Präsidentschaftswahl in Südossetien 2022

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Am 10. April 2022 fand der erste Wahlgang der Präsidentschaftswahlen in der international nicht anerkannten Republik Südossetien statt. Südossetien erklärte sich Anfang der 1990er Jahre von Georgien unabhängig und besteht seitdem als eigenes politisches System. Der erst seit 2008 von einigen Staaten anerkannte Staat ist eng mit Russland verwoben. Weil kein Kandidat eine absolute Mehrheit der Stimmen erreichte, kommt es zu einer Stichwahl, die zunächst für den 28. April 2022 anberaumt, später per Gerichtsentscheidung aber auf den 8. Mai 2022 verschoben wurde.[1]

Verfahren

Der Präsident Südossetiens wird für eine Amtszeit von fünf Jahren mit Option auf einmaliger Wiederwahl gewählt. Erreicht niemand in der ersten Runde die absolute Mehrheit, findet eine Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten Kandidaten statt.

Gemäß der südossetischen Verfassung muss der Präsident mindestens 35 Jahre alt und seit mindestens 10 Jahren ununterbrochen in Südossetien wohnhaft sein. Er muss nachweisen können, die beiden Amtssprachen Südossetiens (Russisch und Ossetisch) flüssig zu beherrschen.[2]

Es wurden 76 Wahllokale eingerichtet, davon vier außerhalb Südossetiens. Zwei lagen im russischen Nordossetien, eines in Moskau und eines in Suchum in Abchasien.[3]

Kandidaten

  • Anatoli Bibilow, Einiges Ossetien, amtierender Präsident (seit 2017)
  • Alan Gaglojew, Nichas, Kandidat zur Präsidentschaftswahl 2017
  • Garry Muldarow, unabhängig, Mitglied des südossetischen Parlaments (seit 2019)
  • Aleksandr Plijew, Volkspartei Südossetiens, Mitglied des südossetischen Parlaments (seit 2019)
  • Dmitrij Tasojew, unabhängig, Kandidat zur Präsidentschaftswahl 2011

Zunächst hatten zwölf weitere Personen beziehungsweise deren Organisationen eine Kandidatur eingereicht.[4] Vor der Wahl war Bibilow in die Kritik geraten, weil mehrere aussichtsreiche Gegenkandidaten nicht zur Wahl zugelassen worden waren,[5] unter ihnen Verteidigungsminister Ibrahim Gassijew und der Abgeordnete David Sanakojew. Bibilow hatte Gassijew wegen seiner geplanten Kandidatur mit der Begründung entlassen, das Ministerium solle nicht ohne Leitung sein, während Gassijew mit anderen politischen Angelegenheiten beschäftigt sei.[6] Zudem soll Bibilow beim schriftlichen Sprachtest in Ossetisch durchgefallen sein, dessen Bestehen eine Voraussetzung für die Kandidatur ist.[7]

Wahlkampf

Im Falle seiner Wiederwahl kündigte Bibilow an, in nächster Zeit ein Referendum zur Vereinigung Südossetiens mit Russland abzuhalten.[8] Da dies bereits zuvor mehrfach ohne Folgen angekündigt wurde, ordneten politischen Analysten die Ankündigung als bloßes Wahlkampfmanöver ein.[9] Bibilows Wiederwahl wurde unter anderem von Denis Puschilin (Staatschef der international nicht anerkannten Volksrepublik Donezk), Ludwig Tschibirow (erster Staatspräsident Südossetiens) und Vertretern der russischen Regierungspartei Einiges Russland empfohlen.[10] Noch kurz vor der offiziellen Kandidatur hatten Bibilows Partei und Einiges Russland eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet und der Präsident war für seine Regierungserfahrung gelobt worden, die keiner seiner Gegner mitbringen würde.[11]

In der Zeit während des Wahlkampfes fand der russische Überfall auf die Ukraine statt, in den auch Soldaten aus Südossetien entsandt wurden.[7] Gaglojew äußerte sich gegenüber einem solchen Referendum kritisch, da die öffentliche Meinung zu diesem Thema bekannt und Russland momentan „mit anderen, wichtigeren Dingen“ beschäftigt sei.[12]

Ergebnis

Da in der ersten Runde kein Kandidat eine absolute Mehrheit der Stimmen erreichte, wurde für den 28. April 2022 eine Stichwahl angesetzt.[13] In dieser traten der amtierende Bibilow sowie als Kandidat der Opposition, der von den ausgeschiedenen Kandidaten unterstützt wurde, Gaglojew an.[14][3]

Kandidat Stimmen in % +/− zu
2017
Alan Gaglojew 10.705 38,5  28,3
Anatoli Bibilow 9.706 35,0  19,8
Alexander Plijew 3.434 12,4 neu
Garry Muldarow 2.592 9,3 neu
Dimitrij Tasojew 822 3,0 neu
gegen alle 528 1,9  0,6
Wahlberechtigte 39.021 100,00
Abstimmende 28.976 74,26  5,73
Nichtwähler 10.045 25,74  5,73
Abstimmende 28.976 100,00
Gültige Stimmen 27.787 95,90  0,18
Leere oder ungültige Stimmzettel 1.189 4,10  0,18
Quelle: Südossetische Nachrichtenagentur

Alan Gaglojew hat die Stichwahl am 8. Mai 2022 gewonnen:[15] Er konnte 53,67 % der Stimmen auf sich vereinen. Die Wahlbeteiligung wurde mit 68 % angegeben.[16] Am Tag darauf räumte Bibilow seine Niederlage ein und gratulierte Gaglojew zum Sieg.[17]

Reaktionen und Bewertung

Mindestens zehn Staaten sowie die Europäische Union haben die Wahl nicht anerkannt, da sie Südossetien als Teil Georgiens ansehen. Unter diesen Staaten ist Georgien selbst, das die Wahl als „illegalen Akt Russlands“ bezeichnet, der Nachbar Aserbaidschan sowie Deutschland und die Vereinigten Staaten.[18][3] Direkt nach dem ersten Wahlgang kam es in Zchinwali zu Kundgebungen, in denen zu einer fairen Auszählung und Wahlkampf für den zweiten Wahlgang aufgerufen wurde.[14] Journalisten vor Ort führen Gaglojews Erfolg darauf zurück, dass Bibilow seine Regierungsmacht genutzt hat, um die wichtigsten Gegenkandidaten zu behindern. Die mit ihm so noch unzufriedenere Wählerschaft habe sich dann hinter Gaglojew als Protestkandidat versammelt. Daher wurde mit einem Sieg des Herausforderers in der Stichwahl gerechnet. Die Wahl selbst sei demokratisch vonstatten gegangen.[19]

Da Südossetien international fast nicht anerkannt ist, sendeten internationale Organisationen keine Wahlbeobachter. 65 inoffizielle Beobachter wurden von Staaten entsandt, die die Unabhängigkeit anerkennen. Diese meldeten keine Verstöße.[3]

Einzelnachweise

  1. S. Ossetian Runoffs Rescheduled to May 8, civil.ge, abgerufen am 27. April 2022.
  2. ЦИК Южной Осетии завершил прием документов от выдвиженцев в президенты республики, TASS (russisch), abgerufen am 10. April 2022.
  3. a b c d De-facto-Präsidentschaftswahlen im separatistischen Südossetien und internationale Reaktionen. In: Caucasus Watch. 12. April 2022, abgerufen am 18. April 2022 (englisch).
  4. Separatist South Ossetia prepares for presidential elections. In: Caucasus Watch. 22. März 2022, abgerufen am 19. April 2022 (englisch).
  5. Tskhinvali Court Dismisses Appeals of Rejected ‘Presidential’ Hopefuls, civil.ge, abgerufen am 10. April 2022.
  6. Bibilov sacked the de-facto Defence Minister of separatist Tskhinvali. In: Caucasus Watch. 6. März 2022, abgerufen am 19. April 2022 (englisch).
  7. a b
  8. Südossetien will über Beitritt zu Russland abstimmen, Deutsche Welle, abgerufen am 10. April 2022.
  9. Analysts are sceptical on South-Ossetian initiative to join Russia. In: Kawkasski Usel. Abgerufen am 4. April 2022.
  10. Russian ruling party endorsed Bibilov for re-election in separatist Tskhinvali, CaucasusWatch, abgerufen am 10. April 2022.
  11. Russian ruling party endorsed Bibilov for re-election in separatist Tskhinvali. In: Caucasus Watch. 17. Oktober 2022, abgerufen am 19. April 2022 (englisch).
  12. Tskhinvali Leadership Hopeful Shows Cautious Stance on Annexation, civil.ge, abgerufen am 11. April 2022
  13. CEC of South Ossetia schedules second round of presidential election for April 28. In: Kawkasski Usel. 14. April 2022, abgerufen am 18. April 2022 (englisch).
  14. a b Protesters in Tskhinvali call for an honest vote tabulation. In: Kawkasski Usel. 11. April 2022, abgerufen am 18. April 2022 (englisch).
  15. Silvia Stöber: Wahl in Südossetien: Denkzettel für Moskau, tagesschau.de, 9. Mai 2022.
  16. Elections results in Tskhinvali region and possible implications. Abgerufen am 15. Mai 2022.
  17. Bibilov admits his defeat at presidential election in South Ossetia. In: Kawkasski Usel. 9. Mai 2022, abgerufen am 15. Mai 2022 (englisch).
  18. EU and at least 10 other states do not recognize presidential election in South Ossetia. In: Kawkasski Usel. 12. April 2022, abgerufen am 18. April 2022 (englisch).
  19. Journalists link Gagloev's election success with Bibilov's administrative resources. In: Kawkasski Usel. 12. April 2022, abgerufen am 18. April 2022 (englisch).