Parteischule der SPD

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Besuch des Parteivorstandes im Jahr 1907 bei der Parteischule der SPD. Dozentin Rosa Luxemburg (stehend vierte von links). August Bebel (stehend fünfter von links), Friedrich Ebert (links in der 3. Bank der rechten Bankreihe)

Die Parteischule der SPD wurde am 15. November 1906 in der Lindenstraße 3 in Berlin von August Bebel eröffnet.[1] Die von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) getragene Bildungsanstalt war die erste Einrichtung einer deutschen Partei, die regelmäßig gezielt Parteifunktionäre schulte. Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges wurde sie 1914 geschlossen.

1986 wurde unter Willy Brandt die zweite Parteischule der SPD gegründet,[2] die sich heute im Berliner Willy-Brandt-Haus findet.[3]

Geschichte

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Der bis 1904 nach Plänen der Architekten A. F. M. Lange und Kurt Berndt errichtete Industriepalast in der Lindenstraße 3, in dessen Hinterhof ab 1906 unter anderem die Parteischule der SPD betrieben wurde

Die Gründung der Parteischule wurde vor allem von August Bebel vorangetrieben und stand im Zusammenhang mit den programmatischen Auseinandersetzungen innerhalb der SPD zu diesem Zeitpunkt. Bebel wollte mit der Schulung von führenden Genossen nicht nur deren Schlagkraft in der politischen Auseinandersetzung erhöhen, sondern auch reformistischen Strömungen entgegenwirken, die statt eines Klassenkampfs auf parlamentarische Arbeit und Reformen des bestehenden Gesellschaftssystems setzten. Allerdings wurde die von Bebel angestrebte Ausrichtung der Schule nie im vollen Umfang durchgesetzt, da bald auch reformorientierte Sozialdemokraten an ihr lehrten. Ein weiterer Beweggrund war, dass andere Parteien und Strömungen ihre Funktionäre ebenfalls zu schulen begannen, zum Teil mit ausdrücklicher Ausrichtung gegen die Sozialdemokratie. Diese Institutionen verfügten jedoch nicht über regelrechte Schulen, sondern boten ihren Mitgliedern und Unterstützern lediglich kürzere Lehrgänge an.

Bezeichnung

Die Parteischule der SPD[1] wurde auch als Sozialdemokratische Parteischule[4] oder sozialdemokratische Parteischule bezeichnet,[5][6] aber auch SPD-Parteischule[7] und „erste Zentrale Parteischule[2] oder schlicht Parteischule.[7][5][8][9] Aufgrund des wissenschaftlichen Anspruches wurde das Institut auch unter der Überschrift „Parteihochschule der SPD“ behandelt.[10]

Nachträglich wurde die Bildungseinrichtung im Jahr 1936 und später auch Reichsparteischule der SPD oder sozialdemokratische Reichsparteischule genannt.[11]

Unterricht

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Stundenplan (zweiter Teil) des ersten Winterhalbjahres 1906–1907 der Parteischule

Der Unterricht fand jeweils im Winterhalbjahr statt. Jeder Kurs umfasste bis zu 30 SPD-Funktionäre, die von den Parteibezirken für den Lehrgang vorgeschlagen und von Parteivorstand, Bildungsausschuss und Lehrerkollegium ausgewählt wurden. Während der Kurse übernahm die Partei die Lebenshaltungskosten der Teilnehmer und auch ihrer Familien.

Lehrer

Das Gründungskollegium umfasste acht Dozenten: Rudolf Hilferding, Franz Mehring, Anton Pannekoek, Kurt Rosenfeld, Simon Katzenstein, Heinrich Schulz, Arthur Stadthagen und Hugo Heinemann. Die preußische Polizei überwachte die Einrichtung scharf und drohte 1907 Rudolf Hilferding und Anton Pannekoek mit Ausweisung, da sie Ausländer waren (Hilferding Österreicher, Pannekoek Niederländer). Sie verließen das Kollegium, als Ersatz kamen Rosa Luxemburg, Emanuel Wurm und Heinrich Cunow als neue Dozenten.

Für das Schuljahr 1912/1913 stellte sich für ein Foto gemeinsam mit ihren Schülern das Lehrerkollegium auf mit Rosa Luxemburg, Emanuel Wurm, Hermann Duncker, Heinrich Conrady, Heinrich Schulz, Hermann Müller (Vertreter des Parteivorstandes) und Wilhelm Pieck (Sekretär der Parteischule).[12]

Dozenten und Hörer im Unterrichtsraum 1914; im Hintergrund an der Tafel mit Kreide die Überschrift „Parteischule“

Schüler

Während der acht Jahre des Bestehens der Parteischule besuchten sie 203 Schüler, darunter 20 Frauen. Unter anderem wurden Wilhelm Kaisen, Wilhelm Pieck, Fritz Tarnow und Jacob Walcher an ihr ausgebildet. Weitere Schüler waren:

Jahrgang 1912/1913: Eine Fotografie zeigt Schüler und Lehrer des Schuljahres 1912/13; in der ersten Schülerreihe links, von vorn nach hinten:[4]

Zweite Reihe:

Dritte Reihe:

Vierte Reihe:

Lehrplan

Der Lehrplan umfasste vor allem verschiedene juristische Themenfelder (Arbeitsrecht, Sozialrecht, Gesinderecht, Verfassungsrecht, Strafrecht und Bürgerliches Recht). Hinzu kamen Volkswirtschaftslehre, Gewerkschafts- und Genossenschaftswesen, Kommunalpolitik, Marxismus, Rhetorik und die Geschichte der politischen Parteien.

Schulbücher

Einer Vorlesungs-Niederschrift fügte Jacob Walcher ein Verzeichnis über Bücher bei, die er 1910 in Berlin für das Parteischuljahr verwendet hatte: „Duden, Wörterbuch; Wustmann, Sprachdummheiten; Statistisches Jahrbuch; Mehring, Gustav Adolf; Karl Marx, Kapital I. Bd.; Plötz, Geschichte; Mehring, Jena - Tilsit; Engels, Bauernkrieg; Wolf, Gesammelte Schriften; Rousseau, Gesellschaftsvertrag; Campanella, Sonnenstaat; Wissen ist Macht; Kommunistisches Manifest; Kautsky, Vorläufer des Sozialismus, Bd. I u. II; Marx, Elend der Philosophie; Büchner, Hessischer Landbote; Morus, Utopia; Lasalles Werke; Arbeiterrecht; Tolstoi, Was ist Kunst?; Brasilien; [Heinrich Cunow] Soziale Verfassung des Inkareiches; Pertes, Atlas; Finanzreform; Mehring, Schiller; Plechanow, Marxismus; Bebel, Frau und Sozialismus“

Literatur

  • Dieter Fricke: Die sozialdemokratische Parteischule (1906–1914). In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Heft 5, 1957, S. 229–248.
  • Nicholas Jacobs: The German Social Democratic Party School in Berlin, 1906–1914. In: History Workshop 5, 1978, S. 179–187.
  • Franz Osterroth, Dieter Schuster: Chronik der deutschen Sozialdemokratie. Bd. 1: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Bonn, Berlin 1975, S. 124.
  • Heinz Deutschland: Zum 100. Jahrestag der Eröffnung der sozialdemokratischen Parteischule in Berlin. Ein Erinnerungsbericht von Alfred Keimling. In: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung 2006, Heft 3, S. 21–27.
  • Josef Olbrich (Verf.), Horst Siebert (Mitarb.): Die Parteischule (1906–1914), in dies.: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland, Opladen: Leske und Budrich, 2001, ISBN 978-3-8100-3349-9, S. 121 ff.; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  • Ronny Noak: Von „Staatsbürgerausbildung“ und „Kaderschmieden“. Die Parteischulen der Weimarer Republik, in: Andreas Braune / Michael Dreyer (Hrsg.): Republikanischer Alltag. Die Weimarer Demokratie und die Suche nach der Normalität, Franz-Steiner-Verlag, Stuttgart 2017, S. 271–284.
  • Parteischule im Willy-Brandt-Haus / Jubiläum und neue Angebote, in: Jahrbuch der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Berlin: Vorstand der SPD, 2006, S. 16; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche

Weblinks

Commons: Sozialdemokratische Parteischule – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Cora Stephan (Hrsg.): August Bebel: Schriften 1862–1913, Bd. 2, Frankfurt am Main; Wien: Büchergilde Gutenberg, 1981, S. 354; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  2. a b Tilman Fichter, Helga Ziemann: Berufliche Qualifikation und freiheitliche Selbstbestimmung, in Hilde Wagner (Hrsg.): Interventionen wider den Zeitgeist. Für eine emanzipatorische Gewerkschaftspolitik im 21. Jahrhundert. Helmut Schauer zum Übergang in den Un-Ruhestand, Hamburg: VSA-Verlag, 2001, ISBN 3-87975-831-X, S. 265–278; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  3. Klaus Tovar (v.i.S.d.P.): Willkommen auf dem Wiki der Parteischule im Willy-Brandt-Haus! auf der Seite parteischule-wiki.spd.de [ohne Datum], zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2021
  4. a b Paul Frölich, Rudolf Lindau, Jacob Reich: Illustrierte Geschichte der Deutschen Revolution. Internationaler Arbeiter-Verlag G.m.b.H., Berlin 1929, Bilduntertitelung S. 63; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  5. a b Dieter Fricke: Die sozialdemokratische Parteischule 1906–1914. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Heft 5, 1957, S. 229–248, passim
  6. Hermann Weber: Schumann, Georg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 749 f. (Digitalisat).
  7. a b Fabian Schalt (Hrsg.): Neuanfang statt Niedergang - die Zukunft der Mitgliederparteien ( = Politische Parteien in Europa, Bd. 4), Berlin; Münster: Lit, 2009, ISBN 978-3-8258-1684-1, S. 188 u.ö.; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  8. Dieter Fricke: Die sozialdemokratische Parteischule, in ders.: Zur Organisation und Tätigkeit der deutschen Arbeiterbewegung (1890 - 1914). Dokumente und Materialien ( = E-Taschenbuch, Bd. 23/24), Leipzig: VEB Verlag Enzyklopädie, 1962, S. 193–197; Google-Books
  9. Dieter Fricke: Die deutsche Arbeiterbewegung 1869–1914. Ein Handbuch über ihre Organisation und Tätigkeit im Klassenkampf, Berlin: Verlag das europäische Buch; Berlin: Dietz, 1976, passim; Google-Books
  10. Bernd Braun: Eine sozialistische Universität? — Die Parteihochschule der SPD 1906 bis 1914, in Armin Kohnle, Frank Engehausen: Zwischen Wissenschaft und Politik. Studien zur deutschen Universitätsgeschichte. Festschrift für Eike Wolgast zum 65. Geburtstag, Stuttgart: Steiner, 2001, ISBN 3-515-07546-1, S. 173–193; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  11. Zur Zeit des Nationalsozialismus veröffentlichen die KPD-Mitglieder Wilhelm Florin und Johannes R. Becher in der Sowjetunion eine Schrift mit dem Titel Wilhelm Pieck. Ein Kämpferleben im Dienste der Arbeiterklasse, Moskau: Verlagsgenossenschaft Ausländischer Arbeiter in der UdSSR, 1936. In dieser Darstellung hieß es auf Seite 10, Pieck habe „1907/08 die Reichsparteischule besucht“, und auf Seite 19, Pieck habe im Wintersemester 1907/08 „die sozialdemokratische Reichsparteischule“ absolviert.
  12. Paul Frölich, Rudolf Lindau, Jacob Reich: Illustrierte Geschichte der Deutschen Revolution. Internationaler Arbeiter-Verlag G.m.b.H., Berlin 1929, Bilduntertitelung S. 63; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche

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