen mit Bert te Wildt. 2004.
  • Mentalisierungsgestützte Gruppenpsychotherapie. Zur Veränderung therapeutischer Interventionsstile. Gruppenpsychother Gruppendynamik 44: 135-149. 2008.
  • Das Gehirn in der Gruppe oder die Gruppe im Gehirn – Zur Neurobiologie des Mentalisierens in Gruppenpsychotherapien. Gruppenpsychother. Gruppendynamik 47: 111-140. 2011.
  • Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT) für Persönlichkeitsstörungen - ein (neues) Paradigma für behaviorale und psychodynamische Psychotherapien? Zusammen mit Tanja Brand, Sebastian Euler und Sarah Fuhrländer. Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie 163 (5): 179-186. 2012.
  • Lehrbuch Mentalisieren – Psychotherapien wirksam gestalten. Klett-Cotta. Stuttgart. 2013 [2015], 3. überarb. Aufl. ISBN 978-3-608-94544-7.
  • Psychodynamische versus mentalisierungsbasierte Gruppenpsychotherapie – Versorgungsforschung in einer Tagesklinik. Zusammen mit Tanja Brand, Elke Barzynski, Sarah Fuhrländer und Dagmar Hecke. Gruppenpsychother Gruppendynamik 49: 350 – 369. 2013.
  • Therapieeffekte mentalisierungsbasierter und psychodynamischer Gruppenpsychotherapie in einer randomisierten Tagesklinik-Studie. Zusammen mit Tanja Brand, Dagmar Hecke und Christian Rietz. Gruppenpsychother Gruppendynamik 52: 156-174. 2016.
  • Prozess-Outcome-Studie zum Gruppenklima in psychodynamischer und mentalisierungsbasierter Gruppenpsychotherapie in einem tagesklinischen Setting. Zusammen mit Dagmar Hecke, Tanja Brand, Christian Rietz. Gruppenpsychother Gruppendynamik 52: 175-192.
  • Ernst Simmel oder die Psycho-Klinik der Zukunft. Zusammen mit Ludger Hermanns. In: Andrea Geisthövel, Bettina Hitzer (Hrsg.): Auf der Suche nach einer anderen Medizin – Psychosomatik im 20. Jahrhundert. S. 124-132. Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. 2019.
  • Mentalisierungsbasierte (MBT) und Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP). Neue Ansätze für die Weiterentwicklung der Tiefenpsychologischen Psychotherapie (TP). Zusammen mit Mathias Lohmer. Psychodynamische Psychotherapie, 19 (2), S. 138–152. 2020.
  • Zur Weiterbildung in psychodynamischer Psychotherapie. Zusammen mit Paul L. Janssen, Wolfgang Schneider. PdP - Psychodynamische Psychotherapie, 2, S. 153–164. 2021.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Klett-Cotta – Ulrich Schultz-Venrath Biographie, Bücher, Informationen. Abgerufen am 6. September 2021.
  2. Med. Diss. FU Berlin 1983
  3. Chef der Psychiatrie: Leib und Seele als Einheit sehen. 10. März 2014, abgerufen am 6. September 2021 (deutsch).
  4. Robert Schäfer: Professor Dr. med. Ulrich Schultz-Venrath: Nach 20 Jahren beendet er Tätigkeit am EVK. 23. Januar 2019, abgerufen am 6. September 2021 (deutsch).
  5. Klett-Cotta – Ulrich Schultz-Venrath Biographie, Bücher, Informationen. Abgerufen am 6. September 2021.