Schlacht am Little Bighorn

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Schlacht am Little Bighorn
Teil von: Indianerkriege

The Custer Fight, Charles M. Russell (1903)
Datum 25. Juni bis 26. Juni 1876
Ort Little Bighorn River, Montana, USA
Ausgang Sieg der Indianer
Konfliktparteien

Lakota
Dakota
Arapaho
Cheyenne

Vereinigte Staaten 37 Vereinigte Staaten

Befehlshaber

Sitting Bull
Crazy Horse
Gall
Lame White Man †
Two Moons

George A. Custer
Marcus Reno
Frederick Benteen
Myles Keogh †
James Calhoun †

Truppenstärke
ca. 950–1200 Krieger,
ca. 6000 Nichtkombattanten (Alte, Frauen, Kinder)
31 Offiziere
566 Soldaten
35–40 Scouts
5 Zivilisten
Verluste

ca. 40 Krieger gefallen
ca. 80 Krieger verwundet
ca. 10 Nichtkombattanten getötet[1]

268 Gefallene
55 Verwundete und Vermisste

In der Schlacht am Little Bighorn am 25. Juni 1876 wurde das 7. US-Kavallerie-Regiment unter George Armstrong Custer von Indianern der Lakota- und Dakota-Sioux, Arapaho und Cheyenne unter ihren Führern Sitting Bull, Crazy Horse und Gall am Little Bighorn River im heutigen Montana vernichtend geschlagen.

Es war einer der wenigen größeren indianischen Siege gegen das US-Heer. Dessen Niederlage ist laut heutigen Analysen maßgeblich der falschen Lageeinschätzung Custers zuzuschreiben, der nicht damit rechnete, auf ein gewaltiges Kriegslager der Indianer zu treffen. Custers Aufteilung seines Regiments in kleinere Gruppen schwächte zudem seine konzentrierte Kampfkraft.

Vorgeschichte

Die amerikanischen Streitkräfte wurden letztlich aufgrund eines Berichts des Indianer-Inspektors E.C. Watkins vom 9. November 1875 entsandt, dem zufolge einige Hundert Lakota und Cheyenne unter der Führung von Sitting Bull, Crazy Horse und Big Foot den Vereinigten Staaten feindlich gesinnt seien.

Dem waren Versuche vorausgegangen, die Sioux zum Verkauf der Black Hills zu bewegen. Die Black Hills waren den Sioux wie auch den Cheyenne heilig und galten ihnen als Mittelpunkt der Welt. Eine vertragswidrige Militärexpedition im Jahr 1874 unter General George Armstrong Custer hatte von Goldfunden am French Creek in den Black Hills berichtet, was zu einem Ansturm Tausender Goldsucher führte. Die Black Hills lagen zwar knapp jenseits der Westgrenze des Großen Sioux-Reservats von 1868, gehörten jedoch zu einem riesigen Gebiet, in dem die Sioux ausschließliche Jagdrechte zugebilligt bekommen hatten, „solange die Büffelbestände die Jagd rechtfertigen“. Nachdem die US-Armee einige halbherzige Versuche unternommen hatte, die Goldsucher aus den Black Hills zu vertreiben, und einzelne Sioux-Trupps Jagd auf die Invasoren machten, begann die US-Regierung Kaufverhandlungen mit den Oglala-Lakota des Reservats. Die Reservatsindianer unter Red Cloud lehnten einen Verkauf jedoch ab. Bestimmte Gruppen unter Sitting Bull, Crazy Horse und Gall hatten den Vertrag von 1868 ohnehin nie anerkannt und hielten sich außerhalb des Sioux-Reservats in den nicht abgetretenen Jagdgebieten auf. Im Dezember 1875 beschloss die Regierung, die Black Hills den Indianern mit Gewalt zu entreißen. Sie setzte den Indianern ein Ultimatum, mitten im Winter in das Reservat „zurückzukehren“ und somit die Black Hills für die Weißen zu räumen. Abgesehen davon, dass viele Sioux und Northern Cheyenne gar nicht aus Reservaten stammten, in die sie hätten zurückkehren können, wäre es ihnen unmöglich gewesen, dem Ultimatum mitten im tiefsten Winter nachzukommen.

Als der Winter vorbei war, verließen tausende Indianer heimlich das Reservat, um sich ihren freien Stammesgenossen im Gebiet der Black Hills und am Powder River anzuschließen.

Gleichzeitig schickte sich das US-Heer an, die Indianer am Powder River in einer dreigliedrigen Zangenoperation zu schlagen und in das Reservat zu zwingen.

Anmarsch

Datei:Custermovements.jpg
Anmarsch von Terry mit Custer von Osten, Crook von Süden und Gibbon von Westen

Die Marschkolonne unter Brigadegeneral Alfred Terry, dem auch Custers 7. Kavallerie-Regiment unterstand, machte sich am 17. Mai von Fort Abraham Lincoln im Dakota-Territorium in Richtung Westen auf den Weg. Sie marschierte bis zum Yellowstone River, wo sie auf das Versorgungsschiff Far West traf. Am 10. Juni schickte Terry den nach Custer ranghöchsten Offizier des 7. Kavallerie-Regiments, Major Marcus A. Reno, mit sechs Kompanien ins Gebiet südlich des Yellowstone auf Erkundung. Er sollte dem Powder River hinauf folgen, dann zum westlich liegenden Tongue River vorstoßen und diesem in nördlicher Richtung wieder bis zum Yellowstone folgen. Reno stieß auf eine breite Indianerfährte, folgte dieser bis zum Rosebud Creek und kehrte nach zehn Tagen mit einer vollständig übermüdeten Truppe zurück.

Die Marschkolonne von Colonel John Gibbon mit Infanterie und einer Batterie von Gatling Guns kam vom westlich liegenden Fort Ellis im westlichen Montana und traf an der Einmündung des Rosebud River in den Yellowstone auf Terrys Truppen.

Brigadegeneral George Crook, der mit seinen Truppen vom südlich in Wyoming liegenden Fort Fetterman ins Gebiet des Powder River vorstieß, wurde am 17. Juni 1876 in der Schlacht am Rosebud Creek von einer etwa gleich großen Streitmacht von Sioux und Cheyenne überrascht und in ein stundenlanges Kavalleriegefecht verwickelt. Obwohl die beiderseitigen Verluste eher gering waren und Crook vermutlich weniger Männer verlor als die Indianer, war er von der Schlagkraft der Indianer überrascht und zog sich ins Gebiet des südöstlich liegenden Tongue River zurück, um sich um die Verwundeten zu kümmern und Nachschub zu besorgen. Damit war der südliche Angriffskeil gegen die Indianer aus dem Feldzug ausgeschieden.

Terry, Gibbon und Custer wussten hiervon nichts. Am Abend des 22. Juni trafen sie sich auf der Far West und diskutierten das weitere Vorgehen. Beschlossen wurde, dass Custer mit dem 7. Kavallerie-Regiment entlang des Rosebud-Tals in Richtung Bighorn-River vorgehen sollte, um die Indianer zu suchen. Terrys Befehle an Custer waren jedoch unklar. Zum einen wurde von Custer erwartet, dass er nicht ohne die Hauptstreitmacht von Terry und Gibbon gegen die Indianer losschlagen sollte, zum anderen wurde ihm jedoch große Handlungsfreiheit gelassen.

Custers Truppe umfasste etwa 650 Mann. Wie groß die Streitmacht der Indianer war, wird sich nie genau feststellen lassen. Schätzungen in der Vergangenheit sind oft weit übertrieben gewesen und gingen bis zu 7000 Kriegern. Heute wird vielfach angenommen, dass das Indianerdorf in seiner anzunehmenden Ausdehnung nicht mehr als 1000 bis maximal 2500 Krieger umfasste. Custer hatte strikten Befehl, die Indianer nicht direkt anzugreifen. Die von Terry angebotene Verstärkung, das 20th Infantry Platoon mit drei Gatling-Repetiergeschützen, lehnte er ab. Oft ist angenommen worden, dass er den Ruhm nicht teilen wollte. Heute ist man der Ansicht, dass Custer verzichtete, da er annahm, dass diese vierspännig gezogenen Waffen mit ihrer Begleitmannschaft von mehr als dreißig nicht berittenen Infanteristen das Vorgehen seiner Kavallerie im unwegsamen Gelände behindern würden.

Verlauf der Schlacht

Datei:Custers last Battle.JPG
Schlacht am Little Bighorn River

Am Morgen des 25. Juni 1876 entdeckten Custers Spähtrupps das Dorf im Tal des Little Bighorn River und meldeten Custer eine gewaltige Übermacht. Custer ignorierte jedoch ihre Warnungen und entschloss sich zum Angriff. Eine wichtige Rolle spielte seine Befürchtung, dass sein Vorrücken bereits entdeckt war und das Überraschungsmoment verloren zu gehen drohte. Die Begründung lag darin, dass einige Soldaten auf der Suche nach unterwegs verlorenen Essensrationen auf zwei Indianerjungen stießen, die den am Boden verstreuten Zwieback einsammelten. Einer der beiden konnte in Richtung Indianerdorf entkommen.

Gegen Nachmittag teilte Custer seine Truppen, um aus verschiedenen Richtungen vorzustoßen: Hauptmann Frederick W. Benteen erhielt drei Kompanien (H, D und K) unterstellt und den Auftrag, die zur Linken gelegenen Badlands zu durchstreifen; Major Marcus A. Reno bekam ebenfalls drei Kompanien (A, G und M) und den Befehl, durch das Tal flussabwärts zu marschieren und die Indianer von der anderen Seite des Flusses am Südende des Lagers zu attackieren. Custer selbst würde mit fünf Kompanien am Nordende des Lagers angreifen, wenn Renos Angriff begonnen hätte. Hauptmann McDougall blieb mit der B-Kompanie zurück, um den Versorgungszug zu schützen.

Renos Angriff auf das Indianerdorf

Um 15:05 Uhr griffen Renos drei Kompanien das südliche Ende des Indianerlagers an. Obwohl die Überraschung zunächst gelang, etwa zehn Frauen und Kinder erschossen wurden und viele Dorfbewohner in Panik die Flucht ergriffen, konnten die Hunkpapa-Sioux unter Führung von Gall Renos Angriff schnell abwehren. Erst eröffneten sie frontal das Feuer auf Renos Männer, dann begannen sie, seine linke Flanke, die Kompanie M unter Captain Thomas H. French, zu umgehen. Reno zog sich in ein am Fluss liegendes Gehölz zurück. Als seine Männer auch dort angegriffen wurden, verwandelte sich der Rückzug in eine panische Flucht, einzig die Kompanie M kämpfte im Rückzug. Einige der Soldaten kamen während der Flucht im Fluss um, aber die meisten erreichten das rettende rechte Flussufer und zogen sich auf die dahinter liegenden Hügel zurück, wo sie sich sammelten. Benteen war in dem ihm zugewiesenen Gebiet auf keine Gegner gestoßen und bewegte sich dann nach Osten in Richtung des Flusses. Dort traf er auf Renos Truppe und bezog gemeinsam mit dieser Stellung auf dem später so genannten Reno-Benteen Battlefield. Kurz zuvor hatte Benteen durch einen Kurier von Custer noch den Befehl erhalten, so schnell wie möglich zu ihm vorzustoßen, um ihn zu unterstützen und Munition zu bringen. Er führte den Befehl jedoch nicht aus, da er vom ranghöheren Reno den Befehl bekam, ihn mit seinen drei Kompanien gegen die Angriffe der Indianer zu unterstützen. Reno war nach den gängigen Befehlsregeln berechtigt, den Befehl Custers an Benteen aufgrund der prekären Situation vor Ort durch seinen eigenen Befehl zur Unterstützung seiner Truppe außer Kraft zu setzen. Unmittelbar nach der Ankunft Benteens auf Renos Stellung hörte man vom Norden her, dort wo Custer vermutet wurde, Salven von schwerem Gewehrfeuer. Auch die gegnerischen Sioux hörten dieses Gewehrfeuer. Bis auf einige wenige, die Renos Verteidigungsstellung weiter überwachten, ritten sie zu Hunderten in Richtung Norden weg.

Custers letzte Schlacht

Datei:Custer's last stand painting.jpg
Weitere zeitgenössische Darstellung der Schlacht: Custers Last Stand

Custers fünf Kompanien – C, E, F, I und L – griffen von ihrem Standort östlich des Flusses aus den Hügel hinab an, doch wegen des schwierigen Geländes und des Flusses konnte sich eine typische Kavallerieattacke nicht entwickeln. Custers Plan, das Dorf zu umgehen, um es in die Zange zu nehmen, scheiterte auch an der ihm unbekannten Größe des Dorfes. Statt am Ende des Dorfes erreichte er es in seiner Mitte. Das Dorf war vor ihm aber durch den Fluss geschützt. Custers Kompanien fanden keinen Übergang durch das sumpfige Gelände, und der Plan, sich der Frauen und Kinder zu bemächtigen, misslang. Ob einige Kavalleristen ins westlich des Flusses liegende Dorf eindringen konnten, ist unklar. Immer mehr Indianer stürmten aus dem Dorf und schlugen den Angriff zurück. Im Gegensatz zu Custer kannten die Indianer die Übergänge und konnten so schnell den Fluss überwinden. Als die Übermacht zu groß schien, folgte zunächst ein geordnetes Ausweichen. Custer befahl den Kompanien F unter Hauptmann George W. Yates und I unter Miles W. Keogh, das Ausweichen zu überwachen. Diese Verteidigungsformation kämpfte abgesessen, wurde aber nach kurzen und harten Kämpfen von aus dem Süden kommenden Indianern überrannt. Ob es sich dabei um aus dem Gefecht gegen Reno zurückkehrende Sioux unter Gall handelte, ist unklar. Krieger der Sioux unter Crazy Horse und der Cheyenne unter Two Moons umgingen Custers Stellung im Norden, damit waren die Soldaten Custers umzingelt, und jeder Ausbruch aus dem später Custer Battlefield genannten Schlachtfeld war unmöglich. Die Indianer waren nun in gewaltiger Überzahl und zudem waffentechnisch überlegen. Sie überrannten eine Kompanie nach der anderen. Zudem griffen auch Frauen mit großen Tüchern in die Schlacht ein. Sie schwenkten diese wild und verscheuchten so die Pferde mit der Reservemunition der Kavalleristen.

Die Schlacht mit indianischen Augen gesehen: Malerei von dem Oglala Kicking Bear (Mato Wanartaka) aus dem Jahre 1898

Zunächst kämpften Custers Soldaten noch in Formation, bald zerfiel diese und die Kompanien kämpften in immer kleineren, ungeordneten Gruppen. Die höhere Schussfolge der Gewehre und Bögen der Indianer dezimierte die abgesessenen Kavalleristen sehr schnell. Custer und ungefähr 60 seiner Männer waren die letzten, die getötet wurden; auf einer kleinen Anhöhe, die heute Custers Last Stand Hill genannt wird. Custers fünf Kompanien wurden restlos vernichtet. Außer ihm selbst wurden alle Leichen verstümmelt und skalpiert, Custers Bruder Tom wurde das Herz herausgeschnitten, Custers Adjutanten, Captain W. W. Cook, wurden seine imposanten Backenbärte aus dem Gesicht geschnitten. Custer hatte eine Schusswunde in der linken Seite und der linken Schläfe. Seine Trommelfelle waren durchstochen, und ein Glied des linken kleinen Fingers war abgeschnitten, er wurde jedoch nicht skalpiert. Um 17:30 Uhr war die eigentliche Schlacht vorbei.

Der Legende nach einziger Überlebender war Comanche, Hauptmann Miles W. Keoghs Pferd; dieses wurde noch Jahre nach der Schlacht als Maskottchen gesattelt bei Defilees mitgeführt.[2]

Der Kampf um die Reno-Benteen-Stellung

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In der Schlacht verwendeter U.S Cavalry Single Action

Nachdem auch McDougall mit seiner Kompanie B und der Versorgungskolonne zu Reno und Benteen gestoßen war, versuchten Thomas B. Weir und Edward S. Godfreye, als sie Gewehrfeuer hörten, mit ihren Kompanien den Ort des Geschehens zu erreichen. Obwohl von Reno und Benteen nur toleriert, zweigten auch diese zur Unterstützung des Vorstoßes Truppenteile ab. Am Weir Point angelangt, wurden sie von aus dem Norden anstürmenden Indianern wieder in ihre ursprüngliche Stellung zurückgedrängt. Während des sich nun fortsetzenden Belagerungszustandes griffen immer mehr Indianer die offene und schwer zu verteidigende Stellung an. Sie töteten oder verwundeten einige Verteidiger mit gezielten Schüssen aus der Entfernung. Reno und Benteen organisierten im Zentrum ihrer Stellung ein Verwundetennest, das mit unterschiedlichem Material und mit Pferdekadavern geschützt wurde. Einzelne Freiwillige der in der Nähe des Flusses (etwa 300 Meter) liegenden Kompanien H und M versorgten in der Nacht vom 25. zum 26. Juni die Verwundeten, aber auch andere, mit Wasser aus dem Fluss. Dies war ihnen möglich, da sie durch einen Geländeeinschnitt, die Water Carrier Ravine, einigermaßen vor feindlichem Feuer geschützt waren. Am späten Nachmittag des 26. Juni zogen immer mehr Indianer nach Süden ab und zerstreuten sich in kleinere Gruppen. In der Nacht auf den 27. Juni erweiterten Reno und Benteen ihre Stellung näher an den Fluss. Am nächsten Morgen trafen dann, aus dem Norden kommend, die Einheiten Terrys und Gibbons ein, auf die Custer eigentlich hätte warten sollen.

Die Waffen

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Einschüssiger Springfield 1873 Karabiner Verschluss geöffnet
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Henry und Winchester Mod 1866 Repetiergewehre
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Spencer-Repetierkarabiner Modell 1865

Die Kavalleristen führten einschüssige Karabiner vom Typ Springfield Modell 1873 Trapdoor Kaliber .45-70 Government, die bei intensivem Gebrauch durch die Schwarzpulverrückstände häufig Ladehemmungen hatten. Der Ladevorgang war verhältnismäßig zeitaufwändig, da die Waffe nach jedem Schuss abgesetzt werden musste.

Um die Waffe neuzuladen, musste die Verschlussklappe am Gewehr geöffnet werden, die leere Hülse entfernt und eine neue Patrone aus dem Patronenbeutel ergriffen und in das Patronenlager eingeführt werden. Danach musste das Patronenlager verriegelt und der Abzug in die richtige Stellung gespannt werden, in der falschen wirkte er als Sicherung und verhinderte den Schuss. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil dieser Karabiner war jedoch ihre Reichweite und die Durchschlagskraft der Geschosse. Diese Vorteile waren aber in dieser Schlacht ohne Bedeutung, da die Indianer die Distanz sehr schnell zu Pferde überwinden konnten und hektische Fernschüsse bei den damaligen einfachen Visiereinrichtungen selten trafen. Als Zweitwaffen führten die Soldaten sechsschüssige Colt-Revolver. Säbel waren nicht vorhanden, weil Custer befürchtet hatte, das metallische Klappern beim Reiten könnte die Indianer warnen. Custer und andere Offiziere hatten neben dem Colt auch individuelle Faustfeuerwaffen. Moderne Repetiergewehre waren jedoch nicht vorhanden.

Ein Vorteil für die angreifenden Indianer bestand darin, dass ein Teil von ihnen, man nimmt etwa 200 Krieger an, mit mehrschüssigen Repetiergewehren der Hersteller Spencer, Henry und Winchester für Pistolenmunition bewaffnet waren. Diese Waffen waren für eine viel schnellere Schussfolge ausgelegt als die Karabiner der Kavallerie; sie bezogen ihre Patronen aus nicht wechselbaren Magazinen und waren binnen weniger Sekunden nach einem Schuss wieder schussbereit. Ihre Eignung eher für mittlere Entfernungen war in diesem Kampf kein Nachteil, da die Indianer mit ihren Pferden sehr schnell auf Nahdistanz heran waren. Da die Waffe zum Laden nicht abgesetzt werden musste, konnten so in schneller Folge viele gezielte Schüsse abgegeben werden. Dazu kamen verschiedene einschüssige Hinterlader, Vorderladergewehre und einige Perkussionsrevolver. Etwa die Hälfte der Indianer war mit Pfeil und Bogen bewaffnet. Diese erlaubten den berittenen Indianern bis auf mittlere Distanz eine hohe Treffsicherheit und eine sehr hohe Schussfolge. Dazu kamen die traditionellen Nahkampfwaffen wie Messer, Streitkeulen und -äxte, denen eine große Zahl der Soldaten unter Custers Kommando zum Opfer fielen.

Verluste

Das 7. US-Kavallerie-Regiment verlor während der Kämpfe am 25./26. Juni 1876 am Little Bighorn 14 Offiziere, einen Assistenzarzt, 247 Soldaten, fünf Zivilisten und drei Indianer-Kundschafter. 52 wurden verwundet.

  • Custers Bataillon verlor 204 Offiziere, Soldaten, Kundschafter.
  • Reno verlor 44 Offiziere, Soldaten, Kundschafter und hatte 19 Verwundete, davon drei Offiziere, 29 Soldaten und zwei Kundschafter beim Angriff aufs Dorf und beim Rückzug.
  • Benteen verlor elf Soldaten und hatte 22 Verwundete.
  • McDougall verlor fünf Soldaten und hatte sieben Verwundete.

Die Gefallenen wurden von den Truppen Terrys, Gibbons und von Überlebenden beerdigt. Die Schwerverwundeten wurden auf von Maultieren getragenen improvisierten Tragbahren zu dem in der Nähe ankernden Versorgungsschiff Far West gebracht. Alle Verwundeten wurden auf dem Schiff in Rekordzeit ins Lazarett im Fort Abraham Lincoln gebracht.

Als gesichert gilt, dass auf dem Schlachtfeld erheblich weniger Indianer gefallen waren als US-Soldaten; wie viele Indianer allerdings später ihren Verwundungen erlagen, ist unbekannt. Über die indianischen Verluste existiert insgesamt kein Konsens. Angaben über getötete Krieger reichen von lediglich 36 Kriegern bis zu 136 Kriegern. Vielfach werden die niedrigsten indianischen Verlustangaben aufgegriffen und etwa 40 tote und etwa 80 verwundete Krieger angenommen. Hinzu kommen etwa zehn Frauen und Kinder, die bei Renos Angriff erschossen wurden. Obwohl die indianischen Verluste im Vergleich zu den Verlusten der Armee somit auffallend niedrig wären, stellen auch diese für die Verhältnisse der Plains-Indianer, deren Völker nur wenige Tausend Menschen zählten, ernste Verluste dar, die sie im Gegensatz zu den Streitkräften der USA nicht ersetzen konnten. Es herrschte am Abend der Schlacht unter den Indianern daher kaum Siegesstimmung.

Reflexion als geschichtliches Ereignis

Datei:WHEELER1893 pg108 CUSTER BATTLE FIELD.jpg
Ein erstes Denkmal entstand als General-Custer-Monument vor 1890 auf dem Schlachtfeld.
Datei:WarCemCustLStand.jpg
Blick von Custers letzter Verteidigungsstellung („Last Stand Hill“) ins Tal des Little Bighorn River (Gedenksteine zeigen die Fundorte der Toten)

Die Nachricht von der Niederlage und Vernichtung von Custers Truppen erreichte die Ostküste der Vereinigten Staaten erst unmittelbar nach der Feier zum 100. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung am 4. Juli 1876. Auch mit Unterstützung von Custers Witwe wurde die Niederlage in der US-Geschichte und zahlreichen Filmen als Kampf eines heldenhaften Generals gegen die Wilden verklärt. Seit die Behandlung der Indianer bei der Eroberung Amerikas mittlerweile als Unrecht begriffen wird, hat sich zum Ende des 20. Jahrhunderts das Bild der Schlacht am Little Bighorn und das des „General Custer“ gewandelt.

Maßgeblich dafür sind auch Berichte von Zeitzeugen, die Custer als militärischen Karrieristen darstellen, dem – damit allerdings dem damaligen Zeitgeist entsprechend – jedwedes Unrechtsbewusstsein im Kampf gegen die nordamerikanischen Ureinwohner gefehlt habe.

Im Sommer 1926 zum 50. Jahrestag der Schlacht fand als Medienereignis ein „Versöhnungsfest“ auf dem ehemaligen Schlachtfeld statt, zu dem Historiker und in den Reservaten lebende Häuptlinge als Gäste eingeladen wurden. Zuschauer aus allen Teilen des Landes wurden mit ermäßigten „General-Custer-Bahn-Tickets“ gelockt. Ein Ehrengast war der (im Gegensatz zu den meisten Lakota) frei in Kanada lebende Enkel von Sitting Bull. 1926 war fast nichts über die Schlacht selbst bekannt, da sich die Lakota in Schweigen hüllten. Vom Enkel Sitting Bulls erhoffte man sich aus Anlass des Jahrestages einige Einzelheiten zum Verlauf. Tatsächlich jedoch war sein Auftritt in Bezug auf die Öffentlichkeitsarbeit ein Desaster für die Veranstalter, das in der Presse keinen Widerhall fand.

Der Enkel Sitting Bulls legte eine Anzahl von Dollarscheinen auf das Rednerpult und sagte folgendes: „Die weißen Männer, die mich hierher geladen haben, haben mich gebeten, einige versöhnliche Worte zu sagen. Ich kann den weißen Männern, die von mir für Dollars versöhnliche Worte zu hören wünschen, solche Worte nicht sagen. Damit würde ich das Andenken meines Großvaters schänden. Ich gebe das Geld zurück. Es liegt hier. Wer es haben will, kann es sich nehmen. Das sind die Worte eines freien Lakota, der in Kanada wohnt und sein Leben mit seiner Hände Arbeit verdient.“

Bereits seit 1879 ist der Schauplatz der Schlacht als National Cemetery (Nationalfriedhof) ausgewiesen, seit 1940 untersteht er dem National Park Service, und seit 1946 ist er eine Gedenkstätte vom Typ eines National Monuments. Zwischen 1999 und 2003 wurden im „Little Bighorn Battlefield National Monument“ Denkmäler für gefallene Indianerkrieger enthüllt.

Die Schlacht am Little Bighorn ist von besonderer Bedeutung, weil sie ein Fanal in der sonst eher schleichend betriebenen Vernichtung der nordamerikanischen Urbevölkerung darstellt. Für das Selbstbewusstsein der nordamerikanischen Prärieindianer hat der Sieg eine über Generationen anhaltende prägende Wirkung.

Auch heute wird noch versucht, durch archäologische Untersuchungen den Verlauf der Schlacht zu rekonstruieren. Zunehmend erweisen sich die Überlieferungen der Nachfahren der beteiligten Stämme als zutreffend. Die Schlacht war eigentlich kein heldenhafter „Last Stand“, wie in unzähligen Spielfilmen dargestellt, sondern ein verzweifelter, von Panikattacken begleiteter Überlebenskampf der Soldaten. Umstritten ist allerdings die Behauptung der Crow-Späher, die Soldaten hätten, bevor sie in die Schlacht ritten, Alkohol getrunken.

Darstellung der Schlacht in Filmen

Die Schlacht wurde in zahlreichen Filmen inszeniert, und dabei wurde Custers Rolle sehr unterschiedlich bewertet. Häufig wird das Motiv Custers, der in dem heldenhaften Kampf fällt, aufgegriffen. Das eigenmächtige Vorrücken, das die Niederlage erst ermöglichte, wird mal als mutig, mal als fatale Selbstüberschätzung gewertet. In dem Film Little Big Man wird Custer am negativsten, als brutal und ignorant dargestellt. Das Vorrücken sei von Custer ein bewusster Schritt gewesen, da er mit einem Sieg über die Indianer hoffte, populär genug zu werden, um als Präsident kandidieren zu können.

In jedem Film wird der Last Stand Hill gezeigt, in dem Custer als Letzter stirbt, mal heldenhaft, mal zerknirscht, und im Film Little Big Man verrückt dargestellt. 1991 entstand der Fernsehspielfilm General Custers letzte Schlacht (Son of the Morning Star). Er bemüht sich um eine authentische Darstellung der Geschehnisse am Little Bighorn auch aus der Sicht der Indianer.

Siehe auch

Literatur

  • Debra Buchholtz: Battle of the Greasy Grass/Little Bighorn: Custer’s Last Stand in Memory, History, and Popular Culture. Taylor and Francis, Hoboken 2013, ISBN 978-1-136-30049-3.
  • Holger Bütow: George Armstrong Custer: Der Tod eines Medienstars. In: Militärgeschichte – Zeitschrift für historische Bildung, 4/2007, S. 18–21. Online abrufbar unter https://web.archive.org/web/20120130155206/http://www.mgfa.de/pdf/ZMG%204%202007.pdf
  • Evan S. Connell: Son of the Morning Star. Custer and the Little Bighorn. New York 1985.
  • Patty Frank: Die Indianerschlacht am Little Big Horn. Deutscher Militärverlag (DDR), 1968.
  • Ulrich van der Heyden: Kampf um die Prärie. Der Freiheitskampf der nordamerikanischen Prärieindianer. Berlin 1990.
  • Ulrich van der Heyden: Die Indianerschlacht am Little Big Horn im Juni 1876, in: Militärgeschichte, Nr. 5, Berlin 1985, S. 433f.
  • Douglas D. Scott & Melissa Connor: Context Delicti: Archaeological Context in Forensic Work. In: Haglund, W.D. & Sorg, M.H. (eds.): Forensic Taphonomy: The Postmortem Fate of Human Remains. CRC Press, Boca Raton 1997, S. 27–38.
  • John Okute Sica: Das Wunder vom Little Bighorn – Erzählungen aus der Welt der alten Lakota. Palisander Verlag, 1. Auflage 2009, ISBN 978-3-938305-10-2. Enthält u. a. einen Zyklus aus Erzählungen, die die Schlacht am Little Bighorn aus Sicht der Lakota beschreiben.
  • Saul David: Die größten Fehlschläge der Militärgeschichte. Heyne, 2001, ISBN 3-453-86127-2.
  • Richard A. Fox: Archaeology, History, and Custer’s Last Battle: The Little Big Horn Reexamined. University of Oklahoma Press, Norman (OK) 1993, ISBN 0-8061-2496-2.
  • William A. Graham, Brian C. Pohanka (Einleitung): The Reno Court of Inquiry: Abstract of the Official Record of Proceedings. Stackpole Books, Mechanicsburg (PA) 1995.
  • Wolfgang Hebold: 50 Klassiker: Siege und Niederlagen. Gerstenberg 2002, ISBN 3-8067-2527-6.
  • Frederik Hetmann: Der Rote Tag. Loewes, 1975, ISBN 3-7855-1708-4.
  • Ronald H. Nichols: Reno Court of Inquiry: Proceedings of a Court of Inquiry in the Case of Major Marcus A. Reno. Hardin (MT): Custer Battlefield Museum 1996, 678 S.
  • Douglas D. Scott & Melissa Connor: Context Delicti: Archaeological Context in Forensic Work. In: Haglund, W.D. & Sorg, M.H. (eds.): Forensic Taphonomy: The Postmortem Fate of Human Remains. CRC Press, Boca Raton 1997, S. 27–38.
  • Charles Windolph, Frazier Hunt, Robert Hunt: I fought with Custer: the story of Sergeant Windolph, last survivor of the Battle of the Little Big Horn, as told to Frazier and Robert Hunt. With explanatory material and contemporary sidelights on the Custer fight. Reprint der Ausgabe New York, Lincoln (Nebr.) 1954, University of Nebraska Press 1987 (engl.)
  • Ulrich van der Heyden: Kampf um die Prärie. Der Freiheitskampf der nordamerikanischen Prärieindianer. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1988.

Weblinks

Commons: Schlacht am Little Bighorn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gregory Michno, Encyclopedia of Indian Wars, 2003, S. 296; Michno, Mystery of E-Troop, S. 16–18; Utley, Frontier Regulars, S. 265–68.
  2. Custer’s Last Standard Bearer. The University of Kansas, abgerufen am 12. Mai 2019 (englisch, Das Pferd, das überlebte).

Koordinaten: 45° 33′ 54″ N, 107° 25′ 44″ W