Konvention von Reichstadt

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Schloß Reichstadt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Die Konvention von Reichstadt (auch: Vereinbarung von Reichstadt) war eine außenpolitische Einigung zwischen Österreich-Ungarn und dem Russischen Kaiserreich, die am 8. Juli 1876 im böhmischen Reichstadt geschlossen wurde.

In Anwesenheit von Zar Alexander II. und Kaiser Franz Joseph sowie der Politiker Alexander Michailowitsch Gortschakow und Gyula Andrássy einigte man sich auf ein gemeinsames Konzept zur Lösung der Orientalischen Frage. Dieses war durch Unruhen im Osmanischen Reich sowie die Machtinteressen beider Großmächte auf dem Balkan notwendig geworden.

Form

Die Verhandlungen fanden in einem privaten und fast informellen Rahmen statt. Bezeichnend ist, dass die Ergebnisse des Treffens nicht schriftlich festgehalten wurden, sodass die österreichische und die russische Auffassung der Ergebnisse sich signifikant unterschieden. Es wurden weder eine formelle Konvention unterzeichnet noch auch nur ein Protokoll unterzeichnet. Die Ergebnisse diktierte Andrassy dem russischen Botschafter in Wien, unabhängig davon diktierte Gortschakow einem Beamten eine Niederschrift, beides wurde von der anderen Seite nicht beglaubigt.

So war vor allem die Reichweite der österreichischen Annexionen in Bosnien und Herzegowina umstritten. Bedingt durch diese Unstimmigkeiten wurde die Konvention beim Treffen von Istanbul und im Budapester Vertrag noch einmal verhandelt, aber größtenteils bestätigt bzw. ergänzt.

Inhalt

Allgemein gelten folgende Aussagen als Kerninhalte der Reichstädter Übereinkunft

Einig waren sich beide Seiten vor allem in der Versicherung Russland gegenüber Österreich-Ungarn, keinen großen slawischen Staat (Großserbien und/oder Großbulgarien) auf dem Balkan entstehen zu lassen. Im Detail jedoch zeigen sich deutliche Unterschiede der Versionen Gortschakows und Andrassys:[1]

Gebiet, Region, Land österreichisch-ungarische Niederschrift (Andrassy) russische Niederschrift (Gortschakow)
Serbien erhält eine gewisse Vergrößerung erhält Teile Altserbiens und Bosniens
Montenegro erhält einen Teil der Herzegowina erhält die ganze Herzegowina und einen Adriahafen
Bosnien und Herzegowina wird – bis auf den an Montenegro fallenden Teil der Herzegowina – von Österreich-Ungarn annektiert nur der Westen („Türkisch-Kroatien“) und einige angrenzende Teile Bosniens werden von Österreich-Ungarn annektiert, der Rest fällt an Serbien (keine österreich-ungarischen Rechte auf Teile der Herzegowina erwähnt)
Bulgarien und Rumelien werden autonome Provinzen innerhalb des Osmanischen Reiches werden unabhängige Fürstentümer
Albanien wird eine autonome Provinz innerhalb des Osmanischen Reiches nicht erwähnt
Griechenland erhält Epirus und Thessalien sowie Kreta erhält Epirus und Thessalien (Kreta nicht erwähnt)

Einzelnachweise

  1. Wladimir Petrowitsch Potjomkin: Geschichte der Diplomatie, Zweiter Band: Die Diplomatie der Neuzeit (1872–1919), Berlin: SWA-Verlag 1947, S. 46/47.

Literatur

  • Dietrich Geyer: Der russische Imperialismus (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft. Band 6). 1977, ZDB-ID 184291-2, S. 56–71.
  • Charles Jelavich, Barbara Jelavich: The Establishment of the Balkan national states. 1804–1920. University of Washington Press, Seattle 1977, ISBN 0-295-95444-2, S. 147 ff. (A history of Central Eastern Europe 8).
  • Serge Maiwald: Der Berliner Kongress 1878 und das Völkerrecht. Die Lösung des Balkanproblems im 19. Jahrhundert. Wissenschaftliche Verlags-Gesellschaft, Stuttgart 1948.
  • Alexander Nowotny: Österreich, die Türkei und das Balkanproblem im Jahre des Berliner Kongresses. Böhlau, Graz u. a. 1957 (Quellen und Studien zur Geschichte des Berliner Kongresses 1878. 1), (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 44).