Anna Maria dal Violin

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Anna Maria dal Violin (* 1696 in Venedig; † 1782 ebenda) war eine italienische Geigerin und Violinpädagogin. Sie war Schülerin von Antonio Vivaldi am Ospedale della Pietà.

Leben

Anna Maria dal Violin[1] ist in dieser Wortfolge ohne Familiennamen in den Akten des Pio Ospedale della Pietà in Venedig genannt, da sie dort wie die meisten Zöglinge als Waisenkind auferzogen wurde. Dem Internat war ein Musikkonservatorium für Mädchen angegliedert, dessen berühmteste Epoche dem Wirken des Geigenvirtuosen und Komponisten Antonio Vivaldi zu verdanken ist, dessen Schülerin Anna Maria war. Nach Michael Talbot ist Anna Maria dreimal in den Akten der Pietà erwähnt: 1712, 1720 und 1722. 1720, mit 24 Jahren, wird sie als „Maestra“ tituliert.[2] Das bedeutete, dass sie jüngeren Mädchen ihrer Schule Unterricht geben und damit Geld verdienen durfte.[3]

Sie war nicht nur Geigerin, sondern konzertierte auch mit Violoncello, Theorbe, Laute, Mandoline, Cembalo, Oboe (?) und Viola d’amore.[4] Vivaldi komponierte für sie 31 Violinkonzerte[5] und mindestens zwei Konzerte für Viola d’amore.[6] Letztere sind im Titel mit seinem Hinweis „AMore“ versehen, das bedeutet, dass Anna Maria auch auf der Viola d’amore ausführende Solistin der Konzerte war.[7]

Anna Maria trat später als Kollegin zusammen mit Vivaldi in der neuen Chiesa della Pietà auf, dieser Konzertraum machte orchestrale Mehrchörigkeit möglich, was die neue Concerto-Form begünstigte. Insgesamt lebte Anna Maria im Coro (Konservatorium) des Pio Ospedale della Pietà zeit ihres Lebens, sie starb dort mit 86 Jahren.

Die Violine spielt sie auf eine Art und Weise,

ins Paradies aufsteigend,[8] der sie hört,

falls es wahr ist, dass in jener Sphäre

die Engel in dieser Weise spielen.[9]

Ruhm

Unter Anna Marias Lehrer Antonio Vivaldi, der ab 1703 an der Pietà als Geigenlehrer, Komponist und maestro di concerto wirkte, wurden die Konzerte des Ospedale della Pietà ein Publikumsmagnet insbesondere für Venedigreisende.[10] Als Violinsolistin gehörte es zu ihren Aufgaben, an Samstagen und Sonntagen in den weithin bekannten Kirchenkonzerten der Ospedali Venedigs aufzutreten, dabei erlangte sie öffentliche Popularität. Im ersten bedeutenden deutschen Musiklexikon von Johann Gottfried Walther, Leipzig 1732, gehört Anna Maria zusammen mit Dorothea vom Ried, Élisabeth Jacquet de La Guerre („Jaquier“), Vittoria Raffaella Aleotti („Vittoria Aleotti“) und Barbara Strozzi („Strozza“) zu den Instrumentalistinnen und Komponistinnen mit einem Eintrag.

„›Anna Maria‹, eine Italiänerin im Hospital alla Pietà zu Venedig, welche auf der Violin ungemein wohl, so fertig, als delicat spielet.“[11]

Walther gibt als Quelle für seinen Artikel den Augenzeugenbericht eines deutschen Italienreisenden an: Des Hofraths Nemeitzens Nachlese besonderer Nachrichten von Italien, p. 61,[12] wogegen, als weiteres Beispiel, für den Artikel der Komponistin Jacquet de La Guerre ein Bericht im Pariser Mercure Galant zugrunde lag.[13] Zahlreich in Walthers Lexikon sind die Namen damals bekannter Sängerinnen.

Literatur

  • Michael Talbot: Antonio Vivaldi. Der Venezianer und das barocke Europa, Leben und Werk. Deutsche Ausgabe Stuttgart 1985 (englische Originalausgabe London und Melbourne 1978), ISBN 3-421-06285-4.
  • Michael Talbot: Anna Maria’s Partbook. In: Helen Geyer, Wolfgang Osthoff (Hg.): Musik an den Venezianischen Ospedali/Konservatorien vom 17. bis zum frühen 19. Jahrhundert. Centro tedesco di Studi Veneziani, Rom 2004, S. 23–81.
  • Micky White: Scenes from the Life of Anna Maria „dal Violin“. In: Helen Geyer, Wolfgang Osthoff (Hg.): Musik an den Venezianischen Ospedali/Konservatorien vom 17. bis zum frühen 19. Jahrhundert. Centro tedesco di Studi Veneziani, Rom 2004, S. 83–111.
  • Giancarlo Rostirolla: L’organizzazione musicale nell’Ospedale veneziano della Pietà al tempo di Vivaldi. In: Nuova Rivista Musicale Italiana. Band XIII, 1979, S. 168–195.
  • Johann Gottfried Walther: Musicalisches Lexicon oder Musicalische Bibliothec. Leipzig 1732. Neusatz herausgegeben von Friederike Ramm. Bärenreiter, Kassel 2001, ISBN 3-7618-1509-3, Artikel Anna Maria, Aleotti Vittoria, Jaquier, Ried Dorothea vom, Strozza Barbara.
  • Walter Kolneder: Lübbes Vivaldi Lexikon. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1984, ISBN 3-7857-0381-3.
  • Uta Ruscher: Fiorenza dal Violin – Schicksal eines venezianischen Findels. Lugano 2017.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. so ihr Name in Giancarlo Rostirolla: L’Organizzazione Musicale Nell’Ospedale Veneziano Della Pietà Al Tempo Di Vivaldi. In: Nuova Rivista Musicale Italiana. Band XIII, 1979, S. 168–195, hier S. 191.
  2. Talbot: Antonio Vivaldi. 1985, S. 34.
  3. Aber nur wenige Lehrerin-Schülerin-Verbindungen dieser Zeit wurden überliefert, zu diesen wenigen gehört Anna Bon di Venezia, die von einer Kollegin Anna Marias unterrichtet wurde, von „Candida dalla Viola“.
  4. Talbot: Antonio Vivaldi. 1985, S. 34 und S. 34, Anmerkung 8 (S. 294).
  5. Michael Talbot: Anna Maria's Partbook. In: Helen Geyer und Wolfgang Osthoff (Hrsg.): Musik an den Venezianischen Ospedali 2004, S. 23–81.
  6. Ryom Verzeichnis Nr. 393 und Nr. 397, s. Talbot 1985, S. 268.
  7. Talbot: Antonio Vivaldi. 1985, S. 188.
  8. wohl: dass ins Paradies aufsteigt,
  9. 2. Strophe eines zeitgenössischen anonymen Lobgedichts, anonym übersetzt (siehe „Lobgedicht“ in Weblink).
  10. Walter Kolneder: Lübbes Vivaldi Lexikon. S. 149/150.
  11. Johann Gottfried Walther: Musicalisches Lexicon oder Musicalische Bibliothec. Leipzig 1732, Neusatz: Bärenreiter 2001, S. 38.
  12. Siehe Walther 2001: Musicalisches Lexicon oder Musicalische Bibliothec. S. 38.
  13. a.c. im Decembre-Monat, p. 80. Siehe Walther 2001, S. 294.