Kognitive Theorie des multimedialen Lernens
Die Kognitive Theorie des Multimedialen Lernens ist ein Instruktionsdesign zur Verknüpfung der Text- und Bildpräsentation von Lerninhalten.
Modell
Das SOI-Modell (Selection – Organisation – Integration) der cognitive theory of multimedia learning von Richard E. Mayer (2001) basiert auf folgenden Annahmen:
- das Arbeitsgedächtnis beinhaltet voneinander unabhängige, auditive und visuelle Komponenten zur kurzfristigen Speicherung von Information,
- jeder der Arbeitsgedächtnisspeicher hat eine begrenzte Kapazität. Diese Annahme ist nach Chandler/Sweller 1991 und Paas/Van Merriënboer 1994 mit der Cognitive Load Theory konsistent.
- der Mensch hat zwei separate Systeme für die Repräsentation verbaler und nonverbaler Informationen. Diese Annahme ist konsistent mit der "Dualen Kodierungstheorie" nach Paivio 1986.
- sinnvolles bzw. kumulatives Lernen (meaningful learning) findet dann statt, wenn der Lernende seine Aufmerksamkeit auf die relevanten Informationen richtet und diese in jedem Speicher selektiert, die ausgewählte Information in einem kohärenten, mentalen Modell kohärenter Repräsentationen organisiert sowie Verknüpfungen zu anderen kohärenten, mentalen Modellen herstellt und in das bereits bestehende Wissen integriert.
Beteiligte Prozesse
In diesem Modell sind fünf kognitive Prozesse zentral am Lernen beteiligt:
- Auswahl von relevanten Wörtern,
- Auswahl von relevanten Bildinhalten,
- Strukturierung der Textinhalte sowie Bildung eines kohärenten verbalen Modells,
- Strukturierung der relevanten Bildinhalte zu einem kohärenten bildhaften Modell und
- die Verknüpfung der Text- und Bildpräsentation sowie die Verknüpfung des neuen Wissens mit bereits erworbenem aus dem Langzeitgedächtnis.
Als weitere Annahme formulieren Mayer/Clark 2003 die Tatsache, dass neues Wissen bzw. Fähigkeiten aus dem Langzeitgedächtnis zurückgeholt werden müssen, um angewendet werden zu können und, dass metakognitive Fähigkeiten benötigt werden, um all diese Prozesse zu steuern.
Prinzipien
Die kognitive Theorie multimedialen Lernens wurde durch eine Vielzahl von Untersuchungen überprüft, was zu verschiedenen Prinzipien multimedialen Lernens führte
- Das Prinzip der dualen Kodierung (oder Multimediaprinzip) besagt, dass textuelle und bildliche Informationspräsentation den Wissenserwerb mehr fördert, als nur textuelle Informationspräsentation. Grafiken mit Text sind zur Veranschaulichung von Beziehungen besonders lernwirksam.
- Das Prinzip der räumlichen Nähe oder Kontiguitätsprinzip I. sagt aus, dass die räumlich benachbarte Darstellung textueller und bildlicher Informationen den Wissenserwerb mehr fördert als eine getrennte Präsentation von Texten und Bildern, demnach sollen zusammengehörende Worte und Grafiken nahe beieinander platziert werden.
- Das Prinzip der simultanen Darstellung oder Kontiguitätsprinzip II besagt, dass die gleichzeitige Präsentation bildlicher und textueller sprachlicher Informationen den Wissenserwerb mehr fördert, als die sukzessive Präsentation der gleichen Inhalte.
- Das Kohärenz-Prinzip sagt aus, dass interessante, aber für das Lehrziel irrelevante visuelle oder akustische Informationen, den Wissenserwerb reduzieren, d. h. anregendes Bildmaterial ohne didaktischen Wert beeinträchtigt die Lernleistung.
- Das Multimodalitäts-Prinzip oder Modalitätsprinzip besagt, dass die audiovisuelle Darstellung bildlicher und textueller sprachlicher Informationen den Wissenserwerb mehr fördert, als die nur visuelle Darstellung der gleichen Information. Demnach ist der Einsatz eines gesprochenen Textes zur Erläuterung eines Bildes besser, als ein geschriebener Text zu einem Bild.
- Das Redundanz-Prinzip sagt aus, dass die audiovisuelle Darstellung bildlicher und textueller Informationen durch Bild und Ton den Wissenserwerb mehr fördert, als die redundante Darstellung der gleichen Information durch Bild, Ton und Text. Auch kann die gleichzeitige Darstellung von geschriebenen und gesprochenen Text das Lernen beeinträchtigen.
- Das Prinzip der individuellen Unterschiede oder Personalisierungsprinzip besagt, dass eine persönliche Ansprache sowie pädagogische Agenten das Lernen unterstützen können. Außerdem wirken Designeffekte bei geringem Vorwissen der Lernenden mehr, als bei hohem Vorwissen, da Lernende mit hohem Vorwissen imstande sind, ihr Vorwissen dazu zu gebrauchen, Mängel der Instruktionsqualität auszugleichen.
Kritik
Als Hauptproblem des Ansatzes von Mayer (2001) kann die Tatsache erwähnt werden, dass – wie in vielen anderen ID-Theorien und Modellen (Instruktionsdesign) – keine motivationalen Aspekte des Lehrens und Lernens (wie z. B. das ARCS-Modell) Berücksichtigung finden. Aus diesem Grund versuchten Astleitner/Wiesner (2003) in ihrem Integrativen Modell Multimedialen Lernens sowie auch Astleitner/Pasuchin/Wiesner (2006), besonders die Komponente Motivation hervorzuheben, um Mängel der populären Kognitiven Theorie Multimedialen Lernens von Mayer auszugleichen. Eine weitere Ergänzung erfolgte durch Wiesner (2008), indem die Komponente Emotion (Emotionales Lernen) hinzugefügt wurde.
Siehe auch
Literatur
- Astleitner, H./Wiesner, C. (2003): An Integrated Model of Multimedia Learning and Motivation. Journal of Educational Multimedia and Hypermedia, 2003, 13(1), 3-21. Abstract online
- Astleitner, H./Wiesner, C. (2003): An integrated model of multimedia learning and motivation. Paper presented at EARLI (European Association for Research on Learning and Instruction) - conference. 26.8.-30.8., Padua, Italy.
- Astleitner, H./Pasuchin, I./Wiesner, C. (2006): Multimedia und Motivation – Modelle der Motivationspsychologie als Grundlage für die didaktische Mediengestaltung. Medienpädagogik. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung. http://www.medienpaed.com/
- Paul Chandler & John Sweller (1991): Cognitive Load Theory and the Format of Instruction. Cognition and Instruction Vol. 8 (1991), No. 4, Pages 293-332
- Clark, R. C./Mayer, R. E. (2003): E-learning and the science of instruction. Proven guidelines for con-sumers and designers of multimedia learning. San Francisco: Jossey-Bass/Pfeiffer.
- Doolittle, P. E. (2001): Multimedia Learning: Empirical Results and Practical Applications. http://www.ipfw.edu/as/tohe/2001/Papers/doo.htm (Memento vom 20. Februar 2006 im Internet Archive)
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- Mayer, R. E. (2001): Multimedia Learning. Cambridge: University Press.
- Mayer Richard E. & Roxana Moreno (2003): Nine Ways to Reduce Cognitive Load in Multimedia Learning. Educational Psychologist 2003 38:1, 43-52
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- Niegemann, H. M. (2004): Modelle des Instruktionsdesigns. Zu Möglichkeiten und Grenzen didakti-scher Hilfestellungen. In: Rinn, U./Meister, D. M. (Hg.): Didaktik und Neue Medien. Konzepte und Anwendungen in der Hochschule. Münster: Waxmann, 102-122.
- Niegemann, H. M./Hessel, S./Deimann, M./Hochscheid-Mauel, D./Asanski, K./ Kreuzberger, G. (2004): Kompendium E-Learning. Berlin: Springer.
- Niegemann, H. M. (2001): Neue Lernmedien. Konzipieren, Entwickeln, Einsetzen. Bern: Hans Huber.
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- Paivio, A. (1986): Mental representations: a dual coding approach. New York: Oxford University Press
- Wiesner, Christian (2008): Die Bedeutung der Emotionen in der Medienpädagogik. In: Blaschitz, Edith/Seibt, Martin (Hg.): Medienbildung in Österreich. Münster, Wien: LIT, S. 216–228.
- Wiesner, C./Astleitner, H. (2004): Einsatz von selbstinstruktionalen Texten: Die Inkonsistenz von Kognitiven, Motivationalen und Misch-Effekte beim Lernen mit Lehrtexten. In: Medienjournal 04/2004. Neue Lehr- und Lernformen in der Kommunikationswissenschaft, 64-71.