Predigtgottesdienst

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Mit dem Begriff Predigtgottesdienst, auch Prädikantengottesdienst (von kirchenlat. praedicans Prediger), wird ein mittelalterlicher Typus des öffentlichen christlichen Gottesdienstes bezeichnet, der v. a. im südwestdeutschen Raum und der Schweiz zum Vorbild für die Gottesdienstgestaltung der reformatorischen Kirchen wurde.

Heute bezeichnet der Begriff auch allgemein einen evangelischen Gottesdienst ohne Abendmahl – unabhängig davon, ob seine Struktur auf dem mittelalterlichen Predigtgottesdienst oder der Messe beruht.

Entwicklung im Mittelalter

Aus dem Bedürfnis nach einer Predigt, also einer missionarischen bzw. mahnenden Rede in der Landessprache, entstand nach dem 9. Jh. der Pronaus (von frz. prône bzw. lat. praeconium Verkündigung), eine Predigtliturgie, die im Messgottesdienst das Gewicht der Predigt verstärkte, aber in der Folge zur Abtrennung eines Predigtgottesdienst von der Messfeier führte.[1] Sie wurden häufig vor oder nach einer Messfeier angeboten oder zwischen zwei Messfeiern gelegt. Im 12. Jh. etablierte sich das Predigtwesen deutlich; aus dem Franziskaner- und Dominikanerorden standen geschulte Bettelmönche zur Verfügung, die predigend durch das Land zogen. Die von ihnen gehaltenen Predigten in Kirchen und auf der Straße waren teilweise liturgisch ungebunden, andere vermutlich in Predigtgottesdienste eingebunden. In etlichen Reichsstädten Südwestdeutschlands gab es seit dem 15. Jh. Predigerstellen, die statt Messpfründen gestiftet wurden und neben den lateinischen Messen in einen liturgischen Rahmen eingebettete Predigten in hoher Qualität gewährleisten konnten – oft zusammen mit einer Offenen Schuld, einem Vaterunser, Ave Maria etc.[2]

Ein einheitlicher Ablauf existierte nicht. Der Basler Johann Ulrich Surgant brachte 1503 mit dem Manuale Curatorum ein homiletisch-liturgisches Handbuch heraus, das für die Gestaltung von Wortgottesdiensten Beispiele statt Vorschriften lieferte und so zur Anknüpfung durch die Reformatoren einlud.[3]

Aufnahme durch die Reformatoren

Martin Luther setzte neben die Messe das Angebot von Predigtgottesdiensten, die allerdings liturgisch an die Tagzeitengebete Mette und Vesper angebunden werden. Ulrich Zwingli übernahm von Surgant die Form des Pronaus in die Zürcher Kirchenordnungen von 1525 und 1535. In Basel ergänzte Oekolampad die Form Zwinglis durch den Gemeindegesang. Johannes Calvin griff für Genf die Straßburger Gottesdienstordnung auf; die Offene Schuld zu Beginn des Gottesdienstes erinnert dabei an das Confiteor der Messe, der Psalmengesang erweitert ebenfalls die Zürcher Ordnung. In der Nürnberger Gottesdienstordnung von 1524 war ein Predigtgottesdienst zwischen zwei Messen gefügt. Die Württembergischen Kirchenordnungen von 1536 und 1553 dagegen führten den Predigtgottesdienst als Hauptgottesdienst einer lutherischen Landeskirche ein – die Grundform des Pronaus wurde dabei um Gemeindegesang und ein Allgemeines Kirchengebet erweitert. Auffallend ist bei all diesen Formen die Möglichkeit verschiedener Kombinationen der Bestandteile.

Formenvielfalt

Die Formenvielfalt des oberdeutschen und schweizerischen Predigtgottesdienstes zeigt sich in der folgenden Darstellung:

Pronaus Honorius (um 1120) Surgant (1503) Nürnberg (1524) Zwingli (1525) Calvin (1542)
(in der Messe:) Athanasianum Adjutorium
Psalmengesang (1–3) Eingangsgebet Offene Schuld
Lesung AT mit Erklärung Vaterunser Psalmengesang (mehrere)
Dekalog Ave Maria[4] freies Gebet
Predigt Predigt Credo Predigt Predigt
Offene Schuld Vaterunser mit Katechese Vaterunser, Ave Maria, Credo, Dekalog (Katechismusstücke als Voraussetzung zur Zulassung zur Eucharistie) Vaterunser und Ave Maria Abkündigung der Verstorbenen Allg. Kirchengebet
Credo, Vaterunser, Dekalog, Ave Maria (Katechismusstücke) Credo mit Katechese Fürbittgebet Ave Maria 2[4] Vaterunser-Paraphrase
Offene Schuld mit Absolution Ermahnung zum Almosengeben Dekalog Segen
Fürbittengebet gesungene Kollekte oder Gebet Apostolikum
außerdem Offene Schuld, Fürbittengebet und Abkündigungen Predigt
(mit dem Tagamt folgt die Messfeier)

Einzelnachweise

  1. Vgl. Handbuch der Liturgik. Hg. von Hans-Christoph Schmidt-Lauber u. a. 3. Aufl. 1999, S. 251
  2. Vgl. Handbuch der Liturgik. 31999, 253; Art. Predigtgottesdienst, Abschn. 2 auf Württembergische Kirchengeschichte Online (WKGO), zuletzt abgerufen am 5. Juni 2022.
  3. Vgl. Handbuch der Liturgik. 31999, 253
  4. a b 1563 abgeschafft: Vgl. Handbuch der Liturgik 31999, 255