Georg Gerullis
Georg Gerullis (* 13. August 1888 in Jogauden bei Tilsit (heute eine Wüstung in der Gemeinde Pagėgiai, Litauen); † 9. August 1945 in Riga) war ein deutscher Baltist und Hochschullehrer preußisch-litauischer Abstammung.
Leben
Der Sohn des Landwirts Peter Gerullis und seiner Ehefrau Anna geb. Jokutat hatte seine erste Ausbildung auf der Dorfschule in Bittehnen erhalten und wurde von Privatlehrern unterrichtet. 1903 bezog er die Königliche Litthauische Provinzialschule. Von 1909 bis 1912 studierte er Philosophie, Klassische Philologie und Geschichte an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin und der Albertus-Universität Königsberg.[1] In Königsberg wurde er 1912 zum Dr. phil. promoviert.[2] 1913 diente er als Einjährig-Freiwilliger in der Preußischen Armee. Von 1914 bis 1918 nahm er als Soldat am Ersten Weltkrieg teil, zuletzt als Leutnant der Reserve.
Zurück aus dem Krieg, war er von 1919 bis 1922 Gymnasiallehrer (ab 1920 Studienrat) in Königsberg. 1919 habilitierte er sich mit einer Arbeit zur Baltischen Philologie. Als Privatdozent leitete er das Litauische Seminar der Theologischen Fakultät.[1]
Von 1922 bis 1933 war er a.o. Professor für baltische und slawische Sprachen an der Universität Leipzig. Er war Vertrauensdozent des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes.
Im Februar 1933 wurde er Vorsitzender des Nationalen Ausschusses für die Erneuerung der Universität Leipzig. Seit dem 1. April 1933 Personalreferent im Sächsischen Volksbildungsministerium[1], wurde er am 6. Mai zum Minister vorgeschlagen. Er trat das Amt jedoch nicht an, um seine Stellung im Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung behalten zu können, in das man ihn zum 12. April 1933 als Ministerialdirektor und Leiter der Hochschulabteilung berufen hatte. Im November 1933 wurde er in den einstweiligen Ruhestand versetzt.[1]
1934 berief ihn das Ministerium als o. Professor für Baltische Philologie an die Universität Königsberg. Gegen das Votum der Fakultät wurde er für die akademischen Jahre 1935/36 und 1936/37 zum Rektor ernannt.[1][3] Seit 1936 war er korrespondierendes Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften.[4]
Nach Querelen mit Gauleiter Erich Koch am 25. März 1937 abgesetzt, kehrte er 1937 als Lehrstuhlinhaber für Baltische Philologie zum zweiten Mal an die Berliner Universität zurück.
Im Zweiten Weltkrieg diente er als Offizier im Heer, aus dem er Anfang 1945 als Major der Reserve entlassen wurde. Er war Major bei der Leitstelle II Ost und beim Frontaufklärungskommando 203–205[5] und leitete das Luftlandebataillon Dallwitz.[6] Am 8. Mai 1945 veranlasste die Sowjetische Militäradministration in Deutschland seine Verhaftung und verurteilte ihn aufgrund Artikel 58.2 des Strafgesetzbuches der RSFSR vom SMT der 8. Gardearmee zum Tode durch Erschießen. Der Vorwurf lautete auf Kriegsverbrechen. Das Urteil wurde am 9. August 1945 vollstreckt. Die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation (Glawnaja Wojennaja Prokuratura – GWP) rehabilitierte ihn am 8. Februar 2002.[7]
Werke
- Die altpreussischen Ortsnamen gesammelt und sprachlich behandelt. Berlin: Vereinigung wissenschaftlicher Verleger, 1922.
- Die ältesten litauischen Sprachdenkmäler, bis zum Jahre 1570. Heidelberg 1923.
- Litauische Dialektstudien. Leipzig 1932.
Weblinks
Mitgliedschaften
- Sturmabteilung (1931–1933)[1]
- Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (ab 1931)[1]
Literatur
- Michael Grüttner: Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik (= Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte. Band 6). Synchron, Heidelberg 2004, ISBN 3-935025-68-8, S. 59.
- Kurt Forstreuter: Gerullis, Georg, in: Altpreußische Biographie, Ergänzungsband 1, S. 921.
- Helmut Heiber: Universität unterm Hakenkreuz, Teil II: Die Kapitulation der Hohen Schulen, Bd. 2, München, Saur, 1994, S. 325 ff. ISBN 3-598-22631-4.
- Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2. Auflage. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8.
- Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender 1931.
- Lietuviu Enciklopedija, Bd. 7, S. 187 f.
- Ulf Morgenstern: „Jetzt ist es bloßes Vergnügen Nazi zu sein.“ Der Leipziger Baltist Georg Gerullis (1888–1945) zwischen Universität und NS-Politik. Universität Leipzig Journal H. 5 (2007), S. 10–11.
- Kazys Morkunas: Jurgio Gerulio kursai tarmems tirti. Archivum Lithuanicum, Bd. 2 (2000), S. 283–290.
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f g Leipziger Professorenkatalog
- ↑ Dissertation: De Prussicis sambiensium locorum nominibus. Königsberg 1912
- ↑ Rektoratsreden (HKM)
- ↑ Mitglieder der SAW: Georg Gerullis. Sächsische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 20. Oktober 2016.
- ↑ Sûreté de l’Etat Allemands recherchés. (PDF) S. 14, archiviert vom Original am 26. August 2014; abgerufen am 26. August 2014 (französisch, CEGES-SOMA-Dokument; Leitstelle II Ost, FAK203 und FAK205).
- ↑ Antonio J. Muñoz, Oleg V. Romanko: Hitler's White Russians: Collaboration, Extermination and Anti-partisan Warfare in Byelorussia, 1941-1944, Europa Books 2003, S. 60.
- ↑ Klaus-Dieter Müller, Thomas Schaarschmidt, Mike Schmeitzner, Andreas Weigelt: Todesurteile sowjetischer Militärtribunale gegen Deutsche (1944-1947): Eine historisch-biographische Studie. Vandenhoeck & Ruprecht 2015. S. 179.
Personendaten | |
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NAME | Gerullis, Georg |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Baltist und Hochschullehrer |
GEBURTSDATUM | 13. August 1888 |
GEBURTSORT | Jogauden bei Tilsit |
STERBEDATUM | 9. August 1945 |
STERBEORT | Riga |