Friedrich Karl Vialon

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Friedrich Karl Vialon (* 10. Juli 1905 in Frankfurt am Main; † 8. April 1990 in Bonn[1]) war ein deutscher Jurist. Von 1937 bis 1945 und wieder von 1950 bis 1967 arbeitete er in verschiedenen deutschen Regierungsorganisationen, zuletzt als Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. 1933 NSDAP-Mitglied geworden, war er unter anderem 1942 bis 1944 im Reichskommissariat Ostland mit der „Sicherung jüdischer Vermögenswerte“ betraut.

Leben

Vialon, Sohn eines Kaufmanns, besuchte ein humanistisches Gymnasium und schloss seine Schullaufbahn 1924 mit dem Abitur ab. Anschließend studierte er Rechtswissenschaften und promovierte mit der 1928 erschienenen Dissertation Die Legitimation durch nachfolgende Ehe: In rechtsvergl. Darst. m. bes. Berücks. d. dt., frz., engl. u. schweizer. Rechts zum Dr. jur. Vialon schloss das Jurastudium 1930 mit dem zweiten juristischen Staatsexamen ab. Danach betätigte er sich als Gerichtsassessor an Amts- und Landgerichten sowie als Staatsanwalt. Ab 1935 war Vialon am Oberlandesgericht Karlsruhe beschäftigt und dort bei der Abteilung Organisation und Personal als Sachbearbeiter tätig. Im Juni 1937 wechselte Vialon ins Reichsfinanzministerium, wo er hauptsächlich in der Abteilung Haushalt beschäftigt war.[2]

Vialon war im Mai 1933 der NSDAP beigetreten und gehörte zudem der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, dem Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund, dem Reichsbund der Deutschen Beamten, dem Nationalsozialistischen Altherrenbund sowie dem Reichskolonialbund an.[3]

Zweiter Weltkrieg

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Vialon am 1. September 1939 zur Wehrmacht eingezogen.[2] Ab Juli 1940 bis Dezember 1940 war er wieder für das Reichsfinanzministerium als Beauftragter des Reichsfinanzministers in den westlichen Wiederaufbaugebieten tätig und danach als Referent für verschiedene Länderhaushalte. Ab Anfang Mai 1942 war er als Regierungsrat in Riga Leiter der Finanzabteilung im Reichskommissariat Ostland. In dieser Funktion war Vialon mit der „Sicherung der jüdischen Vermögenswerte“ beauftragt.[3] Vialon ließ Möbel, Edelmetalle, Kleidung und andere Wertgegenstände sammeln und registrieren und ordnete in einer Weisung vom 27. August 1942 an, dass auch die „Ausnutzung der Arbeitskraft der Juden“, […] „als angefallenes Vermögen gilt“.[4] Vialon, der 1942 zum Regierungsdirektor und 1944 zum Ministerialrat befördert wurde, bekleidete diesen Posten bis Oktober 1944.[1] Auf die am 21. Juni 1943 erlassene Weisung von Reichsführer SS Heinrich Himmler „alle im Gebiet Ostland noch in Gettos vorhandenen Juden in Konzentrationslagern zusammenzufassen“ verfasste Vialon eine Geheimverfügung:

„So wird z. B. ein kleiner Teil des bisherigen Rigaer Gettos voraussichtlich zu einem Konzentrationslager umgestaltet, in dem Werkstätten-Betriebe wehrwichtige Aufträge erledigen ... Die Leitung dieses zu errichtenden KZ soll nach meinem Wunsch vom Generalkommissar Riga übernommen werden ... Der finanzielle Ertrag soll, wie bisher, meinem Haushalt zufließen.“[5]

Vialons Intervention blieb jedoch erfolglos. Im Februar 1944 führte er auf einer Konferenz in Riga aus, dass das Reichskommissariat Ostland nun hoch verschuldet sei:

„Aus dem Judenvermögen hat das Ostland durch Veräußerung von Mobiliar usw. einen Erlös von rund viereinhalb Millionen, aus der Verwertung der Judenarbeit einen Erlös von fünfeinhalb Millionen Mark gehabt. Dadurch, daß die Gettos nunmehr aufgelöst und von der SS beschlagnahmt sind, fällt natürlich auch ein wesentlicher Gewinn des Ostlands fort.“[6]

Anschließend war Vialon wieder kurzzeitig für das Reichsfinanzministerium tätig. Im Januar 1945 wurde er erneut der Wehrmacht zugeteilt. Bei Kriegsende geriet er im Mai 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er bereits im Sommer 1945 entlassen wurde.[1]

Nach dem Ende des Nationalsozialismus

Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft war Vialon als Wirtschafts- und Steuerberater tätig und leitete von 1949 bis 1950 einen mittelständischen Textilbetrieb. Im März 1950 trat Vialon in das Bundesfinanzministerium ein und leitete dort zunächst verschiedene Referate. 1951 wurde er zum Ministerialrat, 1954 zum Ministerialdirigenten und 1956 zum Ministerialdirektor befördert.[1] Im Oktober 1957 wurde er in den einstweiligen Ruhestand versetzt, nachdem Franz Etzel Bundesfinanzminister geworden war. 1958 erneut berufen, war Vialon bis 1962 Ministerialdirektor im Bundeskanzleramt, wo er die Abteilung II (u. a. Wirtschaft, Landwirtschaft, Soziales und Verkehr) leitete.[7] Danach wurde er Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit unter Minister Walter Scheel.[3] Mit dem Amtsantritt von Minister Hans-Jürgen Wischnewski wurde Vialon wieder in den einstweiligen Ruhestand versetzt.[8] Zusätzlich war Vialon ab 1959 Dozent sowie ab 1961 Honorarprofessor für Öffentliches Finanzrecht an der Universität Saarbrücken.[3] Vialon war Mitherausgeber der Fachzeitschrift Die öffentliche Verwaltung und begründete 1962 den Verwaltungsrat des ZDF mit, dem er bis 1964 angehörte.

In dem Prozess zu den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen gegen den ehemaligen SS-Hauptsturmführer Georg Heuser wurde Vialon als Zeuge gehört. Vialon gab sich in diesem Verfahren ahnungslos über seine frühere Tätigkeit als Leiter der Finanzabteilung im Reichskommissariat Ostland, die allen Bundesregierungen, die ihn seit 1950 wieder als hohen Beamten beschäftigten und beförderten, bekannt war. Er stritt nun mit Verweis auf seine Tätigkeit als Haushaltsspezialist ab, je vor dem NS-Ende von den Massenverbrechen mit ihren mehreren hunderttausend Opfern im Reichskommissariat etwas mitbekommen zu haben.[9][10] Auf die Frage, wo die jüdischen Vermögenswerte denn hergekommen seien, die er verwaltete, erklärte er u. a.: „Die Juden hatten ja viele Sachen im Koffer mit ins Getto gebracht.“ Er war auch für die Verwaltung der bei den Massenerschießungen anfallenden Textilien verantwortlich. Nachdem ihm ein von ihm unterschriebener "Nacktbefehl" zur Entkleidung der Erschießungsopfer vorgelegt worden war,[11] für den er die Verantwortung ablehnte, wurde ein Verfahren wegen Meineids gegen ihn eingeleitet. Die Ermittlungen wurden durch Staatsanwälte der DDR unterstützt, die der westdeutschen Justiz belastendes Aktenmaterial zur Verfügung stellten.[12] Eine Kurzvita zu Vialon ist auch im Braunbuch der DDR verzeichnet.[13] Nach jahrelangen Ermittlungen wurde Vialon 1971 vom Oberlandesgericht Koblenz vom Vorwurf des Meineids freigesprochen. Auch die Staatsanwaltschaft Bonn ermittelte gegen Vialon, in diesem Fall wegen des Verdachts auf Beihilfe zum Mord – das Verfahren wurde 1973 eingestellt.[3]

Grabstein auf dem Kessenicher Bergfriedhof

Vialon lebte seit 1950 in Bonn-Kessenich. Sein Grab befindet sich auf dem Kessenicher Bergfriedhof.[14]

Literatur

  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. 2., aktualisierte Auflage. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8.
  • Dagmar Pöpping (Bearbeiter): Die Protokolle des Rates der evangelischen Kirche in Deutschland, Bd. 5: 1951, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005, ISBN 3-525557-58-2.
  • Alexander Friedman, Wolfgang Müller: Nazi-Professor in Saarbrücken. Der Fall Friedrich Karl Vialon (1905–1990). In: OPUS – Das Kulturmagazin der Großregion im Herzen Europas, Jg. 10, Heft 60, März/April 2017, S. 137 (Publikation aus dem Archiv der Universität des Saarlandes).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d Dagmar Pöpping (Bearbeiter): Die Protokolle des Rates der evangelischen Kirche in Deutschland. Band 5: 1951, Göttingen 2005, S. 615.
  2. a b Friedrich Karl Vialon im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
  3. a b c d e Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Frankfurt am Main 2007, S. 640.
  4. Dokument VEJ 7/249 in: Bert Hoppe, Hiltrud Glass (Bearb.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945 (Quellensammlung) Band 7: Sowjetunion mit annektierten Gebieten I – Besetzte sowjetische Gebiete unter deutscher Militärverwaltung, Baltikum und Transnistrien. München 2011, ISBN 978-3-486-58911-5, S. 649–652 / Zeitgeschichte: Vialon – In den Ghettos gesammelt. In: Der Spiegel, Ausgabe vom 9. Oktober 1963, Nummer 41, S. 129.
  5. Vialon am 31. Juli 1943 an den Generalkommissar. Zitiert bei: Affären. Vialon. Am Stehpult, In: Der Spiegel, Ausgabe 21 vom 21. Mai 1965, S. 30
  6. Vialon im Februar 1944 auf einer Konferenz in Riga. Zitiert bei: Justiz – Vialon – Gewinn des Ostlands. In: Der Spiegel, Ausgabe vom 6. November 1967, Ausgabe 46, S. 100.
  7. Hans Booms, Konrad Reiser, Bundesregierung, Bundesarchiv: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Band 17 – 1964. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2007, S. 575f.
  8. Justiz - Vialon - Gewinn des Ostlands, Der Spiegel, Ausgabe 46/1967 vom 6. November 1967, S. 100
  9. Vialon. Am Stehpult, Der Spiegel, 18. Mai 1965.
  10. Hans Schueler, Log Vialon? In Koblenz begann der Meineidsprozeß gegen den Staatssekretär i. R., in: Die Zeit, 16. April 1971.
  11. Jürgen Glückel, Klassenfoto mit Massenmörder: Das Doppelleben des Artur Wilke, Göttingen 2020.
  12. Siehe: ardmediathek, Koblenzer Staatsanwälte ermitteln gegen Staatssekretär Vialon: [1].
  13. Kurzvita im Braunbuch der DDR: Vialon, Friedrich Karl – Buchhalter der SS-Mörder (Memento vom 18. Januar 2008 im Internet Archive)
  14. Dieter Partzsch: Sie lebten einst in Kessenich. Bonn, 1997, S. 136