Bundesleistungsgesetz

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Basisdaten
Titel: Bundesleistungsgesetz
Abkürzung: BLG
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Erlassen aufgrund von: Art. 73 Abs. 1 Nr. 1, Art. 74 Nr. 14 GG
Rechtsmaterie: Wehrrecht
Fundstellennachweis: 54-1
Ursprüngliche Fassung vom: 19. Oktober 1956
(BGBl. I S. 815)
Inkrafttreten am: 9. November 1956
Neubekanntmachung vom: 27. September 1961
(BGBl. I S. 1769, 1920)
Letzte Änderung durch: Art. 27 G vom 23. Juni 2021
(BGBl. I S. 1858, 1972)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
1. Dezember 2021
(Art. 61 G vom 23. Juni 2021)
GESTA: E059
Weblink: Text des BLG
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Bundesleistungsgesetz (BLG) ist ein deutsches Gesetz aus dem Jahr 1956, das mit Geltung für das gesamte Bundesgebiet der Beschaffung von Naturalleistungen für die eigenen Streitkräfte im Verteidigungsfall dient (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BLG). Soweit die Leistungen zur beschleunigten Herstellung der Verteidigungsbereitschaft der Bundesrepublik notwendig sind (§ 1 Abs. 2 BLG), gehen sie auf die historischen Friedensleistungen der Zivilbevölkerung für das Militär zurück.[1]

Daneben erfüllt das BLG die Verpflichtungen des Bundes aus zwischenstaatlichen Verträgen über die Stationierung und die Rechtsstellung von Streitkräften der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland und der Französische Republik, den sich im Bundesgebiet ergebenden Bedarf insoweit sicherzustellen, als dies für die Erfüllung ihrer Verteidigungsaufgabe erforderlich ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 BLG). Diese Verpflichtungen gründen im Deutschlandvertrag, dem Aufenthaltsvertrag, dem Bonner Truppenvertrag vom 26. Mai 1952[2] und dem NATO-Truppenstatut.[3]

Mit Inkrafttreten des BLG wurde das Gesetz über die Sachleistungen für Reichsaufgaben (Reichsleistungsgesetz) vom 1. September 1939 aufgehoben.[4][5] Dieses war mit Beginn des Zweiten Weltkriegs an die Stelle des Gesetzes über Leistungen für Wehrzwecke (Wehrleistungsgesetz) vom 13. Juli 1938 getreten.[6][7]

Bedeutung

Das Bundesleistungsgesetz dient zusammen mit dem Schutzbereichgesetz und dem Landbeschaffungsgesetz der Versorgung der Streitkräfte mit Gütern und Leistungen im Verteidigungsfall im Rahmen des Prinzips der Gesamtverteidigung.[8]

Inhalt

Das Bundesleistungsgesetz ermöglicht es in § 2 Abs. 1 Nr. 1–10 BLG, eine Vielzahl von beweglichen Sachen, Funkanlagen, Fernsprech- und Fernschreibteilnehmereinrichtungen, aber auch Werkleistungen von natürlichen und juristischen Personen sowie Personenvereinigungen, außerdem Verkehrsleistungen von Eigentümern oder Besitzern von Verkehrsmitteln anzufordern. Voraussetzung ist, dass der Bedarf auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln gedeckt werden kann (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BLG).[9] Wenn wirtschaftliche Unternehmen leistungspflichtig werden, sind sachverständige Stellen der gewerblichen Wirtschaft (Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern) an dem Verfahren der Erteilung von Leistungsbescheiden zu beteiligen (§ 3 Abs. 3 Satz 3 BLG).[10][11]

Die Regelung ist wesentlich konkreter als § 3a des Reichsleistungsgesetzes, dem jede Begrenzung hinsichtlich des Leistungsgegenstands fehlte.[12]

Die zuständigen Anforderungsbehörden werden aufgrund der Ermächtigung in § 5 Abs. 1 BLG in einer Rechtsverordnung bestimmt.[13] Diese fordern die Leistungen in der Regel auf Antrag von Bedarfsträgern an, die die Leistung empfangen (§ 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1 HS 1, §§ 35 ff. BLG). Allgemeine Anforderungsbehören sind danach die Behörden der allgemeinen Verwaltung auf der Kreisstufe, Leistungsempfänger vor allem Bund, Länder und Gemeinden. Anders als im Reichsleistungsgesetz, nach dem die Wehrmacht die Leistungen selbst anforderte, sind Anforderungsbehörde und Leistungsempfänger im BLG nicht identisch.[14] Die Leistungen werden vielmehr durch Behörden der zivilen Verwaltung angefordert und empfangen. Leistungsempfänger in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 ist der auswärtige Staat, für dessen Streitkräfte die Leistung angefordert wird. Im Verteidigungs- oder Bündnisfall sind die Behörden der Bundeswehrverwaltung etwa für die Anforderung von Waffen und sonstigen Ausrüstungsgegenständen und Unterkunftsgeräten für Truppen zuständig (§ 5 Abs. 2 BLG).

Das Eigentum an einer Sache wird durch die Anforderung grundsätzlich nicht aufgehoben. In Zweifelsfällen wird gem. § 11, § 13 BLG bei nichtverbrauchbaren Sachen angenommen, dass nur eine Überlassung zum Gebrauch, zum Mitgebrauch oder zur sonstigen Nutzung verlangt wurde, während die Vermutung bei verbrauchbaren Sachen dahin geht, dass durch die Anforderung die Sache enteignet werden sollte.[15]

Für die Anforderung wird durch die Anforderungsbehörden eine Entschädigung oder Ersatzleistung (Abgeltung) gezahlt (§ 20, § 26, §§ 49 ff. BLG). Da es sich immer um Schäden handelt, die durch einen rechtmäßigen Eingriff der Hoheitsgewalt entstehen, wäre der Ausdruck „Schadensersatz“ unzutreffend.[16] Für Körper- und Gesundheitsschäden gelten die §§ 843 bis 846 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß (§ 28 Abs. 2 BLG).

Gegen den behördlichen Festsetzungsbescheid ist Klage zum zuständigen Landgericht zulässig (§ 58 BLG).

Rechtspolitik

Ob der Bedarf der modernen Streitkräften des 21. Jahrhunderts durch Zugriff auf die Sicherstellungs- und Vorsorgegesetze, darunter das Bundesleistungsgesetz, noch gedeckt werden kann, analysiert seit Oktober 2020 ein Projektteam an der Führungsakademie der Bundeswehr.[17][18]

Trivia

Das Sonn- und Feiertagsfahrverbot gilt nicht für Fahrten mit Fahrzeugen, die nach dem Bundesleistungsgesetz herangezogen werden. Dabei ist der Leistungsbescheid mitzuführen und auf Verlangen zuständigen Personen zur Prüfung auszuhändigen (§ 30 Abs. 3 Nr. 7 StVO).

Literatur

  • Ernst Oestreicher: Bundesleistungsgesetz. Kommentar. München, 1957.
  • Heinrich von Spreckelsen: Bundesleistungsgesetz: mit den ergänzenden Verordnungen und Verwaltungsvorschriften sowie dem Gesetz über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft. Köln, 1957.
  • Botho Bauch, Bernhard Danckelmann: Kommentar zum Bundesleistungsgesetz. Stuttgart, Kohlhammer 1959.
  • Reinhold Weber: Das Bundesleistungsgesetz im Bereich der Bundeswehr. R. v. Decker's Verlag, G. Schenk Heidelberg, 1963. ISBN 978-3-7685-3587-8.
  • Kurt Egon Turegg: Leistungsrecht. In: Erwin Kraus (Hrsg.): Lehrbuch des Verwaltungsrechts. De Gruyter, 4., neubearb. Aufl. Reprint 2017, S. 631 ff.

Einzelnachweise

  1. vgl. Militärlasten. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 823. zeno.org, abgerufen am 29. August 2022.
  2. Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland (Truppenvertrag). Zusammenstellung des Deutschlandvertrages und seiner Zusatzverträge — Bundesgesetzbl. 1954 II S.57 ff. — mit den fünf Änderungslisten des Pariser Protokolls, S. 20 ff.
  3. vgl. Entwurf eines Bundesleistungsgesetzes. BT-Drs. II/1804 vom 21. Oktober 1955, S. 20.
  4. RGBl. I S. 1645
  5. vgl. § 83 BLG in der Fassung vom 19. Oktober 1956.
  6. RGBl. I S. 887
  7. Verordnung zur Änderung des Wehrleistungsgesetzes vom 1. September 1939, RGBl. I S. 1639
  8. vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Rahmenrichtlinien für die Gesamtverteidigung - Gesamtverteidigungsrichtlinien vom 10. Januar 1989. Bonn, Dezember 1989, S. 64.
  9. vgl. Panne passiert. Der Spiegel, 8. Januar 1978.
  10. vgl. Rechtsverordnung über die Beteiligung sachverständiger Stellen der gewerblichen Wirtschaft an dem Verfahren der Erteilung von Leistungsbescheiden vom 13. Dezember 1962.
  11. Bedarfsdeckung der Bundeswehr nach dem Bundesleistungsgesetz. Stellungnahmen von Firmen des IHK-Bezirks Solingen 1976–1977. Stadtarchiv Solingen, Deutsche Digitale Bibliothek.
  12. vgl. Bayer. Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 27. November 1948, abgedruckt im Bayer. Gesetz- und Verordnungsblatt 1949 S. 39 ff.
  13. Anforderungsbehörden- und Bedarfsträgerverordnung (ABV) vom 12. Juni 1989, BGBl. I S. 1088
  14. BT-Drs. II/1804 vom 21. Oktober 1955, S. 24.
  15. BT-Drs. II/1804 vom 21. Oktober 1955, S. 26.
  16. BT-Drs. II/1804 vom 21. Oktober 1955, S. 30.
  17. Verteidigung ist auch Gesetzessache. bundeswehr.de, 25. Februar 2021.
  18. vgl. auch Greta Böckmann: Die öffentliche Beschaffung der Bundeswehr: Rechtsrahmen und Gestaltungsmöglichkeiten im Aufgabenwandel. Hamburg, Univ.-Diss. 2018.