Initial Coin Offering

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Initial Coin Offering (ICO) oder auch Initial Public Coin Offering (IPCO) (bzw. Token Sale oder Token Generating Event (TGE)[1]) ist eine oftmals unregulierte Methode des Crowdinvestings, die von Unternehmen verwendet wird, deren Geschäftsmodell auf Kryptowährungen basiert.[2][3][4][5] Mit dieser Methode der erstmaligen Kapitalaufnahme vermeiden Kryptowährungs-Firmen den streng regulierten Prozess der Kapitalaufnahme, der von Risikokapitalgebern, Banken oder Börsen vorgeschrieben wird, wenn sie sogenannte "utility tokens" bzw. "cryptocurrency tokens" emittieren.[4][5][6] Im Falle der Emission von sogenannten "security tokens" finden nationale Wertpapiergesetze Anwendung, sodass solche "Security Token Offerings" (STOs) einer ähnlich strengen Regulierung unterfallen wie reguläre Börsengänge.[5][6] In einem Initial Coin Offering wird ein Anteil einer neu emittierten Kryptowährung an Anleger verkauft im Austausch gegen staatlich emittierte Währungen oder gegen andere Kryptowährungen.

Allgemeines

Es handelt sich um ein sehr ähnliches Konzept wie ein Börsengang (Initial Public Offering). Der Begriff wird oft im Zusammenhang mit „Token Sale“ verwendet und stellt eine Form des Crowdfundings dar. Beide Begriffe referenzieren eine Finanzierungsmöglichkeit, bei der Investoren Zugang zu einem künftigen Feature des finanzierten Projektes bekommen; das Projekt startet aber erst in der Zukunft. Über ICOs erwirbt der Investor hingegen einen Eigentumsanteil oder Erlösanteile am finanzierten Projekt. Laut Amy Wan ist „das ‚coin‘ bei einem ICO das Symbol für das Interesse, Eigentum an einer Organisation zu erwerben – sozusagen eine digitale Aktie“.[7] Über ICO kann aber auch mehr als ein monetärer Vorteil erworben werden, wie das Beispiel Storjcoin zeigt: Über Storjcoins erwirbt der Käufer das Recht, von storj.io angebotenen Speicherplatz zu nutzen.[8][9]

Der erste Verkauf sogenannter Tokens (vergleichbar zu Tokens sind Kupons, deren Funktion je nach ICO variieren kann[8]) erfolgte durch Mastercoin im Juli 2013.[10] Ethereum sammelte Geld über den Verkauf von Tokens im Jahre 2014 ein.[11] Der erste ICO war der von Karmacoin in April 2014 für dessen Karmashares-Projekt.[12] 2017 wurden NEO per ICO ausgegeben. Der Ausgabepreis betrug 3 Cents, zwischenzeitlich wurde NEO für 180 $ gehandelt, was es zum erfolgreichsten ICO aller Zeiten macht.[13] ICOs und Token Sales sind in den USA verbreitet. Mit Stand Ende Juli 2017 wurden über 60 ICO-Angebote gelistet.[14] Ein ICO des neuen Webbrowsers Brave erbrachte rund 35 Millionen Dollar in weniger als 30 Sekunden.[15] Binance konnte 15 Millionen US-Dollar einsammeln. Aktuell gibt es mehr als 30 Websites, die ICOs dokumentieren.

Im Juli 2017 deutete die US-amerikanische Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) an, dass sie die amerikanische Wertpapiergesetzgebung auf ICOs anwenden könne.[16] Die BaFin veröffentlichte Leitlinien zu ICOs.[17] Die SEC äußerte sich nicht dazu, ob alle auf Blockchains basierende Tokens und Kryptowährungen Wertpapiere im zu regulierenden Sinne darstellen, diese Entscheidung werde von Fall zu Fall getroffen.[18] Das Statement der SEC könnte aber mehr Vertrauen der breiten Öffentlichkeit in ICOs schaffen und damit eine höhere Investitionsbereitschaft in diese Finanzinstrumente.[19][7] Im November 2017 veröffentlichte die BaFin eine Verbraucherwarnung zu den ICOs. Darin macht die Finanzaufsichtsbehörde auf erhebliche Risiken für Verbraucher, bis hin zu einem Totalverlust der Investition, aufmerksam.[20]

Die aufsichtsrechtliche Einordnung der Ausgabe von Token ist in Deutschland bis heute mit erheblicher Rechtsunsicherheit verbunden. Die BaFin verweist darauf, dass die aufsichtsrechtliche Kategorisierung nicht einfach anhand der gängigen Token-Klassen (Equity-, Currency- und Utility-Token) erfolgen kann. Es müsse eine Einzelfallprüfung vorgenommen werden, die den konkreten rechtlichen Charakter der ausgegebenen Token identifiziert.[21] Hintergrund ist wohl auch die Erkenntnis, dass in der ICO-Praxis die ausgegebenen Token oft hybrider Natur sind.

Der erste bekannte ICO in Deutschland ist der Verkauf von Wys-Token durch die Berliner Wysker UG (haftungsbeschränkt).[22][14]

Im Fürstentum Liechtenstein wurde am 21. Juni 2019 das erste Blockchain-Gesetz zu Regulierungen von ICOs und der Tokenökonomie vorgestellt.[23]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Marco Liesenjohann: Token Generating Events als neue Säule der Wachstumsfinanzierung. In: Bitkom. 18. Dezember 2017, abgerufen am 20. Februar 2020 (Stellungnahme).
  2. Initial Coin Offerings (ICOs): Risks, Regulation, and Accountability. Regulation of Financial Institutions Journal: Social Science Research Network (SSRN). abgerufen am 6. Dezember 2017.
  3. Osi Momoh: Initial Coin Offering (ICO). In: Investopedia. 20. Dezember 2016 (investopedia.com [abgerufen am 27. Juli 2017]).
  4. a b Patrick Schueffel: The Concise Fintech Compendium. Hrsg.: Institut für Finanzen. Hochschule für Wirtschaft Freiburg, Freiburg, Schweiz September 2017 (schueffel.biz).
  5. a b c Paul P. Momtaz: Token Sales and Initial Coin Offerings: Introduction. In: The Journal of Alternative Investments. Band 21, Nr. 4, 31. März 2019, ISSN 1520-3255, S. 7–12, doi:10.3905/jai.2019.21.4.007 (pm-research.com [abgerufen am 24. April 2021]).
  6. a b Paul P. Momtaz: Initial Coin Offerings. In: PLOS ONE. Band 15, Nr. 5, 21. Mai 2020, ISSN 1932-6203, S. e0233018, doi:10.1371/journal.pone.0233018, PMID 32437413, PMC 7241798 (freier Volltext) – (plos.org [abgerufen am 24. April 2021]).
  7. a b Why Your Initial Coin Offering Is Probably Regulated By Securities Law. 6. März 2017, abgerufen am 27. Juli 2017.
  8. a b ICO erklärt: Das steckt hinter dem Finanzierungsmodell der Blockchain-Szene. In: t3n News. (t3n.de [abgerufen am 28. Juli 2017]).
  9. Storj - Decentralized Cloud Storage. Abgerufen am 28. Juli 2017 (amerikanisches Englisch).
  10. Christoph Bergmann: ICO: Die eierlegende Wollmilchsau der Projektfinanzierung – oder doch nur Hype und Abzocke? In: BitcoinBlog.de - das Blog für Bitcoin und andere virtuelle Währungen. 28. September 2016, abgerufen am 27. Juli 2017.
  11. ICO, Explained. In: CoinTelegraph. (cointelegraph.com [abgerufen am 27. Juli 2017]).
  12. Karmacoin Becomes First Cryptocurrency to Issue Shares. In: Cointelegraph. (cointelegraph.com [abgerufen am 27. Juli 2017]).
  13. https://www.investopedia.com/tech/most-successful-icos-all-time/
  14. a b ICO Alert — The trusted ICO Discovery Platform of active and upcoming Initial Coin Offerings. Abgerufen am 28. Juli 2017.
  15. $35 Million in 30 Seconds: Token Sale for Internet Browser Brave Sells Out – CoinDesk. In: CoinDesk. 31. Mai 2017 (coindesk.com [abgerufen am 27. Juli 2017]).
  16. SEC: US Securities Laws 'May Apply' to Token Sales - CoinDesk. In: CoinDesk. 25. Juli 2017 (coindesk.com [abgerufen am 27. Juli 2017]).
  17. Aufsichtsrechtliche Einordnung von sog. Initial Coin Offerings (ICOs) zugrunde liegenden Token bzw. Kryptowährungen als Finanzinstrumente im Bereich der Wertpapieraufsicht. (PDF) Abgerufen am 22. Februar 2018.
  18. 'Not a Surprise': Blockchain Industry Saw SEC ICO Action Coming - CoinDesk. In: CoinDesk. 26. Juli 2017 (coindesk.com [abgerufen am 27. Juli 2017]).
  19. Token Summit Creator: SEC ICO Guidance a 'Breath of Fresh Air' – CoinDesk. In: CoinDesk. 26. Juli 2017 (coindesk.com [abgerufen am 27. Juli 2017]).
  20. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Verbraucherwarnung: Risiken von Initial Coin Offerings (ICOs). 9. November 2017, abgerufen am 28. November 2017.
  21. BaFin: Initial Coin Offerings, Hinweisschreiben zur Einordnung als Finanzinstrument. Abgerufen am 9. August 2018.
  22. Kim Rixecker: Erster deutscher ICO: Wysker bringt Shopping auf die Blockchain. In: t3n. Abgerufen am 5. Oktober 2017.
  23. Blockchain-Gesetz im Fürstentum Liechtenstein. Abgerufen am 3. Juli 2019.