David Kertzer

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David Kertzer 2015

David Israel Kertzer (* 20. Februar 1948) ist ein Professor für Sozialwissenschaft, Anthropologie und italienische Studien an der Brown University in Providence, Rhode Island. Er ist Mitglied der American Academy of Arts and Sciences und Pulitzer-Preisträger.

Leben

David Kertzer ist Sohn eines Rabbiners. Er studierte an der Brown University und graduierte 1969. Im Jahr 1974 wurde er in Anthropologie an der Brandeis University promoviert. Die folgenden Jahre lehrte er am Bowdoin College. 1992 wurde er Professor für Anthropologie und Geschichte an der Brown University.

Seit 1998 hat er in den vatikanischen Archiven geforscht. Als jene über das Pontifikat Pius XI. 2006 geöffnet wurden, hat er auch in der römischen Zentrale der Jesuiten und in Akten des faschistischen Regimes zum Verhältnis zwischen Papst Pius XI. und Mussolini geforscht. Im Ergebnis zeigt er deren gemeinsame Ablehnung von Demokratie, Parlamentarismus und Religionsfreiheit auf. Dabei zitiert er Pius XI., nach dessen Worten die römisch-katholische Kirche eine wahrhaft totalitäre Organisation sei.[1]

Im Jahr 2020 wurden die Vatikanischen Archive nach jahrzehntelangem Druck endlich geöffnet, David Kertzer gehörte zu den ersten Historikern mit einem Zugang. Zum Zeitpunkt des Todes von Pius XII. 1958 wurden alle Dokumente des Pontifikats gesperrt: Indem sie Forschern verschlossen blieben, blieben viele Fragen unbeantwortet, was Eugenio Pacelli zu einem der umstrittensten Päpste der Geschichte machte.

Mit zahlreichen unveröffentlichten Dokumenten deckte Kertzer im 2022 erschienenen Buch Ein Papst im Krieg[2] bereits wenige Wochen nach dem Ende des Konklaves geheime Verhandlungen zwischen Hitler und Pius XII. auf. Mitte April 1939 entsandte Hitler Prinz Philipp von Hessen, verheiratet mit Prinzessin Mafalda, Tochter des italienischen Königs Viktor Emanuel III., nach Italien. Am 11. Mai 1939 fand ein geheimes Treffen des Prinzen mit dem Papst statt, von dem Kertzer ein Protokoll fand. Pius XII. stellte Bedingungen für einen „Waffenstillstand“. Er betonte: „Ich bin sicher, wenn der Frieden zwischen Kirche und Staat wiederhergestellt ist, werden alle zufrieden sein. Das deutsche Volk eint die Liebe zum Vaterland. Sobald wir Frieden haben, werden die Katholiken loyal sein, mehr als alle andere.“[3]

Er zeigte auch, inwieweit sich Mussolini auf den italienischen Klerus und religiöse Institutionen verließ, um die Unterstützung der Bevölkerung für den Eintritt in den Krieg zu erhalten, und wie es sowohl Mussolini als auch Hitler gelang, den Papst zu ihrem eigenen Vorteil zu manipulieren. Vor allem erklärt Kertzer, warum Pius XII. trotz unwiderlegbarer Beweise für die andauernde Vernichtung der Juden die Gräueltaten der Nazis nie angeprangert hat, da er es vorzog, die Rolle des moralischen Führers aufzugeben, anstatt die Macht der Kirche aufs Spiel zu setzen.

Ehrungen

Schriften (Auswahl)

  • Comrades and Christians, religion and political struggle in Communist Italy. 1980
  • Die Entführung des Edgardo Mortara. Ein Kind in der Gewalt des Vatikans. Übersetzung Michael Müller. Hanser, München 1998, ISBN 978-3-446-19488-5.
  • Die Päpste gegen die Juden. Der Vatikan und die Entstehung des modernen Antisemitismus, Übersetzung Klaus-Dieter Schmidt. Propyläen Verlag, Berlin/München 2001, ISBN 978-3-549-07147-2
  • Der erste Stellvertreter. Papst Pius XI. und der geheime Pakt mit dem Faschismus, Übersetzung Martin Richter. Theiss Verlag, Darmstadt 2016, ISBN 978-3-8062-3382-7
  • The Pope at War: The Secret History of Pius XII., Random House, 2022, ISBN 978-0812989946

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Christ in der Gegenwart, 46/2016, S. 521f
  2. Un papa in guerra. La storia segreta di Mussolini, Hitler e Pio XII (Ein Papst im Krieg. Die geheime Geschichte von Mussolini, Hitler und Pius XII), Garzanti Mailand, Mai 2022, ISBN 88-11-00384-9.
  3. Armin Fuhrer: Neue Vatikan-Akten aufgetaucht: Papst Pius XII. ließ das Schicksal der Juden kalt. In: Focus. 3. Juli 2022, abgerufen am 3. Juli 2022.