Astemizol

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Strukturformel
Strukturformel von Astemizol
Allgemeines
Freiname Astemizol
Andere Namen

1-(4-Fluorbenzyl)-N-{1-[2-(4-methoxyphenyl)ethyl]-4-piperidyl}-1H-benzimidazol-2-ylamin (IUPAC)

Summenformel C28H31FN4O
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 68844-77-9
EG-Nummer 272-441-9
ECHA-InfoCard 100.065.837
PubChem 2247
ChemSpider 2160
DrugBank DB00637
Arzneistoffangaben
ATC-Code

R06AX11

Wirkstoffklasse

Antiallergikum

Wirkmechanismus

H1-Rezeptor-Antagonist

Eigenschaften
Molare Masse 458,57 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

149,1 °C[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [2]

Achtung

H- und P-Sätze H: 315​‐​319​‐​335
P: 261​‐​305+351+338 [2]
Toxikologische Daten
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Astemizol ist ein Antihistaminikum der zweiten Generation. Es gehört zu den Arzneimitteln, die zur symptomatischen Behandlung von Allergien verwendet werden. Gegenüber den Antihistaminika der ersten Generation soll es geringere Nebenwirkungen aufweisen, da es nicht die Blut-Hirn-Schranke in das Zentralnervensystem (ZNS) zu überwinden vermag. Astemizolhaltige Medikamente wurden erstmals 1984[4] zugelassen. Heute ist es in den meisten Ländern nicht mehr im Handel, da es in seltenen Fällen zu starken Wechselwirkungen mit Hemmern des Enzyms CYP3A4 kommen kann. In Deutschland und Österreich war es unter dem Markennamen Hismanal erhältlich.

Pharmakologie

Wirkweise und Pharmakokinetik

Das oral verabreichte Astemizol ist ein kompetitiver Antagonist des Histamins am H1-Rezeptor und besitzt eine anticholinerge und antipruritische (juckreizmindernde) Wirkung. Es bindet an H1-Rezeptoren im Magen-Darm-Trakt, im Uterus, in Blutgefäßen und in der Bronchialmuskulatur. Darüber hinaus kann es auch zu Interaktionen mit H3-Rezeptoren kommen, woraus negative Nebenwirkungen resultieren können. Astemizol wirkt zudem als FIASMA (funktioneller Hemmer der sauren Sphingomyelinase).[5]

Astemizol wird rasch vom Magen-Darm-Trakt absorbiert; es hat eine Halbwertszeit von ca. 24 Stunden; seine Proteinbindung beträgt etwa 96 %. Die Ausscheidung erfolgt mit dem Kot.

Nebenwirkungen

Die seltenen, aber dafür umso heftigeren Nebenwirkungen, die zu drastischen Verminderung der weltweiten Verwendung von Astemizol geführt haben, sind primär kardiotoxischer Natur. Sie beruhen auf der gleichen Problematik wie bei Terfenadin: Da für die Biotransformation des Astemizol (wie auch des Terfenadin) das CYP3A4 eine wichtige Rolle spielt, kommt es bei einer Hemmung dieses Enzyms – etwa nach entsprechender Medikamentengabe – zu Störungen des Astemizol-Stoffwechsels. In einem solchen Falle steigt dessen Konzentration an, und es kann zu einer Blockade der Kaliumkanäle im Herzmuskel kommen. Diese Blockade kann die Repolarisation der Herzzellen stören, was wiederum im EKG eine Verlängerung der QT-Zeit mit der möglichen Entwicklung einer Torsades-de-pointes-Tachykardie mit sich bringt. Dieser Effekt ist bei Patienten, die ohnehin bereits an Leberschäden oder QT-Verlängerung leiden, umso verheerender. Das Deutsche Ärzteblatt berichtete in einer Ausgabe 1997:

„Im Rahmen der breiten, weltweiten Anwendung wurden für Terfenadin und Astemizol ab Ende der achtziger Jahre einzelne Verdachtsfälle schwerwiegender lebensbedrohlicher kardiotoxischer Nebenwirkungen berichtet. Dabei sind Herzrhythmusstörungen, QT-Verlängerungen, Torsades de pointes, ventrikuläre Arrhythmien, Kammerflimmern, Synkopen, Herzstillstand sowie Todesfälle aufgetreten. In diesen Fällen lagen überwiegend klinisch signifikante Leberfunktionsstörungen, Herzerkrankungen, gleichzeitige Anwendung der o. g. Makrolidantibiotika oder Antimykotika oder Überdosierungen vor. Seit 1986 bis jetzt liegen dem BfArM aus Deutschland für Terfenadin fünf Verdachtsfälle und für Astemizol ein Verdachtsfall von Torsade de pointes vor. Darüber hinaus ist in je einem Fall ein tödlicher Ausgang gemeldet worden.“[4]

Forschung

In Konzentrationen von 200 nM blockiert Astemizol den spannungsgesteuerten Kaliumionenkanal Eag1 (KV10.1),[6] der von etwa 70 % der bekannten Tumorarten exprimiert wird.[7] Diesen Kanal zu blockieren stört die Proliferation der Tumorzellen und somit könnte Astemizol für die Tumortherapie eingesetzt werden.[8]

Einzelnachweise

  1. Eintrag zu Astemizol. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 11. November 2014.
  2. a b Datenblatt Astemizole bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 21. März 2011 (PDF).
  3. a b Eintrag zu Astemizole in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM)
  4. a b Deutsches Ärzteblatt 94, Ausgabe 18 vom 2. Mai 1997.
  5. Kornhuber J, Muehlbacher M, Trapp S, Pechmann S, Friedl A, Reichel M, Mühle C, Terfloth L, Groemer T, Spitzer G, Liedl K, Gulbins E, Tripal P: Identification of Novel Functional Inhibitors of Acid Sphingomyelinase. In: PLoS ONE. 6, Nr. 8, 2011, S. e23852. doi:10.1371/journal.pone.0023852.
  6. R. E. García-Ferreiro, D. Kerschensteiner, F. Major, F. Monje, W. Stühmer, L. A. Pardo: Mechanism of block of hEag1 K+ channels by imipramine and astemizole. In: The Journal of general physiology. Band 124, Nummer 4, Oktober 2004, S. 301–317, doi:10.1085/jgp.200409041, PMID 15365094, PMC 2233905 (freier Volltext) .
  7. A. M. Jiménez-Garduño, M. Mitkovski, I. K. Alexopoulos, A. Sánchez, W. Stühmer, L. A. Pardo, A. Ortega: KV10.1 K(+)-channel plasma membrane discrete domain partitioning and its functional correlation in neurons. In: Biochimica et Biophysica Acta. Band 1838, Nummer 3, März 2014, S. 921–931, doi:10.1016/j.bbamem.2013.11.007, PMID 24269539.
  8. J. García-Quiroz, J. Camacho: Astemizole: an old anti-histamine as a new promising anti-cancer drug. In: Anti-Cancer Agents in Medicinal Chemistry. Band 11, Nummer 3, März 2011, S. 307–314, PMID 21443504.