ALCAT-Test

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 9. September 2022 um 16:39 Uhr durch imported>Invisigoth67(178175) (form).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Der ALCAT-Test (englisch Antigen Leukocyte Cellular Antibody Test) oder Leukozytenaktivierungstest auf Immunstimulanzien ist als zellulärer Allergen-Stimulationstest ein in der Alternativmedizin eingesetztes diagnostisches Verfahren zur qualitativen Bestimmung von Nahrungsmittelintoleranzen. Er basiert auf der Hypothese, dass Nahrungsmittelunverträglichkeiten durch eine entzündliche Reaktion gegen bestimmte Nahrungsmittel verursacht sein können. Anhand der Messung der Reaktionen des Bluts des Patienten auf eine Vielzahl von Lebensmittelextrakten und Lebensmittelzusatzstoffe wird dem Patienten nahegelegt, welche Nahrungsmittel er meiden solle. Das Verfahren bzw. dessen Aussagekraft ist wissenschaftlich nicht untermauert.

Historisches

Der ALCAT-Test ist eine Weiterentwicklung des Ende der 1950er von Black[1] und Bryan[2] entwickelten, als zytotoxischen Lebensmitteltest (englisch leucocytotoxic test. oder Bryan's test) bezeichneten Tests. "Bryan's Test" basiert auf der mikroskopischem Abschätzung aktivierungsinduzierter Veränderungen und Autolyse der Leukozyten nach Mischen des Bluts mit Allergenen und Lebensmittelextrakten. Er wurde wegen Unbrauchbarkeit zum Nachweis von Allergien[3][4] in den USA die Zulassung versagt. Allerdings wurde vor 1975 noch nicht so streng zwischen den verschiedenen Typen allergischer Reaktionen[5] unterschieden.

Biologische Grundlagen

Das ALCAT Verfahren basiert auf einer aktivierungsinduzierten Größenänderung der Leukozyten bzw. Granulozyten nach Mischen des Bluts der Patienten mit Lebensmittelextrakten. Die zugrunde liegenden Mechanismen wurden u. a. von Hurd und Hashimoto beschrieben[6] und von Grinstein et al[7] detailliert untersucht.

Der ALCAT-Test ist somit ein In-vitro-Test zum Nachweis einer Immunreaktion gegen die getesteten Antigene im Vollblut, wobei hier die Aktivierung von Leukozyten, insbesondere von neutrophilen Granulozyten, nach Inkubation des Bluts mit aufgereinigten Extrakten der Lebensmittel bestimmt wird. Diese Aktivierung geht unter anderem mit einer Größenänderung der Zellen einher. Neutrophile Granulozyten tragen an ihrer Oberfläche IgG- und IgA-Rezeptoren, an die Antikörper mit ihrem Fc-Teil binden. Binden die spezifischen Antigene an diese Antikörper, so werden die Zellen aktiviert. Soweit die Aktivierung der Zellen durch IgG Antikörper ausgelöst wird, muss davon ausgegangen werden, dass es sich im Wesentlichen um Antikörper der Isotypen IgG1 und IgG3 handelt. Da Neutrophile Granulozyten keine IgE-Rezeptoren tragen, werden klassische IgE-vermittelte Typ I-Allergien durch den ALCAT-Test nicht erfasst und sollten daher vorab durch geeignete Testverfahren ausgeschlossen werden.

Technisches

Die Durchführung der eigentlichen Reaktionen erfolgt in standardisierten, vorkonfektionierten und mit den Testsubstanzen bestückten Testkassetten. Die Messung dann erfolgt automatisiert in einem modifizierten Messsystem auf der Basis des Coulter Zellzählers. Die Reaktionsstärke wird anhand des Unterschieds der einzelnen Messkurven gegen Negativkontrollen berechnet.

Kosten

Der Test ist als eine Selbstzahlerleistung erhältlich, die in Deutschland von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen werden.

Übliche Diagnostik bei Nahrungsmittelallergien und -intoleranzen

Nahrungsmittelallergien vom Soforttyp werden üblicherweise mittels eines IgE-Antikörpertests bei gleichzeitigem positivem oralen Provokationstest nachgewiesen. Bei klinischem Verdacht auf eine Typ IV-Allergie wird der Atopy Patch Test oder (bei Kontraindikationen) der Lymphozytentransformationstest durchgeführt.[8]

Allergenspezifische Antikörper vom Isotyp G können sowohl in Seren von gesunden als auch atopischen Individuen nachgewiesen werden[9]. Die Bildung von allergenspezifischen Antikörpern der Immunglobulinklassen IgG ist Teil der normalen Immunantwort auf eine Fremdstoff- oder Nahrungsmittelexposition. Es besteht keine Korrelation zur klinischen Symptomatik mit der allergischen Soforttypreaktion. Bezüglich ihrer Krankheitsrelevanz ist die Bedeutung der Antikörper völlig ungesichert.[10]

Das klassische Verfahren zum Nachweis von Nahrungsmittelintoleranzen besteht in einer mehrwöchigen allergenarmen Diät mit anschließender schrittweiser Provokation entweder mit einzelnen Nahrungsmitteln oder sogenannten „Supermeals“, bei denen eine große Menge von einer Auswahl an (Pseudo-)Allergenen aufgenommen wird. Das Verfahren ist allerdings sehr zeitaufwendig und mithin nur zur Identifizierung einer begrenzten Zahl von Antigenen anwendbar.[11]

Bewertung des ALCAT-Tests

Das ALCAT Verfahren muss als umstrittenes Verfahren klassifiziert werden. Neben dem sehr aufwändigen Verfahren der Eliminationsdiät mit anschließender Provokation (s. o.) gibt es kein etabliertes, hinreichend mit klinischen Studien belegtes Verfahren zur Ermittlung von Nahrungsmittelintoleranzen. Diese Probleme liegen jedoch auch in der Natur der Sache begründet.[12] Klinische Studien, die eine klare Aussage für oder gegen den ALCAT-Test erlauben würden, stehen aus. Zudem wird häufig festgestellt, dass der Test zur Bestimmung einer Nahrungsmittelallergie ungeeignet wäre, wobei dies jedoch nicht Ziel des Verfahrens ist.

Laut Jörg Kleine-Tebbe und anderen ist der früher als zytotoxischer Lebensmitteltest bezeichnete ALCAT-Test mit Nahrungsmitteln oder Zusatzstoffen ... zur Diagnostik einer NMA oder NMI ungeeignet[8] (NMA: Nahrungsmittelallergie; NMI: Nahrungsmittelintoleranz).

Die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAI) und der Ärzteverband deutscher Allergologen (ADA) erklärte den Test für die Abklärung oder zum Ausschluss einer Nahrungsmittel-Allergie für ungeeignet.[13]

Potter u. a.[14] legten in einem kurzen Brief an das South African Medical Journal ihre ablehnende Meinung zum ALCAT-Test dar und begründeten dies mit der geringen Zahl vorhandener Studien zum Testverfahren.

Einzelnachweise

  1. A. P. Black: A new diagnostic method in allergic disease. In: Pediatrics. Vol. 17, 1956, S. 716–724.
  2. W. T. K. Bryan, M. P. Bryan: Cytotoxic reactions in the diagnosis of food allergy. In: Laryngoscope. Vol. 79, 1969, S. 1453–1472.
  3. Lieberman u. a.: Controlled Study of the Cytotoxic Food Test. In: JAMA. Vol. 231, No. 7, 1975, S. 728–730.
  4. Adrian Morris: Complementary and alternative allergy tests. In: Current Allergy & Clinical Immunology. Vol 19, March 2006, No. 1. (PDF) (Memento des Originals vom 3. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.allergysa.org
  5. R. R. A. Coombs, P. G. H. Gell: Classification of allergic reactions for clinical hypersensitivity and disease In: P. G. H. Gell, R. R. A. Coombs, P. J. Lachmann (Hrsg.): Clinical Aspects of Immunology. Oxford Blackwell Scientific, 1975, S. 761–781.
  6. E. C. Hurd, Y. Hashimoto: Human Neutrophil Swelling Induced By Immune Complexes and Aggregated IgG. In: Inflammation. Vol. 5, No. 3, 1981, S. 213 ff.
  7. G. Grinstein, W. Furuya, E. J. Cragoe: Volume Changes in Activated Human Neutrophils: The Role of Na+/H+ Exchange. In: Journal of Cellular Physiology. Vol. 128, 1986, S. 33 ff.
  8. a b Jörg Kleine-Tebbe, Ute Lepp, Bodo Niggemann, Thomas Werfel: Nahrungsmittelallergie und - unverträglichkeit: Bewährte statt nicht evaluierte Diagnostik. In: Dtsch Arztebl 102(27), 2005, S. A-1965 / B-1660 / C-1564 (Volltext)
  9. B. Bjorksten: Immunological outcome measures. In: Eur Respir J Suppl. 21, 1996, S. 22s–7s. PMID 8962614.
  10. L. Boluda, E. Fernandez-Caldas, L. Berrens: The role of IgG in type-I allergy: an unsolved problem. In: J Investig Allergol Clin Immunol. 7, 1997, S. 205–210. PMID 9330182
  11. I. Reese u. a.: Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf eine pseudoallergische Reaktion durch Nahrungsmittelinhaltsstoffe. In: Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. Band 7, Nr. 1, 2009, S. 70 ff.
  12. M. H. Lessof: Food intolerance and the scientific trap. In: Clinical and Experimental Allergy. Vol. 23, 1993, S. 971–972.
  13. In-vitro-Diagnostik von Nahrungsmittel-Allergien. Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAI) und des Ärzteverbandes deutscher Allergologen (ÄDA) (Volltext)
  14. P. C. Potter u. a.: The ALCAT test--inappropriate in testing for food allergy in clinical practice. In: South African Medical Journal. 81(7), 1992 Apr 4, S. 384.

Siehe auch

Literatur

  • C. Blindsev-Jensen, L. K. Poulsen: What do we at present know about the ALCAT-test and what is lacking? In: Monogr Allergy. 32, 1996, S. 228–232. PMID 8813206
  • P. C. Potter, J. Mullineux, E. G. Weinberg, M. Haus, P. Ireland, C. Buys, C. Motala: The ALCAT test--inappropriate in testing for food allergy in clinical practice. In: South African Medical Journal. 81(7), 1992 Apr 4, S. 384. PMID 1561573

Weblinks