Dorothea Schlegel

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Anton Graff: Porträt von Brendel Veit, geborener Mendelssohn (um 1790; Alte Nationalgalerie, Berlin)

Dorothea Friederike Schlegel, geboren als Brendel Mendelssohn (* 24. Oktober 1764 in Berlin; † 3. August 1839 in Frankfurt am Main[1]), seit 1814 auch von Schlegel, war eine Literaturkritikerin und Schriftstellerin der Romantik, Lebensgefährtin und spätere Ehefrau von Friedrich Schlegel. Die Tochter des jüdischen Aufklärers Moses Mendelssohn war eine der prominentesten jüdischen Frauen, die um 1800 zum Christentum übertraten.

Leben

Brendel Mendelssohn wurde am 24. Oktober 1764[2] als zweite Tochter von Moses und Fromet Mendelssohn geboren.[3] Mit vierzehn Jahren wurde sie im Jahr 1778 mit dem zehn Jahre älteren Kaufmann Simon Veit verlobt, den sie am 30. April 1783 im Alter von achtzehn Jahren heiratete. Zwischen 1787 und 1793 bekam sie vier Söhne, von denen zwei überlebten: Johannes Veit und Philipp Veit, die später zu den Mitbegründern der nazarenischen Malerschule wurden. Im Salon ihrer Freundin Henriette Herz lernte sie im Juli 1797 den jungen Friedrich Schlegel kennen, der noch im selben Jahr ihr Geliebter wurde. Friedrich Schlegels für damalige Verhältnisse skandalöser Roman Lucinde (1799) ist eine ins Programmatische ausgeweitete Darstellung ihrer freizügigen Beziehung.[4]

Am 11. Januar 1799 ließ sich das Ehepaar Veit durch ein Rabbinatsgericht scheiden. Brendel Veit erhielt das Sorgerecht für ihren jüngeren Sohn Philipp Veit unter der Bedingung, nicht wieder zu heiraten, sich nicht taufen zu lassen und ihre Kinder nicht zum Übertritt zum Christentum zu bewegen.[5] Durch die Scheidung verlor sie außerdem die Berechtigung, in Berlin zu leben.[6] Seit der Scheidung nannte sie sich Dorothea, indem sie ihren jüdischen Vornamen ablegte. Sie lebte nun frei und öffentlich mit Friedrich Schlegel zusammen. Sie zog mit ihm, seinem Bruder August Wilhelm Schlegel und dessen Frau Caroline nach Jena, um dort, wo sich mit Novalis, Ludwig Tieck und Schelling ein Zentrum der literarischen Romantik etablierte, eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft zu bilden. Dorothea wurde durch die Jenaer Gemeinschaft zum ersten Band des Romans Florentin (1801) angeregt, der anonym unter der Herausgeberschaft Friedrich Schlegels erschien und in dem sie Goethes Wilhelm Meister und Tiecks Franz Sternbalds Wanderungen nacheiferte.

1802 übersiedelte das Paar nach Paris, wo Dorothea 1804 zum Protestantismus übertrat und die Trauung mit Friedrich Schlegel vollzog. Im selben Jahr zog das Ehepaar nach Köln. In den folgenden Jahren übersetzte sie verschiedene Werke aus dem Französischen, darunter Erinnerungen wie jene der Margarete von Valois, Rittergeschichten sowie Germaine de Staëls Roman Corinna oder Italien (vier Bände, 1807), der wiederum unter dem Namen ihres Mannes als Herausgeber und Übersetzer erschien. Schlegel sollte viele Arbeiten seiner Frau sogar in seine Werkausgabe aufnehmen. Dorothea verstand sich auch selbst als Zuarbeiterin ihres Mannes und wünschte sich, „Friedrich sein Geselle zu werden“. In den von Schlegel herausgegebenen Zeitschriften erschienen zudem literaturkritische Arbeiten seiner Frau.

1808 wechselte Dorothea, noch in Köln, erneut die Religion, diesmal gemeinsam mit Friedrich Schlegel, indem beide zum Katholizismus übertraten – wofür Schlegels protestantische Familie, die diesen Religionswechsel missbilligte, sie verantwortlich machte. Die Tochter des prominenten jüdischen Vertreters der Aufklärung und Toleranz war nun gemeinsam mit ihrem zweiten Mann davon überzeugt, dass es außerhalb der katholischen Kirche kein Heil gebe, und bemühte sich, unter ihren Freunden und in ihrer Familie Proselyten zu werben, worauf sich auch ihre beiden Söhne katholisch taufen ließen. 1808 zog das Paar auch nach Wien, wo Dorothea Schlegel zeitweise Umgang mit Rahel Varnhagen von Ense – einer alten Freundin aus Berliner Tagen –, Wilhelm von Humboldt und Joseph von Eichendorff pflegte. Nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Frankfurt am Main (1816–1818), wo ihr Mann als österreichischer Diplomat beim Bundestag des Deutschen Bundes tätig war, zog das Paar 1818 nach Rom, wo Dorotheas nazarenisch gesinnte Söhne als Maler arbeiteten. Als ihr Mann 1829 starb, übersiedelte sie nach Frankfurt zu ihrem Sohn Philipp, der dort Direktor des Städelschen Kunstinstituts war.

Ihr Grab befindet sich auf dem Frankfurter Hauptfriedhof, im Gewann B, Grabnummer 180.

Ehrungen

Nach ihr ist der Dorothea-Schlegel-Platz in Berlin sowie die Dorothea-Veit-Straße in Jena-Lobeda benannt.

Werke

Literatur

  • Constantin von Wurzbach: Verweis. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 30. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1875, S. 72 (Digitalisat).
  • Franz MunckerSchlegel, Dorothea. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 31, Duncker & Humblot, Leipzig 1890, S. 372–376.
  • Bertha Badt-Strauß: Moses Mendelssohns Tochter Dorothea. In: Der Morgen, Jg. 1929/1930, Heft 3 (August 1929), S. 244–248. (Digitalisat)
  • Carola Stern: „Ich möchte mir Flügel wünschen“. Das Leben der Dorothea Schlegel. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg ISBN 3-498-06250-6, als Taschenbuch-Sonderausgabe: 1995 ISBN 3-499-13836-0
  • Margarete Susman: Frauen der Romantik. Insel, Frankfurt am Main und Leipzig 1996, ISBN 3-458-33529-3.
  • Michael Brenner, Stefi Jersch-Wenzel, Michael A.Meyer: Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit. Zweiter Band, 1780–1871. Beck, München 1996, ISBN 3-406-39703-4, S. 189 f.
  • Heike Brandstädter, Katharina Jeorgakopulos: Dorothea Schlegel, Florentin. Lektüre eines vergessenen Textes. Argument, Hamburg 2001, ISBN 3-88619-284-9.
  • Christina Ujma: Briefe aus der römischen Freiheit. Dorothea Schlegel in Italien. In: Harmony in Discord. German Writers in the Eighteenth and Nineteenth Centuries. Hrsg. v. Laura Martin, Oxford 2001, S. 45–66.
  • Elke Steiner: Die anderen Mendelssohns. Dorothea Schlegel, Arnold Mendelssohn. Reprodukt, Berlin 2004, ISBN 3-931377-96-2.
  • Carola Stern: Schlegel, Dorothea Friederike. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 42 f. (Digitalisat).
  • Christina Ujma: Unkonventionelle Italienimpressionen: Katholizismus und christliche Kunst in Dorothea Schlegels römischen Briefen. In: Mendelssohn-Studien, Bd. 17 (2011), S. 99–112.
  • Gisela Horn: Mir kann nicht genügen an dieser bedingten Freiheit. Frauen der Jenaer Romantik. Jena 2013, ISBN 978-3-00-043496-9.
  • Hazel Rosenstrauch: Simon Veit. Der missachtete Mann einer berühmten Frau. Mannheim 2019.
  • Julius H. Schoeps: Dorothea Veit/Schlegel. Ein Leben zwischen Judentum und Christentum (= Hermann Simon [Hrsg.]: Jüdische Miniaturen. Band 250). Hentrich & Hentrich Verlag, Berlin/Leipzig 2020, ISBN 978-3-95565-388-0.

Weblinks

Commons: Dorothea Schlegel – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Dorothea Schlegel – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. John F. Oppenheimer (Red.) u. a.: Lexikon des Judentums. 2. Auflage. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh u. a. 1971, ISBN 3-570-05964-2, Sp. 704.
  2. Nicht 1763, wie in älteren Schriften und auf ihrem Grabstein angegeben.
  3. So die neuere Literatur; darüber hinaus sind die Lebensdaten ihrer älteren Schwester Sara, 23. Mai 1763 – 15. April 1764, durch Moses Mendelssohns Korrespondenz zum Phädon dokumentiert.
  4. „Dorothea Schlegel. Erfinderin der romantischen Ehe“, Kalenderblatt vom 24. Oktober 2014, Deutschlandradio Kultur, abgerufen am 9. November 2014.
  5. Net-Biografie von Hannah Lotte Lund und Lebensdarstellung durch Carola Stern.
  6. Deborah Hertz: Dorothea Mendelssohn Schlegel. In: Jewish Women: A Comprehensive Historical Encyclopedia. 1. März 2009, abgerufen am 4. August 2018.