KZ Bisingen
Das Konzentrationslager Bisingen, kurz KZ Bisingen, wurde 1944 als Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof (als verwaltungsmäßigem Stammlager) zur Ölgewinnung aus Schiefer im Rahmen des Unternehmens Wüste aufgebaut. Es befand sich bei Bisingen im heutigen Zollernalbkreis.
Geschichte
Unternehmen Wüste
Die Kriegswirtschaft des nationalsozialistischen Regimes (vgl. Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschen Reich) brauchte 1944 dringend Öl, nachdem 1943 die Schlacht von Stalingrad und somit um die dortigen Ölfelder verloren war. Daher versuchte man, entlang der Zollernalbbahn sowie entlang der Bahnstrecke Balingen–Rottweil bei Bisingen, Dautmergen, Dormettingen, Erzingen, Frommern, Schömberg und Schörzingen zehn Ölschieferwerke aufzubauen. Ziel war es, im Rahmen des Mineralölsicherungsplans aus dem dort zu findenden Ölschiefer Öl zu gewinnen. Das Vorhaben scheiterte binnen kurzer Zeit; in lediglich vier der zehn Ölschieferwerke konnten überhaupt geringe Mengen gewonnen werden.
Aus insgesamt sieben Konzentrationslagern wurden dazu von der SS 15.000 Häftlinge auf Märsche nach Württemberg und Hohenzollern gezwungen. Bei dem Unternehmen Wüste starben mehr als 3.480 Menschen an Entkräftung oder wurden ermordet. Allein im KZ Bisingen starben 1.158 Häftlinge, die bis auf zwei auf dem dortigen KZ-Friedhof begraben liegen.
Das KZ-Außenlager Bisingen
Insgesamt 4.163 KZ-Häftlingen wurden nach Bisingen transportiert, darunter[1]
- am 24. August 1944 1000 polnische Häftlinge aus dem KZ Auschwitz
- am 1. Oktober 1944 1500 Häftlinge (Russen, Letten, Litauer, Esten) aus dem KZ Stutthof
- am 30. Oktober 1944: 250 polnische Juden aus dem KZ Vaihingen-Enz
Sie mussten dort auf einer kleinen Hochfläche das Ölschieferwerk und das dazugehörende KZ aufbauen. Das Ölschieferwerk in Bisingen sollte nach dem Meilerverfahren betrieben werden. Dafür war zunächst eine Wasserleitung quer durch den Ort in das schwer zugängliche Abbaugelände zu legen. Der Ölschiefer wurde mit den Händen gebrochen und dann zu einem Haufen geschichtet, der unter minimaler Luftzufuhr gezündet wurde.
Der erste Meiler wurde am 23. Februar 1945 in Bisingen gezündet. Kurz vor Kriegsende konnte die geringe Menge gewonnenen Öls das Kriegsgeschehen nicht mehr beeinflussen. Die Sinnlosigkeit des Ölschieferabbaus beschreibt der Zeitzeuge Alfred Korn: „Da habe ich beobachtet, dass Hunderte von Häftlingen gearbeitet haben, damit alle fünf Minuten ein Tropfen kommt und dann fünf Minuten wieder nichts, und das war die Leistung des Ölschiefers Bisingen.“
Franz Johann Hofmann war SS-Kommandant des KZ Bisingen. Im Februar 1945 wurde er seines Postens enthoben[2] und strafversetzt nach Guttenbach. Der Sitz der SS-Kommandantur der gesamten Außenlager des KZ Natzweiler in der Region war kriegsbedingt (die Front rückte näher) an den Neckar verlegt. Er wurde am 19. Dezember 1961 von einem Schwurgericht am Landgericht München II wegen Mordes in zwei Fällen zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt.[3] Im ersten Auschwitzprozess wurde er am 10. August 1965 vom Landgericht Frankfurt nochmals zu lebenslanger Haft im Zuchthaus verurteilt. Es gab auch ein Ermittlungsverfahren beim Schwurgericht Hechingen zu Tatvorwürfen im KZ Natzweiler. Hofmann starb im August 1973 in Strafhaft.
Zwischen Oktober 1944 und Februar 1945 war der Schweizer Johannes Pauli (1900–1969) stellvertretender Lagerführer in Bisingen. 1946 flüchtete Pauli in die Schweiz, wo er in Basel 1953 zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.[4][5]
Gedenken
Jahrzehntelang wurde in den umliegenden Ortschaften über das Geschehene geschwiegen. Heute erinnern ein KZ-Friedhof mit Mahnkreuz, ein Geschichtslehrpfad und die Dauerausstellung Mut zur Erinnerung – Mut zur Verantwortung an diesen Teil der Geschichte. Der Gedenkstättenverein KZ Bisingen e.V. ist Mitglied im Verbund der Gedenkstätten im ehemaligen KZ-Komplex Natzweiler.[6]
Literatur
- Michael Grandt: Unternehmen 'Wüste' – Hitlers letzte Hoffnung. Silberburg-Verlag, Tübingen 2002, ISBN 3-87407-508-7.
- Schieferöl und Zwangsarbeit — ein Heimatmuseum als KZ-Gedenkstätte. (Memento vom 9. Oktober 2007 im Internet Archive) In: Hohenzollerische Zeitung. 9. Oktober 2000.
- Immo Opfermann, Roger Orlik: Ölschieferwerk Frommern – Industriereportage (1947). Sp-Verlag, 2002, ISBN 3-9807873-1-1. (Fotoreportage eines der Werke aus dem Archiv einer Presseagentur)
- Franziska Blum: Johannes Pauli: „Ich bin überzeugt, dass ich richtig gehandelt habe“. In: Wolfgang Proske (Hrsg.): Täter Helfer Trittbrettfahrer. NS-Belastete aus Baden-Württemberg, Band 9: NS-Belastete aus dem Süden des heutigen Baden-Württemberg. Gerstetten : Kugelberg, 2018, S. 310–318, ISBN 978-3-945893-10-4
Weblinks
- Museum Bisingen – KZ-Gedenkstätte
- KZ-Gedenkstätte Bisingen (Memento vom 2. Dezember 2016 im Internet Archive)
- Lageplan des KZ und der Ölschieferabbaustätte
- Beschreibung des Lagers, der Entstehung und der Gedenkstätte (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
Fußnoten
- ↑ Zeittafel (Memento des Originals vom 16. Mai 2018 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ PDF, S. 6. (Memento des Originals vom 16. Mai 2018 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Urteil des Schwurgerichts vom 19. Dezember 1961 - 2 Ks 8/61 nach dem Urteilstext des Auschwitzprozesses
- ↑ Schweizer Nazis - «Mein Grossvater war ein Mörder» In: SRF vom 21. Januar 2018
- ↑ http://www.hechingen4you.de: KZ Bisingen - Die Täter
- ↑ KZ-Gedenkstätten gründen Netzwerk der Erinnerung. 22. Dezember 2018, abgerufen am 23. Dezember 2018.
Koordinaten: 48° 19′ 5″ N, 8° 55′ 17″ O