Werner Bruns
Werner Bruns (* 1954 in Hameln) ist ein deutscher Soziologe und Autor. Er gilt politisch als Vertreter des Liberalismus und Libertarismus.
Leben und Wirken
Werner Bruns studierte Soziologie und Sozialpsychologie an der Bergischen Universität in Wuppertal und promovierte dort mit einer Arbeit zum Jugendstrafvollzug. Während seines Studiums wurde er von der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNSt) gefördert. Heute wirkt Bruns bei der Stiftung als Vertrauensdozent und Mitglied des Auswahlausschusses der Begabtenförderung. 2014 wurde er ausgezeichnet mit der Friedrich-Naumann-Medaille.[1] Bruns ist seit 2016 Honorarprofessor an der Rheinischen Fachhochschule in Köln.[2]
Werner Bruns war Assistent bei dem neurechten Volkswirt Hans-Hermann Hoppe, heute Professor für Volkswirtschaft an der University of Nevada (UNLV) in Paradise (Nevada) und wissenschaftlicher Leiter des Ludwig-von-Mises-Instituts, dessen Thesen von der Begründbarkeit der Normen er in seinen Vorträgen ablehnt, da sie nicht mit den Grundsätzen des Kritischen Rationalismus und der Logik des politischen Liberalismus vereinbar seien. Hoppe ist heute einer der führenden wissenschaftlichen Köpfe der libertären Bewegung in den USA. Später wirkte Bruns als Wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann als Studienleiter bei der Rudolf-von-Bennigsen-Stiftung in Hannover. Von 1987 bis 1996 war er Referent für Arbeitsmarktpolitik im Niedersächsischen Sozialministerium. Bruns arbeitete von 1996 bis 2009 im Wirtschaftsministerium von Baden-Württemberg, zuletzt als Leiter der Grundsatz- und Mittelstandsabteilungen. Von 2009 bis 2014 war er Abteilungsleiter Z und Politischer Direktor im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Bruns leitet das Steinbeis Unternehmen Köln, Bonn, Bad Neuenahr und ist Studiengangsleiter und Senior Fellow an der Rheinischen Fachhochschule Köln (RFH). Der Soziologe ist an der RFH als Leiter des „Europa-Institut für Erfahrung und Management-METIS“, einer Forschungsallianz internationaler Hochschulen, tätig. Das Institut trägt u. a. den Studiengang „Digital Transformation Management“ im Auftrag der RFH am Standort Köln.
Das Institut-METIS wurde in 2017 und 2020 mit der „Hochschulperle“ des „Deutschen Stifterverbandes der Wissenschaften“ ausgezeichnet; im Januar 2021 wurde das Projekt „Mut und Zivilcourage in der Demokratie“ Jahresgewinner. Der Stifterverband der deutschen Wissenschaften schrieb am 21. Januar 2021 in seiner Pressemitteilung: „Mit seinem Transferprojekt zu Zivilcourage zeigt METIS an einem ganz konkreten Beispiel, wie sich Wissenschaft zur Zivilgesellschaft hin öffnen kann“, so die Jury des Stifterverbandes damals zu ihrer Entscheidung, die Hochschulperle Offene Wissenschaft im März 2020 an das METIS-Institut der Rheinischen Fachhochschule Köln zu vergeben. „Es gelingt den Verantwortlichen, diesen Transfer sinnvoll und erfahrbar zu gestalten. Die Beschäftigung mit den Abgründen der deutschen Geschichte ist gerade heute wichtiger denn je.“ Der Preis war mit 3000 Euro dotiert. Bruns war u. a. Lehrbeauftragter an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Institut für Politikwissenschaft), an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Institut für Soziologie), an der Fachhochschule Esslingen am Neckar und der Dualen Hochschule in Ravensburg (Fachbereich Medien). Bruns ist Lehrbeauftragter der Rheinischen Fachhochschule und der Universität zu Köln.
Von 1994 bis 1996 war Werner Bruns Mitglied der Grundsatzkommission der FDP, die unter Leitung von Guido Westerwelle die Wiesbadener Grundsätze formulierte, das zweite Grundsatzprogramm der Partei nach den Freiburger Thesen aus dem Jahr 1972.[3]
Der Soziologe war von 2019 bis 2022 Mitglied des Kuratoriums der „Stiftung flexible Arbeitswelt“ in Berlin. Er ist Gründungsmitglied des Vereins Bildung gegen Armut in Kolumbien e. V. und war von 2003 bis 2013 Vorstandsmitglied von „Projekt Chance“, einem Modellvorhaben der Landesregierung Baden-Württemberg zum Jugendstrafvollzug.
Werner Bruns ist Gründungsmitglied des „Liberal-Demokratischen Laboratorium“, einem Zusammenschluss von Professoren. Die Initiative bildete sich 2018 aus Sorge um die liberale Demokratie, sie sei überparteilich, getragen von den Grundsätzen des Liberalismus, der seine Wurzeln in der Aufklärung habe.[4]
Er ist verheiratet mit der Politikwissenschaftlerin und Autorin Petra Bruns, mit der er einen gemeinsamen Sohn hat.
Soziologische Arbeiten
Werner Bruns prägte 1993 den Begriff „Sozialkriminalität“ und begründete sie durch soziologische Theorien abweichenden Verhaltens. Sozialkriminalität (engl: social crime) bezeichnet den Missbrauch staatlicher Wohlfahrts- oder Sozialleistungen, analog zur Wirtschaftskriminalität, insoweit diese den Steuer- oder Subventionsmissbrauch umfasst. Zudem hat Bruns ein Leistungssystem für die Politik entwickelt, das sicherstellen soll, dass Politik zu dem wird, was sie nach seiner Auffassung schon längst ist, ein Beruf. Die Probleme der gesellschaftlichen und staatlichen Komplexität, so eine seiner Thesen, seien durch das bestehende politische System nicht mehr zukunftsträchtig zu lösen. Für Bruns wird dies auch an einer immer kürzer werdenden Halbwertszeit politischer Reformen erkennbar. Nur durch einen leistungsbezogenen Umbau, so der Soziologe, sei es möglich, die hieraus resultierenden Defizite zu kompensieren. Zudem tritt er für eine radikale Demokratiereform ein, die u. a. vorsieht, das passive Wahlrecht auf Bundes- und Landesebene erst mit 30 Jahren zuzulassen, damit die Parlamentarier Berufserfahrungen außerhalb der Politik sammeln können. Der Soziologe tritt – analog der Idee der sozialen Marktwirtschaft nach möglichst großer Vielfalt – für ein Wettbewerbsfreiheitsrecht der Zivilgesellschaft ein. Die Demokratien sollten sich zu ihrer Zivilgesellschaft bekennen, gleichzeitig aber auch durch eine „Gestaltungskammer“ einbinden, damit die Regierbarkeit eines Landes sichergestellt ist und nicht behindert wird. So wie für Unternehmen, so Bruns, sind Compliance Systeme auch für NGOs unverzichtbar. Bruns führte den Begriff „homo buerocraticus“ ein, eine spezielle Form des homo sociologicus, den Typ Wissenschaftsmensch, der durch bürokratische Regeln und Pflichten immer mehr zum staatlich kontrollierten Subjekt wird. Für ihn hängt das Bürokratieproblem sehr eng mit der Ausweitung der Rechtswissenschaften zusammen. Nach seiner Bewertung sei die Gewaltenteilung in Deutschland zur Makulatur geworden.[5]
In seinem Buch Die Altersrevolution beschäftigt sich Bruns mit der 68er-Bewegung, die, so seine These, vor einer zweiten Revolution steht, der Altersrevolution. Diese Generation umfasst etwa 8 Millionen Menschen, die vor dem Ausstieg aus dem Erwerbsleben steht und das Alter radikal verändern wird. Zu dieser Generation zählen unter anderen Hermann Otto Solms, Joschka Fischer, Gerhard Schröder, Daniel Cohn-Bendit, Uschi Obermaier, aber auch Uschi Glas, Peter Gauweiler, Iris Berben und Edmund Stoiber. Wie in den sechziger Jahren sind von der Altersrevolution alle Lebensbereiche der Gesellschaft betroffen. Mitautoren des Werkes sind die Autorin Petra Bruns und Rainer Böhme, Chef der Kommunikationsabteilung der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Der Soziologe geht davon aus, dass der Abgang der 68er-Generation für die Gesellschaft nicht folgenlos bleiben wird.[6] Mit ihrem Rückzug droht der Gesellschaft der Verlust eines wichtigen Schutzes gegen faschistisches Denken.[7]
Der Soziologe beschäftigt sich mit den Möglichkeiten des Transfers von Erfahrungswissen der sogenannten „Digital Natives“ an das obere Management großer Unternehmen. Träger des Projekts ist das „Europa-Institut für Erfahrung und Management-METIS“. Das Pilotprojekt trägt den Namen „jung.digital.innovativ“, es dient der Erkundung geeigneter Transformationsstrategien in Unternehmen. In einem Reverse Mentoring Programm werden Topmanager mit Schülern zu einem Training digitaler Techniken und Medien zusammengeführt. Die jungen Erwachsenen coachen dabei die Führungskräfte.[8] Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in 2020/21 vermutete Bruns, dass eine Gesellschaft, die nur noch Online-Begegnungen organisieren kann und unter einer eingeschränkten Kommunikation leben muss, dem „Digitalen Hospitalismus“ unterliegt.[9]
Aktuelle Forschung
- Studien zur „Verfassung der Eliten in Deutschland“ – eine empirische Arbeit zur politischen und zur kirchlichen Elite (Heidelberger Elitestudie 04/05)[10][11]
- Forschungsarbeiten zum Thema Erfahrungs- und Wissensmanagement, sowie zum Digital-Reverse-Mentoring
Publikationen
- Sozialkriminalität in Deutschland, [1993], Ullstein Verlag, Berlin ²1994, ISBN 978-3-548-35589-4.
- Theorie und Praxis des Wohngruppenvollzugs in Deutschland, Centaurus Verlag, Pfaffenweiler 1989, ISBN 978-3-89085-255-3.
- Zeitbombe Bürokratie, [1996], Ullstein Verlag, Berlin ²1997
- gemeinsam mit Walter Döring (Hrsg.): Der selbstbewusste Bürger. Bouvier Verlag, 1995 (mit Beiträgen von Arnulf Baring, Ralf Dahrendorf, Margarita Mathiopoulos, Ignatz Bubis, Michael Jungblut, Robert Leicht und Hermann A. Griesser)
- zusammen mit Petra Bruns/Rainer Böhme, Die Altersrevolution, Aufbau Verlag, Berlin 2007, ISBN 3-351-02644-7.
- Die Gestaltung der Innovationsfähigkeit einer alternden Gesellschaft. In: Dirk Niebel (Hrsg.): Horizonte. Geschichte(n)der Zukunft, Liberal Verlag 2009, S. 111–124.
- Reverse – Mentoring-Impuls-Mentoring ,mit Digital Natives für mehr Innovation, mit Petra Bruns, Nomos Verlag, Baden-Baden 2018.
- Die Irritation der Gesellschaft durch den Lockdown 2021, Werner Bruns / Volker Ronge (Hrsg.), Verlagsgruppe Beltz, 2021, ISBN 978-3-7799-6682-1.
Literatur
- Sozialhilfe für Napoleon. In: Der Spiegel. Nr. 12, 1993, S. 56–69 (online – 22. März 1993).
Weblinks
- Literatur von und über Werner Bruns im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Institut METIS
- Werner Bruns, Markus Müller: Wider die Erstarrung. In: Neue Zürcher Zeitung. 4. Januar 2017, abgerufen am 28. April 2019.
- Werner Bruns, Markus Müller: Politische Korrektheit ist oft nicht mehr als zum Prinzip erhobenes Unvermögen. In: Neue Zürcher Zeitung. 3. Mai 2018, abgerufen am 28. April 2019.
- Maximilian Kettenbach, Florian Naumann: Wegen Chemnitz: Grünen-Chefin Baerbock lehnt Wagenknechts „Aufstehen“ ab. In: Merkur. 4. September 2018, abgerufen am 28. April 2019.
- idw-online.de
- https://www.stifterverband.org/pressemitteilungen/2017_12_15_hochschulperle_jung_digital_innovativ
- https://www.stifterverband.org/pressemitteilungen/2021_01_21_hochschulperle_des_jahres
Einzelnachweise
- ↑ Überreicht von Wolfgang Gerhardt im Jahr 2014, dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Friedrich-Naumann Stiftung und Ulrich Niemann, Leiter der Auslandsabteilung der Stiftung in Berlin. Ausgezeichnet wurde die Unterstützung der Stiftungsarbeit im Kontext der Auslands-und Inlandsarbeit.
- ↑ rfh-koeln.de Meldung zur Berufung und zur Vita (2016), Rheinische Fachhochschule Köln; abgerufen am 22. Juni 2022.
- ↑ Wiesbadener Grundsätze auf www.freiheit.org (PDF-Datei; 2,22 MB), siehe S. 59; abgerufen am 22. Juni 2022.
- ↑ Focus Magazin: Zehn Professoren schließen sich zu neuer liberaler Bewegung zusammen. In: Focus. Nr. 34, 17. August 2018 (focus.de).
- ↑ Werner Bruns: Zeitbombe Bürokratie: das Ende des bürokratischen Jahrhunderts. Ullstein, Berlin / Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-550-07068-3.
- ↑ Werner Bruns, Petra Bruns, Rainer Böhme: Die Altersrevolution. Aufbau Verlag, Berlin 2007, ISBN 3-351-02644-7.
- ↑ Soziologe warnt: Mit den 68ern geht wichtiger Schutz gegen faschistisches Denken verloren. In: Neue Osnabrücker Zeitung. 4. Juni 2018, abgerufen am 28. April 2019.
- ↑ Werner Bruns, Petra Bruns: Reverse-Mentoring: Impuls-Mentoring mit Digital Natives für mehr Innovation. 1. Auflage. Nomos, Baden-Baden 2018, ISBN 978-3-8487-5177-8.
- ↑ Werner Bruns, Volker Ronge: Die Irritation der Gesellschaft durch den Lockdown. 1. Auflage. Beltz Juventa, Weinheim / Basel 2022, ISBN 978-3-7799-6682-1.
- ↑ Heidelberger Elitestudie 04/05. In: Süddeutsche Zeitung. 11. Mai 2019.
- ↑ Jeder CSU Abgeordnete zählt sich zur Elite. In: Der Spiegel. 21. August 2014.
Personendaten | |
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NAME | Bruns, Werner |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Soziologe und Autor |
GEBURTSDATUM | 1954 |
GEBURTSORT | Hameln |