Stratonikeia (Karien)

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Koordinaten: 37° 19′ N, 28° 4′ O

Reliefkarte: Türkei
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Stratonikeia

Stratonikeia (altgriechisch Στρατονικεῖα; latinisiert Stratonicaea oder Stratonicea) war eine antike Stadt in der kleinasiatischen Landschaft Karien in der heutigen Türkei. Von den Seleukiden im 3. Jahrhundert v. Chr. gegründet, war sie später zeitweise unter makedonischer und rhodischer Herrschaft, bis sie 167 v. Chr. von den Römern zur freien Stadt erklärt wurde.

Lage

Stratonikeia befindet sich auf dem Gebiet der heutigen Ortschaft Eskihisar, im Landkreis Yatağan (Provinz Muğla, Türkei). Zum Gebiet der Stadt gehörten auch angrenzende Ortschaften: Neben den von Titus Livius und Strabon genannten Ortschaften Tendeba, Astragon und Pedasa[1] umfasste es auch den Ort Lagina mit seinem Hekate-Heiligtum und Panamara mit einem Heiligtum des Zeus. Der Besitz dieser auch überregional bedeutenden Heiligtümer konnte auch als Machtfaktor in der politisch-militärischen Auseinandersetzung genutzt werden.[2] Seit einer Ehrung durch Sulla um 88 v. Chr. gehörten auch die Orte Themessos und Keramos zum Einzugsgebiet, damit erstreckte sich Stratonikeia bis zur Südküste. Die Stadt war so, obwohl ihr Kerngebiet nicht in dessen Einzugsgebiet lag, über ihre Vororte Mitglied des Chrysaorischen Bundes der Karer.

Geschichte

Als Gründer der Stadt wird Antiochos I. (281–261 v. Chr.) in Betracht gezogen, der diese am bereits bestehenden Heiligtum des Zeus Chrysaoreus angelegt und sie nach seiner Stiefmutter bzw. Frau Stratonike benannt haben soll, nachdem die Seleukiden 270 v. Chr. die Kontrolle über Karien erlangt hatten.[3] Alternativ dazu erscheint eine Gründung durch Antiochos II. (261–246 v. Chr.) oder Seleukos II. (246–226/5 v. Chr.) plausibel.[4] Sie geht vermutlich auf eine alte karische Vorgängersiedlung zurück, auf die archäologische Funde – bronzene Grabbeigaben, submykenische Keramik[5] und zwei Kammergräber in der Nähe der Stadt – hinweisen. Ein Teil der Forschung identifiziert die in zwei hethitischen Briefen (CTH 181 und CTH 182) des 13. Jahrhunderts v. Chr. erwähnte befestigte Siedlung Atrija mit Idrias, einer Vorgängersiedlung von oder bei Stratonikeia.[6] Im Zuge der hellenistischen Neugründung der Stadt wurden die umliegenden Dörfer als Bezirke (Hiera kome, Koliorga, Koraza, Koraia, Lobolda) in die Polisverwaltung eingegliedert.[7] Als bedeutendste Götter der Polis sind in dieser Zeit Hekate, Zeus Karios und Zeus Chrysaoreus anzusehen. Das Zentrum der Hekate-Verehrung ist dabei in Koraza zu lokalisieren, wo sich das bedeutendste Heiligtum der Göttin in der Region befand.[8] Das Heiligtum des Zeus Karios befand sich außerhalb der Polisgrenzen Stratonikeias in Panamara, ca. 10 km südöstlich von Stratonikeia nahe dem heutigen Bağyaka, und war zunächst nur von lokaler Bedeutung.[9] Der Tempel des Zeus Chrysaoreus kann nicht eindeutig lokalisiert werden, wird aber mit den „weißen Säulen“ gleichgesetzt, die Herodot und Strabon als Treffpunkt des Chrysaorischen Bundes überliefern.[10] Es wurde in Betracht gezogen, dass sich der Tempel eventuell ca. 4 km östlich von Eskihisar befand.[11]

Einige Jahre nach der Gründung überließen die Seleukiden Stratonikeia der Herrschaft von Rhodos.[12] Später wurde die Stadt von den Makedonen erobert – entweder 227 v. Chr. von Antigonos III. Doson oder 201 beim Feldzug Philipps V. 197 v. Chr. versuchten die Rhodier, Stratonikeia zurückzuerobern, was jedoch misslang. Nach der Niederlage der Makedonen in der Schlacht von Kynoskephalai 197 fiel die Stadt an den Seleukidenkönig Antiochos III., der sie wiederum an die Rhodier übergab.[13]

167 v. Chr. mussten die Rhodier Stratonikeia abermals abgeben; die Römer erklärten es zu einer freien Stadt.[14] Das aus dem Wegfall der rhodischen Herrschaft resultierende Machtvakuum im Golf von Keramos hatte zur Folge, dass Stratonikeia versuchte, eine Vormachtstellung in diesem Gebiet zu erlangen. Dies zeichnete sich unter anderem dadurch ab, dass im Heiligtum des Zeus Karios in Panamara ein Priester namens Leon von Stratonikeia eingesetzt wurde. Dieser erwirkte, dass das Asylrecht des Zeusheiligtums und des panamareischen koinon von den umliegenden Gemeinden akzeptiert wurde. Dies bedeutete nicht nur einen Bedeutungsgewinn für den Kult des Zeus Karios, nachdem dieser unter der rhodischen Herrschaft in den Hintergrund gerückt war, sondern ebenfalls eine verstärkte Machtpräsenz Stratonikeias in diesem Raum. Des Weiteren wurden diese Beziehungen intensiviert, indem durch stratonikeische Initiative ein Herakult im Heiligtum etabliert und das Fest der Komyria für Männer bzw. der Heraia für Frauen eingeführt wurde.[15]

Trotz der politischen Bedeutung Panamaras verschob sich das religiöse Zentrum der Polis vom Tempel des Zeus Chrysaoreus nach Koraza. Der Grund für den Wechsel der Polisgottheit von Zeus zu Hekate kann nicht abschließend geklärt werden. Eventuell ist es auf ein erfülltes Orakel oder eine ähnliche Erscheinung ihrer göttlichen Macht zurückzuführen, da sie dort als Hekate Soteira Epiphania verehrt wurde. Sicher ist jedoch, dass Hekate vor dem letzten Viertel des 2. Jahrhunderts v. Chr. zur „Schutzgottheit“ der Polis wurde, da sich durch den datierbaren Tempelbau in Koraza ein terminus ante quem ergibt. Damit einhergehend wurde der Bezirk in Lagina umbenannt und die Feier der Hekatesia eingeführt, die alle fünf Jahre veranstaltet wurde. Um die Einheit von Stratonikeia als politischem und Lagina als religiösem Zentrum zu demonstrieren, wurde bei diesem Fest eine Prozession, die sogenannte kleidos pompe, abgehalten, wobei der Schlüssel des Hekatetempels zum stratonikeischen Bouleuterion gebracht wurde.[16]

Münze aus Stratonikeia, 125–85 v. Chr., Vorderseite
Münze aus Stratonikeia, 125–85 v. Chr., Rückseite

Im Ersten Mithridatischen Krieg wurde die Stadt 88 v. Chr. von Mithridates VI. erobert, besetzt und mit einer Geldbuße belegt.[17] Nach der Rückeroberung durch die Römer ehrte Sulla die Einwohner für ihre Treue; 81 wurde der Status als freie Stadt bestätigt. 40 v. Chr. belagerten die Parther mit ihrem Feldherrn Quintus Labienus die Stadt vergeblich.[18] Ihnen gelang es zwar nicht, die Stadt zu erobern, jedoch kam es zur Plünderung und Zerstörung des Hekateheiligtums von Lagina. Im darauffolgenden Jahr versuchten sie Panamara einzunehmen, was jedoch durch das göttliche Eingreifen des Zeus Karios verhindert worden sein soll. Dieser wurde daraufhin von der Bevölkerung unter dem Epitheton Zeus Panamaros verehrt, und das Fest der Panamareia wurde im Rahmen dieser Modifizierung des Kultes eingeführt. Dabei handelt es sich wie bei der kleidos pompe von Lagina um eine Prozession vom Heiligtum nach Stratonikeia, was dem Zeus Panamaros einen Status als Polisgott neben Hekate zukommen ließ.[19] Die Autonomie behielt Stratonikeia auch unter der römischen Herrschaft in der Provinz Asia.

Während der Auseinandersetzungen zwischen Octavianus und Marcus Antonius positionierte sich Stratonikeia auf Seiten des späteren Augustus, obwohl die Polis in einem Gebiet lag, das von Letzterem kontrolliert wurde. Diese Treue wurde 39 v. Chr. von Octavianus belohnt, indem er der Stadt mehrere Privilegien, darunter das Asylrecht für das Heiligtum des Zeus Panamaros, gewährte, die 22 n. Chr. von Tiberius erneut bestätigt wurden. Abgesehen davon führte der Wiederaufbau des durch Labienus zerstörten Heiligtums in Lagina zu einer erneuten Bekräftigung der Beziehungen zwischen Rom und Stratonikeia.[20]

In der Spätantike wurde die Stadt Bischofssitz, worauf das Titularbistum Stratonicea in Caria der römisch-katholischen Kirche zurückgeht.

Archäologische Funde

Stadtplan

Die Überreste der Stadt sind heute nahe der Straße MilasMuğla, dicht vor dem Kohlekraftwerk von Yatağan und nahe riesiger Marmorsteinbrüche, zu finden. Es finden sich größere Ruinen eines Theaters, eines Buleuterions, eines Gymnasions, eines Doppeltors mit Nymphaion, eines Stadtbefestigungsforts und weitere Überreste. Zum nahegelegenen Heiligtum der Hekate in Lagina (11 Kilometer entfernt) führte einstmals eine heilige Straße.

Literatur

  • George Ewart BeanStratonikeia. In: Richard Stillwell u. a. (Hrsg.): The Princeton Encyclopedia of Classical Sites. Princeton University Press, Princeton NJ 1976, ISBN 0-691-03542-3.
  • Hans Kaletsch: Stratonikeia 2. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 11, Metzler, Stuttgart 2001, ISBN 3-476-01481-9, Sp. 1047.
  • Andrew Meadows: Stratonikeia in Caria. The Hellenistic City and its Coinage. In: The Numismatic Chronicle. The Journal of the Royal Numismatic Society. Nr. 162, 2002, 79–134.
  • Ibrahim Hakan Mert: Untersuchungen zur hellenistischen und kaiserzeitlichen Bauornamentik von Stratonikeia. Wasmuth, Tübingen 2008, ISBN 978-3-8030-1771-0 (ursprünglich Dissertation, Köln 1999; Digitalisat).
  • Hans Oppermann: Zeus Panamaros (= Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten. Band 19 Heft 3). Toepelmann, Giessen 1924 (Digitalisat).
  • Ramazan Özgan: Die Skulpturen von Stratonikeia (= Asia Minor Studien. Band 32). Habelt, Bonn 1999, ISBN 978-3-7749-2937-1.
  • Walther Ruge: Stratonikeia. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band IV A,1, Stuttgart 1931, Sp. 322–325.
  • Mehmet Çetin Şahin: The Political and Religious Structure in the Territory of Stratonikeia in Caria. Ankara 1976.
  • Mehmet Çetin Şahin: Die Inschriften von Stratonikeia. Teil 1: Panamara. Habelt, Bonn 1981, ISBN 3-7749-1893-7 (= Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien, Bd. 21).
  • Mehmet Çetin Şahin: Die Inschriften von Stratonikeia. Teil 2.1: Lagina, Stratonikeia und Umgebung. Habelt, Bonn 1982, ISBN 3-7749-1894-5 (= Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien, Bd. 22,1).
  • Mehmet Çetin Şahin: Die Inschriften von Stratonikeia. Teil 2.2: Neue Inschriften und Indices. In Zusammenarbeit mit Arminda Lozano-Velilla. Habelt, Bonn 1990, ISBN 3-7749-2326-4 (= Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien, Bd. 22,2).
  • Mehmet Çetin Şahin: The Inscriptions of Stratonikeia. Part III. Habelt, Bonn 2010, ISBN 978-3-7749-3680-5 (= Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien, Bd. 68).
  • Bilal Söğüt (Hrsg.): Stratonikeia ve Çevresi Araştırmaları (= Stratonikeia Çalışmaları, Bd. 1). Istanbul 2015, ISBN 978-605-4701-98-8.
  • Rahşan Tamsü Polat: Stratonikeia ve Akdağ Nekropolü (= Stratonikeia Çalışmaları, Bd. 2). Istanbul 2017, ISBN 978-605-9680-64-6.
  • Bilal Söğüt, Sezai Gencer: Gibye (Yeşilbağcılar) (= Stratonikeia Çalışmaları, Bd. 3). Ankara 2018, ISBN 978-605-9636-51-3.
  • Christina G. Williamson: Sanctuaries as turning points in territorial formation. Lagina, Panamara and the development of Stratonikeia. In: Felix Pirson (Hrsg.): Manifestationen von Macht und Hierarchien in Stadtraum und Landschaft. Wissenschaftliches Netzwerk der Abteilung Istanbul im Rahmen des Forschungsclusters 3 „Politische Räume“ des Deutschen Archäologischen Instituts, Istanbul 2012, ISBN 978-605-5607-75-3, S. 113–150.
  • Christina G. Williamson: Civic Producers at Stratonikeia. The Priesthoods of Hekate at Lagina and Zeus at Panamara. In: Marietta Horster, Anja Klöckner (Hrsg.): Cities and Priests. Cult Personnel in Asia Minor and the Aegean Islands from the Hellenistic to the Imperial Period. Berlin 2013, ISBN 978-3-11-031849-4, S. 209–245.

Weblinks

Commons: Stratonicea (Caria) – Sammlung von Bildern

Anmerkungen

  1. Livius 33, 18, 4: Tendeba und Astragon; Strabon 13, 611: Pedasa.
  2. Dazu Riet van Bremen, Leon son of Chrysaor and the religious identity of Stratonikeia in Caria, in: Stephen Colvin (Hrsg.): The Greco-Roman East. Politics, Culture, Society, Cambridge University Press, Cambridge 2004, ISBN 0-521-82875-9, S. 207–244 (Rezension des Buches mit Zusammenfassung des Aufsatzes bei Sehepunkte).
  3. Christina G. Williamson: Sanctuaries as turning points in territorial formation. Lagina, Panamara and the development of Stratonikeia. In: Felix Pirson (Hrsg.): Manifestationen von Macht und Hierarchien in Stadtraum und Landschaft. Istanbul 2012, S. 114.
  4. A. Meadows: Stratonikeia in Caria. The Hellenistic City and its Coinage. In: Numismatic Chronicle. Band 162, 2002, S. 116.
  5. Dazu George M. A. Hanfmann, Jane C. Waldbaum, Two submycenean vases and a tablet from Stratonikeia in Caria, in: American Journal of Archaeology 72, 1968, S. 51–56.
  6. Alexander Herda: Karkiša-Karien und die sogenannte Ionische Migration. In: Frank Rumscheid (Hrsg.): Die Karer und die Anderen. Internationales Kolloquium an der Freien Universität Berlin 13. bis 15. Oktober 2005. 2009, S. 54 Anm. 141 (mit weiteren Belegen).
  7. M. Ç. Şahin: The Political and Religious Structure in the Territory of Stratonikeia in Caria. Ankara 1976, S. 1.
  8. Christina G. Williamson: Sanctuaries as turning points in territorial formation. Lagina, Panamara and the development of Stratonikeia. In: Felix Pirson (Hrsg.): Manifestationen von Macht und Hierarchien in Stadtraum und Landschaft. Istanbul 2012, S. 117.
  9. Christina G. Williamson: Sanctuaries as turning points in territorial formation. Lagina, Panamara and the development of Stratonikeia. In: Felix Pirson (Hrsg.): Manifestationen von Macht und Hierarchien in Stadtraum und Landschaft. Istanbul 2012, S. 118.
  10. Herodot 5, 118; Strabon 14, 2, 25.
  11. G. E. Bean: Stratonikeia. In: W. L. MacDonald, M. H. McAllister, R. Stillwell (Hrsg.): The Princeton Encyclopedia of Classical Sites. Princeton 1976, S. 861.
  12. Polybios 30, 31, 6f.
  13. Livius 33, 18, 22.
  14. Polybios 30, 21, 3ff.
  15. Christina G. Williamson: Sanctuaries as turning points in territorial formation. Lagina, Panamara and the development of Stratonikeia. In: Felix Pirson (Hrsg.): Manifestationen von Macht und Hierarchien in Stadtraum und Landschaft. Istanbul 2012, S. 118–119.
  16. Christina G. Williamson: Sanctuaries as turning points in territorial formation. Lagina, Panamara and the development of Stratonikeia. In: Felix Pirson (Hrsg.): Manifestationen von Macht und Hierarchien in Stadtraum und Landschaft. Istanbul 2012, S. 117.
  17. Appian, Mithridates 21.
  18. Cassius Dio 48, 26, 3f.; Tacitus, Annales 3, 62.
  19. Hans Kaletsch: Stratonikeia 2. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 11, Metzler, Stuttgart 2001, ISBN 3-476-01481-9, Sp. 1047.
  20. A. Meadows: Stratonikeia in Caria. The Hellenistic City and its Coinage. In: Numismatic Chronicle. Band 162, 2002, S. 124–125.