Gymnasium poeticum
Das Gymnasium poeticum wurde 1505 in Regensburg als Lateinschule gegründet und entwickelte sich im Verlauf der Reformation zu einem Gymnasium, das auf den Besuch von Universitäten vorbereiten sollte. Eingerichtet wurde auch ein Alumnat, zur Unterbringung auswärtiger Schüler. Als nach 1800 die Stadt Regensburg in das Königreich Bayern eingegliedert wurde, mussten die religiösen Schulen vereinigt werden. Deshalb wurde 1811 das protestantische, städtische Gymnasium poeticum mit dem etwas später gegründeten katholischen Jesuitengymnasium zum sog. Paritätisch Vereingten Gymnasium zusammengeschlossen. Nach Umzug in einen Neubau am Ägidienplatz bezeichnete sich das Paritätisch Vereingte Gymnasium zunächst als Königlich Bayerisches Gymnasium und später als Altes Gymnasium. Das geschah, um sich vom inzwischen neu entstandenen städtischen Realgymnasium abzugrenzen, das sich damals zunächst Neues Gymnasium nannte. Aus dem Alten Gymnasium am Ägidienplatz als der Nachfolgerschule der beiden vereinigten religiösen Vorgänger-Gymnasien wurde 1962 am neuen Standort im äußeren Westen der Stadt das heutige Albertus Magnus Gymnasium. Aus dem erst nach 1800 gegründeten städtischen Neuen Gymnasium wurde 1962 am gleichen Standort das heutige Albrecht-Altdorfer-Gymnasium
Schwierige Gründungsphase
Bis zum Beginn der Zeit des Renaissance-Humanismus im 16. Jahrhundert lag das höhere Schulwesen ausschließlich in den Händen der Kirche. Wie in anderen Städten hatten sich in dieser Zeit auch in Regensburg in mehreren Stiften und Klöstern Schulen gebildet, deren Niveau teilweise hoch war. Es bestand aber weiterhin eine große Distanz zwischen Kirche und Bürgern. Erst die sich ab 1500 abzeichnenden Erneuerungsbewegungen der Reformation führten zur geistigen Erneuerung und dann zum Machtverfall der Kirche und hatten eine Säkularisierung der bestehenden kirchlichen Schulen und Universitäten zur Folge. In Regensburg begann die Zeit, in der das Bürgertum an Gewicht gewann und sich mehr Bildung aneignen wollte nach 1500. Veranlasst vom Rat der Stadt wurde 1505 eine Lateinschule gegründet deren Entwicklung aber in den Folgejahren durch viele Ereignisse erschwert wurde. Im Jahr 1519 erfolgte die Vertreibung der Juden und die Zerstörung des Judenviertels. Danach begann die Wallfahrt zur Schönen Maria, gefolgt von der die Bevölkerung besonders erregenden Reformationsbewegung und einem Finanzstreit um den Bau der Neupfarrkirche. Nach Beruhigung der Lage und nach Einführung der Reformation im Jahr 1542 wurde das neu gegründete protestantische Gymnasium poeticum zusätzlich noch mit der Gegengründung einer Jesuitenschule konfrontiert, des katholischen Jesuitengymnasiums St. Paul. Die Gründung gelang, obwohl der Rat der Stadt mit allen Mitteln der Behinderung versucht hatte, die Gründung zu verhindern und die Baumaßnahmen zu erschweren[1]
Ablauf der Gründung
Das Gymnasium poeticum wurde 1505 im Auftrag des Rates der Reichstadt Regensburg als Lateinschule von Josef Grünpeck gegründet. In der von mehreren katholischen Reichsständen geprägten Stadt war die Schule die erste nicht kirchliche Schule in Regensburg und sollte auf ein Studium vorbereiten. In den ersten Jahren nach der Gründung der protestantischen Lateinschule im Jahr 1505 fand die Schule Unterkunft im Kastenmeierhaus in der Wahlenstraße (heute Nr. 24.) Der Mann, der vom Rat der Stadt mit der Gründung der Schule beauftragt wurde, war Josef Grünpeck, ein humanistischer Schriftsteller, der an der Universität Ingolstadt Latein unterrichtet hatte. Er wurde vom Historiker Benno Hubensteiner später bezeichnet als „humanistischer Herumtreiber und eitler Windbeutel, der keinen Schuss Pulver wert ist.“ Die Gründung der Schule lief jedoch offenbar erfolgreich, denn für das Folgejahr 1506 gewährte ihm die Stadt eine finanzielle Zulage von 5 Gulden auf sein Jahresgehalt von 40 Gulden. Berichtet wird, dass Grünpeck im Laufe des Folgejahres zwar mehrmals die Stadt verließ, jeweils aber wiederkehrte, letztmals aber bereits 1508.[2] Über den Schulbetrieb in dieser schwierigen Zeit liegen bis zur Einführung der Reformation in Regensburg 1542 keine weiteren Berichte vor. Grünpeck wird heute häufig als eine sehr schillernde Persönlichkeit bezeichnet, nach dem aber trotzdem eine Straße in Regensburg benannt ist.[3][4]
In den sich anschließenden Jahren im Vorfeld der 1542 in Regensburg eingeführten Reformation kam es zu einem starken Zustrom von Schülern, so dass die Schule einen neuen Standort suchen musste. Der Rat der Stadt entschloss sich, das damals bereits weitgehend von den katholischen Mönchen verlassene Augustinerkloster am Neupfarrplatz als Unterkunft für die Schule zu nutzen. Die dort verbliebenen zwei Mönche des Augustinerordens Georg Doschler und Leonhard Kalmünzer waren der neuen protestantischen Lehre Luthers zugeneigt und übernahmen den Unterricht. Auf Bitten der Stadt schickte Philipp Melanchthon 1530 als Rektor der Schule Andreas Denzel und nach dessen baldigem Tod 1534 Kaspar Naevius. Die beiden unterrichtenden ehemaligen Augustinermönche wurden daraufhin aus dem Augustinerorden ausgeschlossen.[5]
Konsolidierungsphase mit Neubau
Die Fortsetzung des Unterrichts der protestantischen Lateinschule im Augustinerkloster führte zu weiteren Protesten des Augustinerordens. 1537 kam es durch Verhandlungen auf höchster politischer Ebene unter Vermittlung des amtierenden Bischofs, des bayerischen Herzogs und des Kaisers zu einer Lösung, die dann 350 Jahre bis zur Auflösung der Schule 1875 Bestand hatte. Der Unterricht sollte in den von der Stadt bereits 1531 käuflich erworbenen Gebäudekomplex verlegt werden, der dem ehemaligen kaiserlichen Reichshauptmann Thomas Fuchs von Wallburg gehört hatte und deshalb von der Bevölkerung Fuchssche Behausung genannt wurde. Die geplante neue Nutzung der Immobilie, die sich beginnend an der Abzweigung der Straße Am Ölberg von der Gesandtenstraße entlang der Gesandtenstraße bis hin zum heutigen Poetengäßchen erstreckte, machte aber langwierige Umbau- und Neubaumaßnahmen erforderlich. Für die Zeit der Baumaßnahmen wird Hieronymus Haubold als Rektor erwähnt, der die Stadt jedoch schnell wieder verließ. Beim Neubau entstand das protestantisch-reichsstädtische Gymnasium poeticum mit einer Wohnung für den Kantor, mit Bibliothek, Theaterraum, Kranken- und Badestube in Gebäuden, die bis 1728 unverändert genutzt wurden. Von 1575 bis 1586 war der bedeutende Theologe und Antiquar Johannes Rosinus Konrektor der Schule.[6]
Die Nutzung der neuen Schulgebäude begann 1538 und ab 1542 gab es dort als wesentlichen Teil des neuen Gymnasiums poeticum auch ein Schülerheim zur Unterbringung auswärtiger Schüler, das man Alumneum nannte.[Anm. 1] Die Unterbringung auswärtiger bedürftiger Schüler wurde mit Stipendien unterstützt. So gründete z. B. anlässlich des Schulbesuchs von Christoph Jacob Elsenheimer, Sohn des Besitzers der Burg Prebrunn vor dem westlichen Stadttor von Regensburg, dessen Vater eine Stipendienstiftung mit 30.000 Gulden für das Alumneum.
1655 erfolgten weitere Baumaßnahmen und es entstand das Mittelgebäude mit einem Raum für Schülertheater und Orchester mit ansteigenden Sitzreihen und Bühnenmaschinen.
1728 wurde dann ein pompöser Neubau geplant, von dem sich im Stadtmuseum ein Modell erhalten hat. Vom großen geplanten Neubau, wurde wegen akuter Baufälligkeit nur der westliche Teil am Poetengäßchen verwirklicht. Im dort entstandenen Gebäude ist heute die Staatliche Bibliothek Regensburg untergebracht. Die über dem Eingang erhaltene Inschrift zeugt noch heute von der ehemaligen Nutzung des Gebäudes:
Musarum Evang. Domicilium
Wohnstatt des Evangelischen Geisteslebens.
Die zunächst weiter bestehenden Internatsgebäude im Osten wurden wegen Baufälligkeit um 1900 abgebrochen. Dort entstand ein vom Architekten German Bestelmeyer entworfener Neorenaissance-Neubau, der in einer gegründeten Stiftung weiterhin bis in die 1960er Jahre als Internat genutzt wurde.[7] Heute ist das Gebäude, das nach wie vor als Alumneum bezeichnet wird, im Besitz der protestantischen Landeskirche Bayern, heißt Haus der protestantischen Kirche und beherbergt verschiedene Einrichtungen der protestantischen Kirche.[2]
Unterricht
Das Gymnasium poeticum hatte anfänglich drei, später sechs Klassen. Unterrichtet wurden zunächst Religionslehre auf Latein, wobei das Lateinische ab einer bestimmten Stufe Konversationssprache wurde, verbunden mit dem Verbot im gesamten Unterricht die Muttersprache zu benutzen. Weitere Fächer waren Griechisch, Geschichte, Geographie und vereinzelt Naturwissenschaften. Eine hohe Bedeutung hatte der Musikunterricht, der nach Latein die höchste Stundenzahl hatte und auch mit Theateraufführungen verbunden war, die dann auch von Schülern und Lehrern des Jesuitengymnasiums besucht wurden. Das zeigt, dass in der Stadt ein Klima der religiösen Toleranz herrschte, das aber bei religiösen Straßenveranstaltungen nicht immer aufrechterhalten werden konnte, wie z. B. beim Fronleichnamumzug oder beim protestantischen Straßengesang mit provokanten Luther-Texten, verbunden mit Geldsammlungen
Der Ruf des Gymnasiums poeticum ging weit über die Grenzen der Stadt hinaus, so dass auch die Söhne des benachbarten Landadels und sogar Kinder aus Franken und Bayern die Schule besuchten und anschließend am kaiserlichen oder am bayerisch Hof tätig wurden, wie es der Historiker Christian Gottlieb Gumpelzhaimer berichtet. Der Rat der Stadt erwies sich auch als sozial großzügig und erlaubte in guten Zeiten bis zu 24 begabten Schülern den kostenlosen Schulbesuch. In besonderen Fällen wurde auch freie Kost und Unterkunft gewährt. Als Gegenleistung mussten diese Stipendiaten beim Kirchengesang als Chorknaben mitwirken.[2]
Schülern, die an einer Universität studieren wollten, mussten eine zweijährige Zusatzausbildungen absolvieren, die am Gymnasium poeticum Auditorium genannt wurde und am katholischen Jesuitengymnasium Lyzeum. Während dieser Ausbildungsphase wurden verstärkt Theologie und Philosophie gelehrt und daneben auch Astronomie, Physik und Arithmetik. Der Rat der Stadt unterstützte das Gymnasium poeticum sehr großzügig mit einer perfekt ausgestatteten Bibliothek und mit besonderen Lehrmitteln für Geographie (Globen) und zunehmend auch mit Lehrmaterial für die Naturwissenschaften, nachdem 1776 Johann Philipp Ostertag als Rektor berufen wurde. Als Professor der Philosophie und Mathematik organisierte er den Unterricht im Sinne der Aufklärung, trennte die Fächer Deutsch und Latein, und setzte neue Schwerpunkte im Bereich der Fächer Mathematik, Geographie, und Geschichte. Im Fach Naturwissenschaften war er ein leidenschaftlicher Experimentator, der in seiner Rektoratswohnung viele Geräte hinterließ. Aufmerksamkeit erregten auch seine neuen Lehrmethoden bei denen auf Zwang, Erniedrigungen und Züchtigungen der Schüler verzichtet wurde. Das fand in Regensburg Anerkennung und erhöhte das Ansehen der Schule stark.[8]
Zusammenschluss zum Vereinigten Paritätischen Gymnasium (1811)
Nach Auflösung des Heiligen Römischen Reichs kam 1810 auch das Fürstentum Regensburg von Karl Theodor von Dalberg an sein Ende. Es folgte die Eingliederung der Stadt Regensburg in das Königreich Bayern und es musste ein geordneter Übergang und eine Vereinigung der beiden religiösen Gymnasien erfolgen, zumal die Gebäude des ehemaligen Jesuitengymnasiums, seit 1773 bischöfliches Gymnasium genannt, 1809 völlig zerstört worden waren. Um den Übergang zu gewährleisten wurden 1811 unter König Maximilian I. beide Gymnasien zum sogenannten Vereinigten Paritätischen Gymnasium zusammengefasst und verstaatlicht.
Literatur
Aufsätze:Thomas Kothmann
- „Das Protestantische Alumneum. Eine Zierde der Stadt“, In: Hans-Martin Weiss (Hrsg.), Orte der Reformation: Regensburg, Leipzig 2016, S. 32–33.
- „'Gelehrter Schulen vornehmster Schmuck...' Bildung und Reformation am Beispiel des Gymnasiums Poeticum“, In: Hans-Martin Weiss (Hrsg.), Orte der Reformation: Regensburg, Leipzig 2016, S. 48–53.
Anmerkungen
- ↑ Diese Bezeichnung des Gebäudes hat sich bis heute auch für das nach dem Abbruch des alten Gebäudes 1902 entstandene Jugendstilgebäude erhalten.
Einzelnachweise
- ↑ Karl Bauer: Regensburg Kunst-, Kultur- und Alltagsgeschichte. 6. Auflage. MZ-Buchverlag in H. Gietl Verlag & Publikationsservice GmbH, Regenstauf 2014, ISBN 978-3-86646-300-4, S. 168 f.
- ↑ a b c Karl Bauer: Regensburg Kunst-, Kultur- und Alltagsgeschichte. 6. Auflage. MZ-Buchverlag in H. Gietl Verlag & Publikationsservice GmbH, Regenstauf 2014, ISBN 978-3-86646-300-4, S. 354 f.
- ↑ Eginhard König: 500 Jahre Gymnasium Poeticum, Niederschrift Vortrag 23. Februar 2005, Hrsg. Albertus Magnus Gymnasium Regensburg, Redaktion Josef Schmailzl S. 13–19.
- ↑ Matthias Freitag: Regensburger Straßennamen. Mittelbayerische Verlagsgesellschaft mbH, Regensburg 1997, ISBN 3-931904-05-9, S. 162.
- ↑ Hans Schwarz: Die Reformation in Regensburg bis zur Konkordienformel. In: 450 Jahre Evangelische Kirche in Regensburg 1542–1992. Museen der Stadt Regensburg, Regensburg 1992, ISBN 3-925753-28-1, S. 159-61.
- ↑ Deutsche Biographie: Rosinus, Johannes – Deutsche Biographie. Abgerufen am 26. Dezember 2021.
- ↑ Eginhard König: 500 Jahre Gymnasium Poeticum, Niederschrift Vortrag 23. Februar 2005, Hrsg. Albertus Magnus Gymnasium Regensburg, Redaktion Josef Schmailzl S. 21–26. .
- ↑ Eginhard König: 500 Jahre Gymnasium Poeticum, Niederschrift Vortrag 23. Februar 2005, Hrsg. Albertus Magnus Gymnasium Regensburg, Redaktion Josef Schmailzl S. 32–34