Bedrohung durch Stereotype

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Bedrohung durch Stereotype (engl.

stereotype threat

) ist die Angst von Mitgliedern einer sozialen Gruppe, ihr Verhalten könnte ein negatives Stereotyp gegen diese Gruppe bestätigen. Dadurch kann es zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung kommen, wenn nämlich diese Angst das Verhalten im Sinne des Vorurteils beeinflusst.[1] Insbesondere in Testsituationen kann sich die Angst leistungsmindernd auswirken.[2] Bedrohung durch Stereotype kann zum Beispiel Angehörige ethnischer Minderheiten und Frauen treffen.[3]

Beispiele für Bedrohung durch Stereotype

Frauen

Claude Steele ließ männliche und weibliche Studierende an einem Test der mathematischen Fähigkeiten teilnehmen. Der Hälfte der Stichprobe wurde kurz vor dem Test gesagt, dass es bei diesem Test in der Regel starke Geschlechtsunterschiede gebe. Tatsächlich schnitten die Frauen nun deutlich schlechter ab als die Männer. Die andere Hälfte der Stichprobe erhielt diese Aussage nicht. Bei dieser Gruppe gab es keine signifikanten Geschlechtsunterschiede.[2]

Ein Forschungsteam an der Harvard University hat zwei kulturell weit verbreitete Stereotype und deren Wirkung auf die Leistung in einem Mathematiktest untersucht. Die beiden untersuchten Stereotype waren zum einen die Annahme, dass Asiaten überdurchschnittlich gute mathematische Fähigkeiten besitzen und zum anderen, dass Frauen im Vergleich zu Männern minderwertige mathematische Fähigkeiten besitzen. In der Studie konnte gezeigt werden, dass asiatisch-amerikanische Frauen bei einem Mathematiktest bessere Leistungen erbrachten, wenn ihre ethnische Identität salient gemacht wurde, wohingegen sie schlechter abschnitten, wenn ihre Geschlechtsidentität aktiviert wurde.[4]

Angehörige von Nationen, die sich intellektuell als unterlegen betrachten

Stevenson, Chen und Lee konnten eine Bedrohung durch Stereotype bei US-amerikanischen Kindern nachweisen.[5] Sowohl 1980 als auch 1990 wurden Tests der mathematischen Fähigkeiten bei Kindern aus China, Japan und den USA vorgenommen. Zu beiden Zeitpunkten zeigten sich die US-amerikanischen Kinder den japanischen und chinesischen Kindern weit unterlegen. „Nur 4,1 % der chinesischen und 10,3 % der japanischen Kinder hatten (1990) so niedrige Werte wie das durchschnittliche amerikanische Kind.“[6] Als Stevenson und seine Kollegen Asiaten und Amerikaner baten, die Bedeutung von schulischem Fleiß und angeborener Intelligenz gegeneinander abzuwägen, betonten die Asiaten die Bedeutung von Fleiß, die Amerikaner die Bedeutung von Intelligenz. Dass Amerikaner glaubten, dass sie Mathematik ohnehin nicht lernen könnten und dass sie den Asiaten genetisch unterlegen wären, trug zu deren schlechtem Abschneiden bei.[7]

Nonverbale Indikatoren vs. Selbstauskunft und homosexuelle Männer

Bosson, Haymovitz und Pinel zeigten, dass es einen Unterschied geben kann zwischen selbst beschriebener Angst und durch nonverbale Indikatoren ausgedrückter Angst. Sie arbeiteten mit dem Stereotyp, dass homosexuelle Männer im Vergleich zu heterosexuellen Männern gefährlicher für Kinder seien. Die Teilnehmer füllten zunächst einen Fragebogen aus, wo neben anderen demographischen Daten bei der Hälfte auch nach der sexuellen Orientierung gefragt wurde. Danach wurden sie in ein Spielzimmer mit etwa zwanzig Vorschulkindern im Alter von vier bis sechs Jahren geschickt unter dem Bewusstsein, auf Video aufgezeichnet zu werden. Dort sollten sie fünf Minuten lang in Kontakt kommen und sich an einigen ihrer Aktivitäten beteiligen. Bei der Auswertung zeigte sich, dass die homosexuellen Männer, welche die sexuelle Orientierung angeben mussten, deutlich stärkere nonverbale Anzeichen wie etwa Herumzappeln, Auf-der-Lippe-Herumkauen, nervöses Lächeln oder Nägelkauen zeigten und sie stellten sich zudem im Umgang mit den Kindern ungeschickter an als jene, die ihre sexuelle Orientierung nicht angeben mussten. Die Selbstauskunft bei heterosexuellen Männern zeigte dagegen keine Unterschiede. Sie zeigten tendenziell etwas weniger nonverbale Anzeichen von Angst, sobald sie ihre sexuelle Orientierung angeben mussten, im Umgang mit den Kindern zeigte sich aber kein Unterschied.[8]

Mediengenerierte Stereotyp-Bedrohung

Gemäß der Stereotyp-Bedrohungstheorie wird angenommen, dass negative Stereotypen und abwertende Inhalte in den Medien die kognitiven und schulischen Leistungen von Mitgliedern der negativ dargestellten Gruppen beeinträchtigen, während Mitglieder von nicht-stereotypisierten Gruppen davon nicht betroffen sind oder sogar gegenteilige Effekte aufweisen (Stereotype-Lift-Effect).[9][10] Eine meta-analytische Untersuchung, in der insgesamt 33 Studien mitaufgenommen wurden, konnte den postulierten Zusammenhang der Stereotyp-Bedrohungstheorie bestätigen.[11] Innerhalb der Analyse wurden außerdem diverse Moderatorvariablen wie die dargestellte Gruppe, die abhängige Variable (akademische Identifikation vs. Leistung), das Medienformat (Anzeigen vs. Nachrichten vs. Unterhaltung) und die Region, in der die Studie durchgeführt wurde, identifiziert.

Aufhebung der Bedrohung durch Stereotype

Gelingt es, das negative Stereotyp mithilfe eines positiven aus dem Bewusstsein zu verdrängen, kann seine Wirkung effektiv vermindert werden. M. McGlone und J. Aronson (2006) unterzogen zwei Gruppen von Studierenden einem schwierigen mathematischen Test. In der Kontrollgruppe schnitten die Frauen signifikant schlechter ab als die Männer. Die Experimentalgruppe wurde vor dem Test daran erinnert, dass sie an einem „ausgewählten nordöstlichen College“ seien. In dieser Gruppe gab es keine Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern.[1]

Siehe auch

Literatur

  • Joshua Aronson, Diane M. Quinn, Steven J. Spencer: Stereotype threat and the academic under-performance of minorities and women. In: Janet K. Swim, Charles Stangor (Hrsg.): Prejudice. The target's perspective. Academic Press, San Diego und London 1998, ISBN 0-12-679130-9, S. 83–103

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Elliot Aronson, T. D. Wilson, R. M. Akert: Sozialpsychologie. Pearson Studium. 6. Auflage 2008. ISBN 978-3-8273-7359-5, S. 442–443.
  2. a b Claude M. Steele: A threat in the air: How stereotypes shape intellectual identity and performance. (PDF; 3,5 MB) In: American Psychologist. Band 52, Nr. 6, 1997, S. 613–629.
  3. David G. Myers: Psychologie. Springer, Heidelberg 2008, ISBN 3-540-79032-2, S. 506–508.
  4. Margaret Shih, Todd L. Pittinsky and Nalini Ambady: Stereotype Susceptibility: Identity, Salience and Shifts in Quantitative Performance. (PDF; 2,3 MB) In: Psychological Science. Band 10, Nr. 1, 1999, S. 80–83.
  5. Stevenson, H.W., Chen, C., Lee, S. Y.: Mathematics Achievement of Chinese, Japanese and American children: Ten years later Science, 259, 53-58
  6. Stevenson, zitiert nach: Richard J. Gerrig, Philip Zimbardo: Psychologie. 18. aktualisierte Auflage. Pearson Studium, München 2008, ISBN 978-3-8273-7275-8, S. 352.
  7. Richard J. Gerrig, Philip Zimbardo: Psychologie 18. aktualisierte Auflage. Pearson Studium, München 2008, ISBN 978-3-8273-7275-8, S. 352.
  8. Jennifer K. Bosson, Ethan L. Haymovitz, Elizabeth C. Pinel: When saying and doing diverge: The effects of stereotype threat on self-reported versus non-verbal anxiety, Journal of experimental social psychology, ISSN 0022-1031, 2004, Vol. 40, Nr. 2, S. 247–255
  9. Toni Schmader, Michael Johns, Chad Forbes: An integrated process model of stereotype threat effects on performance. In: Psychological Review. Band 115, Nr. 2, 2008, ISSN 1939-1471, S. 336–356, doi:10.1037/0033-295X.115.2.336, PMID 18426293, PMC 2570773 (freier Volltext).
  10. Claude M. Steele, Joshua Aronson: Stereotype threat and the intellectual test performance of African Americans. In: Journal of Personality and Social Psychology. Band 69, Nr. 5, 1995, ISSN 1939-1315, S. 797–811, doi:10.1037/0022-3514.69.5.797.
  11. Markus Appel, Silvana Weber: Do Mass Mediated Stereotypes Harm Members of Negatively Stereotyped Groups? A Meta-Analytical Review on Media-Generated Stereotype Threat and Stereotype Lift. In: Communication Research. 12. Juli 2017, ISSN 0093-6502, S. 009365021771554, doi:10.1177/0093650217715543.