Bernard Wesphael
Bernard Wesphael (* 25. September 1958 in Waremme) ist ein belgischer Sozialpädagoge und ehemaliger Politiker der Partei Ecolo.
Biographie
Bernard Wesphael wuchs im wallonischen Hespengau (Hesbaye) in der Provinz Lüttich in einer Zeit der Wirtschaftskrise auf, als zahlreiche Betriebe der Region schlossen. Mit 16 Jahren verließ er sein Elternhaus und ging zur Belgischen Armee, wo er jedoch wegen Aufsässigkeit wiederholt im Militärarrest landete und schließlich unehrenhaft entlassen wurde. Er zog daraufhin für einige Monate in die Cevennen in Frankreich. Zurück in Belgien, war er sodann in Lüttich von 1979 bis 1987 als Sozialpädagoge in der Jugendarbeit und der offenen Sozialarbeit tätig. Er beteiligte sich an Protesten der antimilitaristischen und der Anti-Atomkraft-Bewegung. Von 1978 bis 1980 war er aktiv bei den Freunden der Erde (Amis de la Terre) Belgien.
Bernard Wesphael war 1980 Mitbegründer der ökologisch ausgerichteten Partei Ecolo.[1] Bernard Wesphael wurde 1987 für Ecolo in den Provinzialrat von Lüttich gewählt und zog 1999 als Ecolo-Abgeordneter ins Wallonische Parlament ein.[2] 2004 wurde er trotz eines für Ecolo und ihn persönlich enttäuschenden Wahlergebnisses erneut ins Wallonische Parlament gewählt.[3] Bei den Wahlen 2009 erzielten er und Ecolo dagegen das beste Ergebnis ihrer Geschichte.[4] Er wurde nunmehr Fraktionsvorsitzender von Ecolo im Wallonischen Parlament.[5]
Innerhalb der Partei Ecolo galt Wesphael als „Fundi“ und stand Regierungsbeteiligungen kritisch gegenüber.[6][7] Er gehörte Anfang 2015 in Belgien zu den schärfsten Kritikern des 2004 unterzeichneten Vertrags über eine Verfassung für Europa und lehnte ihn bei der Abstimmung als einziger wallonischer Abgeordneter ab.[8][9] Er setzte sich stark für einen säkularen, laizistischen Staat im Gegensatz zur gültigen „staatlichen Neutralität“ ein.[10]
2003 trat er auf dem Ecolo-Parteitag gemeinsam mit Paul Lannoye und Ann-Mary Francken für die kollektive Parteispitze an, doch errang das Trio lediglich 38,1 % der Stimmen.[6] Einen erneuten Anlauf machte er zusammen mit Marie Corman auf dem Ecolo-Parteitag 2012, doch landete das Duo mit 15 % auf dem dritten und letzten Platz.[11][12] Er scheiterte auch mit dem Versuch, Ecolo-Kandidat für die wallonische Parlamentspräsidentschaft zu werden, denn schließlich wurde Patrick Dupriez wallonischer Parlamentspräsident.[2]
Enttäuscht über seine Isolation in der Partei, verließ er Ecolo am 26. März 2012.[13] In der Folge wurde er von mehreren linken Parteien umworben, darunter die Partei der Arbeit Belgiens (Parti du Travail de Belgique) (PTB). Ebenso hatte er Kontakte zur französischen Linkspartei (Parti de Gauche) unter Vorsitz von Jean-Luc Mélenchon.[14] Am 20. April 2012 gab er die Gründung einer „Linksbewegung“ (Mouvement de Gauche) bekannt.[15]
Im September 2013 zog er sich aus dem Projekt der „Linksbewegung“ zurück, nachdem ihm Umfragen kaum ein Prozent der Stimmen vorausgesagt hatten und es zu Uneinigkeiten mit seinen Mitstreitern gekommen war.[16][17][18] Im September 2017 verkündete er, eine neue politische Bewegung gründen zu wollen.[19]
Anklage wegen Mordes
Am 1. November 2013 wurde Bernard Wesphael auf Grund eines Haftbefehls durch einen Richter in Brügge in Haft genommen. Ihm wurde vorgeworfen, seine Ehefrau Véronique Pirotton, die er ein Jahr zuvor geheiratet hatte, in einem Hotel in Ostende ermordet zu haben.[20] Drei Tage nach seiner Verhaftung wurde sein Haftbefehl durch das Gericht bestätigt.[21] In der Zwischenzeit gab die Königliche Staatsanwaltschaft in Brügge (nl. Procureur des Konings, „Procurator des Königs“) bekannt, dass Véronique Pirotton laut Autopsiebericht am 31. Oktober 2013 durch Gewalteinwirkung zu Tode gekommen war.[22][23] Bernard Wesphael wandte dagegen ein, dass er seine Frau tot im Badezimmer aufgefunden habe. Sie sei depressiv gewesen und habe sich offensichtlich das Leben genommen, indem sie sich einen Kunststoffbeutel über den Kopf zog.[24]
Ein Gegengutachten der Verteidigung im April 2014 ergab, dass der Tod durch Vergiftung mit Medikamenten in Kombination mit Alkohol oder auch durch Erstickung eingetreten sein könne – versehentlich oder in der Absicht, sich das Leben zu nehmen.[25] Dennoch wurde die Haft Bernard Wesphaels am 15. April 2014 verlängert.[26]
Am 26. August 2014 wurde Bernard Wesphael durch Beschluss der Anklagekammer (Kamer van inbeschuldigingstelling) in Gent unter Auflagen freigelassen.[27]
Am 15. September 2016 wurde die Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht (cour d’assises) von Hennegau in Mons (Bergen) eröffnet. Am 6. Oktober 2016 wurde Bernard Wesphael wegen Zweifel an der Schuld freigesprochen.[28][29][30]
Im Oktober 2016 kam zu dem Thema sein Buch Assassin („Mörder“) gleichzeitig auf Französisch und Niederländisch heraus.[31]
Familie
Bernard Wesphael hat zwei Kinder: eine ältere Tochter mit einer Bulgarin und einen jüngeren Sohn mit einer Beninerin.[32]
Werke
- Sauver l'Europe, oser dire non à la constitution, Luc Pire, 2005
- Une Wallonie verte. Le défi énergétique, source d'emplois durables et de solidarité, Etopia, 2009
- Changez tout, Couleurs Livres, 2011
- Assassin, Now Future Editions, 2016, ISBN 2960180402[33]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Qui est Bernard Wesphael?. In: lesoir.be. Abgerufen am 15. September 2016.
- ↑ a b Les vies brisées de Bernard Wesphael. 9. November 2013. Abgerufen am 15. September 2016.
- ↑ Province de Liège - Analyse des résultats dans les trois arrondissements avec Pierre Verjans (ULg). In: lesoir.be. 15. Juni 2004. Abgerufen am 15. September 2016.
- ↑ Elections 2009 - Parlement wallon - Votes Nominatifs Circonscription de Liège. In: elections2009.belgium.be. Abgerufen am 15. September 2016.
- ↑ Parlement wallon: Wesphael, chef de groupe Ecolo. In: dhnet.be. Abgerufen am 15. September 2016.
- ↑ a b Pierre-François Lovens: Lauriers verts pour le trio Javaux. In: lalibre.be. 5. Juli 2003. Abgerufen am 15. September 2016.
- ↑ Partis - Bernard Wesphael et Paul Lannoye, rejoints par Ann-Mary Francken, restent candidats à la direction Il y aura bien un duel à Ecolo. In: lesoir.be. 5. Juli 2003. Abgerufen am 15. September 2016.
- ↑ Vincent Rocour: Wesphael crée son parti. In: lalibre.be. Abgerufen am 15. September 2016.
- ↑ ECOLO Groupe local de Liège - Un Non qui sauvera l' Europe ( Bernard Wesphael ). In: liege.ecolo.be. Abgerufen am 15. September 2016.
- ↑ Ecolo : Wesphael et Corman veulent « revitaliser la démocratie ». In: lesoir.be. Abgerufen am 15. September 2016.
- ↑ M.Bu.: Bernard Wesphael seul contre tous chez Ecolo. In: lalibre.be. Abgerufen am 15. September 2016.
- ↑ Deleuze/Hoyos, honorablement. In: La Libre Belgique. 5. März 2012.
- ↑ Cette fois c'est décidé, Bernard Wesphael quitte Ecolo. 26. März 2012. Abgerufen am 15. September 2016.
- ↑ Mélenchon et le PTB s'intéressent à Bernard Wesphael. In: lalibre.be. Belga. Abgerufen am 15. September 2016.
- ↑ Pierre Bouillon: Bernard Wesphael lance son « mouvement de gauche ». In: Le Soir. 20. April 2012.
- ↑ Bernard Wesphael envisage de quitter le Mouvement de Gauche. In: lalibre.be. Belga. Abgerufen am 15. September 2016.
- ↑ Bernard Wesphael envisage de quitter le Mouvement de Gauche. In: Le Soir. 2. September 2013.
- ↑ Bernard Wesphael quitte le Mouvement de gauche. In: lalibre.be. Belga. Abgerufen am 15. September 2016.
- ↑ Bernard Wesphael lance un nouveau mouvement politique. In: La Libre Belgique. 27. September 2017. Abgerufen am 8. Oktober 2017.
- ↑ Exclusif: Bernard Wesphael soupçonné d'avoir tué son épouse dans leur chambre d'hôtel à Ostende: « C'était un suicide », se défend-il. In: La Meuse. 2. November 2013.
- ↑ Détention prolongée pour un élu belge soupçonné de meurtre. 5. November 2013.
- ↑ Inculpation de Bernard Wesphael: une dispute aurait éclaté dans le couple (vidéos). In: lesoir.be.
- ↑ Mort de Véronique Pirotton: un coup, mais pas seulement. 14. November 2013.
- ↑ Jacques Pradel, Charlotte Meritan: L'affaire Bernard Wesphael. In: rtl.fr. 8. Juni 2016.
- ↑ Affaire Wesphael: la contre-expertise met en évidence le mélange "alcool-médicament". In: RTBF info. 10. April 2014.
- ↑ Chambre des mises de Gand: Bernard Wesphael reste en prison. In: RTBF info. 15. April 2014.
- ↑ « Bernard Wesphael hors de prison, "une immense satisfaction" pour Mayence », La Libre Belgique, 26. und 27 August 2014.
- ↑ Bernard Wesphael «soulagé» que le procès commence. In: lesoir.be.
- ↑ Procès Bernard Wesphael - Les images confortent la famille Pirotton dans la thèse d'une dispute qui a mal tourné. In: rtl.be. 20. September 2016.
- ↑ Le verdict est tombé: Bernard Wesphael est acquitté du meurtre de sa femme, Véronique Pirotton. In: sudinfo.be. 6. Oktober 2016. Archiviert vom Original am 12. November 2016. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Abgerufen am 4. November 2017.
- ↑ Dans "Assassin", Bernard Wesphael accuse ! Nous avons lu son livre, voici en exclusivité quelques extraits forts. In: sudinfo.be. 7. Oktober 2016. Archiviert vom Original am 12. November 2016. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Abgerufen am 4. November 2017.
- ↑ Procès Bernard Wesphael: les mères de ses enfants témoignent en sa faveur. RTBF. 29. September 2016.
- ↑ Assassin - Collectif - Babelio. In: www.babelio.com . Abgerufen am 19. Oktober 2016.
Personendaten | |
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NAME | Wesphael, Bernard |
KURZBESCHREIBUNG | belgischer Sozialpädagoge und ehemaliger Politiker der Partei Ecolo |
GEBURTSDATUM | 25. September 1958 |
GEBURTSORT | Waremme |