Altrussisches Volk

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Das altrussische Volk (russisch Древнерусская народность, ukrainisch Давньоруська народність) wird einer Konzeption zufolge als eine einheitliche Ethnie angesehen, die sich aus ostslawischen Stämmen in der Kiewer Rus herausbildete. Die mongolische Invasion der Rus führte zum Zusammenbruch des Reiches von Kiew, dessen Nachfolgereiche (im Westen von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, im Osten bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts)[1] unter die Herrschaft der Goldenen Horde fielen. In dieser Zeit entfremdete sich Russland zunehmend gegenüber dem Rest des westlichen Kulturkreises, und es erfolgte die Herausbildung der Russen, Belarussen und Ukrainer (Kleinrussen).

Die Grundlagen für diese Theorie wurden von Sergei Tokarew gelegt und von Boris Rybakow und Pjotr Tretjakow weiterentwickelt.

Als Merkmale der ethnischen Zusammengehörigkeit wurden die Benutzung einer gemeinsamen altrussischen Sprache, enge regionale politische und wirtschaftliche Verbindungen, eine gemeinsame geistige und materielle Kultur, eine gemeinsame russisch-orthodoxe Religion, gleiches Recht, Bräuche, Traditionen und Kriegswesen, ein gemeinsamer Kampf gegen äußere Feinde sowie das in den Quellen abgebildete Bewusstsein der Zusammengehörigkeit der Rus. Bereits ab der Mitte des 12. Jahrhunderts verschwinden die alten Stammesbezeichnungen aus den Quellen vollständig, es ist nur noch von den „russischen Menschen“ die Rede. Dies ist besonders vor dem Hintergrund der feudalen Spaltung bemerkenswert, die zu dieser Zeit einsetzte, sowie vor dem Hintergrund der riesigen Entfernungen, die eine Integration erschwerten. Eine Differenzierung der Ostslawen wird in den Quellen dieser Zeit nur in Bezug auf die wechselnde politische Landschaft vorgenommen und drückt kein ethnisches Bewusstsein aus. Regionale Unterschiede in der materiellen Kultur sind unzureichend, da sie von ihren Trägern offenbar nicht als Merkmale einer besonderen eigenen Ethnie empfunden wurden. Nicht zuletzt verweisen die Vertreter der Konzeption des altrussischen Volkes auf komparative Untersuchungen mit anderen Ländern und Regionen Europas (Deutschland, Frankreich, Skandinavien, Polen), die ein größeres gemeinsames ethnisches Bewusstsein in der Rus in dieser Epoche demonstrieren.

Literatur

  • Третьяков, П.Н. У истоков древнерусской народности, «Наука», 1970
  • Лебединский, М.Ю. К вопросу об истории древнерусской народности. Москва, 1997
  • Седов, В.В. Древнерусская народность. М.: Языки русской культуры, 1999
  • Толочко, П.П. Древнерусская народность: воображаемая или реальная. – СПб.: Алетейя, 2005

Einzelnachweise

  1. Carsten Goehrke: Russland. Eine Strukturgeschichte. Schöningh Verlag, Paderborn 2010, ISBN 978-3-506-76763-9. S. 16.