Horst Böhme (SS-Mitglied)

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Horst Böhme (* 24. August 1909 in Colmnitz; † 10. April 1945 ?[1] in Königsberg) war ein deutscher SS-Führer. Böhme war ein führender Mitarbeiter im Sicherheitsdienst der SS, zuletzt im Rang eines SS-Oberführers, und in seiner Funktion als Agent des SD maßgeblich in Aktivitäten des SD verstrickt, die weithin als Verbrechen und Kriegsverbrechen gelten, so u. a. in das Massaker von Lidice.

Horst Böhme (links), zusammen mit Reinhard Heydrich (Mitte) und Karl Hermann Frank (rechts).[2]

Leben und Wirken

Böhme besuchte die Volksschule und war später als Spediteur tätig. Politisch engagierte er sich im Jungstahlhelm, bei der Marine-Brigade Ehrhardt und dem Bund Oberland.[3] Böhme trat 1930 in die NSDAP (Mitgliedsnummer 236.651) ein. Zur selben Zeit wurde er Mitglied der SS (SS-Nr. 2.821). Nach der Beförderung zum SS-Untersturmführer (4. Juli 1934) und SS-Obersturmführer (9. November 1934)[4] war er ab 1935 im SD-Hauptamt in Berlin tätig, wo er bald einer der engsten Mitarbeiter des SD-Chefs Reinhard Heydrich wurde.

In den folgenden Jahren übernahm Böhme vor allem eine Reihe von Sonderaufträgen für Heydrich. So ermordete er am 13. oder 14. März 1938 auf Befehl des SD-Chefs den Diplomaten Wilhelm Freiherr von Ketteler, einen Attaché an der deutschen Botschaft in Wien, der der SS aufgrund seiner antinazistischen Aktivitäten verhasst war. Im Gleichschritt mit dem Anwachsen der SS wurde auch Böhme in diesen Jahren kontinuierlich befördert: Am 30. Januar 1936 wurde er zum SS-Hauptsturmführer, am 20. April 1937 zum SS-Sturmbannführer und im Jahr 1938 zum SS-Obersturmbannführer und Oberstleutnant der Polizei ernannt.

Nach der Zerschlagung der Tschechoslowakei im Frühjahr 1939 wurde Böhme zum Chef der Polizei und des Sicherheitsdienstes (SD) in Prag berufen. In dieser Eigenschaft oblag ihm die Kommandogewalt über alle Dienststellen der Gestapo und des SD im Protektorat Böhmen und Mähren. Zu seinen engen Mitarbeitern in diesem Amt zählten die Gestapo-Führer Hans-Ulrich Geschke, Führer der Stapo-Leitstelle Prag, und Wilhelm Nölle, Führer der Stapo-Leitstelle in Brünn.

Im Zuge der Sonderaktion Prag vom 17. November 1939 war Böhme maßgeblich an der Zerschlagung des tschechischen Hochschulsystems und der Deportation von 1.500 Studenten in das KZ Sachsenhausen beteiligt. Am 10. Oktober 1940 nahm Böhme neben Heydrich, Hans Frank, Adolf Eichmann und Hans Günther an der Besprechung teil, in deren Zuge die zum Zwecke der von Hitler angeordneten Deportation der Juden im Protektoratsgebiet – insgesamt etwa 88.000 Personen – zu ergreifenden Maßnahmen festgelegt wurden. Am 21. Oktober 1941 wurde er zum SS-Standartenführer befördert.

Nach dem Attentat auf Reinhard Heydrichs am 27. Mai 1942 führte Böhme als Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD (BdS) für Prag das Kommando über die von Hitler und Himmler angeordneten „Vergeltungsmaßnahmen“ – die sogenannte Heydrichiade. Auf seinen Vorschlag hin kam es zur Vernichtung des Dorfes Lidice, wobei 184 Männer erschossen, 195 Frauen ins KZ Ravensbrück deportiert und 105 Kinder in das Umsiedlungslager (Łódź) verschleppt wurden, von denen bis auf 17 alle umkamen.

Im September 1942 wurde Böhme als Polizeiattaché nach Bukarest versetzt. Von Januar bis August 1943 leitete er die Einsatzgruppe B der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD, mit der er in maßgeblicher Weise an der massenhaften Ermordung von Zivilisten in der Sowjetunion beteiligt war. Von September 1943 bis zum März 1944 gehörte Böhme in gleicher Funktion zur Einsatzgruppe C, bevor er im August 1944 – nun als Oberst der Polizei – zur Einsatzgruppe B zurückkehrte. Am 9. November 1944 erfolgte die Ernennung zum SS-Oberführer.

In der letzten Kriegsphase war er Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Ostpreußen. Seit dem April 1945 galt Böhme, der zuletzt bei Kampfhandlungen in der Nähe von Königsberg gesehen wurde, als verschollen. In der Nachkriegszeit stand er einige Jahre lang als Kriegsverbrecher auf der internationalen Fahndungsliste. 1954 wurde er vom Amtsgericht Kiel mit Todestag 10. April 1945 für tot erklärt (Akz. 21 II 713/53). Es wurde als sicher angenommen, dass er entweder bei Kampfhandlungen den Tod gefunden hat oder sich selbst erschoss, um nicht in sowjetische Hand zu fallen.[5]

Auszeichnungen

Zu den Auszeichnungen, die Böhme im Laufe seiner Karriere erhielt, zählten der SS-Totenkopfring, der SS-Ehrendegen, das Eiserne Kreuz II. Klasse und das Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern.

Literatur

  • Bernd Diroll: Personen-Lexikon der NSDAP. Band 1: SS-Führer A – B. Patzwall, Norderstedt 1998, ISBN 3-931533-38-7.
  • Slavomir Horský: Verbrechen, die nicht verjähren. Orbis, Prag 1984.
  • Otto Lasch: So fiel Königsberg. Kampf und Untergang von Ostpreußens Hauptstadt. Gräfe und Unzer, München 1958, (Neuauflagen, u. a.: Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1991, ISBN 3-87943-435-2).
  • Sebastian Weitkamp: SS-Diplomaten. Die Polizei-Attachés und SD-Beauftragten an den deutschen Auslandsmissionen, in: Deformation der Gesellschaft? Neue Forschungen zum Nationalsozialismus. Hrsg. von Christian A. Braun/Michael Mayer/Sebastian Weitkamp. wvb, Berlin 2008, ISBN 978-3-86573-340-5, S. 49–74.

Einzelnachweise

  1. Böhme wurde durch Beschluss vom 12. August 1954 vom Amtsgericht Kiel mit diesem Datum für tot erklärt. Siehe Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16048-0, S. 60.
  2. Identifiziert bei Lutz Hachmeister: Schleyer. Eine deutsche Geschichte, 2004, S. 200.
  3. Jan Björn Potthast: Das jüdische Zentralmuseum der SS in Prag – Gegnerforschung und Völkermord im Nationalsozialismus. München 2002, S. 94.
  4. Dienstalterslisten der Schutzstaffel der NSDAP vom 1. Juli 1935, 1. Dezember 1938 und 9. November 1944.
  5. Lutz Hachmeister: Der Gegnerforscher: Die Karriere des SS-Führers Franz Alfred Six, München 1998, S. 18.