Chicago Seven

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Die Chicago Seven (ursprünglich Chicago Eight) waren sieben (zunächst acht) US-amerikanische politische Aktivisten, die wegen Verschwörung, Aufhetzung, Demonstrationen und anderem angeklagt und 1968 vor Gericht gestellt wurden. Das Gerichtsverfahren stand in Verbindung mit den Anti-Vietnamkriegs-Protesten in Chicago anlässlich der Democratic National Convention.

Vorausgegangener Vorfall

Der Parteitag der Demokraten Ende August 1968 war Schauplatz massiver Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg. Mehrere tausend Menschen erschienen mit Schildern und Bannern und in knüpfbatikgefärbten T-Shirts, machten Musik, tanzten und trugen Gedichte vor. Von den Yippies wurde auch ein Schwein, genannt „Pigasus der Unsterbliche“, in die Stadt gebracht, das als Kandidat für die Präsidentschaftswahlen der USA aufgestellt werden sollte. Anfangs herrschte eine karnevalartige Atmosphäre. Mehrere Demonstranten jedoch reagierten auf die Ankündigung einer nächtlichen Ausgangssperre mit Steinwürfen. Mit Schlagstöcken und Tränengas griff die Polizei ein. Einige Demonstranten wurden verhaftet.

Prozess

Eine Grand Jury verhandelte gegen acht Demonstranten und acht Polizisten. Die ursprünglichen acht Personen, die am 20. März 1969 angeklagt wurden, waren: Abbie Hoffman[1], Jerry Rubin, David Dellinger[2], Tom Hayden, Rennie Davis, John R. Froines, Lee Weiner und Bobby Seale.[3] Die Verteidiger waren William M. Kunstler und Leonard Weinglass vom Center for Constitutional Rights; den richterlichen Vorsitz führte Julius Hoffman, Staatsanwalt war Tom Foran. Die Verhandlung begann am 24. September 1969.

Im frühen Verlauf des Verfahrens attackierte der Black-Panther-Party-Aktivist Bobby Seale Richter Hoffman massiv. Er bezeichnete ihn unter anderem als „Faschistenhund“, „Schwein“ und „Rassisten“. Richter Hoffman ließ Bobby Seale im Gerichtssaal fesseln und knebeln, kurze Zeit später schloss er ihn vom Verfahren aus und verurteilte ihn wegen Missachtung des Gerichts zu vier Jahren Gefängnis.

Die Chicago Eight wurden damit zu den Chicago Seven. Die Angeklagten verhöhnten weiter das Gerichtsverfahren und die daran Beteiligten. Vor allem taten dies die Yippies Abbie Hoffman und Jerry Rubin.[4] Die Angeklagten Hoffman und Rubin erschienen einmal im Gerichtssaal in richterliche Roben gekleidet. Hoffman warf dem Richter Luftküsse zu. Beim Urteilsspruch empfahl Hoffman dem Richter, LSD zu versuchen, und bot ihm an, ihn mit einem Dealer in Florida bekannt zu machen.

Der Prozess erregte starkes öffentliches Aufsehen und wurde zum Fokus für eine ständig wachsende Zahl von Protest-Anhängern. Es zog sich über Monate hin, mit vielen Vertretern der amerikanischen Linken und der linken Gegenkultur, die als Zeugen aussagten (unter ihnen der Sänger Arlo Guthrie, der Autor Norman Mailer, der LSD-Verfechter Timothy Leary und der Geistliche Jesse Jackson). Als sich am 9. Oktober die Demonstrationen aus dem Gerichtssaal hinaus ausweiteten, marschierte die Nationalgarde auf.

Letztendlich wurden am 18. Februar 1970 alle sieben Angeklagten in Hinblick auf den Vorwurf der Verschwörung für nicht schuldig befunden. Froines und Weiner wurden freigesprochen. Die anderen fünf Angeklagten wurden für schuldig befunden, einen Volksaufruhr angezettelt zu haben. Sie wurden am 20. Februar 1970 zu fünf Jahren Haft und einer Geldstrafe von 5000 $ verurteilt.

Aufhebung der Urteile

Die Urteile gegen die Chicago Seven wurden am 21. November 1972 in einem Berufungsverfahren vom United States Court of Appeals for the Seventh Circuit aufgehoben. Die Gründe für die Aufhebung waren unter anderem die Überwachung der Büros der Verteidiger durch das FBI,[5] die Voreingenommenheit des Richters und seine Weigerung, die Verteidigungsanwälte die Anwärter für das Geschworenenamt bezüglich ihrer kulturellen Ausrichtung befragen zu lassen.

Während des Verfahrens wurden alle Angeklagten und beide Verteidigungsanwälte wegen Missachtung des Gerichts zu Gefängnisstrafen verurteilt. Aber auch diese Urteile wurden aufgehoben. Die Anklagen wegen Missachtung wurden vor einem anderen Richter neu verhandelt. Dieser sprach Dellinger, Rubin, Hoffman und Kunstler in einigen Punkten der Anklage schuldig, verurteilte die Angeklagten aber weder zu einer Haft- noch zu einer Geldstrafe.

Rezeption

Die Ereignisse von Chicago wurden von der Band Chicago in ihrem Song Someday, von Crosby, Stills, Nash & Young in Chicago und im Film Chicago 10 verarbeitet. Jean-Luc Godard verarbeitete die Erlebnisse 1971 in Vladimir et Rosa (Wladimir und Rosa), einem Film in der Tradition des dokumentarischen Theaters. 2020 erschien der Spielfilm The Trial of the Chicago 7 auf Netflix.

Literatur

  • Tom Hayden: Der Prozeß von Chicago, Suhrkamp, Frankfurt/M. 1971 (edition suhrkamp 477)
  • Bobby Seale: Wir fordern Freiheit. Der Kampf der Black Panther. Fischer-Verlag, Frankfurt/M. 1972, ISBN 3-436-01312-9. (Bibliothekskatalog: DNB 730060683)
  • James Tracy: Direct Action: Radical Pacifism from the Union Eight to the Chicago Seven. University of Chicago Press, Chicago 1996, ISBN 978-0-226-81127-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. „Testimony of Abbie Hoffman“ (Memento vom 14. Januar 2011 im Internet Archive) (englisch).
  2. David Dellinger (* 22. August 1915; † 25. Mai 2004); Artikel über D. Dellinger von Michael Carlson (englisch).
  3. Interview mit Bobby Seale von Jonathan Fischer. In: Der Spiegel, 2. Mai 2007.
  4. Kurzinformation über Jerry Rubin (offline).
  5. Tribune news services: Background: Chicago 7 trial. Abgerufen am 26. Oktober 2020.