Edelkrebs in der Medizingeschichte

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Li.: Hortus sanitatis 1491 Cancer. Re.: Conrad Gessner Icones animalium 1560 Astacus fluviatilis

Edelkrebs in der Medizin. Der im ersten Jahrhundert in Rom lebende griechische Arzt Dioskurides empfahl die Asche der gerösteten Edelkrebse als Mittel gegen den Biss eines tollwütigen Hundes und mit Honig vermischt als Mittel zur Wundheilung. Die roh zerriebenen Krebse sollten zusammen mit Eselsmilch eingenommen bei Schlangen- und Spinnenbissen sowie bei Skorpionstichen zur Heilung verhelfen. Mit Fleischbrühe gekocht verordnete er die Krebse bei allgemeiner Schwäche. Der römische Enzyklopädist Plinius schöpfte aus denselben Quellen wie Dioskurides und er zählte für den Flusskrebs die gleichen Heilanwendungen auf wie dieser. Diese Aufzählung von Heilanwendungen wurde leicht variiert bis in die Neuzeit weitergegeben.[1][2][3][4][5][6][7][8][9][10][11][12][13][14][15][16]

Heilkundlich verwendet wurden auch das Blut des Krebses („Krebssaft“) und die Krebssteine bzw. Krebsaugen, kalkhaltige Konkremente im Magen des Flusskrebses, die zum jährlichen Aufbau des Panzers dienen sollen.[17] Hildegard von Bingen schrieb im 12. Jahrhundert in ihrer Abhandlung über einfache Heilmittel, dass im Kopf des Krebses ein Gebilde namens „Krebesmar“ gefunden werde, das mit Butter vermengt auf die Haut aufgetragen Pusteln und Geschwüre beseitige.[18] Im 14. Jahrhundert berichtete Konrad von Megenberg, im Kopf des alten Krebses würden zwei weiße Steine gefunden, die rötlich verfärbt seien und etliche würden berichten, wenn man diese Steine in Wasser einnehme, so würden sie Herzschmerzen vertreiben.[19] Der französische Chemiker Nicolas Lémery beschrieb am Ende des 17. Jahrhunderts die Krebssteine:

„In den Flußkrebßen wachsen unmittelbar unter dem Kopfe, unweit des Magens zwey Steine, welche so dicke sind, wie Erbsen, platt und rund, auf einer Seite wie ausgehöhlt, am Boden ungleich oder rauhe, an der andern Seite runderhaben und polirt, sehen einiger massen aus als wie ein Auge, wiewol sie keine sind, indem das Thier seine Augen, wie gewöhnlich, an dem Kopfe hat“.[20]

Als Indikation gab Lémery an, die Steine würden Säure dämpfen sowie Durchfall und Erbrechen mildern. Diese Indikationen wurden allgemein übernommen und die Krebsaugen bzw. Krebssteine wurden noch 1829 im Preußischen Arzneibuch aufgeführt.[21][22][23][24]

Einzelnachweise

  1. Pedanios Dioskurides. 1. Jh.: De Medicinali Materia libri quinque. Übersetzung. Julius Berendes. Des Pedanius Dioskurides Arzneimittellehre in 5 Büchern. Enke, Stuttgart 1902, S. 156 (Buch II, Kapitel 12): Krebse (Digitalisat)
  2. Plinius der Ältere, 1. Jh.: Naturalis historia Buch XXXII, Kapitel xix (§ 53–55): Cancri fluviatiles (Digitalisat); Übersetzung Külb 1855 [ (Digitalisat)]
  3. Galen, 2. Jh. De simplicium medicamentorum temperamentis ac facultatibus, Buch XI, Kapitel 24 (nach der Ausgabe Kühn 1826, Band XII, S. 356): De cancris ustis (Digitalisat)
  4. Avicenna, 11. Jh.: Kanon der Medizin. Übersetzung und Bearbeitung durch Gerhard von Cremona, Arnaldus de Villanova und Andrea Alpago (1450–1521). Basel 1556, Band II, Kapitel 150–151: Cancer fluvialis. Cancer marinus (Digitalisat)
  5. Pseudo-Serapion 13. Jh., Druck. Venedig 1497, Blatt 161v–162r (No CCCCXXXII): Cancer (Digitalisat)
  6. Charles Victor Daremberg und Friedrich Anton Reuß (1810–1868). S. Hildegardis Abbatissae Subtilitatum Diversarum Naturarum Creaturarum Libri Novem. Physica, Buch V, Kapitel 32: Cancer. Migne, Paris 1855. Sp. 1282 (Digitalisat)
  7. Konrad von Megenberg, 14. Jh.: Buch der Natur. Ausgabe. Franz Pfeiffer. Aue, Stuttgart 1861, S. 248 (III/D8): Krebz (Digitalisat)
  8. Herbarius Moguntinus, Mainz 1484, Teil II, Kapitel 80: Cancer (Digitalisat)
  9. Gart der Gesundheit. Mainz 1485, Kapitel 143: Cancer. Krebsch (Digitalisat)
  10. Hortus sanitatis 1491, Mainz 1491, Teil IV (De piscibus), Kapitel 16: Cancer (Digitalisat)
  11. Hieronymus Brunschwig: Kleines Destillierbuch, Straßburg 1500, Blatt 67v–68r: Krebs (Digitalisat)
  12. Nicolas Lémery: Dictionnaire universel des drogues simples., Paris 1699, S. 140–141: Cancer (Digitalisat); Übersetzung. Vollständiges Materialien-Lexicon. Zu erst in Frantzösischer Sprache entworffen, nunmehro aber nach der dritten, um ein grosses vermehreten Edition [...] ins Hochteutsche übersetzt / Von Christoph Friedrich Richtern, [...]. Leipzig: Johann Friedrich Braun, 1721, Sp. 219–221: Cancer (Digitalisat)
  13. Albrecht von Haller (Herausgeber): Onomatologia medica completa oder Medicinisches Lexicon das alle Benennungen und Kunstwörter welche der Arzneywissenschaft und Apoteckerkunst eigen sind deutlich und vollständig erkläret [...]. Gaumische Handlung, Ulm/ Frankfurt am Main/ Leipzig 1755, Sp. 275–276: Cancer. Ein Krebs. Sp. 277–280: Cancrorum lapides. Krebsaugen. Krebssteine. Sp. 280–283: Cancrorum oculi. Krebsaugen (Digitalisat)
  14. August Friedrich Hecker’s practische Arzneimittellehre. Revidiert und mit neuesten Entdeckungen bereichert von einem practischen Arzte. Camesius, Wien, Band II 1815, S. 458: Lapides Cancrorum. Oculi Cancrorum (Digitalisat)
  15. Jonathan Pereira’s Handbuch der Heilmittellehre. Nach dem Standpunkte der deutschen Medicin bearbeitet von Rudolf Buchheim. Leopold Voß, Leipzig 1846–48, Band II 1848, S. 859: Krebsaugen. Krebssteine (Digitalisat)
  16. Theodor Husemann: Handbuch der gesammten Arzneimittellehre. Springer, Berlin 2. Aufl. 1883, S. 401: Krebsteine (Digitalisat), S. 727: Krebse (Digitalisat)
  17. Vgl. etwa Karl-Heinz Weimann: Die deutsche medizinische Fachsprache des Paracelsus. Philosophische Dissertation, Erlangen 1951, S. 367 f.
  18. Charles Victor Daremberg und Friedrich Anton Reuß (1810–1868). S. Hildegardis Abbatissae Subtilitatum Diversarum Naturarum Creaturarum Libri Novem. Physica, Buch V, Kapitel 32: Cancer. Migne, Paris 1855. Sp. 1282 (Digitalisat)
  19. Konrad von Megenberg, 14. Jh.: Buch der Natur. Ausgabe. Franz Pfeiffer. Aue, Stuttgart 1861, S. 248 (III/D8): Krebz (Digitalisat)
  20. Nicolas Lémery: Dictionnaire universel des drogues simples., Paris 1699, S. 140–141: Cancer (Digitalisat); Übersetzung. Vollständiges Materialien-Lexicon. Zu erst in Frantzösischer Sprache entworffen, nunmehro aber nach der dritten, um ein grosses vermehreten Edition [...] ins Hochteutsche übersetzt / Von Christoph Friedrich Richtern, [...]. Leipzig: Johann Friedrich Braun, 1721, Sp. 219–221: Cancer (Digitalisat)
  21. Carl Wilhelm Juch: Pharmacopoea Borussica oder Preußische Pharmakopoe. Aus dem Lateinischen übersetzt, und mit Anmerkungen und Zusätzen begleitet von Dr. Carl Wilhelm Juch. Stein, Nürnberg 1805, S. 86–87: Lapides Cancrorum. Krebssteine (Digitalisat)
  22. Carl Wilhelm Juch: Pharmacopoea Borussica, 5. Ausgabe 1829, S. 27: Cancer. Lapides. Krebssteine (Digitalisat)
  23. Mirko D. Grmek, Danièle Guinot: Les crustacés dans la matière médicale européenne au XVIe siècle. In: Revue d’Histoire des Sciences 18, 55–71 (1965) (Digitalisat)
  24. Wolfgang Schneider: Lexikon zur Arzneimittelgeschichte: Sachwörterbuch zur Geschichte der pharmazeutischen Botanik, Chemie, Mineralogie, Pharmakologie, Zoologie. Govi Verlag, Frankfurt am Main 1968 bis 1975. Band 1: Tierische Drogen, S. 25 (Digitalisat)