Neukarlshof

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 25. Juni 2022 um 13:57 Uhr durch imported>Thomas Dresler(530688) (Leerzeichen vor/nach Bindestrich korrigiert).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Neukarlshof ist ein Wohnplatz in der Gemeinde Neulewin, Amt Barnim-Oderbruch, Landkreis Märkisch-Oderland im Bundesland Brandenburg, unmittelbar an der Grenze zur Republik Polen.

Geographische Lage

Oderbruch

Geographisch liegt Neukarlshof im Oderbruch, einem Stromspaltungsgebiet der unteren Oder. Dieser Teil des Oderbruchs – der nördliche, tiefer liegende – wird als Niederbruch bezeichnet. Für den vierseitig umgrenzten Bereich,  durch den Oderstrom im Osten, durch die Güstebieser Alte Oder (Alte Oder) im Süden (hier liegt N.),  durch die Wriezener Alte Oder im Westen und durch die  „Insel Neuenhagen“ im Norden, wird auch der Begriff „Mittelbruch“ benutzt.

Neukarlshof liegt zwischen Karlshof (1 km westlich) und dem Beginn des Oderstromes („Neuer-Oder-Canal“) (Stromkilometer 645,8)  bei Güstebieser Loose (3,0 km östlich).

Siedlungsgeografisch ist N. als ein „Niederungshufenweiler mit Deich als Orientierungs- und Erschließungsachse und rückwärtiger Flur“ zu bezeichnen. Der Deich fasst hier die Nordseite der „Güstebieser-Alten-Oder“. Die Höhenlage beträgt ca. 6,00 bis 6,50 m über NN, bei einer Distanz zur Ostsee von ca. 130 km (Luftlinie Swinemünde).

Im Zusammenhang mit der Trockenlegung des Oderbruchs 1747 bis 1753 sind auch die Ufer der Alten Oder, die bei Gozdowice (Güstebiese) scharf nach Westen (Wriezen) abknickt („Große Krümme“) bedeicht worden (ab 1758). Erst seit der Coupierung (endgültige Absperrung der „Alten Oder“) im Jahre 1832 fließt das Oderwasser vollständig durch den „Canal“ nach Norden. Der am Ort vorbeifließende ursprüngliche Hauptarm verlandet seitdem. Ein Durchleitungsbauwerk bei der Coupierungsstelle ermöglicht es seit 2009 den Pegel der „Güstebieser Alten Oder“ durch kontrollierten Zufluss anzuheben.

Historische Lage und Infrastruktur

Historische Lage

Neukarlshof liegt im westlichsten Teil der historischen Brandenburger Neumark und ist nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Ämtern Bad Freienwalde/Oder und Barnim-Oderbruch der einzige Teil des historischen Kreises Königsberg/Neumark (jetzt poln. Choyna), der auf dem Territorium der DDR, jetzt Bundesrepublik Deutschland verblieben ist. Die Ortsnamen zeigen eine deutliche Orientierung auf das östliche, hochwassergeschützte Ufer der Oder. Die Orte dort hießen Zäckerick (poln. Siekierki), Lietzegöricke (poln. Stare Lysogorki) und  Güstebiese (poln. Gozdowice).

Verkehrliche Lage

Die verkehrliche Erschließung erfolgte ursprünglich ausschließlich über einen Weg auf der Deichkrone von Karlshof bzw. Güstebieser Loose her. Über die alte Oder waren früher in diesem Abschnitt die nächsten Brücken bzw. Fähren bei Kerstenbruch und bei Karlsbiese. Ein kleiner Pfad an der Binnenseite des Deiches wurde frühestens im Zuge des 2. Weltkrieges durch Fahrzeuge befahren, bis er in den 60er Jahren befestigt wurde. Im Jahre 2001 wurde er zu einem 2-Spur-Plattenweg (Gemeindestraße) ausgebaut. Über die Haltestelle Kerstenbruch bestand zwischen 1911 und 1966 (Einstellung ÖPV) Anschluss an das Netz der Oderbruchbahn (Fürstenwalde-Wriezen). Eine weitere mittlerweile ebenfalls eingestellte Güterbahnverbindung war die 1927 gegründete Feldbahn zum Zuckerrübentransport von Karlshof nach Kerstenbruch. Der Ort liegt unweit des Oder-Neisse-Fahrradweges (Tourismus).

Gewässerunterhaltung und Hochwasserschutz

Die Unterhaltung der Gewässer, insbesondere der Hochwasserschutz obliegt dem Gewässer- und Deichverband Oderbruch (GEDO) mit Sitz in Seelow. Er hat seinen Ursprung in der 1769 erlassenen „Königlich Preußischen Teich- und Ufer- auch Graben- und Wegeordnung in dem auf beiden Seiten der Oder, zwischen Zellin und Oderberg belegenen neu bewalleten und urbar gemachten Nieder-Bruchs“. 1947 war der Ort vom Hochwasser eingeschlossen, und teilweise überflutet (Pegel ca. 6,10 mNN). Beim Oderhochwasser 1997 wurde der Ort evakuiert, aber nicht überflutet.

Gründung und Entwicklung

Preußische Binnenkolonisation

Aus der Grenzlage (deutsch – slawisch – polnisch) und der naturräumlich bedingten, schwer beherrschbaren Abseitslage gewinnt das Oderbruch erst mit der Binnenkolonisation der Preußenkönige an Bedeutung. Nach vergeblichen Anläufen unter Friedrich Wilhelm I. erfolgt die Urbarmachung und Trockenlegung unter Friedrich II. mit der Fertigstellung des „Neuen-Oder-Canals“ ab 1753. Es entstehen zahlreiche Neugründungen. Teile der Güstebieser Feldmark wurden auf Betreiben Friedrich II. aus dem Ordensland der Johanniter herausgetrennt und im Zuge der Urbarmachung des Oderbruchs neu vergeben und aufgesiedelt.

Johannitervorwerk Karlshof

Neukarlshof ist als Folgegründung des Ortes Karlshof (Rittergut) zu verstehen. Karlshof wurde 1754/56 als Vorwerk der Johanniterkomturei Grünberg durch den Herrenmeister Markgraf Karl von Brandenburg-Schwedt (Enkel des Großen Kurfürsten) gegründet. Der vollständige Ausbau dauerte bis 1774/75. Mit dem Tode des Markgrafen Karl von Brandenburg-Schwedt (1762) fiel das Gut an die Krone zurück. Prinz August Ferdinand von Preußen (jüngster Bruder Friedrichs II.) übernahm das Gut im gleichen Jahr.

Landarbeiterkolonie Neu-Carlshoff

1769 wurde das Gut Karlshof an den Kammerrat Johann Nicolaus Johannes verpachtet. Nach der Brandkatastrophe von 1770 wurde das Gut Karlshof ab 1771/72 wiederaufgebaut und gleichzeitig östlich davon eine Kolonie für Landarbeiter des Gutes angelegt. Diese erhielt den Namen Neu-Carlshoff (Neukarlshof).

Jüngere Entwicklungsgeschichte

Über die genaue Anzahl der Bewohner oder Häuser ist nichts bekannt. Durch ein Feuer wurden alle Häuser 1820/21 zerstört. Die Ansiedlung wurde unmittelbar danach wieder aufgebaut. Aus dieser Zeit sind noch einige Gebäude erhalten. Im Haus Nr. 3 war zu Beginn des 20. Jhts. eine Schule. Heute leben in N. weniger als 20 Personen.

Am 16. April 1945 wurde die Siedlung zu Beginn der „Schlacht um Berlin“ („Kampf um die Seelower Höhen“) aus dem Brückenkopf Güstebieser Loose von polnischen Truppen (4. Schweres Panzerregiment / 1. Weißrussische Front) auf dem Weg nach Wriezen erobert. Verteidigungsstellungen im Ort führten dazu, dass einige Häuser durch Granateinwirkung stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die Bewohner flohen zuvor und treckten teilweise bis ins Mecklenburgische, kehrten aber zurück.

Siedlung und Architektur

Siedlung

Die ursprüngliche einzeilige, deichbegleitende Bauweise (der Deich ist älter als der Wohnplatz) ist nach wie vor signifikant. Von den ursprünglichen neu aufgebauten Typenhäusern aus den 1820er Jahren nach dem Brand sind mehrere Gebäude, allerdings verändert erhalten.

Die Länge des Ortes, gemessen am Deichfuß beträgt ca. 250 m. Der Schnitt der Flurstücke im östlichen Teil entspricht teilweise noch den historischen Haushälften. Die typische Größe beträgt ca. einen Morgen (0,25 ha) mit ca. 10 m Parzellenbreite bei ca. 250 m Länge. Die heutige Parzellenstruktur zeigt an zwei weiteren geographisch markanten Punkten kleinere Parzellen. Jeweils in zwei Gruppen zu 14 Einheiten, wobei eine Gruppe vor dem Deich  liegt. So wird für das Jahr 1914 von 14 Familien berichtet, die im Ort lebten.

Heute regelt eine Außenbereichssatzung die Bebaubarkeit nach §35 BauGB. Im Jahr 2020 befanden sich hier 9 Gebäude. Gewerbliche und gastronomische Infrastruktur ist nicht vorhanden.

Die kirchliche Versorgung für die evangelische Konfession erfolgt durch die ev. Kirchengemeinde Niederes Oderbruch mit Dienstsitz in Neulietzegöricke.  N. verfügt über einen eigenen Kommunalfriedhof (Bestattungsbezirk Neulewin).

Architektur

Bei den Gebäuden handelt es sich um Doppel-Querflurhäuser, die „für zwei kleine Wirte“, also für zwei Landarbeiterfamilien vorgesehen waren. Die Gesamtlänge beträgt ca. 14 m und die Breite 7,50 m. Hauptmerkmal sind die beiden, entlang der Spiegel-Quer-Achse durchgesteckten Flure, an deren Enden jeweils eine Haustür und eine Hoftür waren. Im Mittelabschnitt dieser Flure befand sich eine Rauchküche (schwarze Küche), deren beide Herdstellen einen gemeinsamen Schlot (Rauchabzug) hatten. Wegen der fehlenden Trennwand im oberen Bereich werden diese Häuser auch als "Zankhäuser" bezeichnet.

Den Konstruktionstypus bezeichnet man als  eingeschossige, zweifach ausgeriegelte Fachwerkkonstruktion von 6 Achsen unter einem kombinierten Kehlbalkendach mit doppelt stehendem Stuhl als Rähmkonstruktion. Dachform ist das Satteldach. Baustoff war Kiefernholz. Die Gefache waren mit Lehmstaken ausgefacht, später ausgemauert. Die Häuser sind auf Findlingen gegründet.

Natur und Kulturlandschaft

Das Oderbruch wird vom Bundesamt für Naturschutz als „Landschaft mit hoher Bedeutung für das natürliche und kulturelle Erbe“ und als „historisch gewachsene Kulturlandschaft/Polderlandschaft“ eingestuft, wobei weniger der Aspekt Naturlandschaft, sondern mehr der Aspekt, als  eine vom Menschen deutlich geformte  Entwässerungslandschaft /Meliorationslandschaft Hauptbewertungsmaßstab ist. Heutzutage wird die landschaftliche Situation in Neukarlshof vom Gegensatz  „historischer Flußlauf und Großschläge der Agrarindustrie“ geprägt. Für den historischen Fluss, die „Alte Oder“ ist im Bereich Neukarlshof über die Erhaltungszielverordnung „Alte Oderläufe im Oderbruch“ das Gebiet seit 2017 als „schutzwürdig und von gemeinschaftlicher Bedeutung“ definiert.

Im Juni 2022 erhielt das Oderbruch das „European Heritage Label“.

Trivia

Neukarlshof wird ohne Betonung des „o“ gesprochen, quasi wie „Neukarlshoff“. Diese Sitte soll die große Hoffnung in den landwirtschaftlichen Erfolg des Gutes Karlshof – also „hoff“ – und damit auch Neukarlshof ausdrücken. Daher war bis 1888 als Schreibweise auch   „Carlshoff“ für Karlshof gebräuchlich.

Literatur

  • Ernst Breitkreutz: Das Oderbruch im Wandel der Zeit. Ein kulturhistorisches Bild. 3 Abbildungen, 1911
  • HWRM-Plan für den deutschen Teil der IFGE Oder
  • Land Brandenburg, Ministerium für ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft: Erhaltungszielverordnung Alte Oderläufe im Oderbruch, 2017
  • S. Bacher: Kulturhistorische Landschaftselemente in Brandenburg. 1999, S. 25 und 31
  • K. Laudel: Der Typenwandel des ländlichen Wohnhauses im Oderbruch zwischen 1753 und 1850. Dissertation. Weimar 2004: Fakultät Architektur der Bauhaus-Universität Weimar
  • Volkmar Schmöke: Das brandenburgische Bauernhaus. Selbstverlag.
  • BHLA (Brandenburgisches-Haupt-Landesarchiv)

Koordinaten: 52° 45′ N, 14° 17′ O